Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

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Michael de Ruiter.

Dieser niederländische Seemann, der eigentlich Michael Adrianzoon de Ruiter (oder de Ruyter d. i. der Reiter) hieß, stieg während seiner langen ruhmvollen Laufbahn aus dem bescheidensten Lebenskreise zu den höchsten Ehren und Würden empor, die ein Seemann erreichen kann. Er war mit den ersten Orden seiner Zeit geschmückt, und über seine Leiche breitete man den Herzogsmantel.

Michael de Ruiter wurde im Jahre 1607 zu Vlissingen geboren. Seine Eltern waren Leute geringsten Standes, deren Ehe reichlich mit Kindern gesegnet war. Der Vater zog unter anderm Bier ab und verkaufte dies an die Arbeiter auf den Werften. Daher sah er sich genötigt, seinen Sohn Michael auf der Seilerbahn unterzubringen, welche den Gebrüdern Lampsin gehörte; hier mußte Michael das Rad drehen. Eines Tages sollte er eines Fehlers wegen bestraft werden. Er entfloh, und alle Müßiggänger auf der Werft liefen hinter ihm drein. Der Kirchturm, welcher gerade ausgebaut wurde, war mit einem hölzernen Gerüst umgeben. Da hinauf kletterte er, bis er an einem Punkte stand, von wo er nicht weiter konnte und jeden Augenblick in Gefahr war, hinabzustürzen. Man hielt mit der Verfolgung inne. Einer seiner Brotherren, der den Jungen so schwindelfrei stehen sah, gewann Teilnahme für ihn, und durch seine Vermittlung kam Michael zur See. Als er erst den Boden eines Schiffes unter seinen Füßen hatte, half er sich selbst weiter. Unter den ersten Kameraden, die er in seinem neuen Stande gewann, war auch ein Negerbursche, Jan Companey geheißen, mit dem er ziemlich gute Kameradschaft hielt; sie sollten sich späterhin unter eigenen Umständen wiedersehen.

Vom einfachen Schiffsjungen auf einem Kauffahrer bis zum Lieutenant-Admiral-General von Holland und Westfriesland alle Dienstgrade durchlaufend, verdankte er ganz allein seinem angeborenen Talente und dem in ihm wohnenden Eifer diese glorreiche Erhebung. Auf allen seinen vielen Seezügen erwarb er sich den Ruhm eines tapfern, umsichtigen, unerschrockenen und mit dem Seekriege sehr vertrauten Helden. In seinem Privatleben war er ein gütiger, liebevoller Gatte und sorgsamer Vater, ein wahrhaft frommer Christ, ein wackerer Bürger und ein unermüdlicher Wohlthäter der Armen.

Seine Thaten zur See sind bewunderungswürdig; einige derselben sollen im Nachfolgenden erzählt werden.

Als 1641 Holland der Krone Portugal gegen die furchtbare Uebermacht der Gegner zu Hilfe kam, befehligte Michael de Ruiter bereits als Shout by Nacht (Contre-Admiral) die zum Beistande abgeschickte Flotte. Nicht minder ehrenvoll waren seine später unternommenen Züge gegen die afrikanischen Raubstaaten. Hier war es, wo er an einem Punkte der Küste mit seinem ehemaligen Schiffsgefährten wieder zusammen traf. Jan Companey war in sein Vaterland zurückgekehrt und suchte, als er den Namen de Ruiter hörte, in die Nähe desselben zu kommen. Der Admiral nahm seinen früheren Backgenossen freundlich auf und entließ ihn reich beschenkt.

In dem Kriege Hollands gegen England befehligte de Ruiter einen Teil der Flotte, die unter Herperts van Tromps Oberbefehl stand. Nach dem Frieden von 1665 kreuzte er aufs neue gegen die Korsaren in der Mittellandssee, wo er mehrere ihrer Schiffe eroberte und den berüchtigten Renegaten Armand de Dias gefangen nahm.

Der König von Dänemark, dem er mit glücklichem Erfolge in dem Kriege gegen Schweden beistand, erhob ihn, nebst seiner Familie, in den Adelstand. Als der Krieg mit England von neuem drohte, übertrug ihm sein Vaterland den Oberbefehl über die Flotte. Nachdem Michael de Ruiter der britischen Seemacht in den außer-europäischen Gewässern mehrere empfindliche Verluste zugefügt hatte, schlug er sie 1666 in drei großen Schlachten im Kanal, lief mit seiner ganzen Macht in die Themse ein und nötigte England in dem darauf folgenden Jahre nachzugeben. Der Friede von Breda wurde geschlossen.

Auch in dem dritten Kriege mit England, welches sich zu demselben mit Frankreich verbündet hatte, triumphierte Holland durch den Mut und die Geistesgegenwart dieses wackern Admirals, welcher 1673 über die vereinigte englisch-französische Flotte den Sieg erfocht.

Dankbar ehrte das Vaterland die Verdienste des Helden. Alles Seevolk betete ihn an. Van der Velde, der große Maler, malte seine Schlachten und verewigte ihn durch seinen Pinsel. Der vaterländische Dichter Jobst van den Vondel feierte ihn in seinen erhabensten Gedichten, namentlich in dem Löwen von Niederland.

Als die Gegner des Hauses Oranien, der Großpensionär Jan de Witt und sein Bruder Cornelius, von ihren hohen Posten gestürzt und von dem wütenden Volke ermordet wurden, ward Michael de Ruiter nicht belästigt, obgleich jedermann wußte, daß er zu den beiden unglücklichen Brüdern in sehr genauen Beziehungen gestanden hatte. Zur Unterstützung der Spanier in Sicilien entsendet, kämpfte er mit der größten Tapferkeit gegen die französische Uebermacht, bis er 1776 in einem Treffen bei Messina durch einen Kanonenschuß den Fuß verlor, und am 29. April desselben Jahres an dieser Wunde in der Bai von Syrakus starb.

In das Loggbuch des Admiralschiffes wurden die nachfolgenden Worte geschrieben.

»Bai von Syrakus. Michael Adrianzoon de Ruiter, Lieutenant-Admiral-General von Holland und Westfriesland, Ritter des goldenen Vließes und des Sanct Michael-Ordens, starb heute am 29. April abends um 7½ Uhr infolge der vor Catanea empfangenen Wunde.«

Um diese Zeit war es, als der Vicekönig von Sicilien, der Marquis von Villafranca, am Bord erschien, um den Admiral im Namen Seiner Allerkatholischsten Majestät mit hohen Ehren und Würden zu schmücken. Erschüttert bedeckte er den Toten mit dem Herzogsmantel und legte den Herzogshut zu dessen Häupten nieder.

Sein Leichnam wurde nach Amsterdam gebracht und von der ganzen Bevölkerung in tiefster Trauer empfangen. In der neuen Kirche daselbst wurde ihm ein Denkmal gesetzt. Seine Statue in Lebensgröße wurde ihm zum ewigen Gedächtnis aufgerichtet.


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