Karl Söhle
Schummerstunde
Karl Söhle

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Brekerboomsche.

Lumpensammler Brekerbooms Großmutter in der Armenkate – Gott sei ihrer Seele gnädig! – die konnte sich verwandeln in eine schwarze Katze mit funkenknisterndem Schwanz und mit Augen wie Phosphor. So ist sie nachts herumgeschlichen. Und zuletzt immer auf ein bestimmtes Haus zu, husch hinein ins Katzenloch, treppauf, treppab im Hause, zur Eulenluke schließlich wieder heraus und aufs Dach und mitten auf der First endlich sich niedergehockt und gesponnen und starr in den Mond gekuckt. Sterben hat immer jemand müssen in dem betreffenden Hause, Mensch oder Vieh, bald danach.

Man mußte die Altsche nur einmal nahebei gesehen haben. Die triefigen Augen in dem verrunzelten Gesicht und der vorstehende einzige blauschwarze Zahn im Unterkiefer, woran sie unaufhörlich die Zunge wetzte. Auch daß sie kein Salz aßHexen essen kein Salz. Gilt für ein untrügliches Kennzeichen.. Ihr schiefer Kopf – der Böse habe schon einmal zugegriffen und ihr den Hals umdrehen wollen. Und Mäuse, wurde ferner erzählt, hätte sie öfter in der Hand gehabt, ja es wäre ihr auch mal eine aus dem Munde gehüpft. Selbige habe sie 54 gemacht, natürlich. Imgleichen auch Raupen habe sie gemacht, Piehlen, Poggen und Üzen. Nur einmal im Jahre hätte sie sich gewaschen und gekämmt, wußten des weiteren die Nachbarn zu erzählen, immer nur morgens vor Theisnacht (Walpurgis), und man habe sie einmal nach dem Abtrocknen in einem knallroten Rock in der Dönz herumschesen sehen. Vorsicht deshalb! Sonderlich die Stalltüren immer vor ihr zuhalten, daß sie nicht an die Kühe heran kann, Brekerboomsche, um ihnen die Milch zu verhexen, nicht an die Schweine, um sie vom Fressen abzubringen.

Und was zuletzt noch mit ihr der alte Forstaufseher Westhusen selber erlebt hat!

»N' ja, zwanzig Jahr sind's woll all her, 'n ja, un 'n Voß hab' ich dunn mal schießen wollen, as meinen Nahwer Bersiehl all 'ne halwe Stiege Hühner weggeholt. Sagt Bersiehl dunn: ›Nahwer Westhusen,‹ sagt er, ›du, sieh doch mal zu, Nahwer, ob du 'n Musche (Monsieur) Voß da nich bei abfassen kannst, quer über'n Karkhoff kommt er dir ümmer 'raungeslürt. Sollst auch 'n halben Himten von meine schönen Prinzenappeln dafür haben.‹ N' ja, setz mich da nu abends ümmer regelmäßig Posten, mit mein'n ollen Schapschinken (Gewehr) un paß auf. Kommt kein Voß, 'n ja, allemal aberst seh ich 'ne olle pichswarze Katte, 55 as vor mich ümmer zwischen die Gräbers 'rumsmunstert. Na un zuletzt n' ja da ketelt's (kitzelt's) mich denn doch, un: bumms! – brenn hin, n' ja un 'n annern Abend wieder un wieder, un hab woll zehnmal hingebrannt, Flötjepfeife aberst ümmer beizu. N' ja und kommen nu zufällig Tater (Zigeuner) durch, un der ganze Ort läßt sich natürlich wahrsagen von die olle Hauptmannsche, n' ja un ich auch un verzähl von die olle swarze Katte un wie mich das doch wunnern täte un was das Biest woll ümmer nachts auf unsen Karkhoff zu suchen hätte, un wegrönnen tät sie zuletzt, nach 'm ersten Hahnenschrei, ümmer auf die KattenkuhleDer Notbrunnen inmitten des Ortes; Katzenkuhle deswegen genannt, weil man die überflüssigen jungen Katzen gern darin ertränkt. hin. Sagt se, die olle Hauptmannsche, in die Kattenkuhle soll ich 's nächste Mal man erst mein'n ollen Schapschinken instippen, dreimal, von rückwärts, mit zuen Augen un dunn 'n lütjen preuß'schen Stiefelknecht (kleines silbernes Halbegroschenstück) mit inladen. N' ja, un das tu ich, un seh die Katte, leg an: bumms! – drück ab, n' ja treff auch diesmal, aberst Flötjepfeife, gekriegt hab' ich se nich.

N' ja, und bald daauf hör ich, Brekerboomsche hätt' 'ne ganze Zeit ihren linken Arm verbunnen gehabt.« – 56

Tot geblieben ist Brekerboomsche bald darnach; ein scheußliches Ende hat sie genommen. Als der größte und schönste Meierhof im Dorfe abbrannte. Das war ein grausiges Feuer! An allen vier Ecken zugleich prasseln die Flammen, und jämmerlich brüllt das arme, verlorene Vieh. Forstaufseher Westhusen ist zufällig als erster zur Stelle. Plötzlich mitten aus der Glut heraus eine kohlschwarze Katze prick auf ihn los, mit steil aufrechtem Schwanz, und wütig faucht sie ihn an; mit einem Male aber springt sie ratsch links ab über die mannshohe Weißdornhecke in die Wiesen, hui auf die Katzenkuhle zu, und weg ist sie.

Groß darob die Erbitterung, und gedroht hat man der Altschen, sie solle bekennen, in drei Tagen würde sie abgeholt ins Hundeloch (Gefängnis).

Keine Silbe jedoch ist über ihre Lippen gekommen. Natürlich, denn wer »die Kunst« versteht, der verrät den Meister nicht. Nur den Mund hat sie aufgerissen und das Gesicht greulich verzerrt wie eine klagende Katze.

Am dritten Tage aber – verschwunden ist Brekerboomsche. Und man hat gesucht nach ihr, das ganze Dorf durch, und in den Wiesen, im Wald, im Moor. Im Schlamm der Katzenkuhle haben sie das arme alte Weib endlich gefunden und herausgefischt. 57

 


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