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Zwölftes Kapitel

Stephen fuhr am nächsten Tag auf kurze Zeit nach Warwickshire.

Sie frühstückte gerade. Er kam ins Schlafzimmer, um sich zu verabschieden. Er hatte ein komisches Reisehütchen in der Hand. Sein gepackter Koffer wartete in der Diele unten. Nun wurde er einem gründlichen Verhör unterzogen. Man mußte doch die Gewißheit haben, daß er alles hatte, was er brauchte. Wie ein Schulbub mit seinem Ranzen stand er Rede und Antwort. »Frage Britton aber auch, ob er dir Taschentücher eingepackt hat«, sagte sie. »Britton hat keine Vorstellung davon, daß der Mensch eine Nase besitzt. Er selbst verwendet grundsätzlich keine Taschentücher.« Alles war so wie immer, wenn sie auf kurze Zeit voneinander Abschied nahmen, aber plötzlich sah sie ihn fest an, die Kaffeetasse in der Hand.

»Dicky,« sagte sie, »schreibst du über den Aufstand?«

»Für Kinder?« sagte er.

»Wenn du es so willst – oder vielleicht für mich?«

Er erinnerte daran, daß er einstmals schon etwas von geschichtlichen Stoffen gesagt hatte, die noch zu heiß sind, als daß man sie ungestraft anfassen könnte.

»Ich mache nicht oft geistreiche Bemerkungen«, sagte er. »Aber das war sozusagen eine. Ich bin kein Opportunist. Ich bin keiner von den Intellektuellen, die von der Angst gehetzt sind, den Anschluß zu versäumen. Meine Eigenheit ist eigentlich, daß ich dasitze und warte, bis alles vorbei ist. Glaubst du, daß ich über den Aufstand schreiben sollte?«

»Nein. Aber gestern abend hat jemand behauptet, daß du schon damit beschäftigt bist.«

»Wer?«

Sie erzählte ihm davon.

Er hatte sich zu ihr auf das Bett gesetzt. Er nahm ihr die Tasse ab, stellte sie auf den Tisch neben ihrem Kopfkissen und hielt ihre Hand fest, als habe man sie ihm auf kurze Zeit geliehen.

»Irland bedeutet für mich mehr als ein Modethema«, sagte er. »Ich kann darüber nicht ins Blaue hinein fabulieren, weil es gerade aktuell ist. Ich bin kein Mensch, der Hasard spielt. Bis jetzt kann man von einer Geschichte des irischen Aufstands noch nicht reden.«

Sie ließ ihre Hand in seiner. Sie fühlte, hier war der Mann, der ihr, verläßlicher als jeder andere, Bescheid geben konnte. Wenn Kinder unvermutet mit den Begriffen »Allmacht« und »Ewigkeit« zusammenstoßen, Worten, die so groß und so dunkel für sie sind, dann kommen sie gerannt und fragen mit demselben großen Blick des Staunens in den Augen, mit dem sie fragte:

»Und wann wird es eine irische Geschichte geben? Wann wird alles vorbei sein?«

»Solange wird es keine Geschichte von Irland geben,« sagte Stephen, »solange dieses England hier nicht seiner Furcht vor Irland Herr wird oder ihr völlig unterliegt. Eine Furcht, teilweise geographisch begründet, teilweise Angst vor der Meinung der Welt. Aufstand ist auf Aufstand gefolgt. Kannst du dich wundern, daß Irland im letzten Krieg die Gelegenheit gesehen hat, den entscheidenden Schlag für seine Freiheit zu führen? Welcher Augenblick war günstiger als der, wo England einer größeren Gefahr in die Augen zu sehen hatte, als seinerzeit im Kampf um die Weltmacht mit Spanien, in seinen eigenen Bürgerkriegen, einer größeren Drohung als bei dem Kampf um die Vorherrschaft mit Frankreich. Jedes dieser Ereignisse hat auch einen irischen Aufstand gesehen. Aber Madden hat recht, diesmal ist es kein Aufstand, sondern ein Krieg, wenn die Iren lang genug durchhalten können.«

»Nicht wahr, Dicky, du weißt schrecklich viel über das alles,« fragte sie, »mehr als du mir erzählst?«

»Ich weiß so viel, als ich mit meinen eigenen Augen sehen kann.«

»Werden wir gewinnen?«

»Wer ist wir?«

»Nun, ihr alle, Irland?«

Er beugte sich über sie und küßte sie auf die Stirn

»Ich frage mich immer, warum du mich genommen hast«, sagte er. »Immer wieder.«

Sie sah ihn ratlos und fragend an.

»Ich meine damit,« erklärte er, »durch welche Fügung gerade ich hinunter nach Charmouth geraten bin, um dich hinauszuholen in die Welt. Ist es nicht absonderlich? Ich wurde nicht für Abenteuer und Entdeckungen geschaffen.«

Und dann – sehr leise, sagte er: »Mein Liebes!«

Dann nahm er sein komisches Hütchen in die Hand und stieg in die Diele hinunter, wo allen Befürchtungen zum Trotz Britton tatsächlich den gepackten Koffer für die Reise nach Warwickshire zurechtgestellt hatte. Nach den Taschentüchern zu fragen, vergaß er vollständig.

Jane lunchte mit Anthony Draper im Savoy um ein Uhr fünfzehn. Sie verließ ihn um halb vier, ging geradeswegs nach Hause und legte sich in ihrem Zimmer bis sechs Uhr hin. Den Tee wies sie zurück. Dreimal kam Besuch. Britton hatte Anweisung, alle wegzuschicken. Er erfüllte solche Aufträge glänzend – sehr kühl und geheimnisvoll.

Sie hätte selbst nicht mit Bestimmtheit sagen können, ob sie in dieser Zeit geschlafen hatte oder nicht. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, aber die Rouleaus herabgelassen. Sanftgefärbtes, schwaches Licht drang durch den leichten Stoff. Hin und wieder schloß sie im Liegen für lange Zeit die Augen. Wie immer auch ihre körperliche und seelische Verfassung sein mochte – auf alle Fälle war sie in solchen Augenblicken weit, weit – fern von London, vom St.-James-Square, von jenem Gefühl des Zusammenhangs mit dem Leben, das die geistige Voraussetzung allen Lebens ist, und dann wieder fühlte sie sich mit dem Leben eng verbunden.

Um sechs Uhr öffnete Louise die Tür.

»Gnädige Frau wollten sich um sechs Uhr anziehen.«

Jane richtete sich auf einem Ellbogen auf und erklärte, sie brauche bei der Toilette keine Hilfe. Eine halbe Stunde später verließ sie das Haus. Sie war unauffällig angezogen. Nachmittags im Savoy hatte sie ein Kleid getragen, das alle Augen im Umkreis auf Anthony Drapers Tisch konzentriert hatte. Beim Weggehen warf sie einen flüchtigen Blick in den Spiegel und fragte sich, ob eine Frau aufrichtig ist, wenn sie den Wunsch hat, ihrer eigenen Schönheit zu entfliehen.

Sie wollten sich in der Halle des Carlton-Hotels treffen. Am Telephon hatte John Madden gefragt: »Soll ich Sie am St.-James-Square abholen?« Sie hatte gezögert, aus einem Grund, der verschwommen und ohne feste Umrisse war, wie alle ihre Überlegungen in den letzten zwei Tagen. Es schien unklug, wenn er sie abholte. Und dann hatte sie das Gefühl, daß es wenig zu der inneren Beziehung passen würde, die zwischen ihnen beiden entstanden war.

Nicht etwa deshalb, weil es so aussehen konnte, als ob es hinter dem Rücken von Stephen geschähe. Aber sie hätte es gewöhnlich gefunden. Ein anderer Treffpunkt, als die Halle des Carlton-Hotels, war ihr in der Eile nicht eingefallen.

Das Carlton bedeutete nichts für ihn. Er schenkte der Sache keinen Gedanken. Man hätte ihm ebensogut das königliche Schloß oder den Laternenpfahl einer Geschäftsstraße als Rendezvous geben können. Mit seinem raschen, energischen Schritt hatte er die Türen zur äußeren Halle des Restaurants passiert. Ein Lakai hatte sich auf seinen Hut gestürzt. Er hatte sich geweigert, ihn herzugeben.

»Ich bin bloß hereingekommen, um eine Dame zu treffen,« sagte er, »wo wartet man hier bei euch? Da drin? Oder wo sonst?«

Sie fand ihn in der Halle sitzend, den Hut auf den Knien, die Blicke auf die Tür gerichtet. Ein Kellner geisterte erwartungsvoll um die benachbarten Tische. Für John Madden war er Luft. Sie stellte es auf den ersten Blick fest. Es war ein kleiner Zug, der für sie viel enthielt. Da erblickte er sie und sprang auf.

»Sie verlangen doch nicht etwa, daß wir hier essen? Oder doch?« war seine erste Bemerkung.

Schon riß er die Führung an sich; es freute sie, ihr Gesicht enthüllte in diesem Augenblick, welch tiefer Freude es fähig war. Es lief ein Schein darüber, wie ein schräger Streifen Sonnenlicht über ein dunkles Wasser. Es bezeugte ihre vollständige und bereitwillige Unterwerfung.

Er hatte, wie er sagte, ein Lokal entdeckt – entdeckt, sagte er, als hätte es nicht existiert, bevor er es fand: »Ich habe gestern da gegessen, allein, ach nein, nicht allein. Eine Frau kam herein und trank mit mir Kaffee.«

Sie lachte und sagte: »Vielleicht ist es doch besser, wenn Ihr Paß nicht verlängert wird«, aber sie fühlte einen feinen Stich tief im Herzen, wie einen unbekannten Schmerz, der erschreckt und vorbeigeht und vergessen wird.

Er führte sie zu »Oddenino«. Als sie mit ihm eintrat und die langen Tischreihen hinunter schritt, wo Durchschnittsmänner mit zweifelhaften Frauen saßen, dachte sie lebhaft an die Frau, die hier am Abend vorher mit ihm Kaffee getrunken hatte. Wieder spürte sie den schmerzenden Stich. Wie hatte es geendet? Sie hungerte danach, es zu wissen; und was hatte ihm der Abschluß bedeutet, ihm, der hier allein war in »ihrem« London? Sein London war es nicht. Lag nicht eine ganze Welt zwischen dem Hier und der grünen und purpurnen Heide oben auf seinen Bergen! Warum sollte er sich besinnen? Neigten Männer dazu, sich viel zu besinnen? Gewiß, sie war neugierig. Sie wußte, es war unverfälschte, gewöhnliche weibliche Neugier. Und doch hatte sie zugelassen, daß sie von ihr Besitz nahm. Wie sehr fing sie an, sich zu ändern!

Als sie in der äußersten Ecke des zweiten Raums einen Tisch gefunden und sich niedergelassen hatten, fragte sie geradezu:

»Was war das für eine Frau, die mit Ihnen gestern hier Kaffee getrunken hat?«

Er hatte keine Ahnung, was in ihr vorging – sie selbst durchschaute es ja nicht –. Er merkte nicht, wieviel sich unter ihrer Frage versteckte. Er lachte. Plötzlich wußte sie, wie er als Junge ausgesehen hatte. Es wirkte wie ein Zaubermittel. Verflogen war, was sie eben noch gequält hatte. Sie brauchte keine anderen Versicherungen mehr, dies Lachen genügte. In der Welt derer, die sie kannte, gab es keinen Mann, der ihre Frage mit einem solchen Lachen hätte beantworten können. Nichts darin erinnerte an den gespaltenen Huf, an den Satyr. Es war keine verlegene Ausflucht, es war kein freches Bekennen einer billigen Eroberung. Und wie leicht. – Sie hätte es eigentlich erwartet.

»Wozu sollen wir uns über sie unterhalten?« sagte er ungeduldig. »Das hat doch hierbei nicht das geringste zu tun. Wir tranken Kaffee, und sie redete. Dann, nach einer gewissen Zeit, sagte sie plötzlich: ›Häng' dich auf!‹ und verschwand.«

Er lachte wieder. Er wollte sie dazu bringen, mitzulachen, aber mehr als ein Lächeln konnte sie nicht aufbringen. Sie war innerlich zu tief beschäftigt! Neben ihr saß ein Mann, der sich sein Frauenideal rein bewahrt hatte. Und dabei schien er sich dessen gar nicht bewußt. Er war anscheinend überhaupt kein Mensch, der sich über sich selbst den Kopf zerbricht. Sie wußte: Hier, in einem Raum, wo Männer und Frauen, die einen flüchtigen körperlichen Umgang suchten, sich trafen, um wieder auseinanderzulaufen, saß sie neben einem Manne, der niemals in seinem Leben um des Augenblicks willen nach der Hand einer Frau gegriffen hatte.

Es war ein unerwartetes, ein phantastisches Erlebnis. Die Erkenntnis erschütterte sie.

Sie zwang sich, den Eindruck abzuschütteln. Aber das Gefühl scheuer Achtung, das er ihr einflößte, ließ sich nicht ganz ausschalten.

»Ich wollte nicht darüber reden,« sagte sie, »ich war nur neugierig.«

»Neugierig? Bei einer Frau wie der?«

Hätte sie nur nichts gesagt. Es war, als hätte er ihre Seele in einer peinlichen Entblößung überrascht und hindere sie daran, die Blöße zuzudecken.

»Bestellen Sie uns etwas zum Essen,« sagte sie, »und ich will von Anthony Draper erzählen.«

Sofort winkte er einen Kellner herbei.

Er hatte sie im Hydepark-Hotel frühstücken sehen. Das machte ihn unsicher. Statt das fertige Menü zu bestellen, schob er ihr die Karte hinüber, deutete auf die Gerichte und fragte, zaghaft sie anblickend: »Wie wäre es damit?«

Sie lachte. »Ich esse ja mit Ihnen«, sagte sie. »Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich heute nicht in meiner Prinzessinnenlaune bin.«

Schließlich war er so weit und warf ungeduldig die Karte dem Kellner zu.

»Nun zu Draper!« sagte er.

Sie berichtete über ihre Zusammenkunft, wie man einem Kind eine Geschichte mundgerecht macht. Er saß und hörte zu und übersah, daß der Mann, von dem sie sprachen, seine besonderen geheimen Absichten verfolgte und mit einer Klarheit des Wollens, die keinen Fehler in ihrer Rechnung kennt, seinem Ziele entgegenarbeitete. Sie allein hatte alles zuwege gebracht, nur sich selbst hatte sie den Sieg zu verdanken – anderes sah er nicht. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, daß dafür vielleicht ein Preis zu zahlen war. Auf dieser schönen Stirn stand geschrieben, daß Irland von dieser Frau gerettet werden sollte. Diese Schönheit hatte mitgeholfen, daß sie dem Ziele nähergekommen war. Soviel gab er zu, aber er gab nicht mehr zu.

Sie hatte ihm erzählt, wie weit die Dinge gediehen waren, wie es ihr gelungen sei, Drapers Interesse neu zu entfachen. In der Art, wie sie es erzählte, lag nichts, was ihn auf den Gedanken hätte bringen können, daß dieses Interesse sich lediglich auf Jane Carrolls Person konzentrierte. Er sah nichts als das Feuer der Hoffnung, das damit auf seinen heimatlichen Bergen neu entzündet war.

»Er ist bereit, mit Ihnen zusammenzukommen«, sagte sie. »Stephen kommt in ein paar Tagen zurück Wenn Sie wollen, kann ich ihn aber auch übermorgen zurückrufen. Heute ist Donnerstag, also wird das Essen am St.-James-Square am Sonnabend stattfinden.«

»Haben Sie ihm angedeutet, warum ich mit ihm zusammenkommen will – um was ich ihn bitten will?«

»Nicht das geringste, aber er weiß Bescheid.«

»Wieso?«

»Nun, ich muß annehmen, daß man im Sinn-Feiner-Hauptquartier seine Geheimnisse nicht ganz so gut wahrt, wie Sie sich einbilden. Aber selbst wenn es so wäre, dieser Amerikaner würde Bescheid wissen. Er ist kein Mann, der sich über den menschlichen Charakter Illusionen macht. Er sieht sich die Leute an und hat sie bereits durchschaut, weiß bis mm kleinsten, was in jedem steckt, und während er dasitzt und sich sein Essen in den Mund schaufelt, hat er sein Gegenüber bereits auf Heller und Pfennig taxiert.«

»Haben Sie ihm denn etwa anvertraut, daß wir Schußwaffen und Munition brauchen?«

»Nein. Das ist ein Mann, der ins Schwarze trifft, ohne lang zu zielen. In dieser Beziehung ist er echt amerikanisch – schießt von der Hüfte weg, wie ein Cowboy. Er hatte sofort heraus, daß ich etwas im Schilde führte. Er biß in seinen Spargel und sagte: »Sind Sie bereit, zuzugeben, daß die Leute in Irland so ziemlich am Ende sind?« Am liebsten hätte ich ihm geantwortet: ›An Leuten, die mit dem Mund voll Spargel mit mir sprechen, wären mir die Manieren interessanter als das, was sie vorzubringen haben!‹ Ich muß sagen, daß mir seine Aufrichtigkeit eigentlich gefällt. Mir ist es lieber, es kaut einer seinen Spargel und redet deutlich und aufrichtig mit mir, als wenn er zwar höflich wartet, bis er den Mund leer hat, aber dann nur zeigt, was für ein Heuchler er ist.«

Er sah sie erstaunt an. Dieses ruhige Wissen um die Welt! Er fühlte sich ihr gegenüber wie ein Kind.

»Und was haben Sie ihm geantwortet?« fragte er.

»Was sollte ich antworten? Das ist ein Mensch, den man mit Worten nicht hinters Licht führen kann. Worte probiert er mit den Zähnen, wie verdächtige Dollarstücke. So sagte ich denn: ›Denke, sie sind's – denke, Sie haben's erfaßt.‹ Seine eigenen Redensarten. Es war die einzige Art, in der ich meinen Bericht vorbringen konnte. Ich denke, er ließ es gelten – er glaubte nicht, daß Sie mir alles erzählt hätten. Man sah ihm an, daß sein Hirn arbeitete wie eine Rechenmaschine, er ›kalkulierte‹, ich wüßte selber nicht Bescheid. Denn als ich ihm erklärte, ich wüßte sehr gut Bescheid, legte er plötzlich seine Spargel auf den Teller und sagte – ohne was im Mund zu haben, es war Ritterlichkeit in Reinkultur –: ›Und was sind Ihre Karten in diesem Spiel?‹«

John Madden hatte selbst eine gewisse Begabung, eine Geschichte vorzutragen, aber die Feinheiten ihrer Schilderung erfaßte er nicht. Er hatte nicht das Fingerspitzengefühl für die Dinge, die unter der äußeren Haut der Ereignisse lagen und die sie ihm zeigen wollte. Er sah Jane an, immer noch verwundert. Er sagte – wenigstens glaubte er zu sagen:

»Und was antworteten Sie darauf?«

Hatte er es wirklich gesagt oder nur geglaubt, es zu sagen? Er erhielt eine Antwort.

»Wie hätte ich ihm das erklären können?« sagte sie so leise, daß er sie gerade noch verstand.

Er beugte sich über den Tisch, um ihr näher zu sein. Beunruhigung und Schwermut, ungewöhnliche Schwermut lagen in ihren Augen. Waren Tränen darin? Es schien fast so. Wieder, wie so oft in diesen Tagen, fühlte sie sich seltsam körperlos, entschwebend, ansetzend zum Flug, nicht zur Erde gehörig, aber auch kein Geschöpf der Luft.

»Weiß ich denn selbst, was meine Karten sind in diesem Spiel?« flüsterte sie. »Ich weiß nur eines: daß ich alles tun werde, um Irland zu helfen.«

Ihre Hand lag auf dem Tisch. Die Perlenschnur, die sie am Handgelenk trug, floß auf das Tischtuch. Er faßte die Hand mit ihrem Schmuck in seine. Diesmal war nichts Stählernes in seinem Griff. Seine Finger griffen so behutsam zu, als ob sie den Kelch einer Blüte faßten.


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