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Siebentes Kapitel

Als Jane am anderen Morgen herunterkam, fand sie Stephen und Vater Hanrahan bereits am Frühstückstisch. Sie waren schweigsam, in Gedanken vertieft, aßen lustlos und wenig. Sonnenlicht fiel blendend, in breiten Streifen, über das Tischtuch.

»Ist das englische Heer abgezogen?« fragte sie, und ohne eine Antwort abzuwarten, sprach sie weiter, berichtete, wie gut sie geschlafen habe. Louise habe zweimal mit ihrem Tee an der Tür umkehren müssen, das arme Mädchen, die doch von der Tatsache, daß ein junger Mann in Uniform in das jungfräuliche Bereich ihres Zimmers eingedrungen war, bis zum Überlaufen voll war.

Vater Hanrahan blickte von seinem Teller auf. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Seine Stimme kam zu ihr wie aus einer unbeweglichen Maske heraus.

»Im anderen Zimmer liegt einer, den sie ermordet haben, ein Tuch über dem Gesicht, daß Sie es nur wissen!« sagte er.

Sie fühlte den Vorwurf, der darin lag, und trotzdem hatte er keine Macht, sie zu beschämen. Keinen Augenblick hatte sie seit ihrem Erwachen an Jim Tierney gedacht.

Sie hatte am Fenster gestanden, als sie sich anzog, und nach Cap Knock-a-doon hinübergesehen, das da drüben, sechs Meilen von ihr, blau und schweigsam auf dem glatten Wasser lag. Die Möwen segelten kreischend. Lauter als ihr Kreischen klang noch in ihren Ohren das leise Geräusch eines Ruders nach.

»Es tut mir leid«, räumte sie ein. »Niemand hat mir ein Wort gesagt.«

Vater Hanrahan war nicht bereit, sie mit dieser Ausrede entschlüpfen zu lassen. Es lag an diesem Morgen eine Entschlossenheit in seinem Blick, die noch unbarmherziger erschien, als am Tag zuvor. Er richtete sich auf als ein Hindernis auf ihrem Weg, ein unerschütterliches Hindernis.

»Haben Sie denn gestern nacht die Schüsse nicht gehört?« fragte er.

Stephen äußerte keinen Ton. Er war mit seinem Frühstück beschäftigt. Er aß und schien ganz und gar von der Sorge um seine Ernährung in Anspruch genommen.

»Natürlich habe ich die Schüsse gehört«, antwortete sie. »Ich habe Stephen schon gestern nacht danach gefragt. Er hat mir nichts erzählt.«

Stephen bestätigte es mit dem Nachdruck eines Entlastungszeugen vor Gericht.

»Ich habe dir nichts davon gesagt,« erklärte er, »damit du nachts wenigstens Ruhe hast.«

Sie blickte von einem zum anderen. Die Atmosphäre, die hier im Zimmer herrschte, war nicht zu mißdeuten. Dicky schien im Begriff, sich neben ihr aufzustellen, um gemeinsam mit ihr einer entscheidenden Attacke zu begegnen. Sie spürte, daß Vater Hanrahan noch einiges in petto hatte. Er hatte erst begonnen. Sie aber fühlte sich gegen jeden Angriff gerüstet: sie wußte, daß Stephen auf ihrer Seite war. Sie glaubte daran, sie rechnete darauf.

»Hat Ihnen das nicht schon der einfache gesunde Menschenverstand gesagt,« fuhr Hanrahan fort, »daß es so kommen müßte, sobald diese Affen in Uniform von ihrem Herumschnüffeln im Haus genug hatten?«

»Natürlich, etwas Ähnliches habe ich jedenfalls vermutet.«

Man mußte, wenn er fragte, Antwort geben. So weit hatte er doch Gewalt über sie!

»Und das will ich Ihnen sagen,« fuhr Vater Hanrahan fort, »der Kerl war nicht so dumm, wie er aussah! Ich selbst bin mir nicht ganz klar darüber, ob nicht John Madden in der Nacht hier im Haus gesteckt hat. Wieviel Uhr war es, als Sie Ihr Licht auslöschten?«

»Ich kann mich nicht genau erinnern, es war wohl kurz, ehe die Soldaten gekommen sind. Warum?«

»Nämlich, wir haben in Ihrem Zimmer ein Geräusch gehört, kurz ehe die Kerle anfingen, mit ihren Revolvern an die Tür zu trommeln.«

»Was für ein Geräusch?«

»'ne Art von dumpfen Stoß, genau wie wenn einer von oben herunter auf den Fußboden springt, und dann Geflüster.«

Sie fühlte seinen Blick unter den schweren Augenbrauen auf sich ruhen und hielt ihm stand. Er wußte alles. Sie konnte es an seinen Augen ablesen. Sie mochte sagen was sie wollte, es würde ihr nicht gelingen, ihn zu überzeugen. Aber einer war da, den sie überzeugen mußte: Stephen – Stephen, der ein zweites Ei in Angriff genommen hatte, als hinge der Bestand seines Lebens davon ab. Stephen mußte daran verhindert werden, irgend etwas zu mutmaßen. Die Zartheit, die er ihr in der vergangenen Nacht bewiesen hatte, die liebevolle Sorge um ihre Ruhe, der zärtliche Gehorsam – das alles hatte sie davon überzeugt: er sollte, er konnte und er durfte die Wahrheit nicht erfahren!

Es war genug, wenn er John Madden in acht Tagen hier auftauchen sah, wenn Draper kam. Daß Draper kam, wußte Stephen. Sie hatte es ihm erzählt.

Drei Männer kannte sie, die sie, die ihr Leben auf den Händen trugen, als sei es eine geweihte Reliquie, und in acht Tagen würden sie alle drei um sie versammelt sein. Aber nur John Madden durfte darum wissen, daß sie auch menschlich war, sehr menschlich. Und selbst er wußte es bis heute nicht. Hätte er sonst vor ihr das Knie gebeugt, wie er es in dieser Nacht getan hatte? Wußte sie denn selbst, wie weit dies Allzumenschliche in ihr Gewalt hatte? Was hätte sie getan, wie sie im Dunkeln neben ihm stand, wenn er sie plötzlich in die Arme genommen hätte? Sie wußte es nicht.

»Wir haben alles gehört, Stephen und ich selbst,« sagte Vater Hanrahan, »und wenn Sie in der Zeit schon geschlafen haben, dann wundere ich mich, wieso Sie nicht wach geworden sind.«

»Ich habe nicht geschlafen«, antwortete sie, ohne einen Augenblick zu zögern.

»Na, wer war's dann, der da in Ihrem Zimmer gesprochen hat?«

»Ich!«

»Leben wir denn wieder in den Zeiten der Inquisition?« fragte Stephen.

»Das hier ist gar keine Inquisition«, sagte Vater Hanrahan. Zum erstenmal zeigte er Ärger. »Haben wir uns nicht beide gewundert, gestern nacht – Sie und ich –, was das für ein Geräusch war über unseren Köpfen? Und habe ich nicht geschwiegen wie ein Grab bei all den Fragen, die dieser Barrow uns gestellt hat?«

Jane lachte.

»Wenn es Ihnen so schmerzlich war, den Mund zu halten,« sagte sie, »dann wünschte ich, Sie hätten sich die Mühe gespart. Louise, meine Zofe, kam gestern noch einmal in mein Zimmer und fragte mich, ob ich noch etwas brauche, weil sie zu Bett gehen wollte. Das waren die Stimmen, die Sie gehört haben. Sie rückte den Stuhl von meinem Toilettentisch an den Schrank hinüber. Vielleicht hast du gesehen, Dicky, daß er nicht an seinem Platze stand, aber wahrscheinlich ist es dir gar nicht aufgefallen.«

»Doch, ich hab's gesehen«, sagte er.

Sie schenkte Vater Hanrahan ein strahlendes Lächeln.

»Soll man wirklich annehmen,« fuhr sie fort, »daß Sie tatsächlich geglaubt haben, John Madden sei durch mein Fenster geklettert und habe sich in meinem Schlafzimmer versteckt?«

»Ich weiß nicht, mir ist beinah, als täte ich recht, genau dasselbe zu denken wie der junge Mann, der sich in den Kopf gesetzt hatte, John Madden wäre hier im Haus.«

»Aber er hat ja mein Zimmer durchsucht.«

»Alles ganz schön.«

»Etwa nicht, Dicky?«

»Ja, das hat er.«

»Nun – wenn wir annehmen, er sei im Haus gewesen, hättet ihr ihn nicht versteckt, wenn er ins Wohnzimmer eingestiegen wäre, während ihr dort gesessen habt?«

»Sie erschießen Männer, und kann sein, es kommt ihnen auch nicht darauf an, eine Frau wegen viel geringerer Dinge zu erschießen, wie die Zeiten jetzt sind,« sagte Vater Hanrahan, »und das ist es gerade, weshalb ich immer wieder sage, daß hier kein Platz ist für Sie.«

»Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren,« sagte Stephen, »daß er damit wahrscheinlich recht hat. Ich habe mir nicht träumen lassen, daß die Dinge hier so stehen. Ich habe mir niemals einfallen lassen, daß ich kaum achtundvierzig Stunden, nachdem ich angekommen bin, erleben würde, wie man in meinem Garten einen Mann an die Wand stellt und ihn über den Haufen schießt wie einen herrenlosen Hund. Niemand wird behaupten können, daß das eine Umgebung ist, in der man sich wohlfühlen kann.«

»Wohlfühlen?« – Sie hielt gerade die Kaffeekanne und die Kanne mit der Milch in den Händen. Sie setzte beides auf den Tisch und sah die Männer an, die rechts und links von ihr sich gegenübersaßen. »Vielleicht ist's tatsächlich keine angenehme Art zu leben – aber es ist wirklicheres Leben als alles, was ich bisher erlebt habe.«

Stephen schüttelte darüber den Kopf. »Wo herumgeschossen wird und ein Guerillakrieg im Gange ist, gehören Männer hin«, sagte er. »Ich bin, weiß Gott, niemand, der der Frau ihr Recht auf Freiheit beschneiden will. Sie mag probieren, was alles sie zu leisten fähig ist, aber ich meine doch, wenn sie gerade einmal dabei ist, so kann sie auch darüber nachdenken, wo ihr die Grenze gesetzt ist.«

Sie entdeckte sofort, daß hier eine Verschwörung im Gange war. Die beiden machten gemeinsame Sache, um sie zu zwingen, nach England zurückzukehren. Stephens Beweggründe lagen klar zutage, aber es war Jane unmöglich, zu ergründen, welche geheimen Motive die Soutane des Priesters verbarg.

Er haßte sie, das lag auf der Hand. Aber schon das nächste war nicht so leicht zu beantworten: ob sein Haß sie persönlich betraf oder das ganze Geschlecht. Hier saß jedenfalls ein Mann, der vor der Anwendung der Folter nicht zurückschreckte, der Gift nicht verschmähen würde, um das zu vollbringen, was er sich vorgenommen hatte. Aber was war das?

Was sie auch vorbrachte, was sie andeuten oder zusammenfabulieren konnte, nichts konnte diesem Manne die feste Überzeugung nehmen, daß John Madden in der vergangenen Nacht im Haus und höchstwahrscheinlich in ihrem Zimmer gewesen war. Er wußte es. Wenn Stephen versuchte, sie zu überreden, nach England zurückzukehren, so war dies gewiß nicht sein Beweggrund; dessen war sie gewiß, aber es mußte der des Priesters sein.

Plötzlich wußte sie, was er als das Wesen ihrer Beziehungen zu John Madden beargwöhnte. Er selbst war zur Ehelosigkeit verdammt, und deshalb kannte sein Herz keine Gnade für Menschliches bei anderen. Wenn sie an das Gespräch zurückdachte, das sie am Morgen vorher mit ihm gehabt hatte, dann war sie sogar davon überzeugt. Um dieser Dinge willen hatte er, vom ersten Augenblick ihres Zusammentreffens an, seinen Haß auf sie geworfen. Deshalb trieb er sie nach England zurück. Er wollte John Madden vor dem bewahren, worin er die Verdammnis sah.

Die Überzeugung, daß sie ihn durchschaut hatte, war so stark, daß sie ihr neuen Mut gab. Auch Stephen wollte sie zwingen, wieder nach England zurückzukehren. Trotzdem verwendete sie nicht einen Augenblick darauf, nachzudenken, wie ihm Widerstand zu leisten sei.

Vater Hanrahan war derjenige, der im Augenblick all ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

»Nichts auf der weiten Gotteswelt«, sagte sie, »würde mich dazu bringen, nach London zurückzukehren nur aus dem Grunde, daß es mit einer gewissen Gefahr verbunden zu sein scheint, wenn wir hierbleiben. Dicky, du wirst selbst nicht darauf bestehen wollen! Es wäre feige und schwach. Ich sage euch, ich habe nie gewußt, was es heißt, lebendig und am Leben zu sein, bis ich hierhergekommen bin. Ihr beide habt anscheinend gestern nacht gedacht, der junge Mann erlaube sich einen freventlichen Einbruch ins Allerheiligste, weil er verlangt hatte, mein Zimmer genau so zu durchsuchen wie jedes andere auch. Aber diese kostbaren Anstandserwägungen taugen hier nicht das geringste. Selbstverständlich hatte er mein Zimmer genau so zu betreten wie alle anderen. Wenn er glaubte, John Madden habe sich bei mir versteckt, so war es seine Pflicht, das Zimmer zu durchsuchen, gleichgültig, ob es sich mit der Schicklichkeit vertrug oder nicht. Ich kann nur das eine sagen, ich bin jetzt förmlich froh darüber, daß er mein Zimmer so genau durchsucht hat.

Und ich denke nicht daran, wieder nach England zurückzukehren,« fuhr sie fort, »nur weil jeder Offizier Seiner Majestät des Königs von Großbritannien das Recht hat, in jedes beliebige Schlafzimmer hereinzustolpern, ohne selbst nur einen Haussuchungsbefehl vorzuweisen. Vielleicht geht mir etwas ab, was andere Menschen besitzen, jedenfalls bin ich keineswegs tief unglücklich darüber, daß mir der Sinn für alles Schicklichkeitsgetue dieser Art fehlt. So etwas mag für Louise ganz gut sein. Nicht für mich.«

Jetzt sah sie, wie Stephens Augen sie beobachteten. Vater Hanrahan war von seinem Stuhl aufgestanden. Er hatte sich ans Fenster gestellt und kehrte ihnen den Rücken. Stephen betrachtete sie aus der Ferne, als lebe er in einer Welt und sie in einer anderen. Sie wußte nicht, stand er ihr bei oder gegen sie.

Und überwältigt von ihrer Verwirrung, sagte sie mit einem Nachdruck und einer Leidenschaftlichkeit, die ihr selber übertrieben klangen:

»Und selbst wenn du nach London zurückfährst, Dicky, ich bleibe auf alle Fälle hier.«

Da wußte er, wie wenig sie ihn brauchte. Er wußte auch, daß er aus ihrem Munde nichts von dem erfahren würde, was er gestern nacht mit eigenen Augen gesehen hatte, und mehr noch, er wußte jetzt, daß sie unabwendbar im Strom des Schicksals trieb. So wandte er dem Tisch den Rücken und ging schweigend aus dem Zimmer.

Sie blieb allein mit Vater Hanrahan zurück. Sie saß am Tische und trank den Rest ihres Kaffees, den Blick auf seine gebückten Schultern gerichtet, über die das Sonnenlicht noch immer in den Raum strömte. Nach dem letzten Schluck stand sie auf und ging zur Tür.

Bis dahin hatte er durch nichts verraten, daß er ihre Gegenwart beachtete. Als sie nach der Klinke griff, drehte er sich um.

»Es ist also eine ausgemachte Sache, daß Sie hierbleiben werden«, sagte er.

»Haben Sie nicht gehört, was ich eben zu Stephen sagte?«

»Ich habe es gehört.«

»Haben Sie dann nicht verstanden, was ich damit sagen wollte?«

»Sie wollen sich also nicht warnen lassen?«

»Wer warnte mich? Vor was?«

»Ich bin's, der Sie gewarnt hat.«

»Vor was?«

»Vor der Gefahr, die hier bei uns jeder läuft, der sich mit Dingen befaßt, die ihn nichts angehen.«

»Wenn Sie über Leute reden, die sich mit Dingen befassen, die sie nichts angehen,« sagte sie, »so glaube ich nicht, daß wir uns gegenseitig etwas vorzuwerfen haben. Tun Sie meinetwegen, was in Ihren Kräften steht, um Stephen umzustimmen, aber ich würde es für einen bedauerlichen Zeitverlust halten, wenn Sie den Versuch machen wollten, mich zu Ihrem Standpunkt zu bekehren. Und – ich bitte Sie, in dieser Frage keine Unhöflichkeit zu sehen, denn ich muß meine Anordnungen danach treffen – bleiben Sie zum Lunch noch hier?«

»Ich werde versuchen, die Zwölfuhrfähre zu erreichen«, antwortete er.

Sie lächelte ihm von der Schwelle aus zu, als stünden sie miteinander auf freundschaftlichstem Fuß.

»Nun, ich denke, wir werden Sie hier noch begrüßen können, ehe wir nach London zurückkehren. Mir ist so, als könnten wir bestimmt darauf rechnen.«

Sie traute sich nicht, noch mehr im gleichen Stil zu sagen, und hielt es für sicherer, die Tür zwischen sich und ihn zu bringen. Soweit hatte er doch Macht über sie. Seine Unerschütterlichkeit war etwas, was einen außer Fassung brachte. Sie wußte selbst, wie nahe sie daran gewesen war, sich gehen zu lassen und griff freudig nach jedem Gedanken, der geeignet schien, sie zu beruhigen.

Sie fand ihn, ohne zu suchen, in ihrer nächsten Nähe. Die Tür des Zimmers neben dem, das sie verlassen hatte, war geschlossen. Sie stand davor. Unerwartet überkam sie der Wunsch, den Mann zu sehen, um den John Madden Tränen vergossen hatte. Sie öffnete die Tür und trat ein. Die Rollvorhänge waren heruntergelassen, aber da das Zimmer ebenfalls nach dem Garten hinausging, drang das Sonnenlicht durch den gelblichen Stoff und füllte das Zimmer mit einer warmen, honigfarbenen Atmosphäre.

Er lag auf einem Tisch. Ein weißes Leintuch bedeckte Gesicht und Körper. Das warme Licht, das von draußen hereinzitterte, erfüllte den Raum mit so starkem Leben, daß es sie nicht überrascht hätte, wenn er sich im Schlaf bewegt hätte.

Sie zögerte, ward des Zögerns Herr und trat dicht an ihn heran und schlug das Tuch zurück. Er lag wie ein Schläfer– ein allzu müder Mann, froh jeder Rast, die ihm beschieden war. Obwohl sie wußte, wie plötzlich und gewaltsam er aus dem Leben geschieden war – obwohl John Madden ihr von der Liebe erzählt hatte, die er hier zurückließ –, vermochte sie keine Trauer zu empfinden. Er lag so ruhig, so friedlich.

War es nicht beglückend und befreiend, zu erfahren, daß der Tod keinen Stachel hatte? Sie legte ihre Hand auf seine Stirn. Sie war eiskalt und dennoch konnte sie sich auch hier des Gefühls nicht erwehren, daß sie dichter am Leben stand, als je zuvor.

Sie zog das Leintuch wieder über ihn. Irgendein Geräusch war im Zimmer.

Es war eine Fliege, die an der Fensterscheibe summte.


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