Karl Söhle
Schummerstunde
Karl Söhle

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Sein seliger Herr Amtsrat.

Bei seinem seligen Herrn Amtsrat, ja wahrhaftig, da hatte der alte Fichtenhagener Amtsrentmeister Karl Johannes Berkebusch, in seinen jungen Jahren das Leben genossen, die Natur und alle ihre Wunder! Wie oft erzählte er davon, und immer in tiefer Rührung.

Der Herr Amtsrat war ihm sehr gewogen. Dem weltscheuen Hagestolz und Sonderling nagte offenbar ein geheimer Kummer am Herzen, aber immer, wenn sein blonder Schreiber ihm unter die Augen trat, da glätteten sich ein wenig die vielen Falten in seinem zitronengelben und ausgemagerten Gesicht. Auch mit im Amte hatte der junge Registerschreiber seine Wohnung, in einem ehemaligen Schloß, uralt und grenzenlos baufällig, im Siebenjährigen Kriege hatten Marodeure hier schrecklich gehaust. Aus seinem sechseckigen Turmzimmer, hell und luftig wie ein Vogelbauer, unmittelbar unter der Wetterfahne, wo der Himmel angeht, konnte er aus der Vogelschau den verwilderten Park bewundern, und der war ein Vogelparadies sondergleichen. Nun aber war der Herr Amtsrat ein passionierter Liebhaber von Stubenvögeln. Ein langes, sonnenhelles Zimmer hatte er sich als Vogelstube eingerichtet, Mooswände waren darin angebracht, Büsche, Tannenbäume und sogar ein Springbrunnen. Wohler gefühlt 199 wie im Freien hätten die Vögel sich da, beim Herrn Amtsrat, Buchfinken, Zeisige, Stieglitze und Hänflige, Rotkehlchen, Grasmücken, Drosseln. Oh, und ihr köstlicher Gesang! All das Klingeln und Schockeln, Diedeln und Dittern, Lullen, Trillern und Rollen, Tüten und Tiefen, das Gätzen, Tacken und Schnickern, ununterbrochen, immer hin und her und auf und ab, wunderbar war's, unbeschreiblich! Der Herr Amtsrat hätte schließlich kaum noch für etwas anderes Sinn gehabt, und grobe Vernachlässigungen im Amt hätte er sich zu schulden kommen lassen. Daraufhin die verschiedenen Nasen von »oben«, die hätten ihn jedoch nicht weiter angefochten. Ob seiner schlechten Konduite, pah, was will man ihm anhaben, hat er bei Hofe doch hochmögende Vettern, so aus dem Kriege – aus der Campagne in Spanien ihre Meriten haben!

Mit einem Male aber war's aus! Nach einem gewissen Brief wäre er plötzlich so sonderbar anders gewesen, der Herr Amtsrat, der regierenden Köchin wäre er scheu aus dem Wege gegangen, und für seine geliebten Gefiederten hätte er kaum einen Blick mehr übrig gehabt. Nach mehreren Wochen tiefer Schwermut – Briefe und sogar Verse schreibt plötzlich der Herr Amtsrat, wie besessen, und als er eine Antwort endlich erhalten hat, ist er mit einem Schlage so seelenvergnügt, 200 wie man ihn nie gesehen hatte. Und auch mutig fühlt er sich zum Gefecht mit der regierenden Köchin. Er gewinnt, und stolz, in der Haltung des Siegers, schreitet er einher. In seinem Staatshabit – seinen Pantalons, seinem kaffeebraunen Taillenrock mit weiten Schößen, dem Gilet mit blitzenden Goldknöpfen, dem feinsäuberlich gekrausten Jabot. Ja, und nun kam's heraus. Des Herrn Amtsrates ganzes Sinnen und Trachten war anjetzt darauf gerichtet, seine angebetete Aurelia glücklich zu machen. Aurelia war seine Kusine und die Geliebte seiner Jugend. Sie war ohnlängst als Witib wieder heiratsfähig geworden und hatte ihm diesmal nicht wieder nein gesagt. Obschon diese Dame wahrhaftig auch schon lange aus der Rosenzeit heraus war.

Durch seinen gütigen Herrn Amtsrat sollte der Registerschreiber Berkebusch alsdann noch ganz und gar seine Fortune machen, denn der verwandte sich für ihn, beim Landdrosten und in der Hauptstadt bei seinen Vettern. Und kaum in Amt und Würden, flugs hatte auch der neugebackene Rentmeister – na, kurzum: veilchenblaue Seide auch hier.

Die Vögel aber seines trefflichen Herrn Amtsrates hatten ihm in ihrem köstlichen Gesang das alles vorher verkündet, oder doch die immer zunächst erforderlichen süßen Ahnungen in ihm wachgerufen.



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