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II

In dem gelben Musiksalon, wo die Diener den schweren Teppich aufgenommen hatten, standen die Herren an den Wänden und in den Türen, während den Damen Stühle hingeschoben waren, auf deren Lehne hie und da eine Männerhand lag.

Eugen Wiluda warf die strohblonden Haare mit seiner charakteristischen Bewegung zurück, die auch dem Fremden gleich verrieten, daß er Pianist sein mußte, griff, während er den Saal überflog, und hie und da einem erwartungsvollen Blicke begegnete, prüfend in die Tasten, und als die Diener die Türen geschlossen hatten, sah er zu Klara Bessin auf, die mit schon wogendem Busen die Noten in Händen hielt, und als sie ihm zunickte, setzte er sich noch einmal zurecht, und dann begann er.

Ein neues Lied, noch im Manuskript, das er dem Freundeskreise, wie all seine Schöpfungen zuerst vorführte.

Eine kurze Einleitung, und die Stimme der Bessin in ihrer kraftvollen Wärme flutete durch den Raum, erfüllte die Luft mit einer so zitternden Glut, daß man die Augen schließen mußte, wie unter einer Hypnose. Eine leidenschaftliche Klage erhob sich aus diesen Tönen, die man dem Komponisten, der da in seiner behäbigen Fülle am Flügel saß, gar nicht zugetraut hätte.

Das etwas leere Gesicht, von den langen, strähnigen blonden Haaren umrahmt, die so was Ausgewaschenes hatten, das an den Strand des Meeres erinnerte, bekam mit einemmal eine Durchgeistigung, daß man das Gefühl hatte, als wenn er in diesem Augenblicke aus sich heraus diese gewaltigen Töne schuf, deren Zauber man sich nicht entziehen konnte.

Vor den halbgeöffneten, buntverglasten Fenstern, von denen man in den Speisesaal hinunterblicken konnte, in dieser Nische, die ganz von einem sich halbkreisförmig wölbenden Divan ausgefüllt wurde, vor dem ein Bouletisch mit einer hohen Porzellanvase stand, saß neben Frau Hellesen und Beate Mochow, ein wenig abgerückt, Frau Eveline Tismar, die schlanken Hände im Schoße zusammengelegt, den Kopf mit dem vollen Haar zurückgelehnt, das einen bronzeroten Ton hatte, von dem niemand zu sagen wußte, ob diese Farbe echt war, oder ob sie ein wenig nachgeholfen hatte, um diesen Metallglanz herauszubekommen.

Sie hatte die Augen niedergeschlagen, und die Züge ihres blassen Gesichtes schienen wie ohne alles Leben. Aber am Zucken des Mundes, und an dem leisen Schlag der Augenlider sah man, daß sie sich ganz der Musik hingab, daß sie bereit war, die Töne zu empfangen. Nicht wie Ihre Freundin Magda Hellesen, die ihre Augen beständig im Kreise herumgehen ließ, um zu sehen, wie die Musik Eugen Wiludas auf ihre Gäste wirkte. Das allein war ihr wichtig.

Sie spielte selber wohl zuweilen, aber eine innere Beziehung hatte sie nicht zur Musik gefunden. Ihr kam es allein auf die Wirkung für die Besucher ihres Hauses an, und ob Fritz Hellesen auch zufrieden war, daß alles geklappt hatte. Und das war bisher heute wohl der Fall gewesen, deshalb saß sie so zufrieden auf dem Sofa, zwischen der unruhigen Beate Mochow, mit ihren weizenblonden, wirren Haaren, und der stillen Eveline, die die Außenwelt ganz vergessen hatte, und mit geschlossenen Augen die Musik einsog.

Sie hätte ihr so gern etwas gesagt, wie sich Agnes Karsch heute wieder angezogen, oder besser ausgezogen hatte, – hätte sie gern aufmerksam gemacht, wie drüben der kleine Elbing die Augen nicht von Frau von Gerdern ließ, mit der sie ihn vor ein paar Tagen am Pragerplatze getroffen hatte, wo sie doch beide schwerlich am Vormittag um zwölf Uhr etwas zu suchen hatten.

Aber wie sie ihre Nachbarin ansah, traute sie sich nicht, den Mund aufzumachen, auch sah sie drüben ihren Mann stehen, und da schwieg sie wohlweislich, denn sie wußte, wie böse er werden konnte, wenn man einen Künstler störte. Und Wiluda war darin ganz besonders empfindlich. Er konnte ohne weiteres sein Spiel abbrechen, und aufstehen, wenn er auch nur einen fremden Laut hörte.

Nun sah sie drüben an der Tür, neben ihrem Manne Kurt Laue stehen. Um den mußte sie sich hernach noch ein wenig kümmern, man hatte zwar auf ihn vor Tisch warten müssen, er war als letzter der Gäste gekommen, aber sie wußte, daß er heute einen großen Prozeß gewonnen hatte, der seit einiger Zeit Tagesgespräch war. Die Verteidigung eines Großkaufmanns, der sich gegen eine der vielen neuen Verordnungen vergangen haben sollte, und seit Wochen in Untersuchungshaft gehalten wurde.

Die Abendzeitungen brachten sein ausführliches Plädoyer, das glänzend gewesen sein sollte, so daß mit einem Freispruch sicher gerechnet wurde, weil alle Anschuldigungen auf den Neid der Konkurrenz zurückzuführen waren.

Sie war sehr stolz darauf, daß er heute Abend bei ihnen erschienen war. Ihr Mann hielt große Stücke auf ihn und kannte ihn seit langem.

Er sollte ein bißchen Windhund sein, verstand zu leben, und man erzählte sich mancherlei von ihm. Die Frauen sprachen alle voller Neugier von ihm, Beate Mochow hatte ihn durchaus zum Tischherrn haben wollen, aber er war zum ersten Male im Hause, und er hatte sie selber zu Tisch geführt, und neben ihn hatte sie Elsbeth Mandy gesetzt. Die war zwar keine Schönheit, aber eine so amüsante Plauderin, daß man ihr Gesicht rasch vergaß, und die etwas zu dick geratene Nase völlig übersah. Und sie hatte sich nicht getäuscht, er hatte weit mehr mit seiner Nachbarin geplaudert, von der man sagte, daß ihr Bruder ihr sehr viel zu verdanken hatte, weil sie ihm allen Klatsch der Gesellschaft zutrug. Die belegte ihn mit Beschlag, daß er sich nicht allzuviel mit ihr selber befassen konnte.

Das hatte sie sehr gern, wenn man sie in ihrer Eigenschaft als Herrin des Hauses, mit allzu eifriger Konversation in Ruhe ließ, damit sie ihre Augen überall haben konnte, damit ihr auch nichts entging, und Fritz keinen Anlaß fand, mit ihr abzurechnen.

Wenn auch ihre Mädchen und immer die gleichen Diener seit Jahren im Hause zu den Gesellschaften glänzend gezogen waren, so hieß es doch, seine Augen überall haben, damit keine Dummheiten passierten.

So hatte sie Laue gern seiner Nachbarin überlassen. Sie kannte ihn lange genug.

Sehr gut sah er aus. Der Frack saß ihm tadellos. Er hatte recht, ihn zu tragen, obwohl die meisten im Smoking erschienen waren, wie das bei den kleineren Gesellschaften bei ihnen üblich war.

Tadellos sah er aus. Das bartlose feingeschnittene Gesicht, kein Augenglas, sondern sehr helle, offenbar ausgezeichnete Augen, die alles sahen.

Und diese Augen hatten sich jetzt auf sie gerichtet, wie sie meinte. Sie war doch nicht mehr eitel genug, um zu glauben, daß er nur zu ihr herüber sah. Gewiß galt es Beate, die heute noch gar nicht mit ihm zusammen gekommen war, weil sie von Werner Bry nicht losgelassen wurde.

Die warf ihm bedeutungsvolle Blicke zu, aber er schien das gar nicht zu bemerken. Ihr galt seine Aufmerksamkeit also doch wohl nicht so ganz. Blieb nur Eveline.

Aber die saß selbstvergessen neben ihr und war ganz Ohr. Sah nicht einmal auf. Sie hatte wirklich nicht viel für die Männer über, wie Beate immer behauptete, und es stimmte ein wenig, daß ihr der Sinn für die Liebe abgehe.

Und dabei war sie eine der besten Gesellschafterinnen, hatte immer einen ganzen Schwarm von Verehrern um sich, die sie sich vom Leibe halten mußte, wie sie lachend sagte, weil sie sich blitzwenig aus ihnen machte. Sie flirtete anfangs wohl ein wenig mit ihnen herum, dann verlor sie regelmäßig die Lust, und ließ sie fallen.

Die meisten ließen sich auch wohl dadurch abschrecken, daß wie ein Wachhund der Justizrat Bröse immer dabei stand, bereit, auf jeden loszugehen, der sich zu sehr näherte. Er war schon mit ihrem Manne befreundet gewesen, und man meinte, er vollziehe eine Art Vermächtnis, wie er auch die Verwaltung des Vermögens unter sich hatte, und alle Geschäfte der Fabrik, die ihr geblieben war, für sie besorgte. In dem Testamente sollte eine Klausel sein, daß sie bei einer Wiederverheiratung alles verlieren würde.

Nur so vermochte sie sich zu erklären, daß Paul Bröse, der trotz des Justizrats noch einer der Lebendigsten war, sie nicht längst heimgeführt hatte.

Er war solange Junggeselle geblieben, daß er nun vielleicht nicht den rechten Mut mehr dazu aufbrachte, es zu ändern.

Ihr Blick ging von ihm zu Kurt Laue.

Der paßte eigentlich anders zu Eveline – als der schnurrbärtige Paul Bröse, dem man eine sonderliche Eleganz nicht gerade nachsagen konnte.

Auch dessen Blicke richteten sich auf die Fensternische hier, statt daß sie sich um die Sängerin kümmerten, die mit ihrem Liede noch immer alles beherrschte.

*

Ein langgezogener Schlußakkord, dann ein paar Augenblicke Stille, und nun erhob sich alles, wie sich der Komponist vom Flügel erhob. – Und mit einem etwas selbstbewußten Lächeln nahm er die Lobsprüche in Empfang, die ihm von allen Seiten dargeboten wurden.

Dann bekam auch Klara Bessin ihren Anteil am Beifall. Nur Fritz Hellesen hatte ihr zuerst gedankt, und ihr die Hand geküßt, freilich erst, nachdem er sich überzeugt hatte, daß es Wiluda nicht auffiel, der sonst gewiß nicht grade erbaut davon gewesen wäre. Er kannte ihn zu gut. Und doch dachte er bei sich, daß ohne die Kunst der Bessin die Lieder nie diese Wirkung haben würden.

Eigentlich hatte Klara Bessin noch weiter singen wollen, aber sie verständigte sich rasch mit dem Hausherrn, daß das jetzt nicht angebracht war, denn die Gesellschaft war durch die leidenschaftlichen Lieder aufgewühlt, und es hatte wohl wenig Zweck, diese Stimmung zu zerstören.

Man ging in den großen Parterresaal hinunter, wo die Türen zum Garten geöffnet waren, der sich rings um das Haus breitete, und von dem es kühl hereinwehte.

Uralte Bäume, die sich aus dem Rasen erhoben, blühende Büsche und wohlgepflegte kleine Grasflächen, mit Beeten rotblühender Geranien.

Ganz schmale Wege, in denen eben zwei Menschen nebeneinander gehen konnten, und auf denen nun die Gesellschaft promenierte, während der Mond durch die rasch dahineilenden Wolken zog.

Es war kein Licht im Park, nur der Wiederschein aus den Fenstern der Villa fiel auf die Bäume und Büsche.

Kurt Laue hatte Frau Eveline nicht einen Moment aus den Augen gelassen.

Er hatte sie immer angestarrt und sich gesagt:

Diese Frau willst du dir erringen. Du mußt! denn du hast dich dazu verpflichtet. Jedesmal aber wenn sein Blick auf Paul Bröse ruhte, sagte er sich: Geh zu ihm hin und sag ihm, daß diese ganze Geschichte ein Unsinn, wenn nicht gar etwas Schlimmeres ist. Es war alles nur ein dummer Scherz, eine Laune, wie sie einem nach einem guten Diner in der Weinlaune kommen mag, nichts weiter sonst.

Ernsthafte Menschen konnten doch solch eine Kinderei nicht weiter fortsetzen.

Aber dann sah er Sie drüben neben der Frau Hellesen und dicht bei der blonden Beate Mochow sitzen, die ihm so komische Augen machte. Wenn er diese Frau Tismar genauer betrachtete, sagte er sich, daß es sich immerhin lohnte, einmal den Versuch zu wagen. Zu verlieren hatte er ja nichts dabei. Schlimmsten Falles ging es ihm eben, wie den andern vor ihm. Und das war keine Schande.

Sein Herz ging schneller. Und er stellte sich vor, wie es sein müßte, wenn er diesen Kopf mit den seltsam schimmernden Haaren zwischen seinen Händen hielt, wenn er diese schlanke Gestalt an sich zog, wenn er ihre Lippen fand, die es wahrscheinlich versuchen würden, sich ihm zu entziehen.

Nein, so rasch gab man einen Plan nicht auf, der ja gar nicht von ihm ausgegangen war, den die andern ausgeheckt hatten, die ihn in dies Abenteuer hineingetrieben, und die nun warteten, daß er ihnen den Rang ablaufen sollte. Als Sieger aus diesem Versuch hervorzugehn, müßte freilich köstlich sein.

Weshalb also hatte er noch Bedenken? Aber wenn er sie ansah, die da ahnungslos auf dem Diwan gesessen, ganz gefangen von der Musik, tat sie ihm leid, und er fand: es sei ein Frevel, solch ein Spiel mit einer Frau zu treiben. Gleich nachher würde er das dem Justizrat erklären, daß er gar nicht daran dachte, diese Wette zum Austrag zu bringen.

Wie konnte er den alten Freund auch so kränken, daß er es nicht sofort mit aller Energie abgelehnt hatte.

Aber er hatte von seinem Privatleben nur wenig gewußt, nicht gewußt, daß er mit dieser jungen Frau schon seit langem befreundet war. Daß sie ihm vielleicht viel mehr war – als wie die Welt ahnte.

Er hatte gefühlt, wie peinlich ihm die ganze Geschichte war, an der er freilich selber Schuld hatte, denn er war es gewesen, der den Namen Eveline Tismar in die Unterhaltung mit hineingezogen hatte, als sie da auf der Schwelle des Herrenzimmers erschienen war. Da erst hatte er sie richtig angesehen.

Und schon hatte er gewußt, daß diese Frau ihm nicht gleichgültig bleiben würde. Bei Tisch hatte er sie nur von weitem einmal bemerkt, aber dann hatte es ihn nicht gelassen, und er hatte immerwährend darüber nachgesonnen, wo er dies Gesicht schon einmal gesehn hatte.

Endlich war ihm eingefallen, daß es in Kissingen gewesen sein mußte. Draußen bei der Saline war er ihr mit einem Herrn begegnet, der ihm gar nicht gefallen hatte. Das war wohl ihr Mann gewesen.

Er hatte damals schon gehofft, sie wiederzusehn, aber sein Bekannter reiste am folgenden Morgen ab, und er war dem Paare nicht wieder begegnet. Und als er endlich ihren Namen und Aufenthalt ermittelt hatte, waren sie mit dem Auto auf ein paar Tage nach Rothenburg gefahren, und dann ging sein Urlaub zu Ende.

Aber auf den ersten Blick wußte er, daß er dieses feine Gesicht mit den schöngeschwungenen Lippen schon gesehen.

Das Hübscheste an ihr waren entschieden diese feingezeichneten Lippen, so scharf mit dem festabgesetzten Bogen, mit einem zarten schrägen Strich in den Mundwinkeln, wie ein Schlußzeichen.

Ungeküßte Lippen, kam ihm in den Sinn.

Das war freilich kein verküßter Mund, das sah man auf den ersten Blick. Aber sie war ja verheiratet gewesen, und von ungeküßten Lippen konnte man nicht gut sprechen. Vielleicht hatte sie auch ein paar Kinder. Konnte man das wissen? Bei Frauen konnte man sich ja so täuschen. Er mußte sich gleich einmal erkundigen.

Aber nun hatte er das Glück, daß er sie am Ausgange zum Garten traf. Sie stand mit Beate Mochow, die rasch auf ihn einsprach, daß er gar nicht zu Worte kam. Aber dann war Beate Mochow von einem Herrn, sehr gegen ihren Willen, mit Beschlag belegt, dem er sehr dankbar dafür war, und so blieb er mit Frau Eveline allein.

Die anderen waren schon in den Wegen verschwunden, sie beide standen noch unter der säulengetragenen Terrasse, und er wußte eigentlich nicht, ob er es wagen konnte, dieser ihm doch noch ganz unbekannten jungen Frau vorzuschlagen, mit ihm in den dunklen Park zu gehen.

Sie befreite ihn rasch von seinen Zweifeln, indem sie voraus ging und von den Steinfliesen auf den Gartenkies trat, daß er nun rasch an ihrer Seite war.

Aber ein Gespräch wollte nicht so leicht von statten gehn. Er hatte keinen Anknüpfungspunkt, wollte schon von Paul Bröse anfangen, aber dann schien es ihm ziemlich taktlos, weil er nicht wußte, wie die beiden zueinander standen.

Deshalb fragte er sie nach Beate Mochow, und sie lachte und sagte:

– Haben Sie sich schon in ihren wirren blonden Haaren gefangen?

– Durchaus nicht.

– Das wird ihr aber gar nicht gefallen. Ich glaube, sie sähe es gern; denn wenn Sie nicht eitel sind, will ich Ihnen nur verraten, daß sie sich für Sie sehr zu interessieren scheint. Wenigstens hat sie mir schon alles mögliche von Ihnen erzählt, was ich bisher nicht wußte. Ich lese Zeitungen fast gar nicht, Gerichtssachen lassen mich ganz kalt, und das ärgert eigentlich meinen Freund Bröse ziemlich. So habe ich denn von Ihren Erfolgen gar nichts gewußt. Sie sehen, ich bin sehr ehrlich. Aber mir ist es nicht gegeben, hohle Schmeicheleien zu sagen.

– Das hätte ich Ihnen auch gar nicht zugetraut. Ich finde es so dumm, wie eben, wo man dem Wiluda so die hahnebüchen groben Lobsprüche ins Gesicht sagt. Das muß doch einem feinempfindenden Menschen mehr als peinlich sein.

– Künstler sind darin wohl anders besaitet. Künstler und gewisse Frauen, die es vertragen, daß man ihnen so die Komplimente einfach direkt ins Gesicht wirft.

– Sie mögen das nicht?

– Mögen ist kein Ausdruck. Ich finde es albern.

– Wäre es Ihnen auch unangenehm gewesen, wenn ich Ihnen vorhin, als Sie von blonden Haaren sprachen, erwidert hätte, daß mir eine andere Farbe weit besser gefällt?

– Da Sie nur hypothetisch sprechen, brauche ich darauf wohl nicht zu antworten. Ganz gleichgiltig ist es uns allen, auch mir natürlich nicht, wenn man uns einer anderen vorzieht.

– Das wollte ich auch nur damit gesagt haben.

Er schwieg, denn es kam ihm unsagbar albern vor, daß sie sich in so verstiegenen Wendungen bewegten. Am liebsten hätte er ihr gesagt, wie ihm augenblicklich zumute war, ein wenig befangen, und doch sehr zufrieden, in ihrer Nähe zu sein, und ohne den Wunsch, viel zu sprechen – zufrieden, daß er unter den dunklen Bäumen neben ihr hergehn durfte, leise ihren Arm streifte und ihre Nähe atmete.

Ohne Worte dies Gefühl auszukosten, war ihm genug. Zuweilen mußte er zur Seite treten, wenn ihnen andere Gäste begegneten, dann beeilte er sich rasch, wieder neben sie zu kommen.

Und diese Frau wollte und sollte er erobern. Es schien ihm noch dummer jetzt, wo er die ersten Worte mit ihr gesprochen hatte. Aber auch um so lockender war es andererseits.

Noch hatte er freilich nichts dazu getan, hatte diese günstige Gelegenheit nicht genutzt, die sich ihm gleich geboten hatte. Auf die Art kam er nicht weiter.

Vielleicht hatten sie damit doch recht, daß diese Frau mit all den anderen nicht so ohne weiteres in ein Fach getan werden konnte. Das war ja ekelhaft, wie er sich gehemmt fühlte. Als ob er ein dummer Junge war. Aber als er den ersten Anlauf nehmen wollte, kam Ivers dazu, und im Augenblicke war ein Gespräch im Gange, an dem er sich nun mit erwärmte, an dem er teil nahm; aber es war nicht dazu angetan, seine eigene Sache irgendwie weiterzubringen, sondern bot nur Gelegenheit, zu zeigen, daß er nicht auf den Mund gefallen war. Er entschuldigte sich sogar, daß er heute ein wenig abgespannt sei, aber er ärgerte sich wieder, daß er es für nötig befunden hatte, darauf hinzuweisen, wie er nicht einmal in Gegenwart einer schönen jungen Frau imstande war, sich so weit zusammen zu nehmen, daß sie nicht merkte, welch einen anstrengenden Tag er hinter sich hatte.

Nein, eine glückliche Stunde hatte er nun gerade nicht.

Und er wurde schweigsam und war schließlich froh, als sie zu einer Bowle auf die Terrasse gerufen wurden.

Er hatte sich doch wohl in sich selbst getäuscht, denn nun kam er neben Beate Mochow, und im Augenblicke war mit ihr eine Unterhaltung angesponnen, die auch der Pikanterie nicht entbehrte. Er fühlte sich mit einem Schlage wieder ganz frisch und auf der Höhe, die Worte kamen ihm – er fand seine gewohnte Frechheit wieder, und ein rasches Wortgeplänkel entwickelte sich, bis er einmal stutzte, wie Frau Eveline zu ihm herüberblickte. Und er glaubte, ein Erstaunen in ihren Blicken zu lesen, daß er vorhin zu ihr steif wie ein Stock gewesen war, und ihm die Worte so gar nicht von den Lippen wollten.

Da wurde er wieder stiller und kam aus dem Ärger über sich selbst nicht hinaus.

Hastig stürzte er ein paar Glas Bowle hinunter, aber es half nichts. Er saß da wie benommen, während rings um ihn die anderen sich auf das lebhafteste unterhielten.

– Na? fragte ihn Seveke, der schon über den Durst getrunken hatte, und die Augen unnatürlich aufriß, Mensch, was sitzen Se da? Brüten Se schon über Ihren Feldzugsplan?

Er hätte ihm am liebsten eine derbe Abfertigung gegeben, aber dann zuckte er nur die Schultern. Der war ja nicht mehr ganz nüchtern – aber um so gefährlicher schien er ihm, und so verkniff er sich die Entgegnung, die ihm schon auf der Zunge lag.


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