Ludwig Tieck
William Lovell
Ludwig Tieck

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William Lovell an Eduard Burton

Rom.

Der italienische Winter kündigt sich schon durch häufige Regenschauer an. Ich verspare auf unser Wiedersehn alle meine Bemerkungen über die Kunstschätze und verweise Dich auf mein Tagebuch hierüber. Wie will ich mich freuen, wenn ich alle meine Papiere vor Dir in dem geliebten Bondly ausbreiten kann, und Du mich belehrst, und ich mit Dir streite. Ich will Dir lieber dafür von meinem Umgange und meinen Freunden erzählen. Rosa interessiert mich mit jedem Tage mehr; ohne daß er es selbst will, macht er mich auf manche Lücken in meinem Wesen aufmerksam, auf so viele Dinge, über die ich bisher nie nachgedacht habe und die doch vielleicht des Denkens am würdigsten sind, aber mein Verstand hatte sich bis itzt nie über eine gewisse Grenze hinausgewagt. Rosa ermuntert mich, meine Schüchternheit fahrenzulassen, und er selber ist mein Steuermann in manchen dunkeln Regionen. Balder zieht sich oft ganz von uns zurück, er träumt gern für sich in der Einsamkeit, meine Besorgnis für ihn nimmt mit jedem Tage zu, denn er ist sich oft selbst nicht ähnlich. Neulich war das Wetter schöner, als es gewöhnlich um diese Jahrszeit zu sein pflegt, wir gingen im Felde spazieren und ich suchte ihn auf die Schönheiten der Natur aufmerksam zu machen, aber er brütete düster in sich selber gekehrt. – »Worüber denkst du«, fragte ich ihn dringend; »du bist seit einiger Zeit verschlossen, du hast Geheimnisse vor deinem Freunde, gegen den du sonst immer so offenherzig warst. – Was fehlt dir?«

»Nichts«, antwortete er kalt und ging in seinem Tiefsinne weiter.

»Sieh die reizende Schöpfung umher«, redete ich ihn wieder an, »sieh wie sich die ganze Natur freut und glücklich ist!« –

Balder: »Und alles stirbt und verwest; – vergissest du, daß wir über Leichen von Millionen mannigfaltiger Geschöpfe gehn – daß die Pracht der Natur ihren Stoff aus dem Moder nimmt – daß sie nichts als eine verkleidete Verwesung ist?«

»Du hast eine schreckliche Fähigkeit, allenthalben unter den lachendsten Farben ein trübes Bild zu finden.«

»Freude und Lachen?« fuhr er auf, »was sind sie? Dies Grauen vor der Schönheit, ja vor mir selbst ist es, was mich verfolgt; vertilge dies in mir und ich werde dich und die übrigen Menschen nicht mehr abgeschmackt finden.«

»Warum aber«, fuhr ich fort, »willst du diese Art die Dinge zu sehn, die doch wahrlich nur eine Verwöhnung und kranke Willkür ist, nicht wieder fahrenlassen, und mit frohem Mut die wahre Gestalt der Welt wieder suchen?«

»Um so zu sehn, wie du siehst«, antwortete er; »ist aber dieser Anblick der wahre? Wer von uns hat recht? Oder werden wir alle getäuscht?«

»Mag es sein, aber so laß uns doch wenigstens den Betrug für wahr anerkennen, der uns glücklich macht.«

Balder: » Deine Täuschung macht mich nicht glücklich, die Farben sind für mich verbleicht, das verhüllende Gewand von der Natur abgefallen, ich sehe das weiße Gerippe in seiner fürchterlichen Nacktheit. – Was nennst du Freude, was nennst du Genuß? – Könnten wir der Natur ihre Verkleidung wieder abreißen – o wir würden weinen, wir würden ein Entsetzen finden, statt Freude und Lust.«

»Und warum? – Mögen wir doch zwischen Rätsel und Unbegreiflichkeiten einhergehn, ich will die frohe Empfindung meines Daseins genießen, dann wieder verschwinden, wie ich entstand – genug, im Leben liegt meine Freude. – Deine Gedanken können dich zum Wahnsinn führen.«

Balder: »Vielleicht.«

»Vielleicht? – Und das sagst du mit dieser schrecklichen Kälte?«

Balder: »Warum nicht? – Der Mensch und sein Wesen sind mir in sich selbst so unbegreiflich, daß mir jene Zufälligkeiten, unter welchen er so, oder anders erscheint, sehr gleichgültig sind.«

»Gleichgültig? – Du bist mir fürchterlich Balder.«

Balder: »Dieses Gedankens wegen? – Es ist immer noch die Frage, ob ich beim Wahnsinne gewinnen oder verlieren würde.«

»Diese dumpfe Unempfindlichkeit, jenes Dasein, das unter der Existenz des Wurmes steht, diese wilde Zwittergattung zwischen Leben und Nichtsein wirst du doch für kein Glück ausgeben wollen?«

Balder: »Wenn du dich glücklich fühlst, warum soll es der Wahnsinnige nicht sein dürfen? – Er empfindet ebensowenig die Leiden der Natur, sein Sinn ist ebenso für das, was mich betrübt, verschlossen, als der deinige; warum soll er elend sein? – und sein Verstand –«

»Und dieses göttliche Kennzeichen des Menschen ist in ihm ausgelöscht? – Oder findest du auch in der Sinnlosigkeit seine Wollust?«

Balder: »Seine Vernunft! – O William, was nennen wir Vernunft? – Schon viele wurden wahnsinnig, weil sie ihre Vernunft anbeteten und sich unermüdet ihren Forschungen überließen. Unsre Vernunft, die vom Himmel stammt, darf nur auf der Erde wandeln; noch keinem ist es gelungen, über Ewigkeit, Gott und Bestimmung der Welt eine feste Wahrheit aufzufinden, wir irren in einem großen Gefängnisse umher, wir winseln nach Freiheit und schreien nach Tageslicht, unsre Hand klopft an hundert eherne Tore, aber alle sind verschlossen und ein hohler Widerhall antwortet uns. – Wie wenn nun der, den wir wahnsinnig nennen –«

»Ich verstehe dich, Balder: weil unsre Vernunft nicht das Unmögliche erschwingen kann, so sollen wir sie geringschätzen und ganz aufgeben dürfen.«

Balder: »Nein, William, du verstehst mich nicht. – Statt einer weitläuftigen Auseinandersetzung meiner Meinung will ich dir eine kurze Geschichte erzählen. – Ich hatte einen Freund in Deutschland, einen Offizier, einen Mann von gesetzten Jahren und kaltblütigem Temperamente; er hatte nie viel gelesen oder viel gedacht, sondern hatte vierzig Jahre so verlebt, wie sie die meisten Menschen verleben; die wenigen Bücher, die er kannte, hatten seinen Verstand gerade so weit ausgebildet, daß er eine große Abneigung gegen jede Art des Aberglaubens hatte; er sprach oft mit Hitze gegen die Gespensterfurcht und andre ähnliche Schwachheiten des Menschen. Diese Aufklärungssucht ward nach und nach sein herrschender Fehler, und seine Kameraden, die ihn von dieser Seite kannten, neckten ihn oft mit einem verstellten Wunderglauben, und so entstanden häufig hitzige und hartnäckige Streitigkeiten; in diesen zeichnete sich gewöhnlich ein Herr von Friedheim durch seinen Widerspruch am meisten aus; er war ein Freund von Wildberg (so hieß der andre Offizier), aber er suchte ihm auf diese Art seinen lächerlichen Fehler am auffallendsten zu machen. Ein Fall, der oft bei Dispüten eintritt, die gewöhnlich mit einem Gelächter endigen, ereignete sich auch hier. Friedheim sagte einst nach vielen Debatten, und wenn seinem Freunde auch kein andrer Geist erschiene, so wünsche er selbst bald zu sterben, um bei ihm die Rolle eines Gespenstes zu spielen. Das Gelächter ward allgemein und der Streit in eben dem Augenblicke hitziger und empfindlicher. Wildberg fühlte sich bald aufs heftigste beleidigt, Friedheim war zornig geworden, die Gesellschaft trennte sich, und Friedheim ward von dem erhitzten Wildberg gefordert. – Die Sache ward sehr in der Stille getrieben, ich war der Sekundant Wildbergs, ein anderer Freund begleitete seinen Gegner, wir taten alles, um eine Aussöhnung zu bewirken, aber die beleidigte Ehre machte unsre Versuche vergebens. Der Platz ward ausgemessen, die Pistolen geladen, Friedheim fehlte, Wildberg schoß, Friedheim fiel nieder, eine Kugel durch den Kopf hatte ihm das Leben geraubt. – Mehrere günstige Umstände trafen zusammen, so daß der Vorfall halb verheimlicht blieb; Wildberg hatte nicht nötig zu entfliehen. – Alle seine Freunde waren über die glückliche Wendung seines Schicksals vergnügt, nur er selber versank in eine tiefe Melancholie. Alle schoben dies natürlich auf den Tod seines Freundes, den er selber auf eine gewaltsame Art verursacht hatte; da sich aber sein Gram nicht wieder zerstreute, da jeder Versuch, ihn wieder fröhlich zu machen, vergeblich war, da er endlich manche unverständliche Winke fallenließ, so drang man in ihn, die Ursache seines Tiefsinns zu entdecken. Itzt gestand er nun, erst einem, dann mehreren, daß sein Freund Friedheim allerdings Wort halte, ihn nach seinem Tode zu besuchen; er komme zwar nicht selbst, aber in jeder Mitternacht rolle ein Totenkopf, von einer Kugel durchbohrt, durch die Mitte seines Schlafzimmers, stehe vor seinem Bette stille, als wenn er ihn mahnend mit den leeren Augenhöhlen ansehen wolle, und verschwinde dann wieder; diese schreckliche Erscheinung raube ihm den Schlaf und die Munterkeit, er könne seitdem keinen frohen Gedanken fassen. – Von den meisten ward diese Erzählung für eine unglückliche Phantasie, von wenigen nur, und gerade von den einfältigsten, für Wahrheit gehalten. – Wildbergs Krankheit aber nahm indessen zu; er fing itzt an, häufiger und öffentlicher seine Vision zu erzählen, er bestritt den Aberglauben nicht mehr, sondern ließ sich im Gegenteile gern von Gespenstern vorsprechen, und so kam es bald dahin, daß man ihm den Namen eines Geistersehers beilegte und ihn für einen sonst ziemlich vernünftigen Mann hielt, der nur eine unglückliche Verrückung habe. – Wildberg bat itzt zuweilen einige seiner Freunde zu sich, um in der Nacht mit ihm zu wachen, weil seine Angst und sein Schauder bei jeder Erscheinung höher stieg; auch ich leistete ihm einigemal Gesellschaft. Gegen Mitternacht ward er jedesmal unruhig – wenn es zwölfe schlug, fuhr er auf und rief: ›Horch! itzt rasselt es an der Tür!‹ – Wir hörten nichts. – Dann richtete Wildberg seine Augen starr auf den Boden: ›Sieh‹, sprach er leise, ›wie er zu mir heranschleicht! O vergib, vergib mir, mein lieber Freund, ängstige mich nicht öfter, ich habe genug gelitten.‹ – Nachher ward er ruhiger und sagte uns, der Kopf sei verschwunden; wir hatten nichts gesehn. – Es ward allen seinen Freunden stets wahrscheinlicher, daß alles dies nichts weiter, als eine unglückliche hypochondrische Einbildung sei, heftige Reue über den Tod seines Freundes, die in eine Art von Wahnsinn ausgeartet sei; wir suchten ein Mittel, ihn von der Nichtigkeit seiner Vorstellung zu überführen und ihm so seine Ruhe wiederzugeben. Viele Hypochondristen sind schon dadurch geheilt, daß man ihre Einbildung ihnen wirklich dargestellt und sie nachher auf irgendeine Art vom Betruge unterrichtet hat; auf eben diese Art beschlossen wir, sollte Wildberg geheilt werden. – Wir verschafften uns also einen Totenkopf, durch dessen Stirn wir ein Loch bohrten, wo den unglücklichen Friedheim die Kugel seines Freundes getroffen hatte, wir befestigten ihn an einen Faden, um ihn in der Mitternacht durch das Zimmer zu schleifen, Wildberg dann zu beobachten und ihn nachher zu unterrichten, wie er von uns hintergangen sei. – Wir versprachen uns von diesem Betruge die glücklichste Wirkung; alle Anstalten waren getroffen und wir erwarteten mit Ungeduld den Augenblick, in welchem es vom Kirchturme zwölf Uhr schlagen würde. Itzt verhallte der letzte Schlag und Wildberg rief wieder: ›Horch! da rasselt er an der Tür!‹ In eben dem Augenblicke ward von einem in der Gesellschaft unser Totenkopf hineingezogen, und bis in die Mitte des Zimmers geschleift. Wildberg hatte bis itzt die Augen geschlossen, er schlug sie auf, und bleich, zitternd, und fast in ein Gespenst verwandelt sprang er aus dem Bette; mit einem entsetzlichen Tone rief er aus: ›Heiliger Gott, zwei Totenköpfe! Was wollt ihr von mir?‹«

Balder hielt hier inne. – Ich muß gestehn, der unerwartete Schluß der Erzählung hatte mich frappiert, und beschäftigte itzt meine Phantasie; ich war nur noch begierig, welche Anwendung er daraus auf seine vorigen Gedanken ziehen wollte; nach einigem Stillschweigen fuhr er fort:

»Jeder Denker, der über jene großen Gegenstände forschen will, die ihm am wichtigsten sind, über Unsterblichkeit, Gott und Ewigkeit, über Geister und den Stoff und Endzweck der Welt, fühlt sich wie mit eisernen Banden von seinem Ziele zurückgerissen, die menschliche Seele zittert scheu vor der schwarzen Tafel zurück, auf der die ewigen Wahrheiten darüber geschrieben stehn. Wenn die Vernunft alle ihre Kräfte aufbietet, so fühlt sie endlich, wie sie fürchterlich auf einer schmalen Spitze schwankt und im Begriffe ist, in das Gebiet des Wahnsinns zu stürzen. Um sich zu retten, wirft sich der erschrockene Mensch wieder zur Erde – aber wenige haben den raschen frechen Schritt vorwärts getan, mit einem lauten Klang zerspringen die Ketten hinter ihnen, sie stürzen unaufhaltsam vorwärts, sie sind dem Blicke der Sterblichen entrückt. Das Geisterreich tut sich ihnen auf, sie durchschauen die geheimen Gesetze der Natur, ihr Sinn faßt das Ungedachte, in flammenden Ozeanen wühlt ihr nimmermüder Geist – sie stehn jenseit der sterblichen Natur, sie sind im Menschengeschlechte untergegangen – sie sind der Gottheit näher gerückt, sie vergessen der Rückkehr zur Erde – und der verschlossene Sinn brandmarkt mit kühner Willkür ihre Weisheit Wahnsinn, ihre Entzückung Raserei

Balder sahe mich hier mit einem verwegenen Blicke an. – Er fuhr fort:

»Mein Freund Wildberg sah, trotz aller Täuschung, etwas, was wir nicht sahen – können wir wissen, was jene erblicken? Die Geschichte ist wahr, aber wäre sie auch nichts als ein guterfundenes Märchen, so würde sie mir doch sehr wert sein, da sie für mich einen so tiefen Sinn enthält.«

»Und wo steht denn«, fragte ich, »bei dir die Grenze zwischen Wahrheit und Irrtum?« –

»Laß das«: indem er abbrach; »ich bin heut wider meinen Willen ein Schwätzer gewesen; da wir aber einmal davon sprachen, wollt ich dir diese seltsame Idee nicht zurückhalten.«

Wir gingen itzt wieder zur Stadt zurück und Balder war wieder tief in sich gekehrt.

Ich habe Dir, mein Eduard, dies Gespräch, so gut ich konnte, niedergeschrieben, Du kannst daraus die wunderbare Wendung kennenlernen, die der Geist meines Freundes genommen hat. – Ich will itzt schließen. Lebe wohl. –

Und doch, lieber Freund, ergreif ich die Feder noch einmal, um Dir einen Vorfall zu melden, der seltsam genug ist, so geringfügig er auch sein mag. Vielleicht daß mich heut das oben niedergeschriebene Gespräch sonderbar gestimmt hat, oder daß es eine Schwachheit ist, weil ich seit einigen Nächten fast nicht geschlafen habe, genug, ich will Dir die Sache erzählen, wie sie ist, Du wirst über Deinen Freund lächeln – aber, was ist es denn mehr? der Fall wird noch oft vorkommen. – Damit Du mich aber ganz verstehst, muß ich etwas weit ausholen.

Mein Vater hat eine kleine Gemäldesammlung, die nur sehr wenige historische Stücke und Landschaften enthält, sondern meistenteils aus Porträten seiner Verwandten, oder andern, ihm merkwürdigen Personen besteht. Ich ging als Knabe nie gern in dieses Zimmer, weil mir immer war, als wenn die Menge von fremden Gesichtern mit einem Male lebendig würde: vorzüglich aber fiel mir ein Bild darunter stets auf eine unangenehme Art auf. Der Kamin des Zimmers ist in einem Winkel angebracht, wo ein starker Schatten fiel und ein Gemälde, das darüber hing, fast ganz verdunkelte. Es war ein Kopf, Eduard, ich weiß nicht, wie ich ihn Dir beschreiben soll – ich möchte sagen, mit eisernen Zügen. Ein Mann von einigen vierzig Jahren, blaß und hager, sein Auge vorwärts stierend, indem das eine in einer kleinen Richtung nach dem andern schielt, ein Mund, der zu lächeln scheint, der aber, wenn man ihn genauer betrachtet, soeben die Zähne fletschen will; – eine beständige Dämmerung schwebte um dieses Gemälde und ein heimliches Grauen befiel mich, sooft ich es betrachtete, und doch heftete sich mein Blick jedesmal unwillkürlich darauf, sooft ich durch dies Zimmer ging, daher hat meine Phantasie bis itzt dies Bild so treu und fest aufbewahrt. Ich habe auch nie jene kindische Furcht vor diesem Kopfe ganz ablegen können: mein Vater sagte mir, es wäre kein Porträt, sondern die Idee eines sehr geschickten Malers.

Ich hatte den Brief an Dich geendigt; ich gehe durch die Stadt, die Sonne war schon untergegangen und ein roter Dämmerschein flimmerte nur noch um die Dächer und auf den freien Plätzen. So will ich mich nach Hause wenden, eile vor den einsamen Weinbergen und dem alten Tempel des heiligen Theodor vorüber, gehe dann weiter nach dem Bogen des Janus, um in die belebte Stadt zurückzukehren, als ich hinter der Mauer ein Wesen auf mich zuwanken sehe; als es etwas mehr auf mich zukam, zweifelte ich, ob es ein Mensch sei, ich hielt es für einen Geist, so alt, zerfallen, bleich und unkenntlich schlich es einher – itzt stand es mir gegenüber und – – Eduard, Du errätst es vielleicht – es war jenes grauenhafte Bild meines Vaters! – Alle Gefühle meiner frühesten Kindheit kamen mir plötzlich zurück, ich glaubte in Ohnmacht zu sinken. – Es war ganz derselbe, nur itzt um dreißig Jahre älter, aber alle jene schrecklichen Grundlinien, jenes unerklärliche Furchtbare, jenes verdammnisvolle Schreckliche. – Er hatte mein Erschrecken bemerkt – er sah mich an – und lächelte – und ging fort! – Eduard, ich kann keine Worte finden, Dir diesen Blick und dieses Lächeln zu beschreiben. Mir war's, als stände mein böser Engel in sichtbarlicher Gestalt vor mir, als hört ich in diesem Augenblicke alle glücklichen Blätter aus dem Buche meines Lebens reißen, wie ein Prolog zu einem langen unglückseligen Lebenslauf fiel dieser Blick, dieses Lächeln auf mich – o Eduard, es hat mich erschüttert, darum verzeih mir, wenn ich zu ernsthaft davon spreche.

Wer mag es sein? frag ich mich itzt unaufhörlich – und wie hat mein Vater ein ihm so ähnliches Bild erhalten? –


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