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XV

Paul Bröse hatte sich ein Auto gewinkt und nahm Mandy mit, der sehr still war.

– Ihnen geht wohl was durch den Kopf, fragte der Justizrat.

– Ja, sagte er, mir ist da was eingefallen. Wissen Sie, das Leben bietet einem doch eine solche Fülle von Anregungen, nicht so direkt, aber man kommt immerhin auf allerhand Gedanken dabei. Und das ist eigentlich das Erfreuliche, daß man nicht wie ein Photograph die Geschehnisse abschreibt, sondern sie fein ausgestaltet.

– Und dabei sind Sie augenblicklich, scheint mir.

– Ganz recht! Dabei bin ich zur Zeit.

– Hoffentlich wird was daraus.

– Kann schon sein. Wenn ich erst mal auf der rechten Fährte bin. Aber wenn nicht, dann hat es mir wenigstens was gegeben. So wie ich mir das Leben denke.

– Wie Sie sich das Leben denken. Ganz recht, das ist das Geheimnis, daß man sich selbst das Leben denkt, wie man es gern haben möchte, und diese Gedanken sind meist das Schönste daran. Und wenn das Leben einem dann den Gedanken zur Wirklichkeit macht, ist es um so erfreulicher, und man ist doppelt dankbar dafür.

Sie wurden beide nach vorn geschleudert, denn das Auto bremste plötzlich stark, und um Haaresbreite hätte es einen Zusammenstoß gegeben mit einem Wagen, der lautlos aus der Querstraße gejagt kam. Der Chauffeur mußte absteigen und neu ankurbeln, und erst nach einer Weile hatte er seinen Wagen, der dicht vor einem Laternenpfahl stand, so weit, daß sie weiterfahren konnten.

– Das fehlte gerade noch, sagte Bröse. Das wäre mir doch sehr ungelegen gekommen. Ich danke schön.

– Haben Sie so was Wichtiges vor?

Eine Weile schwieg Bröse, dann sagte er lachend:

– Sogar was sehr Wichtiges. Und hoffentlich gelingt es diesmal.

Und da Mandy den Kopf neugierig hob, fügte er hinzu:

– Es hängt mit der großen Transaktion der Halla-Gesellschaft zusammen, die nun unter Dach und Fach ist. Nun kann man einmal wieder aufs Ganze gehn.

– Gratuliere!

– Nur nicht zu früh. – Es kann noch immer was dazwischen kommen. Man soll nie zu früh frohlocken. Aber es wird schon werden, denke ich. Und da soll es an Sekt nicht fehlen, zu Sevekes und Wiludas Vergnügen, denn die beiden Schlemmer denken ja doch nur an ihren Magen. Also, hier setze ich Sie wohl ab. Lassen Sie sich den vergnüglichen Abend gut bekommen. Mir ist sehr wohl zumute gewesen dabei.

*

Laue hatte die Fenster weit geöffnet, daß der Qualm der Zigarren aus den Zimmern ging, während das Mädchen die Gläser und die Aschenschalen zusammensuchte. Dann schickte er sie schlafen. Aber er selber ging noch nicht ins Bett.

Das Benehmen von Paul Bröse irritierte ihn. Der tat ja gerade so, als habe er ihm heute persönlich ein Geschenk mit dem Toast gemacht.

Dieses Fest, das er ihnen heute gegeben, war wohl doch eine Dummheit gewesen. Er hätte gescheiter getan, besser von der ganzen Sache nichts mehr zu reden, gar nicht so zu tun, als ob je etwas gewesen war. Sie konnten ihm ja selber kommen und ihn mahnen.

Daß er aus freien Stücken sie zu sich geladen hatte, war doch wohl nicht der geeignete Weg gewesen. Nun war es geschehn und nicht mehr zu ändern.

Aber die Art Paul Bröses gefiel ihm nicht. Warum lächelte der nur immer so stillvergnügt vor sich hin? Schadenfreude war es nicht, das wußte er. Mehr wie ein Ausdruck der Genugtuung, daß nun wieder freie Bahn für ihn war. Das sollte es wohl bedeuten.

Sollte er dem älteren Herrn jetzt das Feld überlassen? – Er war nicht aufgelegt dazu. Jetzt konnte der eigentliche Wettstreit erst beginnen.

Nur der Vorfall auf der Straße, – wenn der nicht gewesen, wenn sich die Geschichte wenigstens im Zimmer abgespielt hätte, da hätte er einfach nach ihr gegriffen und sich die rechte Antwort einfach auf ihren Lippen geholt. Da mußte sie dann Farbe bekennen, und ihm mit klaren Worten sagen, was sie gegen ihn auf dem Herzen hatte.

Mußte er ihr auch gerade auf der Straße entgegentreten. Vom Glück begünstigt war er nicht.

Er setzte sich an das offene Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Ein ganz feiner Regen hatte eingesetzt, Nebel hing in der Luft, daß die Laternen wie von großen roten Kugeln umgeben schienen. Und feucht-warm drang es durch das offene Fenster in das Gemach.

Wo mochte sie jetzt sein? War sie nun zu ihren Freunden aufs Land gegangen, wie der Gärtner ihm gesagt hatte?

Er hätte ja nur Hellesen zu fragen brauchen, aber dazu hatte er doch nicht den Mut gefunden.

Oder war sie noch in Berlin, und er konnte ihr jeden Tag wieder begegnen. Was sollte nur weiter werden, nach dem, was sie ihm angetan hatte?

Und wie würde sie sich zu ihm stellen, wenn sie sich in Gesellschaft wieder begegneten? Denn das geschah doch sicher eines Tages. Bei Hellesens oder sonstwo.

Sollten sie fremd zueinander tun? ... Sollte einer von ihnen die Gesellschaft verlassen, weil sie nicht die Luft in dem gleichen Zimmer miteinander atmen wollten? – Oder was würde geschehen? ...

Er konnte es sich nicht vorstellen.

Aber einfach abgetan war es noch nicht. Und sie sollte ihm eines Tages doch Rede stehn, was sie denn zu ihrem so unerhörten Vorgehn gegen ihn veranlaßt hatte.


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