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V

Es war eines Abends im Klub, als ihn jemand von hinten fragte, während er in einer Zeitung blätterte:

– Na, wie steht es um Eveline?

– Um wen? fragte Laue sich umsehend.

– Na, um Frau Eveline Tismar. Bis zum Vornamen sind Sie, scheint mir, also noch nicht vorgedrungen? Wir haben alle längst das wohlerworbene Recht, einfach Frau Eveline zu sagen. Der Name Tismar ist nicht sehr beliebt.

Helmuth Ivers fragte ihn so, am Dienstag abend, während er ihm die Hand bot. Er hatte die Frage ganz ruhig gestellt ohne einen Hintergedanken offenbar. Es lag keine Veranlassung vor, deshalb irgendwie ungehalten zu sein. Aber es ärgerte ihn doch, so einfach: Eveline, und die Frage überhaupt.

– Sind noch nicht viel weiter gekommen, was? ... Na, wir sehen uns ja Donnerstag bei der schönen Frau, habe ich gehört. Nur nicht locker lassen. Sie sollten uns alle an der Spröden rächen. Ich habe ja nicht die Ausdauer. Ich lasse mich immer gleich so vergrämen. Zum Ritter Toggenburg bin ich nicht geschaffen, – und was mir nicht auf den ersten Streich zufällt, das interessiert mich nicht mehr. Darin bin ich komisch. Die meisten Menschen reizt der Widerstand, – mich schreckt er einfach ab, und ich spiele nicht mehr mit, wenn ich darauf stoße.

– Machen Sie das nur in der Liebe, oder in allen Dingen des Lebens?

– Ich fürchte sehr, in fast allen Angelegenheiten. Ich habe leider keine Energie, durchzuhalten.

– Merkt man Ihnen so nicht an.

– Man ist eben ein guter Schauspieler, sonst käme man im Leben überhaupt nicht weiter.

– Na, bei mir ist es umgekehrt. Wenn ich mir mal etwas in den Kopf gesetzt habe, dann lasse ich so leicht nicht wieder locker. Da heißt es: durchhalten! bis ich am Ziel bin.

– Dann können wir uns ja was erwarten.

– Da denke ich, Sie doch wohl zu enttäuschen. Nur, wo es sich lohnt, setze ich alles dran.

– Und Sie meinen doch nicht etwa, daß es sich um Eveline nicht lohnt? Erlauben Sie mal!

– Das will ich nicht sagen, denn ich weiß es ja einfach nicht. – Das völlig Unbekannte kann man nicht beurteilen. Also!

– Nun, so ganz unbekannt ist einem eine Frau nicht, wenn man sich nur ein bißchen für sie interessiert. Das Äußere täuscht ja manchmal, aber ganz irre geht man doch nicht, wenn man sich nur ein wenig auf die Frauen versteht. Ich finde, um Frau Eveline lohnt sich die Mühe. Ihr gegenüber hätte ich vielleicht all meine Energie wiedergefunden, wenn ich ihr in einer freien Zeit begegnet wäre, aber unglücklicherweise war ich damals grade stark besetzt, und da hat es sich schon dadurch nicht weiter gemacht.

– Sie Ärmster! ...

– Ja, hinterher hat es mir immer leid getan. Ich habe da, glaube ich, doch etwas verpaßt, was sich nie wieder einholen läßt.

– Und Sie meinen, nun ist es vorbei?

– Aber definitiv! sage ich Ihnen. Na, nun sind Sie ja da. Also meinen Segen gebe ich Ihnen. Aber ein Stück heimlichen Neides steckt doch in mir, kann ich Ihnen sagen.

– Ich verstehe immer Neid. Auf was nur? ... daß ich mir gleichfalls eine Abfuhr hole? Ich glaube, es ist mehr Schadenfreude als sonst was.

– Durchaus nicht.

– Mir scheint doch ein wenig. Aber deshalb keine Feindschaft. Wir verstehen uns ja wohl.

– Das will ich meinen. –

Aber trotzdem blieb ein Stachel bei Kurt Laue zurück.

Ihm schien: sie alle nahmen die Beziehungen zu Eveline Tismar ein wenig sehr von der leichten Seite.

Nahm er selbst sie denn ernster?

War er nicht um Eveline eine Wette eingegangen, die man unter ernsthaften Männern nicht wohl eingehen konnte?

Ihn ärgerte jedes Wort, das er über Eveline hörte, als habe er über sie zu wachen, und sei ihr Hüter. Da schien bei ihm irgend etwas nicht ganz in Ordnung zu sein.

Das Bild vom Badestrande hatte er schon hundertmal immer wieder hervorgeholt, denn sein erstes war gewesen, daß er es in den Tiefen seines Schreibtisches versteckt hatte, wo es niemand je finden konnte.

Ob sie sich noch einmal erinnern würde? oder ob sie das Kuvert, so wie sie es aus der Hand gelegt, wieder fortgetan hatte, ohne noch einmal einen Blick hineinzuwerfen, und ohne sich zu besinnen, wie er ihr das Bild weggenommen hatte?

Er wünschte sehr, daß sie nicht mehr darauf zurückkam, und er nicht gezwungen wurde, es wieder abzuliefern. Wenn sie aber die Photographie wiederhaben wollte, dann hatte es immer noch Zeit, bis er die rechte Gelegenheit fand, sie ihr persönlich in die Hand zu geben, denn mit der Post würde er das Bild gewiß nicht schicken. Das ging nicht.

Also damit hatte es noch eine Weile Zeit, und vielleicht konnte er es ganz behalten, hoffte er.

Und das erfüllte ihn mit einer Genugtuung, die ihn sehr froh stimmte.


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