Karl Söhle
Schummerstunde
Karl Söhle

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Der Wärwolf.

       

Die Spinnräder schnurren munter im Kreise.
Heimliches Kichern und Flüstern leise,
Verstohlen schielt's hervor hinterm Rocken –
Die Jungkerls mürrisch am Ofen hocken,
Denn die Bäu'rin scharf danach blickt,
Daß getrennt Böck' und Schäflein, wie sich's schickt.

Fix tritt der Fuß, das Rädchen brummt,
Der Finger zupft, die Spindel summt,
Es schnurrt und surrt ohn' Rast und Ruh –
Die Jungkerls am Ofen schau'n gähnend zu.

Bratäpfel bratzeln gemütlich im Chor,
Das Scheitfeuer ballert, und Pollo davor
Streckt alle vier Tatzen schnarchend aus.
Der Herbstwind tobt um Hof und Haus,
Er fegt das Strohdach, rüttelt die Fenster,
Es rischelt und raschelt, als huschten Gespenster
Im Dorf hin die Straßen und Wege krumm:
Die »Undinger« geh'n heut sicherlich um. –

Horch, wie der Sturm nun die Eichen zaust!
Den Deerns es kalt überm Rücken graust,
Sie rücken zusammen, vom Fenster ab.
Die Räder schnurr'n weiter, sonst still wie im Grab 212
Geht's zu in der Dönz, und am Ofen sogar
Hat Angst man bekommen, denn zweimal schon war
Ein schauerlich seltsam Geheul erschallt,
Vom Heisterhof her, am Gemeindewald –
Sollte dort ein Wärwolf sich wieder zeigen? –

Der Bauer im Lehnstuhl beendet das Schweigen:
»Jeja de Tieden sünd leeg vandag,
Spört Hunger de Deubel nah'grad in de Mag',
Van de Welt noch 'ne Potschon rinntauslucken
Un Wärwülf kann hei hüt wedder mal bruken.
't kummt wedder mal so, as achtteihnhunnertneg'n,
As jüm Napoljum de Delen dä feg'n,
Wo Satan nimmt, wat tau faten hei kriegt,
Mit sin' Pachterslüd' gaht scharp in't Gericht.
Unse Grootvader hat mick dat oft vertellt,
Wo't dunntaumal hergüng in de Welt.
Dor brennte jück doch de Heisterhoff dahl,
Heil und deil, bet up 'n letzten Pahl! –
Sei sä'n in Dörp, de Blitz wör rinnfohrt,
Un't hat ok 'ne ganze tiedlang hennwohrt,
Bet rut kamm, wat wohr an de Geschicht,
Dat nämlich de Hoff güng ganz anners taunicht.
De oll Heisterbur kamm doch tau Dod bi den Brann,
Un up scheußliche Ort, och, Sünn' un Schann: 213
In'n Wärwulf künn wanneln Musch Heisterbur sick –
Uns' Oll' 'n mal belurt hat, doch tau sin' Glück
Achter'n dichten ollen Machollerbusch weg,
Wo de Wärwulf 'n nich tau seihen kreg.
Groot as 'n Bornkalw, mit gleunige Snut,
Mit gleunige Oog, as 'n Wulfsfell de Hut,
Mit 'n Bammelstahrt achter, so stünn hei dor
Un snupper herüm in de Heidefoor.
Un hürt nu, wo't kamm, dat de Deubel 'n dä faten –
Van Heistersche sülwst hat't vertellen sick laten
Uns' Oll', de vör Gott un 'n Deubel nich zag,
De 'n Kirl was, dat Hart up dat richt'ge Plagg.
So säd öm oll Heistersch: ›Wi seten, wi twee,
In uns' Dönz bi Stuten un warmen Koffee,
Un dor ketelt de Neigier mick ollet Pastühr –
Dat is de Grunn van dat ganze Mallühr:
›Mak mal 'n Wärwulf, Vader, reep ick öm tau,
Ick kladd'r up 'n Bähn, verkrup mick in't Hau,
Mudd seih'n mal, wo du dick hast dabi.‹
Hei säd: ›Dortchen, fat ick dick, fret ick di!
Wer as Wärwulf mick kennt un an dat spreken:
Knickknack dat Genick up de Städ mick tau breken,
Springt rinner de Deubel mit Blitz un Spektakel!
Un nix helpt dick all din Gegick un Gegakel!‹
Doch nich lat ick aff mit Drängen un Bidden – 214
›Hal'n Rand,‹ säd hei dunn, ›up'n Bähn gah tau sitten,
De Ledder treck hoch glieks, dat rup ick nich kann!‹
Un den Reimen snall nu sick um, Jehann:
Dor'n Bullern glieks, Wulken, Swefelstank
Un tau glieke Tied rönnt fri un frank
Up de Deel' krüz un quer herüm up vei'r Bein'
'n Beist, lieksterwelt as 'n Wulf antauseihn.
Snappt um sick un rullögt un rickt sinen Liew,
Tau gräsig was't! ›Holl man de Ohren stiew,‹
Denk ick, ›hei kann dick hier bab'n ja nich bieten.‹
Herrje un nu dä sick uns' Wittkopp losrieten!
Furns de Wärwulf in Wut up Wittkoppen tau:
›Jehann, och, min Gott, unse beste Kauh,‹
In Angst un Gräsen ick ludhals bröll –
Och 'n Knätern nu, Bautzen, as brek ut de Höll',
Furns in Nu staht allens in Für un Flamm',
Dörch'n Hauhnerwiem glücklich noch rut ick kamm!«

Im Verlöschen der Krüsel, mit bleichem Gesicht
Hockt starr alles da, als aus die Geschicht.
Gleich die Deerns zu den Jungkerls flüchteten sich,
Ließen Rad, ließen Haspel schnöd im Stich. –
»Is all lad, nah Hus nu! O Herrgott, in Gnaden
Beschirm uns hüt Nacht vör Schrecken un Schaden!« 215

 


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