Karl Söhle
Schummerstunde
Karl Söhle

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Satan ist Trumpf.

Karten spielen sie, drei Wollersehler Butterbauern, wanstige Kerle, und einen Heidenlärm machen sie dabei. Sie können sich das erlauben. Rohes Lachen, Fluchen und Lästern ununterbrochen; ein alter Kettenhund sollte sich darob was schämen. »Bumms! Bummbumms!« dreschen die Fäuste Trumpf, und die Augen, tränig und gerötet, stieren in die schmierigen Kartenblätter; ganz herausgequollen sind sie aus ihren Höhlen. Auch gewaltig Schweiß setzt's, und in den Gebepausen jappen die Spieler nach Luft, wie drei alte gestrandete Karpfen, denn eine Backofenhitze ist's. Zu Amte hatten sie müssen am Vormittag, und danach hatten sie gleich sich hingesetzt; das war gewesen nachmittag Glock halb drei. Hat sodann die Isenhagener Klosteruhr hell und eindringlich nach der Pflicht ihre viertel, halben und ganzen Stunden geschlagen, die Spieler aber haben sich den Kuckuck danach gekehrt: rammfest sitzen sie, und Glock zwei früh ist's doch nun schon eine ziemliche Weile durch.

Der Klosterwirt hockt hemdärmelig hinter der Theke bei seinen Flaschen und Gläsern und kämpft mit dem Einschlafen. Um Gott, er darf sich nichts merken lassen; sind's doch Wollersehler Butterbauern, ganze große, schwere; grausam hintersetzt sind sie, alle drei – ein 58 Rittergut, eine königliche Domäne könnte man sich kaufen, bar aus dem Beutel, pah, man müßt's nur wollen.

Draußen brütet ein Gewitter. Nicht Mond und nicht Stern am Himmel. Grausige Wolkenungetüme – ungeheure Asseln, Krabben, Polypen beschleichen, umkrallen, verbeißen sich ineinander und fressen langsam gegenseitig sich auf. Und nicht der leiseste Windhauch geht. Alle Bäume stehen starr, wie tot, und lassen die Blätter hängen, und Glühwürmchen ziehen um sie ihre Kreise.

Das wüste Trumpfen in der Gaststube schallt durch die geöffneten Fenster fortwährend weit hinaus in den Wald.

Endlich, als der eine gegeben hat und der andere hingrappscht und abnimmt, da schnaudelt der dritte so zwischen den Zähnen: »De Satan sall uns halen, Kinners, wi möt ja nah Hus!«

»Na, Schorse, bet drei noch, länger nich,« antwortet ihm sein Nachbar rechts. Der andere, linker Hand, aber brüllt: »Hat sick wat nah Hus! Büst woll mall! Ruten is Kallühr! Ick segg an! Da, Ruten-As, man fix, bedeinen! De Satan sall uns halen, jawoll, lat'n man kamen! Los, ha, Satan is Trumpf! Satan is –« 59

Im selben Augenblick: »Töng! töng! töng!« schlägt's drei auf dem Klosterturm, und zugleich zuckt der erste scharfe Blitz mit fürchterlichem Donnergekrach; das Gewitter bricht los. »Hui!« und durchs Zimmer fährt ein jäher Windstoß, eiskalt – erloschen ist davon die Lampe. O Herrgott in Gnaden, und es kraspelte irgendwo!

Satan ist Trumpf!

»Huihihi!« gellt's aus dem Ofen – schauerlich! – war's der Wind? war's –?

Hohnlachen der Hölle, kein Zweifel, o und die Krallenfaust – sie packt zu! – nun! – knax! 'rum ist der Kragen, die Nase zum Buckel gewendet, jawohl, Satan ist Trumpf!

Hinausgeschossen aus der Stube die drei dicken Wollersehler Butterbauern, plumps kopfüber zum Fenster hinaus! Und der gute Klosterwirt fährt erschrocken hoch – »Bautz!« einen Flaschenkorb schmeißt er um in seiner Schlaftrunkenheit – und er langt nach dem Eichheister und haut blind um sich, wie rasend.

Satan ist Trumpf, entsetzlich, ja auch die Stubentür steht sperrangelweit auf! Und im Türrahmen am Pfosten – Gott sei Dank, da lehnt Sup-Schult, aus der Armenkate, und er macht Augen wie ein vom Himmel gefallener Frosch; vollständig nüchtern ist er 60 geworden vor Überraschung. Verirrt hatte sich der alte Lüderjahn, und in friedlichster Absicht, nur um sich eine Laterne zu borgen, ist er gekommen.

Horch, »Trapptrappeltrapp« suchen sechs Beine draußen das Weite, und mein Sup-Schult, als er den ersten Schreck überwunden, als er sich wieder rühren kann: Kehrtum schleunig und ebenfalls davongerannt.

Der Wirt aber läßt den Eichheister fallen, das letzte Krümchen Herz dazu, und er fängt an zu singen zuletzt, in seiner Angst: »Jesus, meine Zuversicht.«

Draußen tobt das Gewitter sich aus, Blitz loht auf Blitz, Donner und Hagel und Regen – richtiger Platzregen.

Dagewesen ist er, leibhaftig, das ist sicher, doch in guter Laune, spaßen hat er nur wollen: zu schlechten Witzen ist Satanas ja immer aufgelegt. 61

 


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