Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

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Vom Fischer zum Vice-Admiral.

Sommerszeit ist es und im Jahre des Herrn 1719. Es steht schlimm mit dem Lande Schweden in dem gedachten Jahre. Zar Peter von Rußland ist mit seiner Flotte in die Skärenwelt der Mälar gesegelt und liegt mit derselben vor Stockholm. Seine Soldaten hausen in der schwedischen Hauptstadt mit der größten Willkür, und es liegt völlig in dem Belieben des Zaren, sich dort festzusetzen. Schweden ist zu ohnmächtig; es vermag seine königliche Residenz nicht zu verteidigen.

Um dieselbe Zeit rückt König Friedrich IV. in Bohnslän ein und marschiert mit einer ansehnlichen Truppenmacht in der Richtung nach Marstrand zu. Die mächtige Festung Karlsteen, das Bollwerk für die schwedischen Provinzen Schoonen, Halland und Blekingen, und die daneben liegende Stadt Marstrand sind die Punkte, auf welche sich die Aufmerksamkeit des dänischen Königs gerichtet hat.

Unweit davon in Strömstadt, liegen die großen Kriegsvorräte König Karls XII. Den Dänen muß auf ihrem Zuge nach Karlsteen diese Beute in die Hände fallen, denn Strömstadt ist nicht fest genug, einer solchen Macht zu widerstehen. Um dem Feinde das kostbare Material zu entziehen und dasselbe womöglich sich zu erhalten, werden alle Vorräte auf die in dem Hafen liegenden Kauffahrteischiffe gebracht. Kleine und große, alle empfangen ihren Anteil, soviel nur irgend im Raum und Zwischendeck unterzubringen ist. Zwei schwerbewaffnete königliche Hucker werden dorthin beordert, um die Transportflotte, die jeden Augenblick unter Segel gehen kann, zu geleiten, sobald sich nur irgend eine Möglichkeit bietet, die offene See zu erreichen. Leichte Fahrzeuge kreuzen vor dem Hafen. Sie halten einen scharfen Ausguck, um die willkommene Botschaft bringen zu können, daß das Fahrwasser klar ist. Aber auch Tordenskiolds Kreuzer halten einen ebenso scharfen Lugaus. Er weiß, welchen Schatz der Hafen von Strömstadt birgt, weiß, wie empfindlich dessen Verlust den Schwedenkönig treffen würde, und ist nicht gesonnen, denselben ohne weiteres aufzugeben. Seine schnellsegelnden Boote sind stets auf dem Wege zu ihm, in dessen Kopf ein Plan heranreift, der, wenn seine Ausführung gelingt, seinen Namen für immer unsterblich machen muß.

Er kennt die außerordentliche Wichtigkeit der Festung Karlsteen. Er weiß, daß mit dem Falle derselben drei schwedische Provinzen für Dänemark gewonnen sind. Der endlose, durch Jahrhunderte geführte Streit, ob Schoonen, Halland und Blekingen zu Schweden oder Dänemark gehören, ist dann entschieden. Seine Kundschafter sind nicht müßig; er läßt ihnen keine Zeit dazu. Ihm ist genau bekannt, wie stark die Streitkräfte sind, welche sich in der Festung befinden, und er beschließt, den Angriff auf dieselbe zu wagen, bevor der König mit seiner Armee auf dem Schauplatze erscheinen kann.

Es ist am 11. Juli. An der nördlichen Mündung des Hafens von Marstrand liegt die Flotte. In dem Hafen selbst ankern die schwedischen Orlogschiffe, mitten unter ihnen das prächtige Linienschiff »Warberg« unter Befehl des Kommandeur Sjöblad.

Ein sonnigheller Himmel lacht auf die See herab, die, von einer leichten Brise angehaucht, kaum merkbare Wellen schlägt. Die dänische Blutflagge schneidet scharf gegen den blauen Himmel ab, während die blaue Schwedenflagge mit demselben in eins zu verschwimmen scheint.

Da wird an der Einfahrt des Hafens, hart an der Stelle, wo das erste schwedische Boot als Brandwacht stationiert ist, eine leichte Fischerjolle sichtbar. Der Ruderer derselben ist ein junger Mann mit lachendem Gesicht, der ein Lied vor sich hin pfeift und auf den Korb mit großen lebendigen Fischen, der in der Jolle steht, sich nicht wenig zu gute thut. Er rudert dem Brandboot seitlängs und ruft dem am Steuer hockenden Quartiersmann im besten schwedischen Dialekt zu. »Wollt Ihr schöne Fische kaufen, Landsmann?«

»Wie teuer?« fragte dieser, über den Rand des Schiffes wegsehend und die Fische schmunzelnd betrachtend. »Wenn Du billig denkst, können wir vielleicht einen Handel machen.«

»Ein Thaler, sollte ich meinen, wäre nicht zu viel für solche Ware.«

»Einen Thaler?« fragt der Quartiersmann. »Ihr meint doch für den ganzen Kram?«

»Einen Thaler das Stück, mein Junge. Einen Thaler ist solch ein Hellflunder« – er hält ihn in die Höhe und läßt ihn im Sonnenlichte glänzen – »unter Brüdern wert!«

Aber der Quartiersmann, erbost über die unverschämte Forderung, erhebt sich mit der geballten Faust und ruft: »Danke Du dem lieben Gott, daß ich Dich nicht von hier aus ergreifen kann, sonst wollte ich Dich schütteln, bis Dir der Atem ausginge. Einen Thaler für einen Hellflunder! Ich gebe keinen halben Thaler für den ganzen Korb voll. Weg von meinem Backbord, Du unverschämter Kerl! Daß ich von Sinnen wäre, so einen Handel zu machen!«

Der Fischer zuckt gutmütig die Achseln, und sein Lied weiterpfeifend, rudert er wohlgemut in den Hafen hinein. Ueberall, wo er eines der schwedischen Schiffe passiert, hält er an, hebt seine Fische mit großen Lobpreisungen empor, fordert auf Befragen dafür einen unverschämten Preis, läßt die Matrosen schlechte Witze machen, die er ihnen dreifach zurückgiebt, und heftet dabei seine Augen so fest auf die Breitseiten der Kanonenschiffe, als wollte er sie mit seinen Blicken durchbohren.

So nähert er sich allmählich dem Linienschiffe »Warberg«, auf dessen Halbdeck der Kommandant Sjöblad, in lebhaftem Gespräche mit dem Kapitän Utfall begriffen, auf und ab geht. – »Meint Ihr, daß sie tollkühn genug sind, es zu wagen?« fragte der Kommandeur.

»Ich halte mich davon überzeugt,« entgegnete Kapitän Utfall. »Tordenskiold ist draußen, und der hält nicht lange Ruhe. Es ist etwas Unbegreifliches in diesem Menschen. Wenn er will, müssen seine Untergebenen, ob sie wollen oder nicht. Es widersteht ihm keiner. Sein Beispiel reißt alle unwillkürlich fort.«

»Ihr seid sehr eifrig, einen Mann zu preisen, welcher der ärgste Feind unserer Flagge ist und ihr so oft eine Niederlage bereitete, die nur zu empfindlich traf!« sagte der Kommandeur mit aufgeworfenen Lippen.

»Tordenskiold ist Schwedens Feind und also auch der meinige,« antwortete der Kapitän. »Ich wünsche nichts sehnlicher, als eine Gelegenheit, welche mir gestattet, jede erlittene Unbill wett zu machen. Dies hindert mich aber keineswegs, die großen Talente und Feldherrngaben dieses Mannes anzuerkennen und zu gestehen, daß ich ihn hochachte und verehre.«

»Er hat uns besiegt, glänzend besiegt!« sagte der Kommandeur. »Wir müssen es leider bekennen; aber wieviel geht von der Glorie dieser Siege verloren, wenn man die Verhältnisse prüft, unter denen sie gewonnen wurden. Bald war es die Uebermacht, bald die unverzeihliche Nachlässigkeit der Unsrigen, die ihn sein Ziel erreichen ließen. Bringt das in Abzug, und Ihr werdet sehen, was bleibt.«

Kapitän Utfall lächelte. »Ihr glaubt selbst kein Wort von dem, was Ihr da sagt. Bei Dünkille habt Ihr ihm selbst ruhmvoll gegenüber gestanden. Aber lassen wir das fallen, und denken wir an die Gegenwart. Ich bin gekommen, um meine Gedanken mit Euch auszutauschen und mir das schwere Herz zu erleichtern. Ich befinde mich in einer wehmütigen Stimmung, die eines Mannes eigentlich unwürdig ist. Glaubt mir, Kommandeur Sjöblad, die Stimme in meinem Innern trügt nicht. Es steht uns irgend ein Unheil bevor.«

»Possen!« rief lachend der Kommandeur. »Wäre es nicht gegen Eure Gewohnheit, vor dem Frühstück etwas zu Euch zu nehmen, würde ich vorschlagen, die Grillen in einem Becher edlen Weines zu ersäufen. Habt guten Mut. Tordenskiold wird es nimmer wagen, diesen Hafen anzugreifen. Wir liegen hier wie in Abrahams Schoß. Und sollte er einen Angriff auf die Hafenbatterieen machen, sollte er, was nicht zu glauben ist, eine oder die andere vernichten, oder zum Schweigen bringen, oben auf dem Karlsteen donnert Oberst Dankwarth, der dem dänischen Uebermut Schach bieten wird. Nein, nein, Kapitän Utfall, die Sache liegt anders. Tordenskiold hat sich hier eingefunden, um uns aus dem Hafen zu locken. Wir sollen uns verleiten lassen, hinauszulegen, um ihn zu verjagen. Dann wird er scheinbar weichen und sich verfolgen lassen, bis wir auf freiem Wasser sind, und uns dann die Schlacht anbieten. Ich durchschaue den Schlaukopf diesmal. List gegen List! Wir bleiben hier! Aber – He! Kadett! Was giebt's am Gilling?«

Der Fischer hatte das Linienschiff erreicht und befestigte sein Boot an der Hacke des Steuers. Er enterte mit dem Korbe voll Fischen zu Deck, und ehe der Kadett noch berichten konnte, stand jener vor den Offizieren und fragte, ob sie ihm nicht einen Teil seiner Fische abkaufen wollten.

»Schert Euch zum Henker!« sagte Kapitän Utfall ärgerlich, und der Kommandeur fuhr lachend fort: »Oder zum Koch, der schon über Mangel an frischem Proviant geklagt hat. Herunter vom Halbdeck, Bursche!«

Hurtig war der Fischer am großen Maste vorübergesprungen und wurde von den Matrosen umringt, mit denen er einen Handel anfing, ohne daß derselbe zu stande kam. Unterdessen waren die Offiziere des Halbdecks dahin übereingekommen, daß der Fischer, der eben erst aus der See kam, vielleicht etwas Näheres über die Lage der dänischen Schiffe und deren Vorhaben wisse, weshalb sie ihn vor sich kommen ließen.

»Verstehe blutwenig davon, gestrenge Herren!« antwortete der Fischer. »Und dann wagt man auch gar nicht recht hinzusehen, denn alle Welt weiß, daß der Tordenskiold ein Hexenmeister ist, der es einem anthut, wenn man ihm in die Quere kommt. Kann nur sagen, daß ihrer zehn größere um Künnekild herum vor ihrem Anker reiten, und daß am Bord eines jeden derselben viel Volk ist. Sah auf den Verdecken Rotjacken, was, wie Ihr wißt, die Tracht der dänischen Landsoldaten ist. Ein Boot vom Admiralschiff kam mir seitlängs und kaufte ein Gericht Fische. Die Leute sagten, es wäre ein Zug nach Strömstadt im Werke. Was sie da wollen, weiß ich nicht.«

»Sie denken an unsern Transportschiffen einen Fang zu machen!« sagte der Kommandeur. »Das klingt natürlicher, als ein Angriff auf Marstrand. Du scheinst mir ein kluger Bursche zu sein. Laß hören, was Du noch weißt.«

Er ließ sich mit dem Fischer in ein weiteres Gespräch ein, während Kapitän Utfall denselben scharf beobachtete. Doch konnte er nicht das geringste Auffällige entdecken. Er machte sich von seinen schlimmen Ahnungen los, so gut er es vermochte, und trat beiseite. Der Fischer hatte dem Kommandeur alles gesagt, was er wußte, und brach nun plötzlich ab: »Das ist in Wahrheit alles, was ich weiß, und die gestrengen Herren mögen entschuldigen, daß ich jetzt gehe. Der Koch hat mir nichts abkaufen wollen, und ich muß meine Ware anderweitig schnell an den Mann zu bringen suchen, sonst ist sie hin.«

Er machte einen Kratzfuß und sprang wie ein Blitz über die Galerie weg in seine Jolle, die von den Rudern gepeitscht, pfeilschnell dahinflog.

»Wo kam er hin?« fragte Kapitän Utfall aufatmend und fuhr, wie aus einem Traum erwachend, mit der Hand über die Stirn.

»Meint Ihr den Fischer?«

»Wenn er nicht so gut schwedisch gesprochen hätte, und wenn seine Manieren nicht ganz und gar die eines Fischers gewesen wären . . . . Weg, weg mit dem Gedanken! Es ist Tollheit, ihn laut werden zu lassen.«

»Was habt Ihr denn nur?« fragte der Kommandeur und sah seinen Offizier mit leichtem Staunen an.

»Das Volk erzählt sich allerlei seltsame Geschichten von dem Tordenskiold. Seine Tapferkeit ist nicht so volkstümlich, als seine Listen es sind. Als ich den Kerl so ansah . . . .«

»Da glaubtet Ihr, es sei Tordenskiold?« rief der Kommandeur, laut auflachend. »Bitte um Verzeihung, Kapitän, aber Euch hat Niß Puck oder sonst ein Kobold geneckt, sonst begreife ich nicht, wie ein Mann am hellen Tage so etwas sprechen kann. – Aha! Das Frühstück wird angesagt. Kommt mit in die Kajüte; der perlende Wein wird Eure Lebensgeister neu beleben.«

Die Offiziere gingen die Treppe hinab.

Unterdessen ruderte der Fischer weiter, ohne noch eines der andern Schiffe anzurufen oder denselben seitlängs zu legen. Als er den Punkt erreichte, wo die Stadt endet, legte er die Ruder ein, befestigte seine Jolle an einem sichern Platze und sprang an das Ufer. Er umging die letzten Häuser des Ortes und wand sich durch das wuchernde Gestrüpp dem schmalen Fußsteige zu, der in mancherlei Krümmungen zu der Festung Karlsteen hinanführte. Vielleicht war der Fischer, der am Bord der großen Kriegsschiffe so leicht auf und ab enterte, des festen Bodens nicht gewohnt, denn er hielt während des Gehens öfter inne, als ob er Luft schöpfe, und sah sich allenthalben um, als errege diese oder jene Stelle seine Neugier, oder als fürchte er, auf seinem Wege durch irgend ein unvorhergesehenes Hindernis gehemmt zu werden. Endlich erreichte er das äußerste Thor. Er that einen tiefen Atemzug, richtete sich hoch auf und schlug mit der geballten Faust gegen die Pforte, die sich nach einigen Augenblicken öffnete.

Ein deutscher Soldat trat vor und fragte barsch, was es gäbe. Als er den Fischer gewahrte, der mit einer demütigen Gebärde um Einlaß bot, wollte er mit einem Fluche die Thür wieder zuwerfen, aber der Fischer schob seinen Fuß dazwischen und, dem Soldaten einen Fisch entgegenhaltend, suchte er denselben mit diesem Geschenke zu kirren.

Es war ein schlimmes Volk, diese deutschen Soldaten in Schweden! namentlich diejenigen, welche zur Besatzung des Karlsteen gehörten. Zusammengeweht von allen Enden der Windrose, hockten sie auf diesem Felsen bei schmaler Löhnung und noch schmalerer Kost, jedes Beutestück beneidend, das ihren Kameraden im Felde zufiel. Dazu waren sie ermüdet in schwerem Dienst, denn der Kommandant, Oberst Dankwarth, war ein strenger Herr, der ihnen nichts schenkte. So war ihnen jede Gelegenheit willkommen, einen Bissen oder einen Trunk zu erhaschen, und wer auch immer den Posten am Außenthor hatte, ließ nie einen passieren, bevor er nicht für die Passage einen Opferschilling dargebracht hatte. Der Fischer schien das zu erraten, denn er warf den Fisch, zu dem der Soldat unwillig mit dem Kopfe schüttelte, in den Korb zurück, ließ aber dafür ein Geldstück in die Hand des Soldaten gleiten, das, nach dem lustigen Gesicht desselben zu schließen, kein geringes sein mochte.

Kaum ist der Fischer in der Festung, als er zum großen Gaudium des Soldaten sein Hausiergeschäft an Orten beginnt, wo ein solches gar nicht möglich ist. Er klopft an den Pulverturm und tritt durch die verschieden Thüren zweier großen Magazine, die er beide leer findet. Er schimpft über seinen Irrtum, aber sein Auge ist überall. Endlich, nachdem er sich hinlänglich umgesehen, schreitet er weiter in die Festung hinein. Nach kurzer Zeit steht er am Eingange der Kommandantur und feilscht mit der Magd des Hauses, die ihn einen unverschämten Gesellen nennt. Der Oberst, der eben das Haus verläßt, sieht den Fischer flüchtig an und weist ihn kurz ab, als derselbe ihn zum Schiedsrichter anruft. Endlich überläßt der Fischer der feilschenden Magd einen Teil seiner Ware für den halben Preis und geht dem Ausgange der Festung wieder zu, deren letzte Pforte sich hinter ihm schließt; dann eilt er mit Windesschnelle die verschlungenen Felspfade hinab und wirft sich in seine Jolle.

Die Offiziere am Bord des »Frederikshald« sind nicht ohne Besorgnis. Der Admiral ist schon lange abwesend, ohne daß auch nur einer weiß, wo er geblieben ist. Auch Bude, der Kapitän des »Lolland,« der dem Admiral am befreundetsten ist, kann keine Auskunft geben. Da nähert sich eine leichte Jolle, einer fliegenden Möwe gleich, dem Fallreep, und gleich darauf steht Tordenskiold in Fischertracht auf dem Halbdeck mitten unter seinen staunenden Offizieren, die ihn mit lauten Freudenrufen begrüßen.

»Was giebt's da zu staunen?« ruft er. »Ein Korb voll Fische und mein bißchen Schwedisch haben mich glücklich hin- und zurück gebracht. Ich war auf dem Halbdeck des schwedischen Admiralschiffes und in der Wohnung des Kommandanten auf dem Karlsteen. Ist nicht so schlimm das, als wir glaubten, Ihr Herren. Unsere Freunde haben einmal wieder aus der Mücke einen Elefanten gemacht. Können das Werk immer beginnen, bevor der Admiral Rosenpalm, der in Kopenhagen wieder kein Ende finden kann, mit der Verstärkung hierher gelangt. Wenn dann Seine Majestät der König, der durch Bohuslän marschiert, am Fuße des Karlsteen mit seinen Soldaten ankommt, findet er das Werk schon gethan, und der Ruhm des Tages ist der unsrige.«

Laut aufjubelnd stimmten die Offiziere ihm bei, und alsbald wurden die nötigsten Vorbereitungen getroffen. Man bemannte vier große, mit Waffen versehene Schaluppen und gab jeder derselben einen erfahrenen Offizier mit. Nach vier verschiedenen Seiten hin hielten sie auf die Mündungen des Hafens ab, um auch hier die nötige Kenntnis des Terrains zu sammeln. Kaum hatte man von den Decken der schwedischen Schiffe diese Manöver bemerkt, als sofort einige kleine bewaffnete Fahrzeuge hinausgesandt wurden, um die Dänen zu verjagen. Mit vielem Eifer und großem Geschick begann das Spiel von beiden Seiten. Aber es wurde den Schweden nicht leicht, die Dänen zu überlisten, die von dem Geiste ihres Führers beseelt wurden. Erst nachdem sie alles gesehen hatten, was sie wollten, zogen sie sich zurück, nicht ohne einen schwedischen Hucker von 4 Kanonen als gute Prise mit sich zu führen. Dieses kleine Scharmützel war das Vorspiel des großen Tages von Marstrand.

Der Admiral empfing die heimkehrenden Offiziere mit folgenden Worten; »Ihr alle habt die Stärke des Feindes in dem Hafen von Marstrand mit eigenen Augen gesehen; ich frage Euch nun, Ihr Herren, ob Ihr glaubt, daß wir stark genug sind, ihn anzugreifen und zu nehmen. Ich will keine Phrasen, keine schönen Worte, sondern eine runde und nette Antwort. Ja oder nein?«

»Ja! Ja!« riefen alle wie aus einem Munde.

»Das habe ich erwartet!« entgegnete der junge Seelöwe. »Ein so rasch gefaßter Entschluß ist gewiß von einem guten Ausgange begleitet. Die schweren Kanonenschiffe und drei der großen Prahmen sollen von hier aus das Feuer beginnen. Sobald der Wind umgeht, sollen einige der weiter hinausliegenden Linienschiffe Anker lichten und näher an den Strand legen, damit sie, wenn es möglich ist, mit feuern, und von ihren Mannschaften dahin abgeben, wo es not thut. Den Kommandeur-Kapitän Hogge beordere ich mit dem Linienschiffe »Tummler« und der Galeere »Franz Karl« nach der Gothenburger Bucht, um uns dort das Fahrwasser klar zu halten.«

Kommandeur-Kapitän Hogge übernahm mit freudigem Ausrufe das ihm übertragene ehrenvolle Kommando und versicherte, daß er den Ruhm der Flagge bis zu seinem letzten Atemzuge wahren würde. Er entfernte sich sogleich, um die Anker zu lichten. Tordenskiold gab den einzelnen Offizieren ihre besonderen Ordres und schloß dann mit den Worten: »Ich erwarte übrigens, daß sämtliche Herren Offiziere nach bestem Willen und Kräften auf ihren Posten ausharren und tüchtig zuschlagen werden, wenn die Reihe sie trifft. Ich selbst gelobe hiermit feierlich in Gegenwart aller, daß ich mich niemals schonen, sondern in jeder Minute Leib und Leben für die Ehre unserer Flagge einsetzen will, so mir Gott helfe. Das ist genug für diesmal und somit jeder an sein Werk!«

Er grüßte mit dem Hute, und die Offiziere entfernten sich, um jeder den ihm zugewiesenen Posten einzunehmen.

Am 21. Juli nachmittags kamen alle Schiffe in Bewegung. Auf der Kuhinsel, so war der Plan des Admirals, sollte eine Verschanzung aufgeworfen werden. Von dieser aus konnte man die Orlogschiffe im Hafen bestreichen. Barkassen, Böte und Schaluppen kreuzten in unzähliger Menge hin und her, um die Mannschaften und das Material herbeizuschaffen, das zur Ausführung des beschlossenen Baues notwendig war. Die meiste Arbeit machte der Artilleriepark, den man auf verschiedenen Schiffen untergebracht hatte und jetzt hier an einem Punkte vereinigen mußte.

Zwei alte gediente Artilleristen, die nebeneinander gingen und mit einem Blicke das ganze Terrain überschauten, schüttelten bedenklich mit dem Kopfe und einer sagte: »Meint der Admiral im Ernste, daß wir hier Schanzen aufwerfen sollen?«

»Das kannst Du Dir denken. Er meint es ganz ernstlich, obgleich er es mit lachendem Munde gesagt hat.«

»Dann wird keiner von uns übrig bleiben, der daheim erzählen kann, was wir hierorts gethan haben. Schau doch nur zu dem Felsen hinauf. Siehst Du die Stücke über die Brustwehren weg uns mit ihren Mündungen angähnen? Die werden uns einen Eisenhagel auf die Köpfe spucken, der uns zu stillen Leuten macht.«

»Ist eine schlimme Geschichte, Kamerad. Wenn der Admiral solche halsbrechende Dinge im Sinne hat, kann er ja seine Matrosen dazu anwenden. Aber das läßt er wohl bleiben, die sind ihm zu lieb. Wir armen Landsoldaten müssen immer vor, um das Brot in den glühenden Ofen zu schieben, damit sie nachher zu essen haben. Aber ich thue es nicht!«

»Thust es nicht? Oho! Hast wohl vergessen, wie es in den Kriegsartikeln heißt?«

»Thue es nicht, sage ich Dir. Und wenn alle so dächten, wollte ich sehen, was der kluge Herr Admiral anfinge. Können doch nicht das ganze Korps erschießen oder hängen? Schüttle den Kopf, soviel Du willst. Da hinauf sieh und dann widersprich mir. Hoffe, es soll nicht dazu kommen. Unsere Offiziere tragen ihren Kopf ebenso gut zwischen den Schultern, als wir den unsrigen; darum werden sie an rechter Stelle ein gewichtiges Wort reden.«

Ein Offizier von der Artillerie hatte einen Teil dieser Reden vernommen. Er that aber, als ob er nichts hörte, und trieb nur mit flüchtigen Worten die Leute zur Eile an.

Und wie an dieser Stelle, so war es an mehreren. Die Artilleristen waren teils empört, teils verzagt, und wenn sie sich auch nicht untereinander verabredeten, dachte jeder im stillen, er wolle nicht dabei sein, sondern versuchen, wie er sich aus dem Staube mache.

Da ertönte der Befehl: »An die Schanze!« und verstummt war jeder laute Widerspruch. Die Gewalt der Disziplin übte einen solchen Zauber auf die Soldaten aus, daß sie mechanisch zu ihren Werkzeugen griffen, dem Platze zueilten, der ihnen angewiesen ward, und die Arbeit nach dem Kommando begannen.

Tordenskiold und die Offiziere seines Stabes waren allenthalben. Der Eindruck, den der Admiral auf alle machte, bewirkte auch, daß Männer, die er dem sichtlichen Tode entgegenschickte, dies nicht beachteten und ihn mit lauten Hurrarufen empfingen.

Da flimmerte es in der Luft, als ob ein Blitz den klaren Himmel entlang fahre. Ein Donner rollte von der Höhe des Karlsteen herunter, und die erste Kugel fiel in einen frisch aufgeworfenen Sandhügel.

Das war das Signal. Die Kanonade begann mit solcher Heftigkeit und war von solcher Wirkung, daß ein Teil der Soldaten die Hacke und die Schaufel weglegen mußte, um die Toten und Verwundeten beiseite zu tragen. Das anfangs leise Gemurmel wurde lauter, und an mehreren Stellen erklärten die Soldaten ihren Offizieren, daß sie nicht weiter arbeiten würden. Andere warfen, ohne Worte, ihre Werkzeuge hin und liefen davon. Die Offiziere versuchten umsonst, die Subordination wieder herzustellen. Umsonst erklangen die Töne der Nationalhymne, das uralte Lied von dem Danebrog, der vom Himmel fiel. Es war ein allgemeiner Widerstand.

Der Admiral wütete. Er befahl dem Kommandierenden der Artilleristen, seine Pflicht zu thun und die Soldaten zu zwingen. Dies gab zu Erörterungen Anlaß. Der Kommandant der Artillerie bemerkte darauf, es sei gar nicht nötig auf eine so barbarische Weise einen Angriff zu machen, der ohnedies ganz ungerechtfertigt genannt werden müsse. Der Herr Admiral sei unbeschadet seiner Würde, durchaus nicht der Höchstkommandierende, und er erkläre jetzt, daß er sofort diese verderbliche Arbeit einstellen und seine Truppen zurückgehen lassen werde, wenn der Herr Admiral nicht einen Spezialbefehl Seiner Majestät des Königs oder des Admirals Rosenpalm vorlege. In diesem Falle freilich müßten sie ihr Leben daransetzen, sonst aber wären sie dies keineswegs gewillt.

»Und das wagt Ihr mir zu sagen?« entgegnete Tordenskiold, indem alles Blut aus seinem Gesichte wich.

»Ich wage es und nehme die Verantwortlichkeit dafür auf mich!« entgegnete der Offizier.

»Das ist die erbärmlichste Feigheit, die mir bei einem Offizier des Königs je vorgekommen ist!« rief der Admiral mit flammendem Zorn.

»Dieses Wort will ich mit dem Degen beantworten, wenn der Herr Admiral hier sein Werk vollbracht hat!« entgegnete der Offizier. »Holla! Wir ziehen ab.«

Die Trommeln wirbelten und die Artilleristen zogen sich unter Anführung ihrer Offiziere zurück.

Tordenskiold stand einen Augenblick ratlos. Er preßte die Lippen fest auf einander und drückte die Hände gegen die mächtig wogende Brust. Kapitän Bude, der ihm zunächst stand, legte die Hand auf seinen Arm und sagte: »Hier ist sicherer Tod, zieht Euch zurück, wenn es Euch beliebt. Das Vaterland bedarf Euer!«

»Was kann das Vaterland erwarten, wenn solche Feiglinge im Dienste desselben davonlaufen!« brach der Admiral los. »Jener pflichtvergessene Mann, der mir mit einem Duell drohet, soll die Felonie mit seinem Kopfe büßen. Nun ist es an uns, Kapitän Bude, das Werk zu vollenden, welches jene Lumpen liegen ließen. Frisch denn! Laßt von jedem unserer Linienschiffe fünfzig Leute abkommandieren; das wird ausreichen. Gebt die Signale!«

Sofort war wieder alles in der größten Tätigkeit. Die Ordres gingen an Bord, und die Matrosen kamen ans Land. Es war eine stattliche Reihe, die sich um die begonnenen Schanzen drängte. Mit dem ersten Spatenstiche begann die Kanonade von neuem; aber die munteren Blaujacken kümmerten sich wenig darum.

Auf den schwedischen Schiffen begann es nun auch lebendig zu werden. Die Kommandierenden mochten einsehen, daß, wenn die Schanzen trotz des Widerstandes vom Karlsteen, fertig würden, ihr Untergang gewiß sei. Deshalb wurden sofort Böte bemannt und mit Waffen versehen. Nach einem schnell entworfenem Plane stießen sie zu gleicher Zeit ab und rücken in Halbmondform gegen die Kuhinsel vor.

Ein heftiges Gefecht entspann sich zwischen Dänen und Schweden, in welchem von beiden Seiten mit großer Tapferkeit gefochten ward. Die Matrosen warfen ihre Spaten und Hacken beiseite, griffen zu Pistolen und Enterbeilen und schlugen um sich, wie Löwen. Endlich erlahmte die Kraft der Angreifenden und die schwedischen Böte zogen sich mit beträchtlichem Verluste zurück. Die dänischen Matrosen begannen ihre Arbeit wieder, während die Kanonen des Karlsteen ihnen einen neuen Eisenhagel auf die Köpfe warfen.

Die Arbeit wurde mit solchem Eifer fortgesetzt, daß sie am andern Tage gegen den Mittag hin vollendet war. Die Leute waren von der unerhörten Anstrengung so erschöpft, daß sie mit ihren Werkzeugen hinsanken und regungslos liegen blieben. Tordenskiold sah mit Wohlgefallen ein Werk vollendet, durch welches er Stadt und Hafen in seine Gewalt bekommen konnte. Dabei blickte er mit regem Mitgefühl auf seine Matrosen: »Die armen Jungen! Wie erschöpft sie sind! Aber ich konnte es ihnen nicht sparen. Die Ehre der Flagge über alles. Jetzt wird es aber Zeit, für sie zu sorgen. Holla! Wer es vermag, komme zu mir, um meine Befehle zu vernehmen.«

Auf Veranstaltung des Admirals schaffte man jetzt Erfrischungen aller Art herbei. Es wurde Bier und Wein, Brot und Fleisch, und was es sonst Eßbares gab, herbeigebracht. Der Admiral ging durch die Reihen hin, forderte zum Essen und Trinken auf und sprach allen guten Mut ein. Allmählich erholten sich die Erschöpften, und der alte Humor kehrte den Krabaten wieder, die ihrem Admiral mit Leib und Seele ergeben waren.

Als Tordenskiold sah, daß jedem das Seinige geworden, begann er auch an seine Offiziere und an sich zu denken, und sagte zum Kommandeur-Kapitän Heider, der den »Lindwurm« kommandirte: »Denke, Herr Kommandeur-Kapitän, daß wir, ohne dem Dienst zu nahe zu treten, auch wohl eine halbe Stunde für uns sorgen können. Wollt Ihr es übernehmen, die Herren zu mir zu laden? Es ist hier ein sicheres Plätzchen, wo wir uns ohne Furcht vor den Kugeln des Obersten Dankwarth ruhig niederlassen können. Die Herren sollen mir zu einem guten Trunke willkommen sein.«

Der Offizier ging, und Tordenskiold erteilte seine Befehle, die mit der gewohnten Pünktlichkeit vollzogen wurden. Der Platz, wo das Mahl eingenommen werden sollte, lag an der einen Ecke der Verschanzung und grenzte mit der See. Man konnte von dort aus das Gros der dänischen Flotte überschauen. Ein weißes Tuch ward über den Boden gebreitet und mit den verschiedenen Speisen besetzt. Dazwischen blitzten Karaffen, mit den edelsten Weinen gefüllt. Tordenskiold empfing seine Gäste mit heiterem Gruße und alle lagerten sich um die improvisierte Tafel, der Kugeln nicht achtend, die über ihre Köpfe hinflogen.

Da nahte sich mit schnellen Ruderschlägen ein Boot vom Bord des »Lolland« mit einer Nachricht für den Kommandanten desselben, der zur Tafelrunde zählte. Tordenskiold warf einen flüchtigen Blick dahin, und den Matrosen, der mit dem Kapitän sprach, betrachtend, sagte er. »Ist das nicht Elias Wulff, der bei Dünkille so gute Dienste that? Holla Ahoi, Elias Wulff! Wie geht es Dir, alter Ulk?«

»Viel Gnade, daß der Herr Admiral sich meiner noch erinnert!« entgegnete bescheiden der alternde Seemann. »Habe immer meine stille Freude, wenn ich den Herrn Admiral sehe und dabei denke, daß ich auch einmal in Eurer unmittelbaren Nähe gefochten habe.«

»Das hast Du, mein Junge! Und Du schlugst wacker zu. Dein Admiral bezeugt es Dir. Komm näher! Wer mit dem Tordenskiold gefochten hat, kann auch mit ihm trinken. Nimm dies Glas, und lasse es Dir wohl bekommen.«

Elias Wulff nahm das dargebotene Glas und rief mit bewegter Stimme: »Das will ich Euch mein Lebtag nicht vergessen. Auf Euer Wohlsein, Herr!«

In diesem Augenblicke sauste eine schwedische Kugel heran und zerschmetterte dem tapfern Seemann die Brust. Er schwankte und mit dem Rufe: »Hoch Tordenskiolds Flagge!« stürzte er, mit seinem Blute die Tafel überströmend, zusammen.

Entsetzt sprangen alle von ihren Sitzen auf. Die Mannschaft der Schaluppe trug den gefallenen Kameraden seitwärts. Tordenskiold blickte ihm mit Wehmut nach und sagte dann. »Du hast Deine Anhänglichkeit an meine Flagge mit Deinem Blute besiegelt. Ziehe hin, frommes Dänenkind, und möge ein Geist wie Deiner alle übrigen beleben. Und nun ist dieses Mahl beendet. Wenig Ruhe ist uns gegönnt, die Arbeit beginnt aufs neue. Es sind gerade zweiundvierzig Jahre heute, als der Admiral Gyllenlöwe sich der Stadt Marstrand und des Kastells bemächtigte. Das gelte uns für ein gutes Zeichen. Wir wollen den Jahrestag durch die Wiedereinnahme der Stadt feiern.«

Alle rüsteten sich. Der Admiral, der gern die Stadt retten wollte, schickte den Kapitän-Lieutenant Ployert samt einem Trompeter und der weißen Parlamentär-Flagge an den Kommandanten der Festung und ließ diesem, sowie den vornehmsten Seeoffizieren sagen, wenn man sämtliche Schiffe, große und kleine, übergeben wolle, werde er die Stadt verschonen. Würde diese Bedingung nicht angenommen, so solle man dem Magistrat von Marstrand ankündigen, daß nicht Tordenskiold, sondern der Kommandant des Karlsteen die Schuld trage. »Weiß wohl,« fügte Tordenskiold hinzu, »daß das alles nichts helfen wird; allein ich muß meine Pflicht thun.« Als aber Kapitän-Lieutenant Ployert nach einiger Zeit mit der Antwort zurückkam, daß Kommandant und Orlogs-Kapitäne entschlossen seien, die Stadt bis auf das äußerste zu verteidigen, empfing er diesen Bescheid mit einem Anflug geheimer Freude, die freilich durch das Bewußtsein, die Stadt vernichten zu müssen, etwas getrübt wurde.

Ein mörderischer Angriff begann nun. Die vollen Ladungen flogen vom Lande in den Hafen und vom Hafen auf das Land. Man focht auf den Verdecken und in den Böten. Kapitän Unger, einer der wackersten dänischen Offiziere, hatte das schwedische Linienschiff »Warberg,« auf dessen Deck Tordenskiold den Fischhändler so täuschend gespielt hatte, genommen, und ließ Böte vorlegen, um dasselbe mittels Bugsierens und Wurfanker aus dem Feuer zu bringen. Kaum hatte er diesen Befehl erteilt, kaum begann das Linienschiff sich zu bewegen, als eine Kugel durch die Galerie schlug und ihm das Bein zerschmetterte. Er griff in das nahe Tauwerk und winkte. Die Umstehenden eilten ihm zu Hilfe, aber er hieß sie gehen und sagte: »An Euer Werk! Ich habe einen Grundschuß erhalten und bin nicht mehr flott zu machen. Bringt dem Admiral dieses Schiff und meinen Gruß.« Mit diesen Worten ließ er das Tau fahren und stürzte zusammen.

Ein furchtbarer Knall machte die Luft erbeben. Die Erde zitterte, die See brodelte auf; alle sahen nach der Festung. Eine dunkle Rauchsäule stieg senkrecht zum Himmel empor. Eine Bombe war durch das Dach der Mühle geschlagen, in welcher die Pulverkardusen aufbewahrt wurden. In demselben Augenblick erreichte die dänische Ruderflottille den Hafendamm. Tordenskiold, immer voran, war der erste oben. Offiziere und Matrosen enterten ihm nach. Wie von einem panischen Schrecken ergriffen, flüchteten die schwedischen Artilleristen der Festung zu; die Einwohner der Stadt strömten ihnen scharenweise nach. Die Offiziere drängten sich um ihren Admiral; es war ihnen kaum möglich, an das unerhörte Glück ihrer Waffen zu glauben. Mit Bewunderung blickten sie zu ihrem jugendlichen Chef auf, der ihnen zurief: »So sind nun Stadt und Hafen unser, ohne Hilfe der Landartillerie. Ich sage es immer: dem wackern Seemann ist alles möglich. Danke allen für ihre Hilfe, die sie mir haben zu teil werden lassen. Allen, sage ich, Offizieren wie Matrosen. Jeder hat seine Schuldigkeit gethan.«

Nachdem dieser erste Teil des großen Werkes vollbracht war, wollte Tordenskiold den zweiten, schweren beginnen; dem Falle der Stadt sollte der Fall der Festung folgen. Die Offiziere sahen zu dem fast uneinnehmbaren Mauerwerk auf, erwogen die geringe Macht, die ihnen zu Gebote stand, und zuckten mit den Achseln. Tordenskiold aber meinte, im Angesicht eines Sieges, wie man ihn eben erfochten, stehe es ihnen schlecht an, das Gelingen des zweiten zu bezweifeln. Uebrigens sei es oben schlimm genug bestellt. Zu den Mannschaften, die dort zu Hause gehörten, wären nun auch noch alle diejenigen gekommen, die sich heute dahin geflüchtet hätten; also würden die Lebensmittel knapp werden. Außerdem wären sie daselbst mit Waffen schlecht versehen und deshalb werde man nur geringen Widerstand leisten können. Zum Beweise brachte er eine Büchse, die man einem Schweden abgenommen, und zeigte auf eine Kupfermünze, die in dieselbe statt eines Feuersteines geschraubt war.

Oben in der Festung ging es toll her. Sie war so sehr mit Menschen angefüllt, daß keine Ordnung in die von allen Seiten zusammengeschneite Bevölkerung zu bringen war, hätte man daselbst auch ein energischeres Regiment geführt, als es der Kommandant führen konnte. Dazu kam, daß die deutschen Soldaten Schwierigkeiten machten. Die schlecht verpflegten und noch schlechter bezahlten Leute sahen den gewissen Untergang vor Augen. Das Gespenst Tordenskiold erschien drohend vor ihrer erhitzten Phantasie. Der Geist der Subordination wich von ihnen. Die Lage des Kommandanten wurde immer schwieriger.

Da langte eine Botschaft Tordenskiolds an. Er forderte den Kommandanten auf, die Festung zu übergeben. Oberst Dankwarth hatte nicht den Mut, den Parlamentär ohne weiteres zurückzusenden. Er berief einen Kriegsrat. In demselben beschloß man, einen Bevollmächtigen an den Admiral zu senden, der sich mit eigenen Augen von der Lage der Dinge unterrichten sollte. Der Kapitän zur See Utfall ward zu dieser Botschaft bestimmt und begab sich mit dem dänischen Parlamentär auf den Weg. Als er vor Tordenskiold erschien, blieb er wie vom Donner gerührt stehen. Jener lächelte und sagte scherzend: »Der Herr Kapitän erkennen mich vielleicht wieder. Wollten mir damals meine Fische nicht mit einem Thaler das Stück bezahlen und geben jetzt einen weit höhern Preis. Nichts für ungut, Kapitän! Weiß, das ich es mit einem tapfern Feinde zu thun habe; aber das Glück ist wandelbar. Seht Euch um, Herr, und sagt, ob Ihr im stande seid, noch länger im guten Ernst an einen erfolgreichen Widerstand zu denken; dann will ich Euch diesen Glauben nehmen und biete mich selbst zum Führer an.«

Der Admiral hatte die nötigen Anordnungen getroffen. Er führte seinen schwedischen Gast vor die Thür seiner Wohnung, wo dem erteilten Befehle gemäß alles Volk aufgestellt war, das irgend zu kämpfen vermochte. Sie waren so glücklich geordnet, daß ihre Zahl weit größer erschien, als sie wirklich war. Die Offiziere durchschritten die Reihen und bestiegen dann die Schaluppen, um die im Hafen liegenden Werke und bewaffneten Schiffe zu besuchen. Während dies geschah, führten die Seeoffiziere ihre Matrosen an das entgegengesetzte Ende der Stadt, wo sie in gleicher Weise aufgestellt wurden. Als Kapitän Utfall hier landete, warf er einen flüchtigen Blick auf die dem Admiral entgegenjubelnde Menge und sagte: »Es ist genug. Ich werde dem Herrn Kommandanten meinen Bericht erstatten. Hoffe fest und sicher, daß er Mut genug haben wird, sich gegen die Uebermacht zu halten. Was mich betrifft, so habe ich die größte Achtung vor dem Admiral Tordenskiold. Wie aber die Sachen stehen, muß ich eher wünschen, ihm als Feind gegenüberzustehen, denn als Freund.«

»Ich kann dem Herrn Kapitän versichern,« rief Tordenskiold dem Scheidenden nach, »daß ich es mir stets zur Ehre rechnen werde, wann und wo ich mit ihm zusammentreffe.«

So brach die Nacht herein. Es war der 26. Juli, die Luft milde, die Brise lau. Die Sterne funkelten so licht, daß man hätte glauben mögen, an dem Ufer des Arno oder des Golfes von Neapel zu sein. Die ganze Natur feierte ein Fest. Aber Tordenskiolds wackere Seemänner griffen zu den Waffen und begannen den Angriff auf die Citadelle. Diese eröffnete ein furchtbares Feuer. Der Kampf war blutig, mörderisch von beiden Seiten. Jeder Fußbreit Erde wurde mit Menschenleben verteidigt und bezahlt. Tordenskiold sah man überall, immer frohen Mutes und freudiger Siegeshoffnung voll. Wo er erschien, stieg die Begeisterung bis zum höchsten Gipfel; wo er schied, sank den Zurückbleibenden der Mut. Die Kraft war allmählich gebrochen, und als der erste Schimmer des Tages über den Horizont hinflog, war kaum einer mehr im stande, den Arm zu heben.

Kapitän Ployert, der Kommandeur des »Frederikshald«, stand auf dem Verdecke seines Schiffes und sah auf das wirre Treiben umher. »Warum feuert Ihr nicht mehr?« fragte er den Oberkanonier, der an ihn herantrat, obgleich er wußte, welche Antwort er bekommen werde.

»Herr,« entgegnete dieser, »es ist alles umsonst. Ich kann die Leute nicht dazu bewegen, noch eine Hand zu rühren, und wir richten auch nichts mehr aus. Die Munition ist verschossen. In dem Mörser hier steckt die letzte Bombe; soll ich sie werfen?«

»Es sind feige, erbärmliche Hunde,« rief der Kapitän aufwallend, »die verdient hätten, daß man sie vor ein Kriegsgericht stellte. Eine einzige Bombe, sagst Du? Her die Lunte! Ich will das Geschütz selbst abfeuern. Habt Ihr alle auch den Kopf verloren, den meinigen habe ich noch behalten. In Gottes Namen!«

Der Kapitän entblößt sein Haupt, als er an das Geschütz tritt. Die Mannschaften, blutend, hungernd und überwacht, treten maschinenmäßig heran, um dies ungewohnte Schauspiel zu sehen. Die Bombe fällt mitten in die Festung hinein. Eine atemlose Stille herrscht. Plötzlich erschallt ein halb unterdrückter Ruf. Ein dichter Qualm steigt an der Stelle auf, wohin die Bombe gefallen ist. Es folgt ein Knall, als ob das Firmament auseinander springt; ein Hagel von Eisen und Steinen, angebrannten Balken und Latten stürzt aus der Höhe herab.

»Der Pulverturm ist getroffen!« schreit es dort und hier.

»Satansglück!« brummte einer der Offiziere, und ein Kamerad, der es hörte, entgegnete verweisend: »Oder Gottes Finger!«

Dieser Schlag war entscheidend. Der Mut der Belagerten war dahin. Die Citadelle ergab sich. Nachmittags drei Uhr betrat Tordenskiold an der Spitze der Seinen den Karlsteen, auf dessen Wall von der Stunde ab der Danebrog wehte. – Das Unerhörte war geschehen. Siebenhundert Seeleute hatten Schwedens bis dahin für unüberwindlich gehaltene Festung genommen.

Es war ein herrlicher Tag, als König Friedrich IV. am Bord der Fregatte »Pommern« in den Hafen von Marstrand einlief, die Königsflagge am Mast. Als der Anker sich in den Grund senkte, erschien Tordenskiold mit seinem ganzen Stabe am Bord und rief: »Habe die Ehre, Euer Majestät im Hafen von Marstrand meinen ehrfurchtsvollen Gruß darzubringen. Gern hätte ich den Schlüssel von Gothenburg und Ny-Elfsborg dazu gelegt, doch hat es mir bis heute noch nicht glücken wollen.«

»Wer so viele und so reiche Gaben mit einem mal spendet, muß sich nicht entschuldigen, daß deren nicht noch mehrere geboten worden,« entgegnete der König. »Wir danken Euch herzlich, heißen Euch aufrichtig willkommen und bringen Euch Unsern Glückwunsch als Viceadmiral dar.« – »Viceadmiral!« rief Tordenskiold fast erschreckt aus. »Und mit kaum dreißig Jahren! Dank, Euer Majestät! Ich will diese Gnade zu verdienen suchen.«

»Das habt Ihr schon gethan,« sagte der König. »Und um einen allen sichtbaren Beweis zu geben, wie sehr Wir einen solchen treuen Diener zu schätzen wissen, geben Wir Euch dies Unser Bild, damit Ihr es als ein Zeichen Unserer Gunst tragen mögt.«

Tordenskiold beugte sich tief vor dem Könige, der ihm das in Diamanten gefaßte Brustbild selbst umhing. Die Augen des jungen Viceadmirals glänzten vor Freude; sein Herz schlug hörbar, und er sagte mit tiefer Bewegung: »Ich kann Euer Majestät versichern, daß dies Bild auf keiner treueren Brust ruhen könnte, und schwöre, daß es den Feinden Dänemarks immer gerade ins Gesicht sehen soll.«

»Davon halten Wir Uns überzeugt,« sagte der König mit einem gnädigen Lächeln. »Nun aber dies vorüber ist, wollen Wir an Eurer Hand Unser neues Besitztum in Augenschein nehmen. Kommt, Herr Viceadmiral!« Und König Friedrich IV. betrat an der Hand seines tapfersten Seeoffiziers den schwedischen Boden.


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