Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

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III.
Der Krieg zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten von Amerika.

Das einst an blühenden, wertvollen Kolonien so reiche Spanien muß einen neuen schweren Verlust den früheren hinzufügen, indem es von der Nordamerikanischen Union infolge des unglücklichen Ausgangs des jüngsten Krieges gezwungen wird, Cuba, die Perle der heutigen spanischen Kolonien, dazu noch Portorico und einige kleinere Inseln für immer an Amerika abzutreten.

Die spanische Herrschaft über Cuba geht zurück bis 1492, in welchem Jahre die Insel durch Columbus entdeckt wurde. Seit Jahrzehnten schon ist Cuba infolge der Mißwirtschaft der letzten spanischen Gouverneure der Schauplatz fortgesetzter, blutiger Kämpfe zwischen den spanischen Truppen und den Eingeborenen, die danach streben, die spanische Herrschaft abzuschütteln und eine Republik zu gründen.

Der ehemals sehr bedeutende Ausfuhrhandel Cubas, besonders in Tabak, Cigarren und Zucker ist von Jahr zu Jahr mehr zurückgegangen und stockt jetzt fast vollständig. Die großen, herrlichen Pflanzungen sind während der Kämpfe vernichtet worden; die Besitzer hatten nicht den Mut, sie wieder anzubauen, dazu kam, daß sowohl die Spanier, wie die Cubaner die Eingeborenen brandschatzten, und mit größter Härte sie preßten, die beiderseitigen Lasten des Krieges zu tragen; auf diese Weise sind viele von den wohlhabenden Pflanzern völlig verarmt und andere haben, um dem vorzubeugen, das Land verlassen.

Spanien hat sich nicht entschließen können, den Cubanern die geforderte Unabhängigkeit zu gewähren, es glaubte vielmehr, daß es ihm auch diesmal, wie in früheren Fällen gelingen werde, den Aufstand mit Gewalt nieder zu schlagen. Zu diesem Zwecke wurden immer neue und größere Truppentransporte nach Cuba hinübergeschafft. Die spanischen Heerführer gingen mit größter Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit vor, aber um so heftiger wurde nur die Erbitterung und der Haß der Cubaner.

Unter der ärmeren Bevölkerung wuchs bei der dauernden Arbeitslosigkeit das Elend; Hungersnot und Krankheitsepidemien traten auf. Die spanischen Soldaten litten ebenfalls unter den ungewöhnlichen Strapazen und dem tropischen, für Europäer äußerst ungesunden Klima, so daß auch hier der Tod reiche Ernte hielt. Auf diese Weise sind während der letzten Jahre auf Cuba mehr als hunderttausend Menschen durch Hunger und Krankheit elend zu Grunde gegangen, ganz abgesehen von den Unglücklichen, welche in den vielen blutigen Gefechten und Schlachten ihren Tod gefunden haben oder hinterher als Gefangene unbarmherzig niedergemacht worden sind.

Um diesem Elend und Blutvergießen ein Ende zu machen, richteten die vereinigten Staaten von Nordamerika unter Androhung des Krieges die kategorische Forderung an Spanien, die Feindseligkeiten auf Cuba einzustellen und die Unabhängigkeit der Insel zu erklären.

Die spanische Regierung wies stolz diese Forderung zurück und erklärte, ihr Besitzrecht auf Cuba bis zum Aeußersten verteidigen zu wollen.

Die vereinigten Staaten antworteten hierauf mit der Kriegserklärung.

Das erste Treffen zur See fand am 1. Mai 1898 in der Bai von Manila, der Hauptstadt der Philippinen statt und endete mit der vollständigen Vernichtung des dort stationierten spanischen Geschwaders.

Der Führer desselben, Admiral Montojo schildert den Verlauf dieser Schlacht folgendermaßen.

Auf die telegraphische Nachricht, daß die amerikanischen Schiffe sich dem Eingange der Bai nähern, traf ich sofort alle Vorkehrungen zur Schlacht. Das Geschwader war kampfbereit, jeder Mann auf seinem Posten. Wir erwarteten jeden Augenblick die Ankunft des Feindes.

Auf allen Schiffen, die vorher mit einer dunkelgrauen Farbe angestrichen worden waren, hatte man die Raaen, das Gestänge und die Boote klar gemacht, um so die Wirkungen der Geschosse und Sprengstücke abzuschwächen, eben so die Ankerwellen, um die Ketten im Augenblick nachlassen zu können.

Um vier Uhr morgens ertönte das Alarmsignal, um 4¾ Uhr kündigte die »Austria« das feindliche Geschwader an, dasselbe war in diesem Augenblicke etwa 6000 Meter von unserer Schlachtlinie entfernt. An der Spitze befand sich das Admiralschiff »Olympia«, dann folgten die »Baltimore«, »Raleigh«, »Boston«, »Concord«, »Helene«, »Petrel« und »Mai Culloch,« während außerhalb der Gefechtslinie die Transportschiffe »Zafir« und »Nashand« fuhren. Die Schiffe hatten außer den Transportschiffen, welche nicht kämpften, einen Tonnengehalt von 21416 Tonnen, 40290 Pferdekräfte, 163 Feuerschlünde, viele davon Schnellfeuergeschütze, 1750 Mann Besatzung und eine mittlere Schnelligkeit von 17 Meilen. Dagegen stellten unsere einzigen 5 Schiffe, welche wirklich kampffähig waren, an Streitkräften dar: 10111 Tonnen, 11200 Pferdekräfte, 76 Geschütze, einschließlich der Schnellfeuergeschütze, 1875 Mann Besatzung und eine maximale Schnelligkeit von 12 Meilen.

Um 5 Uhr eröffnete die Batterie von Punta Sangley das Feuer. Ihre ersten beiden Schüsse waren zu kurz und schlugen links vom Flaggschiff ein. Der Feind beantwortete sie nicht. Die genannte Batterie hatte nur zwei 16 Centimeter-Kanonen. Wenige Minuten später eröffnete eine der Batterien von Manila ebenfalls das Feuer und um 5¼ Uhr folgte damit auf Signalkommando unser Geschwader, worauf der Feind sofort antwortete; so entbrannte der Kampf auf der ganzen Linie. Man ließ die Ketten nach und die Maschinen vorwärts gehen, um dem Feinde nicht als feste Zielscheibe zu dienen. Das Feuer der Amerikaner war rapid, wir sahen uns mit einer Unzahl von Projektilen überschüttet. Die drei ersten Kreuzer beschossen ausschließlich mein Flaggschiff.

Bald nachdem die Schlacht begonnen hatte, krepierte eine Granate in dem Turm, machte die gesamte Bedienungsmannschaft der vier Geschütze kampfunfähig und riß außerdem Splitter vom Fockmast, welche die Rudergasten, die an Deck steuerten, verwundeten. Der Lieutenant zur See José Nunez mußte das Kommando des Steuers übernehmen und behielt es bis zum Ende des Kampfes mit einer Bravour, welche über jedes Lob erhaben ist. Inzwischen krepierte eine andere Granate im Zwischendeck und entzündete dort das Arbeitsmaterial der Matrosenhandwerker; das Feuer konnte jedoch glücklicherweise gelöscht werden. Der Feind verminderte die zwischen ihm und uns bestehende Entfernung und überschüttete uns mit einem Regen von Geschossen aus seinen Schnellfeuergeschützen. Etwa um 7½ Uhr zerstörte eine Granate den Hilfsmotor vollständig; ich befahl nun das Handsteuer einzugreifen und es blieb das Schiff lange Zeit ohne Steuer; eine andere Granate krepierte auf dem Hinterteile und setzte neun Mann außer Gefecht. Eine dritte zerstörte die Keile und die Spitze des Besanmastes, indem sie dabei die Fahne und meine Flagge zerriß, welche beide sofort wieder ersetzt wurden. Eine neue Granate, welche in den Offizierskabinen krepierte, die dadurch in ein Hospital voll Blut verwandelt wurden, zerschmetterte die Verwundeten, welche dort gepflegt wurden. Dann schlug eine andere Granate in die Munitions- und Feuerwerkskammer, hüllte die Kammer in Rauch und verhinderte das Funktionieren des Hinterrades des Steuers. Da es nicht mehr möglich war, das Feuer zu überwältigen, mußte die Munitionskammer unter Wasser gesetzt werden, da schon die Kartuschen zu explodieren begannen. Im Zentrum schlugen verschiedene Granaten von kleinem Kaliber durch die Schornsteine und auch eine eines schweren Geschützes. Sie durchbohrte das Deck des Maschinenraumes und machte einen Geschützführer und zwölf Mann der Bedienungsmannschaft kampfunfähig. Eine andere Granate zerstörte das Steuerbordheckgeschütz, während der Brand des Schiffshinterteils zunahm, auch der des Vorderteils wurde durch eine Granate neu belebt, welche die Schiffswand durchschlug und im Zwischendeck explodierte. Die Deckgeschütze, mit denen wir feuerten, ohne merkliche Havarie zu haben, setzten das Feuer fort. Ein einziger Artillerieunteroffizier feuerte im Verein mit einem Kameraden der Marine, der wie jener noch nicht verwundet war, die Kanonen ab.

Da das Schiff ohne Steuer und sein Deck mit Geschossen überschüttet, die Rauchfänge und das Holzwerk in Flammen eingehüllt waren, da ferner die Hälfte seiner Mannschaft, darunter sieben Offiziere, kampfunfähig war, so befahl ich, das Schiff zu versenken, bevor die Pulver- und Granatkammer in die Luft flogen. Zu gleicher Zeit signalisierte ich der »Cuba« und »Luzon«, daß sie eiligst herbeikämen, um den Rest der Besatzung aufzunehmen, wie dies auch von den Booten dieser Schiffe geschah, die dabei von denen des »Duero« und des Arsenals unterstützt wurden. Ich verließ die »Christiania«, nachdem ich ihre Fahne hatte einziehen lassen, in Begleitung meines Generalstabes und hißte meine Flagge auf dem Kreuzer »Isla de Cuba«. Als sich bereits eine große Anzahl der Bemannung des unglücklichen Schiffes gerettet hatte, tötete eine Granate seinen heldenmütigen Kommandanten Luis Cadarsos, welcher das Rettungswerk leitete. Der »Ulloa«, welcher sich auch mit Hartnäckigkeit verteidigte, indem er die beiden einzigen Geschütze gebrauchte, über welche er verfügte, versank, da die feindlichen Geschosse ihn zwischen Wind und Wasser getroffen hatten. Sein Kommandant und die Hälfte der tüchtigen Mannschaft, die für den Dienst an den beiden Geschützen ganz unentbehrlich war, waren außer Kampf gesetzt. Die »Castilla«, welche heldenmütig kämpfte, vermochte ihre Geschütze, außer einer Kanone des Hinterteils, mit der sie wacker kämpfte, nicht mehr zu verwenden; mit Geschossen überschüttet und durch die feindlichen Granaten in Brand gesetzt, ging sie unter, nachdem ihre Besatzung sie in größter Ordnung unter umsichtiger Führung ihres Kommandanten Alonso Morgado verlassen hatte. Die Verluste dieses Schiffes waren 23 Tote und 80 Verwundete. Die »Austria«, die selbst viele Havarien und ziemliche Verluste hatte, und deren Kohlenbunker brannten, eilte der »Castilla« zu Hilfe. Der »Luzon« hatte drei demontierte Kanonen und kleine Havarien im Kiel. Der »Duero« konnte eine der Maschinen nicht mehr benutzen, und ebensowenig das Geschütz des Vorderhecks und eines seines Niederdecks.

Da das feindliche Geschwader um 8 Uhr morgens das Feuer unterbrochen hatte, befahl ich, daß die Schiffe, welche uns verblieben, in der Bucht von Bacoor Aufstellung nehmen und dort bis zum letzten Augenblick Widerstand leisten sollten. Dann sollten sie der Uebergabe das Ingrundbohren vorziehen. Um 10½ Uhr kehrte der Feind zurück und formierte einen Halbkreis, um nun das Arsenal und die Schiffe zu zerstören, welche uns verblieben. Er eröffnete auf sie ein furchtbares Feuer, das wir mit den wenigen noch gefechtsfähigen Geschützen beantworteten, so gut wir konnten. Als der letzte Moment gekommen war, in dem die Schiffe in den Grund gebohrt werden mußten, geschah dies. Man hatte vorher dafür Sorge getragen, daß die Fahne, die Erkennungssignale, das in Kisten verpackte Geld, die transportable Armierung, die Verschlüsse der Geschütze und das Signalbuch gerettet wurden. Erst dann begab ich mich mit meinem Generalstabe in das Kloster von St. Domingo nach Cavite, um eine Kontusion am linken Bein verbinden zu lassen, und um einen kurzen Bericht über die Schlacht zu telegraphieren.

Admiral Montajo schließt mit der Erklärung, daß alle Führer, Offiziere, Maschinisten, Deckoffiziere und Geschützführer, Matrosen und Soldaten mit einander gewetteifert haben, den guten Namen der Marine an diesem traurigen Tage aufrecht zu erhalten. Der mangelhafte Zustand der Schiffe, aus denen sein kleines Geschwader bestand, der Mangel an Personal aller Klassen, besonders an Geschützführern und Marineartilleristen, die geringe Brauchbarkeit mehrerer Hilfsmaschinisten, der fast gänzliche Mangel an Schnellfeuergeschützen, die dreifach überlegenen Streitkräfte des Feindes, und die vollständige Schutzlosigkeit des größten Teils seiner Schiffe, alles das trug dazu bei, das Opfer noch blutiger zu machen. Die spanischen Verluste, einschließlich derjenigen des Arsenals, betrugen an Toten und Verwundeten 381 Mann.

Nach dem Untergang der sämmtlichen Schiffe des Admiral Montajo verblieb den Spaniern als Schlachtflotte nur noch ein größeres Geschwader unter Admiral Cervera. Demselben war es gelungen, in den Hafen von Santiago einzulaufen, trotz der Wachsamkeit der Amerikaner, die sich dem Geschwader auf seiner Fahrt nach Cuba in den Weg legen wollten, um es zu einer Schlacht zu zwingen.

Sobald sich indes die spanische Flotte im Hafen von Santiago befand, blockirten die Amerikaner denselben, sodaß sich Admiral Cervera darin, wie in einer Mäusefalle eingeschlossen und längere Zeit zur vollständigen Unthätigkeit verurteilt sah.

Die Amerikaner benutzten diese Sachlage, um an verschiedenen Punkten der cubanischen Küste größere Truppenmassen zu landen. Infolgedessen wurde Santiago von der Landseite ebenfalls immer enger eingeschlossen; die Flotte im Hafen lief Gefahr, zwischen zwei Feuer zu kommen; Admiral Cervera entschloß sich daher, jedenfalls aber viel zu spät, zu dem Versuch, mit der größten Geschwindigkeit, welche die Maschinen der Schiffe ermöglichten, aus dem Hafen auszulaufen und dadurch zu entkommen. Dieser Versuch scheiterte jedoch an der Wachsamkeit und Stärke der Amerikaner; in einem kurzen aber überaus heftigen Kampf gingen sämtliche Schiffe des spanischen Geschwaders zu Grunde. Kapitän Evans vom amerikanischen Panzerschiff »Iowa«, das an dem Kampfe teilgenommen hat, giebt folgende Schilderung der Schlacht:

»Sobald die Spanier aus dem Hafen herauskamen und gesichtet wurden, machten wir klar zum Gefecht. »Mit Volldampf voran!« hieß es. An der Tête der spanischen Flotte war die »Infanta Maria Teresa«. Die »Iowa« legte sich quer vor ihren Bug und sandte ihr, als sie in westlicher Richtung ausbog, aus einem der zwölfzölligen Geschütze im vorderen Turm ein Geschoß nach, das sie anscheinend gerade in den Bug traf.

Der Anblick, welchen die spanischen Schiffe gewährten, wie sie in Kolonnenordnung, mit scharfer Innehaltung gleicher Abstände, aus dem Hafen kamen, war großartig. Die »Iowa« feuerte, nachdem sie den ersten Schuß abgegeben, unablässig. Vorwärts flog sie durch das Wasser, um die »Infanta Maria Teresa« auf der Steuerbordseite zu behalten, und in der Hoffnung, eines der spanischen Schiffe anrammen zu können. Aber es stellte sich bald heraus, daß das unmöglich. Die Dons hatten schnellere Seebeine. In der Zwischenzeit hatten auch die »Oregon«, »Indiana«, »Brooklyn« und »Texas« begonnen, ihre großen Geschütze sprechen zu lassen.

Die Entfernung zwischen den spanischen und unseren Schiffen betrug um diese Zeit 2000 Yards.

Die »Iowa« feuerte eine Breitseite auf die »Infanta Maria Teresa« ab, dann wurde das Schiff gedreht, und wir passierten den Stern der »Infanta« in dem Bestreben, die »Almirante Oquendo« abzuschneiden. Während der ganzen Zeit arbeiteten die Maschinen mit aller Macht, und ein Hagel von Geschossen fegte über Schornsteine und Oberdeck hinweg, ohne jedoch Schaden anzurichten. Die »Christobal Colon«, offenbar schneller als die anderen spanischen Schiffe, nahm der »Infanta Maria Teresa« bald die Führung ab. Vorbeifahrend, sandte sie uns zwei sechszöllige Geschosse zu, die beide auf der Steuerbordseite trafen und, namentlich das eine, beträchtlichen Schaden anrichteten. Da es sich immer mehr herausstellte, daß der Rammsporn doch nicht in Aktion treten könnte, nahmen wir die ursprüngliche Fahrrichtung wieder auf, das heißt, wir fuhren parallel mit den spanischen Schiffen.

Nur elfhundert Yards trennten uns von »Almirante Oquendo«, und wir feuerten aus allen unsern Schlünden. Der Spanier wurde fürchterlich zugerichtet. Gleichzeitig erhielt er z. B. eine zwölfzöllige Granate vorn und hinten. Aus den Luken schlug Rauch. Einen Augenblick schien es, als ob die »Oquendo« ihre Maschinen gestoppt habe und zurückbliebe, aber sie nahm gleich wieder ihre Fahrt auf. Weiter und immer weiter ließ sie die »Iowa« hinter sich zurück, aber nur, um unter die Kanonen der »Oregon« und »Texas« zu kommen. Plötzlich erscholl der Ruf: »Torpedoboote!« Richtig, zur Rechten der »Iowa« in einer Entfernung von 4000 Yards erschienen zwei Torpedozerstörer, und sogleich nahmen wir sie aufs Korn. Ein zwölfzölliges Projektil riß einem der Torpedozerstörer den Bug weg. Uebrigens feuerten die Angegriffenen wacker zurück. Eines der Geschosse sauste dicht an meinem Kopfe vorbei.

Ich sagte zum ersten Offizier Rogers: »Der kleine Kerl ist 'mal frech!« Rogers rief zurück: »Aber er schießt gut!«

Mitten unter den Feinden, sich bald von einem zum anderen wendend, bald auf einen Kreuzer feuernd, bald auf einen Torpedozerstörer, war die kleine »Gloucester«. Es war ein Wunder, daß sie bei dem Hagel von Geschossen nicht durchlöchert wurde wie ein Sieb. In der Zwischenzeit war die »Vizcaya« herangekommen und zwischen ihr und der »Iowa« entspann sich nun ein hitziges Duell. Die »Vizcaya« feuerte schnell, aber die Schüsse waren schlecht gezielt. Nicht ein einziger traf die »Iowa«, während unsere Geschosse große Löcher in die Wandung des Spaniers rissen. Die »Infanta Maria Teresa« und die »Almirante Oquendo« standen bereits in Flammen und strebten der Küste zu. »Texas«, »Oregon« und »Iowa« setzten ihnen fürchterlich zu. Das spanische Feuer verstummte. Binnen wenigen Augenblicken waren die »Infanta« und »Oquendo« völlig in Qualm und Flammen eingehüllt und, hilflose Wracks, auf den Felsen. Sie hatten die spanische Flagge herunter geholt. Statt dessen sah man auf der »Maria Teresa« eine weiße.

Genau zwanzig Minuten, nachdem der erste Schuß abgefeuert worden, waren die »Teresa« und die »Almirante Oquendo« kampfunfähig, und eine halbe Stunde später wandte sich auch die »Vizcaya« der Küste zu. Auf dem Felsen von Acerraderos fand sie den letzten Ankerplatz. Auch sie stand in Flammen.

Mittlerweile war die »Brooklyn« und der »Christobal Colon« aneinandergeraten. Sie schossen sich wacker mit einander herum, während die »Oregon« ihre Aufmerksamkeit zwischen der »Colon« und der »Vizcaya« teilte. Da ich einsah, daß die »Iowa« den »Cristobal Colon« niemals einholen würde, und da auch die schnelle »Newyork« bereits auf der Fährte des Spaniers war, beschloß ich, dem Diktat der Humanität zu folgen und mich um die zwölf- bis fünfzehnhundert spanischen Offiziere und Mannschaften zu bekümmern, die durch Hissung der weißen Fahne ihre Bereitwilligkeit angekündigt hatten, sich zu übergeben. So schnell wie möglich steuerte ich also auf die »Vizcaya« zu. Die Spanier hatten bereits begonnen, ihre Kleider abzulegen und über Bord zu springen. Ich ließ sämtliche Boote aussetzen. Zu viele von den Spaniern waren bereits ertrunken oder wurden lebendig geröstet.

Vom Ufer aus schossen Insurgenten auf die mit den Wellen Ringenden, aber ich machte dem bald ein Ende. Daß Haie viele von den Leichen verstümmelten, konnte ich allerdings nicht verhindern. Jetzt kam auch die »Harvard« heran, und ich bat Kapitän Cotton, die Ueberlebenden der »Infanta Maria Teresa« und der »Almirante Oquendo« an Bord zu nehmen. Um Mitternacht befanden sich auf der »Harvard« 796» Gefangene, darunter viele Verwundete.

Meine Leute arbeiteten aufs heldenmütigste und retteten viele von den Verwundeten, die sonst kläglich umgekommen sein würden. Einer von meinen Leuten, dessen Beförderung ich befürworten werde, kletterte auf das Verdeck der »Vizcaya« hinauf und bewahrte drei Verwundete vor dem entsetzlichen Geschick, lebendigen Leibes zu verbrennen. Alle Augenblicke explodirte ein Magazin, aber die Boote fuhren hin und her, und willige Hände streckten sich zu Hilfe den Spaniern entgegen. Diese waren sämmtlich splitternackt. Einigen waren durch unsere Granaten die Beine weggerissen worden. Andere waren in jeder nur erdenklichen Art verstümmelt. Das Flaggschiff schickte das Torpedoboot »Ericson«, um die Mannschaften der »Vizcaya« retten zu helfen, und den Leuten der »Ericson« wurde ein Anblick, der ihnen das Blut in den Adern erstarren machte. Die Flammen, welche das Verdeck umzüngelten, leckten das Fleisch der Verwundeten, und das Geschrei der Unglücklichen mischte sich mit dem Krachen der explodirenden Magazine.

Von der »Gloucester«, die ihn an Bord genommen – zusammen mit einer beträchtlichen Anzahl Verwundeter, von denen einige aufs Fürchterlichste verstümmelt waren – kam Admiral Cervera auf die »Iowa«. Ich empfing ihn mit allen Ehren, die einem Offizier eines hohen Ranges zukommen. Er war barhäuptig. Ueber dem Unterhemd trug er eines von dünnem Flanell, das er sich auf der »Gloucester« vom Lieutenant-Commander Wainwright geborgt. Die Mannschaften der »Iowa«, halb nackt und vom Pulver geschwärzt, drängten sich herbei, um ihn zu sehen. Sie schrieen stürmisch Hurrah. Cervera ist jeder Zoll ein Admiral, auch wenn er keinen Hut auf hat. Er zeigte sich im Unglück von einer Gefaßtheit, wie sie nur großen Menschen eigen ist.

Was Tapferkeit und Todesverachtung angeht, steht sein Verhalten vielleicht einzig in der Weltgeschichte da. Er wußte, daß Vernichtung seiner harrte, und seine einzige Rettung bestand darin, daß sich die »Cristobal Colon« schneller als die »Brooklyn« erweisen werde. Daß zwei Torpedozerstörer, wahre Nußschalen, sich am hellen lichten Tage dem Feuer eines Schlachtschiffes aussetzten, war bis dahin unerhört. Es ist recht spanisch. Auf der anderen Seite ist die Entschlossenheit und kühle Ueberlegung der Amerikaner zu rühmen, die ihre Kanonen bedienten, als gelte es nur einer Schießübung.

Die »Iowa« feuerte 31 zwölfzöllige Geschosse ab, 48 achtzöllige, 270 vierzöllige, 1060 Schüsse aus Sechspfündern, 120 Schüsse aus Einpfündern. Korporal Smith entsandte aus einer vierzölligen Kanone binnen 50 Minuten 135 Schüsse, und in derselben Zeit wurden aus zwei Sechspfündern 440 Schüsse abgegeben. Kein Wunder, daß die Offiziere der »Vizcaya« sagen, sie hätten ihre Mannschaften schließlich nicht mehr dazu bringen können, bei den Geschützen auszuhalten. Die Verdecke wurden mit Wasser überflutet, aber das Blut färbte sie schwarz. Jeden Augenblick explodirte eine neue Bombe.

Durch den unglücklichen Ausgang auch dieser zweiten Seeschlacht, welche die völlige Vernichtung der stolzen Flotte des Admirals Cervera brachte, war die Macht Spaniens gebrochen und die durch Vermittlung des französischen Botschafters in Washington angeknüpften Verhandlungen führten bald zum Abschluß eines Friedens, dessen Bedingungen den Stolz der Spanier tief gebeugt haben.


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