Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

3.

Rose eilte die Allee hinauf in einer Verwirrung, die ihr sehr grundlos und thöricht erschien und von der sie sich doch durchaus nicht losmachen konnte. Sie schalt sich wegen ihres abweisenden Benehmens dem Grafen gegenüber, der doch am Ende ganz gegen seinen Willen ihr so nahe gekommen war, und als Fremder und zugleich als Nachbar wohl auf einen freundlicheren Empfang rechnen konnte. Und sie wäre auch gewiß freundlicher gewesen, wenn das beleidigende Lächeln nicht um einen Mund und in seinen Augen gespielt hätte. Was hatte er zu lachen? Hatte sie nicht alle Ursache, über eine so unerwartete und gewaltsame Störung ein wenig erschrocken zu sein? Ist es Cavaliersitte, Damen, die man beinahe todtgeschossen hat, noch auszulachen? Das konnte kein Cavalier! Der Mensch war ohne Frage gar nicht der Graf Lengsfeld, sondern des Grafen Jäger. Wo sollte auch der Graf mit einem Male herkommen? Das hätte sie ja in Weißenbach längst gehört haben müssen. Aber wie des Grafen Jäger hatte er auch nicht ausgesehen; seine ganze Haltung und sein Benehmen war doch Alles in Allem sehr vornehm und passend gewesen – bis auf das Lächeln, das wirklich sehr unpassend war! – Besonders hatte seine Stimme einen recht schönen Klang gehabt, so wie Rose eine Männerstimme liebte, tief und sanft; ja die Stimme war, wenn sie aufrichtig sein wollte, sehr sanft gewesen, so daß man eigentlich nicht wohl begreifen konnte, wie dieselbe Stimme so laut: Boncoeur, ici! gerufen haben konnte.

Fräulein Rose gab sehr viel auf den Klang der Stimme, weil sie sich auf ihr feines und leises Ohr viel mehr verlassen konnte, als auf ihr Auge. Uebrigens schien, wenn sie sich nicht, was ihr allerdings manchmal begegnete, geirrt hatte, der Ausdruck von dem Gesicht des Grafen dem sanften Klang der Stimme nicht gerade zu widersprechen – eine hohe Stirn, eine gerade und feine Nase, schöngeschnittene Augen, volle, nicht übervolle Wangen – Alles umrahmt von dunklen Haar und Bart – nein, der Mann sah wirklich nicht aus wie der Diener seines Herrn! Es wird doch wohl der Herr Graf Lengsfeld in höchst eigener Person gewesen sein. Aber weshalb hat er keinen Besuch bei dem Vater gemacht? Er, als Fremder, kann doch nicht wissen, wie abgeschlossen und abweisend Vater gegen die Menschen ist, ihm sind wir doch nur Gutsnachbarn und Standesgenossen, denen er sich bei seiner Ankunft vorstellen mußte. Es freut mich jetzt recht, daß ich ihn so als Chatelaine und nicht als »Fräulein Röschen vom Hofe« empfangen habe; es freut mich jetzt recht sehr.

Fräulein Rose war so in ihre Gedanken vertieft, daß sie die hohe schlanke Gestalt eines alten Herrn, welcher ihr die Allee entgegenkam, nicht eher bemerkte, als bis sie ganz in seiner Nähe war. Den Vater so weit vom Hause, und noch dazu in diesem Theile des Parkes zu sehen, war etwas so Außergewöhnliches, daß Rose, aufgeregt, wie sie durch die Begegnung mit dem Grafen schon war, ernstlich erschrak und, mit stürmischer Hast dem Vater entgegenfliegend und ihre Arme um ihn schlingend, rief: »Was hast Du, Väterchen? Eine schlimme Nachricht? Sag's nur gleich!«

Herr von Weißenbach drückte den lockigen Kopf des Mädchens zärtlich gegen seine Schulter und küßte sie auf die Stirn. »Nichts habe ich, lieb' Röschen; zum mindesten keine schlimme Nachricht, und was ich habe, will ich Dir auch sogleich sagen. Komm, gieb mir Deinen Arm; wir wollen nach dem Hause zurück, aber, wenn ich bitten darf, in etwas langsameren Tempo, als in welchem Du die Allee heraufkamst, mein Wildfang. Wie das Wänglein glüht! Wie eine rothe Rose, mein Röschen! Ich glaube, so ein Mädchenbild stand mir vor der Seele, als ich, nachdem Du geboren warst, im Garten auf und nieder ging und darüber nachdachte, wie ich Dich nennen sollte. Da kam ich an einen Rosenstrauch, der in voller Blüthe stand. Der Anblick der rothen Rosen in dem dunklen Grün war so schön, und in mir sagte plötzlich eine Stimme: so soll sie heißen wie dieser Strauch, der in einer und derselben Nacht mit ihr zum Leben erblüht ist, und so bist Du denn Rose in der Taufe genannt. Hernach, als Du unser Einziges bliebst, habe ich oft mit einer Art abergläubischen Furcht an den Umstand gedacht, der Dir zu Deinem Namen verhalf. Rosen welken schnell, ein paar Tage und der Nachtwind streut die Blätter über das Beet. Du bist das Ebenbild Deiner Mutter und sie starb in der Blüthe ihrer Jahre. Wenn auch Du, Rose – wenn ich auch Dich verlöre, Rose –«

Die Stimme des Mannes zitterte, während er die Worte sprach und er brach plötzlich ab. Rose nahm seine Hand und küßte sie: »Liebes Väterchen, Du weißt, daß Du mir versprochen hast, Dir zu Deinen wirklichen Sorgen keine unnöthigen zu machen,« sagte sie sanft.

Der Vater raffte sich zusammen; sein Schritt wurde plötzlich wieder straff und seine Stimme war wieder fest, als er, den Arm der Tochter zärtlich drückend, erwiderte:

»Hast recht, Röschen, ganz recht; ich habe es Dir versprochen, ich weiß nicht, wie ich darauf komme, noch dazu in einem Augenblick, wo ich – ich wollte in der That von etwas ganz Anderem mit Dir sprechen, von etwas ganz Anderem; und Du mußt mir schon den Gefallen thun, und mußt mich ganz gegen Deine Gewohnheit einmal geduldig, und, wo möglich, ohne mich zu unterbrechen, anhören, wenn ich auch nach Art alter Leute vielleicht ein wenig weit aushole.«

»Was ist's, Väterchen,« sagte Rose und blickte mit großer Spannung in das nachdenkliche, aufgeregte Gesicht des Vaters.

Herr von Weißenbach ging ein paar Schritte schweigend weiter, dann sagte er mit einer gewissen Heftigkeit:

»Du mußt die Einladung der Herzogin annehmen, Röschen!«

»Nennt mein Väterchen das: ein wenig weit ausholen?« erwiderte Rose schelmisch.

Herr von Weißenbach war mit seinen Gedanken zu beschäftigt, um auf diese Unterbrechung zu achten.

»Es geht nicht anders,« fuhr er fort, »ich hatte mir die Sache im Anfang nicht ordentlich überlegt; aber jetzt, nachdem ich den Brief der Herzogin gelesen, wiederhole ich: Du mußt. Sie hat an Dich geschrieben, wie – wie eine Schwester, eine ältere, liebevolle Schwester; überdies ist sie krank, oder doch wenigstens krank gewesen, und bedarf gewiß recht sehr Jemandes, den sie liebt, der so, wie mein kluges Mädchen, das alle Bücher gelesen hat und so zierlich zu sprechen weiß, sie unterhalten, ihr die Einsamkeit weniger einsam machen kann. Man darf nicht immer an sich denken, man muß auch einmal für die Freunde etwas thun können, man muß – mit einem Worte, Röschen, es thut mir leid, daß wir den Husaren so haben wegreiten lassen; Du mußt sogleich, oder vielmehr: ich will sogleich an sie schreiben und ihr sagen, daß Du übermorgen oder in acht Tagen etwa –«

»Oder ein ander Mal!« unterbrach Rose den Vater lächelnd; – »nein, Väterchen, wir wollen ihr keine Hoffnungen erwecken, die wir zu erfüllen nicht gesonnen sind. Und dann, mein liebes Väterchen, seit wann haben wir denn vor einander Geheimnisse? Wenn ich wirklich Dein kluges Töchterchen bin, wie Du mich so oft nennt, so muß ich doch auch wissen, daß Du in diesem Augenblicke nicht sowohl an die Herzogin, als an Jemand denkt, der Dir noch näher steht, deren Glück Dir noch mehr am Herzen liegt; daß Du mich, mit einem Worte, nicht sowohl der Herzogin halber, als meiner selbst willen fortschicken willst. Habe ich recht, Väterchen, oder nicht?«

»Deren Glück mir noch mehr am Herzen liegt!« murmelte Herr von Weißenbach; »ja, bei Gott, Rose, das thut es, das thut es! Aber wodurch beweise ich's denn? was thue ich denn für Dein Glück? Ist es ein Glück für ein junges Geschöpf, wie Du, hier in dieser Einsamkeit das Leben zu vertrauern, an der Seite eines alten wunderlichen Mannes, den die Welt, in die er sich nie zu finden wußte, schließlich von sich gestoßen hat? Ist es ein Glück für ein so kluges, geistreiches Geschöpf, wie Du, zum einzigen Umgang einen alten Hypochonder zu haben, der freilich in der Einsamkeit und in der Abgeschiedenheit von aller Gesellschaft nichts vergessen kann, weil er nie etwas gelernt hat? Nein, nein, die Herzogin hat grausam recht: ›Dein Vater muß auch einmal lernen, was wir Fürsten so früh lernen müssen, daß wir unsere Kinder der Welt schuldig sind.‹«

»Die Herzogin durfte das nicht schreiben und ich wollte Dir deßhalb auch gar nicht den Brief geben,« erwiderte Rose eifrig. »Die Herzogin hat gut reden; lieb, wie ich sie habe, und gut, wie sie ist; aber, was Unglück ist, das weiß sie doch nicht, kann sie nicht wissen. Sie weiß deshalb auch nicht, was ich Dir bin und was Du opfert, wenn Du mich von Dir schickt. Ja, mein lieb' Väterchen, ich wiederhole es: von Dir schickst, denn ich gehe nicht von Dir, aus freien Stücken nicht.«

»Aber es ist ja nur von wenigen Tagen, höchstens von einigen Wochen die Rede,« sagte Herr von Weißenbach.

»Und wäre es auch nur auf so kurze Zeit,« erwiderte Rose, die sich immer mehr in Eifer hineinsprach: »ich gehe doch nicht. Warum sollte ich gehen? ich will einmal annehmen, daß Du mich entbehren könntest, – was nicht der Fall ist, Väterchen – nein, nein, nein! nicht der Fall ist! – aber was könnte mich bestimmen, unsern Hof mit dem herzoglichen zu vertauschen? Hier bin ich Herzogin und unumschränkte Gebieterin. Das Kleid, das ich hier trage, ist stets nach der neuesten Mode, als wäre es ein eben von Paris gekommenes Modell; dort würde ich mich mit meinem antiquierten Staat wie ein modernes Aschenbrödel ausnehmen. Hier bin ich reich, so reich, daß ich den Armen wie die Vorsehung erscheine, dort bin ich arm; hier gefalle ich mühelos Jedermann, dort ist ein ewiger Wettkampf um die Palme der Anerkennung, die nicht immer der Würdigsten zu Theil wird; hier erfreue ich mich des ununterbrochenen Verkehrs mit einem gewissen Herrn, den ich von jeher für den ersten Gentleman der Welt gehalten habe; dort bewegt man sich in einer Gesellschaft von Krautjunkern und Hofschranzen, die mich, da sie weder Kenntnisse noch Verstand haben, langweilen, oder von Künstlern und Gelehrten, die durch ihre Formlosigkeit meinen Geschmack beleidigen. Nein, nein, Vater, ich kenne diese Welt zu gut, als daß ich wünschen sollte, mich ohne Noth wieder hineinzumischen. Nein, nein! An's Väterchen, an's theure schließ' Dich an, das halte fest mit Deinem ganzen Herzen. Hier sind die starken Wurzeln Deiner Kraft.«

Das junge Mädchen warf sich an die Brust des Vaters, schlang ihre Arme um seinen Nacken und küßte ihn zu wiederholten Malen. Die heitere, fast übermüthige Laune, in welcher sie, wie es schien, zuletzt gesprochen, war verschwunden. Sie ließ ihren Kopf auf die Schulter des Vaters sinken, um die Thränen, die aus ihren Augen brachen, zu verbergen.

Herr von Weißenbach hatte schon oft vor dem reichen seelischen Leben, in das ihm der vertraute Verkehr mit seiner Tochter so manchen wunderreichen Blick thun ließ, wie vor einem Räthsel gestanden. Auch jetzt hatte er wieder das Gefühl, daß er diese, flatternde, schwebende, weinende, lächelnde Psyche zu halten und zu bannen nicht die Kraft habe; aber das sagte ihm doch sein Herz, daß man Thränen, wie sie Rose eben schnell aus ihren Augen trocknete, nicht weint, wenn man glücklich, ganz glücklich ist.

»Und wenn ich mich nun entschließen könnte, mit Dir zu gehen, Rose,« fing er nach einer Pause wieder an, »ich meine nicht auf ein paar Tage oder Wochen, sondern für – für immer – wenigstens bis Du, – bis – mit einem Worte, wenn ich wieder mit Dir in die Stadt zöge – wie dann, Rose?«

»Aber Vater,« rief das junge Mädchen erschrocken, »wie kommst Du nur darauf? Du weißt –«

»Antworte mir gerade heraus, Rose! Wie dann? wie dann? würdest Du auch dann nicht gehen wollen?«

»Nein,« sagte Rose fest; »auch dann nicht, denn ich wüßte, daß Du in kurzer Zeit einen Entschluß, den Du nur aus Liebe zu mir gefaßt, – nicht bereuen würdest, denn dazu bist Du zu großherzig; – aber daß Du Dich in kurzer Zeit sehr, sehr unglücklich fühlen würdest; und wie könnte dann von Glück für mich die Rede sein! Nein, Vater, laß mich aussprechen; ich sehe hier klarer, als Du, dem die Liebe zu mir das sonst so helle Auge verdunkelt. Wir sind arm, und ich bin stolz darauf, daß wir es sind, daß Du den letzten Pfennig hingegeben hat, um Deine Ehre zu retten, um der Welt zu zeigen, daß man Deinen reinen Namen gemißbraucht hatte, als man Dich überredete, in das Directorium jener unglücklichen Bank zu treten. Du hattest es gut gemeint, aber die Menschen, denen Du vertrautest, waren schlecht. Du hast Dein Vermögen in den Abgrund geworfen, der sich vor Deinen Augen aufthat; hast gethan, was Niemand von Dir gesetzlich fordern konnte, wozu Du durch Nichts als durch die Achtung, die Du Dir schuldig bist, verpflichtet warst; und Du würdest Dein Leben geopfert haben, wie Dein Vermögen, wenn Du damit auch nur einem Einzigen der Vielen, welche die Bank ruiniert hatte, wieder zu dem Seinigen hättest verhelfen können. Du hast gehandelt, wie mein Vater handeln mußte, und ich ehre Dich dafür, wie man einen Heiligen verehrt.«

Die Wangen des jungen Mädchens glühten, während sie so sprach; ihre Augen blitzten; ihre tiefe melodische Stimme bebte. Jetzt nahm sie den Arm des Vaters, den sie im Feuer ihrer Rede hatte fallen lassen, wieder und fuhr in ruhigerem Tone fort:

»Aber, Vater, ich wiederhole es, wir sind arm, ärmer, als einer der plumpen Bauern im Dorf, die früher Hörige unserer Vorfahren waren. Die Einkünfte unsres Gutes sind gerade ausreichend, daß wir hier in der Dunkelheit leben können, weil wir leben dürfen, wie wir wollen. Aus dem Wenigen etwas mehr zu machen – viel würde es ja ohnedies nicht werden – dazu, lieb' Väterchen, hast Du kein Talent und ich auch nicht, und will's auch nicht haben. Ich bin hier glücklich, sehr glücklich, würde es ganz sein, wenn Du es wärest. Was sollen wir in der Stadt, bei Hofe? Soll ich wieder Hofdame werden? und mir bei jedem Bissen sagen, daß ich Gnadenbrot esse? Das kann und will ich nicht. Du kannst und willst aus demselben Grunde die Sinecure Amt, mit dem Einkünfte, aber keine Amtspflichten verbunden sind. – Anm.d.Hrsg., die Dir der Herzog angeboten hat, nicht annehmen. Und selbst in dem unmöglichen Falle, daß Du Dich dazu verstündest, Du würdest doch in der Hofluft nicht athmen können. Du bist zum Hofmann zu gerade und zu stolz; Dein Rücken und Deine Zunge sind bei weitem nicht geschmeidig genug. Und dann, siehst Du, liebes Väterchen, Du bist ein viel zu starrer Aristokrat für diese demokratische Zeit. Man ist selbst bei Hofe demokratischer gesinnt, als Du billigen würdest. Man hat sich dort ganz comfortable in die neue Aera geschickt, und ist – außer vielleicht, wenn man ganz ›unter sich‹ ist – so constitutionell, wie man nur wünschen kann. Diese Deine Opposition gegen die Strömung in der Gesellschaft würde Dich unaufhörlich in schiefe Lagen bringen, und mein Väterchen soll auf keiner schiefen Ebene gehen, sondern strack und fest auf seinem Grund und Boden, wie ein echter Ritter von altem Schrot und Korn, der er ja nun doch einmal von der Sohle bis zum Wirbel seines lieben Hauptes ist. Und nun, lieb' Väterchen, gieb mir einen Kuß und laß uns von was Anderm sprechen.«

Rose drückte ihrem Vater einen herzlichen Kuß auf die Lippen. Herr von Weißenbach lächelte, aber es lag noch immer eine Wolke zwischen seinen Augenbrauen.

»Du bist mein liebes Mädchen,« sagte er, »und viel zu klug und zu gut für mich alten mürrischen Mann, und überhaupt zu gut für jeden Mann, wie ich sie kenne; und doch wird einmal die Zeit kommen –«

»Aber nun werde ich ernstlich böse,« rief Rose und ihre Wangen glühten; »wenn Du mich durchaus nicht mehr haben willst, so gehe ich in ein Kloster; hörst Du, Väterchen, in ein Kloster mit so hohen steinernen Ringmauern! und Du magst dann sehen, wie Du eine andre Rose wieder bekommst.«

In diesem Augenblick trat der alte Wenzel mit der langen Vogelflinte über der Schulter aus einem der Seitenwege und kam gerade auf die Beiden zu, zog die Mütze von dem Kopf und sagte: »Habe zu melden, gnädiger Herr, daß heute Morgen auf unserm Revier gewilddiebt ist.«

»Warum nicht gar, Alter!« sagte Herr von Weißenbach.

»Hab' ihn mit meinen eigenen Augen gesehen,« behauptete der alte Mann.

Die Zornesader auf der Stirn des Herrn von Weißenbach schwoll und heftig rief er:

»Das fehlte noch! nicht genug, daß einem gegen alles Recht und Gesetz die Jagd auf eigenem Grund und Boden genommen ist! daß man die Jagd, die einem von Gottes und Rechtes wegen zukommt, pachten muß, – soll die Frechheit dieser Menschen keine Grenze finden! Weßhalb hat Er den Kerl nicht beim Kragen genommen!«

»Kam zu spät dazu, gnädiger Herr! Aber ich habe den Schuß gehört; und habe gesehen, wie er über unsern Zaun sprang; das gnädige Fräulein, däucht mir, muß ihn auch gesehen haben, denn es war just an der Stelle, wo sie zu sitzen pflegen.«

Der Alte wandte seine kleinen grauen Augen auf das Fräulein, in dessen Mienen Verlegenheit und Lachen kämpften.

»Was ist's damit, Rose?« fragte der Vater.

»Wenzel hat ganz recht gesehen,« sagte Rose und lachte nun gerade heraus; »und ich weiß sogar, wer der Wilddieb gewesen ist. Niemand Geringeres, als – nun rathe einmal, Väterchen; aber Du räthst es nicht, und kannst es nicht rathen: Der Graf von Lengsfeld!«

»Wer?« rief Herr von Weißenbach.

»Der Graf von Lengsfeld,« wiederholte Rose; »ich muß das wissen, denn er hat es mir selbst gesagt und sich in den zierlichsten Wendungen entschuldigt, weil er meine Muße, wie er sich ausdrückte, gestört habe.«

»Ist es möglich!« rief Herr von Weißenbach, dessen Neugier durch diese Nachricht auf das lebhafteste erregt war. »Und was für eine Art Mann ist er? wie sieht er aus?«

»O, ein recht feiner, artiger Mann,« rief Rose; »und wie er aussieht? Ich will Dir's sagen, Väterchen; aber ganz leise, in's Ohr. Er sieht so aus, daß ich ihn auf der Stelle heirathe, wenn Du mich noch ein einziges Mal in's Kloster schicken willst.«



 << zurück weiter >>