Karl Söhle
Schummerstunde
Karl Söhle

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Töppersche.

Eine Malefizgeschichte,

Im »Kornboden«, jenem uralten, ehemaligen Fron- und Gerichtshause des Fichtenhagener Amtes, hängt bis auf den heutigen Tag, und zwar im größten und ältesten Gelaß, mitten vom Kreuzgewölbe herunter ein grausig vielsagender, eiserner Ring. Man meint, hier wäre die Folterkammer gewesen, und gräßliche Malefizgeschichten werden erzählt, so allhie sich zugetragen haben, in jenen fernen, düsteren Tagen einer schnellen und scharfen Justiz. Und natürlich auch »Justizmorde« wären da vorgefallen. An einem reitenden Förster zum Beispiel. Der wäre unschuldig gerädert worden. Paktiert hätte er mit den Wilddieben im Börkeloh, anstatt die Kerls abzufassen und resolut sie einzuliefern in die Fronerei. Und so habe er unter ihnen schließlich auch den Mord des ihm verhaßten Forstmeisters angestiftet. Er wurde verurteilt, daß er sollte gerädert werden schmählich von unten auf. Gottleider zu spät – nach dem ersten Stoß, da wäre ein kurfürstlicher Landreuter auf schaumbedecktem Rosse noch mit der Gegenordre und Begnadigung angesprengt gekommen.

Und die letzte Hinrichtung allhie, vor Jahren, als Töppersche daran glauben mußte! Sie war schön wie 192 die Sünde, Anne Marte Gliemannin, die Töpfersfrau, glutäugig, üppig, allen Mannsleuten tat sie's an gleich mit dem ersten Blick, alles stieg jankend und jippernd ihr nach. Ihren kränklichen Mann, einen ehrengeachteten Töpfermeister – mit seinem Rasiermesser hatte sie – die eigene Frau Liebste! – ihm den Hals durchschnitten, nächtlicherweile, als ahnungslos er in seinem Ehebette schlief. Und im Töpferofen hatte sie hernachen schnöde die Leiche verbrannt. Ihrem letzten Galan zuliebe – sie hatte deren, ach, wie viele! – vollführte Töppersche besagte Untat, um ganz ihm anzugehören. So fast knabenhaft jung er auch noch war, ihr letzter Erkorener, ein Kürschnergesell, schlanken Wuchses, mit frischen, roten Wangen. Im Gefängnis entleibte er sich selber, gleich in der ersten Nacht.

Wären meilenweit aus der Umgegend die Leute zusammengeströmt, als es so weit war und Töppersche nun gerichtet werden sollte nach Urtel und Recht. Hasen wären aufgescheucht worden, an verschiedenen Stellen, und man hätte sie mit den Händen greifen können, so völlig verwirrt und ratlos wären sie durch den Anblick der vielen Menschen gewesen. War männiglich sehr in Spannung, wie Töppersche sich wohl bei der Prozedur benehmen würde. Jedennoch als es so weit war, als allbereits die Armesünderglocke läutete, da wurde nichts 193 daraus vorerst! Man zog mit dem Nachrichter, mit den Gerichtsherren, item dem Geistlichen so wieder ab, unverrichteter Sache und mit großem chagrin, mit vielem Schimpfen. Und warum: Töppersche lachte Hohn, sie berief sich ganz zuletzt noch auf des Königs Gnade, allbereits auf dem Schemel sitzend, als man ihr die Augen verbinden wollte. Man hatte sie von der Fronerei in einer Kuhhaut zur Richtstätte geschleift, denn sie habe gespuckt, gekratzt und gebissen und sich gebärdet wie ein wildes Tier. Dieweil sie ein so großes Scheusal, ihre Schuld so grauenvoll groß und klar erwiesen, so hatte ein hochnotpeinliches Halsgericht im Judicium mit einer Gnadenberufung nicht gerechnet und den Prozeß denn doch allzustark beschleunigt. Freilich, es half ihr nichts, nach einigen Monaten mußte Töppersche dennoch daran. Mit einem anderen Henker diesmal im Amt, aushilfsweise. Nämlich der verpflichtete Meister, so zuerst Töppersche hatte richten sollen, der war inzwischen krank geworden und konnte nicht kommen. Zu seinem Vertreter aber hatte man kein rechtes Vertrauen. Es lief das Gerücht um, er habe schon einmal »mißhauen« irgendwo, wesmaßen man ihn alldorten in gerechter Empörung selber gleich mit hätte abtun lassen wollen, im ersten Zorn darüber. Gottlob, der Herr Vertreter machte diesmal aber seine Sache zu allgemeinem 194 Contentement. Und war auch die Kuhhaut nicht mehr vonnöten. Delinquentin hatte sich in ihr Schicksal ergeben, als von der Hauptstadt das endgültige Allerhöchste Reskript eingelaufen und sie sich überzeugt hatte, daß nun wirklich nichts mehr dawider zu machen war. 195

 


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