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III

Sie brachen als die letzten auf, und vor der Tür der Villa hatte er es richtig fertig gebracht, daß er neben Frau Eveline kam. Auf der anderen Seite ging schon der Justizrat, der ihr auch in den Mantel geholfen hatte, wie das wohl sein Vorrecht bei ihr war, immer zur rechten Zeit vor den anderen zur Stelle zu sein.

Die Nacht war warm, und so gingen sie unter den schattenden Bäumen der Straße hin, mitten auf dem Damm, da die Seitendämme zu eng waren, als daß drei Menschen nebeneinander gehen konnten. Eine ganze Weile waren sie still. Der Justizrat hatte sich beim Fortgehen noch eine Zigarre angezündet, und rauchte schweigend.

Endlich sagte Frau Eveline und wandte sich zu Kurt Laue:

– Es ist merkwürdig, wie man immer wieder Beziehungen zu ganz fremden Menschen findet. Ich habe vorhin zufällig gehört, daß Sie eine Schwester haben?

– Ja, in Königsberg, verheiratet an einen Universitätsprofessor.

– Else Grohmann, nicht wahr?

– Ganz recht, aber wie hängt das zusammen?

– Ich bin mit ihr vor drei Jahren in Norderney zusammengewesen, einen ganzen Sommer lang. Sie hat mir oft von ihrem Bruder gesprochen, – aber denken Sie, ich habe auf den Namen nie sonderlich geachtet. Es war immer nur von Kurt die Rede.

– Ja, und dieser Kurt bin ich dann wohl.

– Jetzt weiß ich es; und den Kurt kenne ich ganz genau. Es ist kein Tag hingegangen, daß sie mir nicht irgend etwas von Kurt erzählt hat. Ich kenne, glaube ich, Ihr ganzes Leben, von Kindheit an. All Ihre dummen Streiche. Sie scheinen ein wilder Junge gewesen zu sein.

– Es war alles nur halb so schlimm. Wirklich!

– Sie brauchen sich deshalb nicht weiter zu entschuldigen. Ich bin nicht so engherzig; und es war wohl alles nicht gar zu schlimm, daß weiß ich schon. Aber viel Unruhe müssen Sie den Ihren gemacht haben.

– Ach, die Else ist eine solche Philisterin, die konnte auch nur so einen besseren Pauker heiraten. Na, ihre lieben Kinder sind dafür nicht gerade Engel geworden.

– Das stimmt freilich! sagte sie lachend, und der kleine Kurt hat glaube ich, nicht nur Ihren Namen, sondern auch Ihr wohl etwas unruhiges Temperament geerbt.

– Mir scheint, daß sich das sogar etwas potenziert hat, meiner Erinnerung nach. – Ich habe ihn wohl zwei Jahre nicht gesehen. Er war schon damals ein richtiger kleiner Teufel, bei aller Harmlosigkeit sicherlich der unruhigste Geist, den ich in meiner Kinderbekanntschaft habe.

– Leicht zu nehmen ist er nicht, und sonderliche Erziehungsresultate hat die liebe Else mit ihm auch nicht aufzuweisen.

– Also Sie kennen die Else! ... Das ist doch ...

Er sagte nicht, was er dachte, meinte aber, wie ein Schicksalswink, – und er war sehr froh, daß er nun so rasch schon eine Beziehung zu ihr hatte, ohne daß ihm von anderen geholfen wurde.

Er lächelte vor sich hin, so daß sie ihn fragte:

– Sie sind ja so vergnügt.

– Ja! sagte er, daß Sie mir nun selbst schon wie eine gute Bekannte vorkommen, weil Sie mit der Else befreundet sind.

– Das bin ich. Wir schreiben uns oft, und sie wird gewiß sehr erstaunt und erfreut sein, daß ich nun auch ihren Bruder kenne. Oft genug hat sie angefragt, ob ich Ihnen denn nie begegnet sei. Aber da sie immer nur von meinem Bruder oder von Kurt schrieb, so habe ich nicht weiter geforscht, und der Name Laue hat mir damals noch nichts gesagt.

– Und jetzt ist das anders?

– Freilich! Nun weiß ich doch, wen ich damit zu verbinden habe. Aber hier sind wir an meinem Hause, und ich hoffe, daß Sie mir bald einmal das Vergnügen machen, mich zu besuchen. Ich habe allerhand gemeinsame Bilder von Norderney, die ich Ihnen zeigen kann. Also, lieber Doktor, auf bald! Lassen Sie mich nicht zu lange warten. Es hat mich sehr gefreut, könnte ich heute mit vollem Recht sagen. Auf Wiedersehen! ...

Sie hatte ihm die Hand gereicht. Und er preßte seine Lippen darauf, mit einer Energie, daß sie lachend sagte:

– Nun, an Temperament scheint es Ihnen noch immer nicht zu mangeln.

– Entschuldigen Sie! aber der Gedanke, daß es eine Brücke zwischen mir und Ihnen durch meine Schwester gibt, sagt mir mehr, als ... Kurz: ich bin sehr froh! Und von Ihrer gütigen Erlaubnis werde ich sogar sehr bald Gebrauch machen.

– Tun Sie das. Oft genug versprechen die Herren etwas, nachher stellen sich die leidigen Geschäfte ein, und dann kann man vergebens warten.

– Das wird gewiß nicht geschehen. Also nochmals, gnädige Frau, auf Wiedersehen!

Paul Bröse hatte die letzten Worte, die sie leise mit einander gewechselt hatten, nicht gehört. Er hatte ihr das Gartentor aufgeschlossen und am Hause geklingelt, damit das Mädchen herauskam, um Frau Eveline einzulassen.

Das Licht flammte auf, und Kurt Laue trat noch einmal an sie heran, um sich diesmal nur noch mit einem Händeschütteln zu verabschieden.

Sie stand im Portal der Villa, hell vom Lichte, das aus dem Innern kam, überflutet, und winkte ihnen zu, die den anderen nacheilten, die schon langsam weiter gegangen waren.

Laue kam neben Peter Illgen, und der sagte, indem er den Rest seiner Zigarette über das Gartengitter warf und den Hut abnahm:

– Eine zu nette Frau, die Eveline, trotz allem, daß sie einem so gar nicht ein bißchen entgegenkommt. Schade drum! Was denken Sie, was ich mir schon für Mühe um die Frau gegeben habe. Ich glaube, sie könnte entzückend sein, wenn sie nur wollte. Aber sie lacht uns alle aus. Das ist auf die Dauer nicht gerade angenehm. Sie ist einfach moralisch tadellos, und tadellos moralisch.

– Und nichts über sie zu reden?

– Nichts, mein Lieber; aber rein gar nichts. Hat seit dem Tode ihres Mannes, im ersten Jahre ganz für sich gelebt, dann wieder in der Gesellschaft. Sie hat sich, glaube ich, aus dem Herrn Tismar nicht viel gemacht. Und dabei: ein Blümlein rühr mich nicht an! Hätte zehnmal wieder heiraten können, trotz des Testamentes.

– Was für ein Testament?

– Na, der Tismar hat sie keinem Nachfolger gegönnt, da soll er bestimmt haben, daß sie alles verliert, wenn sie wieder heiratet. Die Fabrik ist was wert, mein Lieber. Wozu aber soll sie sich einen neuen Mann suchen, wenn sie es jetzt so gut hat? Die Villa, Auto, Reisen, das schönste Leben von der Welt. – Nur ein furchtbar reicher Mann kann ihr das ersetzen. Dazu gehört mehr, als wir alle in unserem ganzen Leben zusammenbringen, was sie allein in einem Monat hat.

– Sie meinen, das schreckt ab?

– Das tut es sicher! Und war auch wohl die Absicht dabei.

– Wenn aber die Liebe mitspricht?

– Ach, mein Bester, von der Liebe wird man nicht satt. Aber sie braucht ja gar nicht zu heiraten. Sie könnte ja auch so, – na Sie verstehen, aber nein! nichts zu wollen.

– Und der Justizrat?

– Das ist ein Kapitel für sich, und die Meinungen sind darüber sehr geteilt. Ich neige zu denen, die überzeugt sind, daß es eine reine Freundschaft ist. Gott ...! der gute Bröse ist doch eigentlich nicht so ganz das Ideal, was man sich für eine Frau, wie Eveline Tismar so vorstellt. Ein prächtiger Mensch, das beste Herz von der Welt. Wer ihn kennt, muß ihn lieb haben, – aber als Geliebter? – Ich als Frau würde mir einen anderen vorziehen. Meinen Sie nicht auch?

– Bei Frauen kann man nie sagen.

– Da haben Sie recht. Aber ich kann es mir nicht gut denken, daß zwischen den beiden etwas anderes besteht als ruhige Freundschaft. Mandy ist natürlich anderer Ansicht. Der hat immer nur seine Novellen im Kopf, und sieht immer viel Schlimmeres, selbst in harmlosen Dingen, als wir anderen.

– Möglich ist alles.

– Ich bin doch auch nicht blind, kenne mich in den lieben Mitmenschen aus, auch wenn ich nur ihr Äußeres bringe, und schöne Kleider auf meinen Bildern von besonderem Werte sind. Seelenbuddelei, wie Walter Mandy mache ich nicht gerade, das wäre falsch angewandte Technik. Aber auf den Kopf gefallen bin ich nicht, und habe meine Augen, – also da kann man mir auf die Dauer nichts vormachen. Ich kenne Frau Eveline Tismar und meinen alten Paul Bröse lange genug. Ich gönnte es ihm ja schließlich, schweren Herzens. Aber ich halte ihn nicht für einen solchen Glückspilz. – Na, hier trennen sich unsere Wege. Also dann auf Wiedersehn, und was da die Geschichte angeht, Sie wissen doch, wie denken Sie sich das weiter?

– Ich denke gar nicht, sondern will mal abwarten.

– Also ganz aufgegeben haben Sie es nicht? Sehr vernünftig.

– Warum sollte ich wohl? Das hat ja noch immer Zeit. Vorläufig interessiert mich die Frau zu sehr.

– Das kann sie auch! Also dann viel Glück auf den Weg!

Sie waren an einem Platze, wo sie auseinandergingen.

Der Justizrat hatte nichts weiter gesagt, und verabschiedete sich von Dr. Laue, stockte einen Augenblick, als wollte er noch etwas sagen, aber dann gab er ihm nur die Hand und sagte, als habe er sonst nichts auf dem Herzen: Auf Wiedersehn!

Aber wie er weiter durch die dunkle Nacht ging, wäre er am liebsten umgekehrt, und hätte Laue unter den Arm genommen, um ihn zu veranlassen, daß sie die dumme Geschichte von heut abend als nicht geschehen ansehen wollten.

Das konnte einem auch nur in der Weinlaune passieren.

Aber dann ließ er es doch sein.

Er war ja so überzeugt, und es wäre Unsinn gewesen, zu glauben, daß mit Eveline ...

Ausgeschlossen! ... Deshalb brauchte er keine Sorge zu haben. Er kannte sie doch. Gut sieben Jahre, noch von den Eltern, den alten Moegelins her.

Und ruhig ging er weiter, und beschloß, daß es am allerbesten war, überhaupt nicht wieder davon anzufangen, zu tun, als sei gar nichts gewesen.

Die ganze Sache war ja nicht ernst zu nehmen.

War es aber besser, daß er mit Laue doch einmal sprechen sollte, dann mußte es noch morgen früh geschehen, denn er hatte über eine Woche in Hamburg zu tun. Das kam ihm sehr in die Quere.

Sonst hätte sich gewiß bald eine Gelegenheit gefunden, mit Laue ein Männerwort zu reden.

Eveline war doch wahrhaftig nicht die Frau für solch eine Wette. Wenn das irgend ein leichtes Ding war, ein Verhältnis, ließ sich die Sache hören, – aber Frau Tismar durfte man in solch eine Situation um keinen Preis bringen.

Ruhelos ging er in seinem Arbeitszimmer auf und ab, blieb stehen, nahm vom Schreibtisch ihr Bild, betrachtete es lange, und stellte es seufzend wieder hin.

Eigentlich war er immer ein bißchen feige gewesen. Und seit sie ihm damals sehr fest erklärt hatte, daß sie nicht daran denke, sich je wieder zu verheiraten, hatte er keinen ernsthaften Versuch mehr gemacht, sie umzustimmen.

Vielleicht war es der größte Fehler, den man ihr gegenüber begehen konnte. Er hätte nicht nachlassen sollen, mußte ihr immer wieder damit kommen, bis er sie erobert hatte.

Statt dessen hatte er sich einfach damit begnügt, daß sie ihn das eine Mal abgewiesen, und daß sie das Gespräch jedesmal gleich auf etwas anderes brachte, sobald er davon anfing.

Allzuleicht hatte er es ihr gemacht, daß sie wohl schließlich meinte, er habe das gar nicht so im Ernst gemeint.

Er hatte nie den Mut gefunden, ihr zu offenbaren, wie sehr er sie begehrte. Es schien ihm wie ein Unrecht, wenn er sie mit seinen Wünschen behelligte und das Weib in ihr sah. Manchmal, wenn er vor ihr saß, hatte er die Begierde, sie einfach in seine Arme zu reißen.

Wenn er ihre Lippen ansah, wie sie sich wölbten, wie die feinen Mundwinkel sich vertieften, dachte er es sich wie einen Rausch, sie zu küssen, die Flamme in ihr zu wecken, die doch auch in ihr schlummern mußte.

Sie war doch eine Frau. Sie war auch kokett, zog sich sehr gut an, und das tat eine Dame nicht ohne die Absicht, auf die Männer zu wirken, nicht nur um die Frauen neidisch zu machen und sie auszustechen.

Einige Male war er nahe daran gewesen, ihr zu sagen, daß sie sich nicht mit ihren nackten Armen so vor ihm zeigen sollte, es kitzelte ihn in den Fingerspitzen, nach ihr zu fassen, sie zu berühren. Wahrscheinlich würde sie ihn höchst erstaunt angesehen haben, wenn er es gewagt hätte, sich solch eine Freiheit herauszunehmen.

Sie sah in ihm so gar nicht den Mann; das erschreckte ihn immer wieder, verschlug ihm das Wort. Er war ihr immer nur der gute Freund. Und so gern wäre er ihr mehr gewesen. Aber sie blieb gleichmäßig kühl; und nie war auch nur eine Spur von größerer Wärme vorhanden.

Vielleicht war sie ohne tieferes Empfinden veranlagt, – aber das konnte es nicht sein, denn er wußte, wie weich sie war, wenn es sich um Mitleid handelte, – wie eine Dichtung sie ergriff, – wie sie auch zornig werden konnte. Sie reagierte sehr rasch auf einen Affekt, der sie betraf.

Also war es immerhin möglich, daß wenn ein anderer ...

Er mochte sich das Bild nicht weiter ausmalen, wollte nichts davon wissen; aber anzunehmen war immerhin, daß nur der richtige noch nicht gekommen war.

Hatte er recht gehört, daß sie Kurt Laue aufgefordert hatte? Da sie seine Schwester kannte, war es wohl anzunehmen. Sie mußte es schon aus Anstandsgefühl tun.

Nun, auch darum brauchte er sich noch keine Sorgen zu machen. So viel er wußte, war Dr. Laue nicht gerade der Typ, der ihr lag. Sie mochte diese raschen und leichtlebigen Männer nicht, zu denen er gehörte.

Vorläufig mußte er sich in Geduld fassen und abwarten, wie es weiter gehen würde.

Und er stellte das Bild wieder auf den Schreibtisch, das er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte. Das Bild zeigte sie in großer Toilette, tief ausgeschnitten, mit einem so überlegen spöttischen Lächeln um die Lippen. Das hatte sie sonst nicht, aber der Mann war am Apparat so gar nicht fertig geworden, hatte immerzu an ihrer Stellung korrigiert, bis es ihr zu dumm geworden war, und sie sich hingestellt hatte, wie sie das im Leben tat. Sie hatte ihn gezwungen, sie einfach wie sie ging und stand aufzunehmen, auf die Gefahr hin, daß das Bild ganz verpatzt würde. Er war davon fest überzeugt.

Es war das beste Bild geworden. Nur das überlegene Lächeln war noch nicht von ihren Lippen geschwunden. Und nun schien es ihm, als ob sie sich auch über ihn mokierte. Sie würde ihn gewiß auslachen, daß er sich derartige Gedanken über sie machte.

Aber am liebsten hätte er kein Geheimnis vor ihr gehabt, hätte ihr gern heute noch erzählt, was sich am Abend ereignet hatte, damit sie ihm sagte, wie sie darüber dachte, damit sie ihn von der Schuld daran freisprach. Er glaubte so fest an sie, daß er diese ganze dumme Wette nur belacht hatte, statt ihr gleich im Anfang den Garaus zu machen. Er durfte erst gar nicht zugeben, daß man solch ein Thema um Eveline überhaupt erörterte.

Er war nicht ohne Schuld daran, und das bedrückte ihn, und ließ ihn den Schlaf nicht finden.

*

Inzwischen war Kurt Laue mit Mandy weiter gegangen. Er hatte immer an Eveline denken müssen, und ihm lag noch der Klang im Ohre, mit dem Helmuth Ivers leichtfertig gesagt hatte:

– Wissen Sie – man soll jahrelang mit einer so hübschen Frau, die daneben auch noch sehr reizvoll ist, befreundet sein, wie Bröse, und nichts mit ihr haben? ... Glauben Sie das? ...

Und da er neben Mandy herging, fragte Laue endlich nach ein paar Ansätzen:

– Sagen Sie, Mandy, Sie kennen doch beide lange genug, glauben Sie, daß zwischen Bröse und Frau Eveline ...

– Ob sie ein Verhältnis mit einander haben? Ja, liebster Freund, da fragen Sie mich doch ein bißchen zu viel. Wie soll ein armer Mann, wie Hamlet ist, das wissen?

– Nun, ein Mann wie Sie sollte ich meinen ...

– Ein Mann wie ich bin, kann sich ebenso täuschen und sich mehr irren als irgend ein anderer Sterblicher, der solch einer Sache durch irgendwelche Zufälligkeiten näher steht. Aber wenn Sie meine unmaßgebliche Meinung erfahren wollen, so lautet die: Ich glaube nicht, daß ausgesprochen erotische Beziehungen zwischen den beiden bestehen. Erstens ist Frau Eveline nicht die Frau, die das nötig hätte, denn der Justizrat würde sie vom Fleck weg heiraten. Ich glaube sogar, er trägt sich beständig mit dem Gedanken. Dann ist Frau Eveline durchaus nicht die Frau, die auf Abenteuer ausgehen wird, die keinen Zweck haben. Ich meine, sie denkt in diesem Falle weniger als in jedem anderen daran. Und dann vor allem ist der gute Paul Bröse keineswegs eine sinnliche Natur. Der hat glaube ich gar nicht das Bedürfnis nach erotischer Betätigung. Aber da kann ich mich irren. Dafür hat er aber ein starkes Anlehnungsbedürfnis, ein Verlangen nach Zärtlichkeit, nach dem seelischen Kontakte mit einer klugen und lieben Frau, so den Wunsch nach Freundschaft, mit einem ganz kleinen Einschlag von Sensualität. Aber er ist kein Stürmer und Draufgänger. Er ist zu sehr Jurist, – ein wenig verknöchert und verkalkt schon.

– Meinen Sie? sagte Laue lachend. Also nicht gefährlich.

– Den Frauen gefährlich? Nein, gewiß nicht. Ich horche doch immer ein wenig herum, was so die Menschen, der eine vom andern denkt, und vor allem die Frauen prüfe ich gern darauf hin, welcher Typ ihnen so gefällt. Nun, der gute Bröse hat noch keine drei Stimmen auf sich vereinigt. Eine jede möchte ihn zum Freund, ein paar würden ihn auch gern zum Manne haben; bei seiner gesellschaftlichen Stellung und seiner Lebenserfahrung sehr zu verstehen, – aber zum Geliebten? nein, mein Bester, – dazu ist er doch nicht gerade geschaffen. Er hat kein Temperament. Und das wollen die Frauen, auch wenn sie es nicht so ohne weiteres zugeben. Ich kenne von ihm doch ein gutes Stück seines Lebens, aber Geliebte? Früher mal eine flüchtige Beziehung. Ein richtiges Verhältnis ... nein. Nur das Bedürfnis nach einer weichen Hand, die ihm die Sorgen oder besser den Ärger verscheucht, eine Frau, die ihm die Grillen weglacht, aber dazu ist eben eine größere Intimität nicht erforderlich. Das andere liegt ihm nicht.

Sie gingen eine Strecke stumm nebeneinander hin, dann sagte Walter Mandy langsam:

– Frau Tismar denkt ganz sicher viel zu korrekt, als daß sie irgend eine Unklarheit zwischen sich und einem Manne dulden würde. Dazu ist sie nicht die Natur, um sich auf Ungewißheiten einzulassen. Viel zu durchsichtig liegt zudem ihr Leben vor uns. Geheimnisse hat sie nicht zu verbergen.

– Also Sie glauben nicht?

– Lieber Freund, sagte Mandy, und blieb unter einer Laterne stehen, um Laue in das Gesicht zu sehn, – wer kann das verschwören? Es kommt ebenso sehr auf den Mann wie auf die Frau an. Es gibt da so unmögliche Sachen; aber unser Freund Bröse, – wie man überhaupt schon Bröse heißen kann, – ist nicht gerade der geborene Verführer. Das kann ihm kein Mensch nachsagen, aber schließlich: ein Mann bleibt immerhin ein Mann, und die Männlichkeit können wir unserem Freunde trotz allem nicht absprechen.

– Gewiß nicht! Er steht seinen Mann schon sehr gut.

– Und was Frau Eveline angeht, na abgeblitzt ist man wohl bei ihr, – aber deshalb bleibt doch wahr, daß sie ein ganz famoses Weib ist. Ich glaube ja, Sie werden in diesem Falle ihren Sekt glatt bezahlen müssen. Die tut es gewiß nur mit dem Ring am Finger, aber nicht in freiem Liebesspiel, oder aber ...

– Erlauben Sie, Mandy, Frau Eveline ist, wie ich eben konstatiert habe, die beste Freundin meiner Schwester, und wenn diese Kenntnis bei mir auch noch nicht sehr alt ist, möchte ich Sie doch bitten, mit Ihren Worten ein bißchen vorsichtig zu sein. Mir scheint, Sie sind auf dem Wege, Dinge zu erörtern, ...

– O Gott, o Gott! was Sie nicht sagen! Und dabei will ein gewisser Herr mit ihr, ich weiß nicht was ... Ja ja, ich beherrsche mich ja! Ich rede ja schon nur noch in Faustzitaten. Ich dächte, das wäre klassisch genug, zumal es sich um eine Walpurgisnacht drehen soll. Aber ich bin schon still, Liebwertester. Ich will es doch mit Ihnen nicht verderben; denn ich rechne damit, daß Sie mir mal helfen, wenn mich der Teufel in Gestalt des Staatsanwalts eines schönen Tages mal beim Kragen nimmt. Das kann immerhin geschehen, wenn erst fertig ist, was ich zurzeit in meiner Hexenküche zusammenbraue, und was man vor keuschen Ohren nicht nennen darf.

– So schlimm war es ja nicht gemeint, Mandy. Ich wollte nur ein wenig zur Vorsicht mahnen, weil man doch für die beste Freundin seiner Schwester eintreten muß gegenüber so leichtfertigen Gesellen, wie Sie einer sind.

– Und mir scheint, daß bei einem gewissen Herrn schon bald ein gewisses Gefühl sich regt, und er Helenen in unserer Eveline sieht. Meinen Segen haben Sie dazu! Von mir aus können Sie Ihre Wette verlieren oder gewinnen – besser verlieren. Wie Sie wollen. Ich hätte sogar eine sehr angenehme Genugtuung dabei zu verspüren, wenn es Ihnen nicht anders ergehen würde, wie all den Rittern zuvor, die auszogen, die Burg zu berennen.

– Ich denke vielleicht gar nicht daran, mich auf das Abenteuer weiter einzulassen.

– Nein, mein Bester, so haben wir aber nicht gewettet! Das geht nicht, – wäre ja noch schöner! Sie werden sich schon in den Sattel schwingen müssen und die Fahrt antreten, damit wir sehen, was dabei herausschaut.

– Ich werde es mir beschlafen; denn zwingen kann mich kein Mensch dazu.

– Pfui! das fände ich aber nicht loyal, wenn Sie so handeln wollten. Der Preis ist doch wirklich lockend genug, daß ich gleich noch einmal den Versuch wagen möchte, wenn ich nicht schon längst auf einem sehr vertrauten Fuß der Freundschaft mit der schönen Frau gekommen wäre. Auf dem fühle ich mich ganz wohl, und harre nun als unbeteiligter Zuschauer der Dinge, die andere auf dem gleichen Wege noch vor sich haben. Also damit: gut Glück! und bitte nicht etwa feige kneifen. Sie werden sich das noch überlegen, und hoffentlich hören wir bald von Ihnen.

– Gute Nacht! aber hoffen Sie nicht zuviel, Ihr habt einem ja die Aussichten als so schwer hingestellt, daß man von vornherein gar nicht den Mut hat, überhaupt sich an das Abenteuer zu wagen, aus Furcht, daß es doch hoffnungslos sein wird.

– Sie wissen ja, der rechte Mann ...! Vielleicht sind Sie der glückliche Ritter, und nun nochmals: Gute Nacht! und träumen Sie nicht zu intensiv von Evelinens kommendem Geschick.

– Gute Nacht! und ich weiß jedenfalls jetzt, daß Sie Ihr Schicksal nur allzusehr verdient haben. Um Frau Eveline aber brauchen Sie sich nicht zu sorgen. Die ist bei mir, so oder so, gut aufgehoben.


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