Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

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Der Ritterschlag.

Dänemark und Schweden führten einen langen, blutigen Krieg. Holland hatte dem ersteren Staate seinen ritterlichen Beistand zur See gegönnt und Herrn de Ruiter bei dieser Gelegenheit den Oberbefehl erteilt. Endlich kam der Friede zu stande. Bis Ende Juli war kein dänisches Eigentum mehr in schwedischer Gewalt. Die holländische Flotte ward heimberufen, und der Admiral zur Abschiedsaudienz nach dem Schlosse Frederiksborg beschieden.

Es war zehn Uhr morgens, als Michael de Ruiter mit seinem Stabe eintraf und von dem Feldmarschall Schack empfangen wurde.

Die Kammerjunker, die den Dienst in des Königs unmittelbarer Nähe hatten, steckten die Köpfe zusammen und machten insgeheim ihre Bemerkungen. Graf Oskar Banner, der jüngere Sohn eines altberühmten Hauses, zuckte die Achseln und sagte hochfahrend: »So viel Wesen um einen holländischen Bauern!«

»Es ist aber doch ein merkwürdiger Mann!« antwortete einer der Umstehenden. »Bedenkt doch nur, was er alles gethan hat.«

»Pah! Die Banner haben auch Seesiege erfochten. Jeder dänische Seemann hätte, so ausgerüstet, dasselbe gethan. Und nun ein solcher Empfang einem Republikaner zu Ehren! Es gereicht dem ganzen Adel zum Aergernis.«

»Wie er sich nur benehmen mag?« warf ein anderer hin.

»Erbärmlich genug, wie sich von selbst versteht. Auf seinem Schiffe, zwischen den Teerwänden, mag es noch angehen. Aber auf diesem Boden! Seid versichert, es wird eine Komödie geben.«

»Wo soll er es auch gelernt haben?« fragte ein dritter. »Es wurde mir erzählt, daß er eigentlich ein gemeiner Handwerker sei.«

»Gewiß!« rief Oskar Banner. »Er war Radjunge auf einer Seilerwerft. Für jedes schlecht gedrehte Tau bekam er mit einem guten Tau seine richtigen Hiebe. Während dieser Manöver auf seinem Rücken schenkte sein hochgeborener Herr Vater den Werftarbeitern sein schales Bier aus.«

»Ein Seilerjunge! Das ist ja noch weniger als die Bootsjungen, die sich hier auf dem Holm umhertreiben!«

»Ihr sagt recht!« fuhr Oskar Banner fort. »Darum möchte ich auch nicht, daß ich mit ihm in Berührung käme, denn ich weiche ihm nicht einen Schritt.«

»Dergleichen hat schon mancher gesagt!« war die Antwort. »Wenn aber Seine Majestät den Admiral zur Tafel zöge, und Ihr hättet den Dienst, so würdet Ihr ihm, ohne ein Wort zu sagen, den Becher füllen.«

Oskar Banner wollte etwas erwidern, als der Kanzler den Admiral einführte, und der König von der andern Seite eintrat.

Friedrich III. stand im Anschauen des Helden verloren, der die reichsten Kränze des Ruhmes auf seinem Haupte trug und doch so anspruchslos und bescheiden dastand, als komme er, Dank zu spenden, nicht zu empfangen. Nicht lange vermochte der König, seine Empfindungen zu unterdrücken; er eilte dem Seemann entgegen und ergriff seine Hand. Zu tief bewegt, um zu reden, schloß er ihn lautlos in seine Arme.

Nachdem die erste Aufwallung vorüber war, nahm Friedrich III. den Arm des Admirals und führte ihn in den Saal. Stolz, Freude und Verlegenheit malten sich auf dem Gesicht de Ruiters. Ihm schien es, als ob er eine solche Ehre gar nicht verdiene. Als der König plötzlich stehen blieb, begegnete es dem Admiral, daß er den Hut fallen ließ. Der König, welcher es bemerkte und das mühsam unterdrückte Lachen seiner Junker hörte, wandte sich unwillig zu diesen und sagte: »Graf Banner, hebt den Hut des Herrn Admirals auf!«

Der Kammerjunker machte eine abwehrende Bewegung und antwortete: »Eurer königlichen Majestät und Eurem hohen königlichen Hause zu schuldigen Diensten verpflichtet. Aber der Zweig eines Baumes, der jahrhundertelang in dänischer Erde wurzelt, ist zu zähe, um sich nach einem Matrosenhute zu bücken.«

Ein Schrei des Unwillens erscholl aus den Reihen der holländischen Offiziere. Der Admiral erbleichte und stützte sich auf die Schulter seines Shout by Nacht. Die dänischen Kavaliere blickten mit unverhehltem Staunen auf den kecken Kammerjunker.

»Herr Admiral,« sprach Friedrich III. mit lauter Stimme, »dieser Auftritt mahnt mich an meine Pflicht. Von einer Vergeltung kann zwischen uns nicht die Rede sein; aber ich wünsche diesen Tag durch ein Ereignis zu bezeichnen, das Dänemark Ehre bringt. Habt Ihr meinen Auftrag vollzogen, Herr Kanzler, so teilt der ehrenvollen Versammlung meinen königlichen Beschluß mit.«

Der Kanzler verbeugte sich ehrerbietig, entrollte ein Pergament, welches er in der Hand hielt, und las unter dem tiefen Schweigen der Anwesenden das königliche Dekret, durch welches Herr Michael Adrianzoon de Ruiter in den Adelstand des Königreiches erhoben ward.

Das dem neuen Ritter verliehene Wappen bestand in einem vierfach geteilten Schild. In dem obern Abschnitt rechts befand sich ein geharnischter Ritter, der ein blankes Schwert in der gehobenen Hand hält, darunter im blauen Felde ein gelbes Geschütz mit drei gelben Kugeln; oben links ein weißes Kreuz im roten Felde und unten auf himmelblauem Grunde ein weißes Admiralschiff. Das ist das Wappen des Seemanns.

Als der Kanzler die Zeremonie des Vorlesens beendet hatte, winkte der König dem Feldmarschall und empfing von diesem das königliche Reichsschwert. Auf seinen Wink kniete der Admiral nieder. Der König berührte seine Schulter mit dem Schwerte und sagte dabei: »Duldet diesen Schlag, Herr Ritter de Ruiter, und umarmt mich als Euren Freund. Diese goldene Kette aber tragt mir zur Erinnerung und als ein Andenken an diese Stunde.« Der Admiral war tief bewegt und konnte die Gefühle seines Herzens nur durch einzelne Worte kundgeben. Der König ließ sein blitzendes Auge durch den Kreis der ihn umgebenden Edelleute schweifen und rief dem mit bleichem Gesicht neben ihm stehenden Oskar Banner in strengem Tone zu: »Wenn es jetzt gefällig ist? Den Hut da!«

Zitternd, die Augen zu Boden geschlagen, ging Oskar Banner mit wankenden Knieen der Stelle zu, wo der Hut lag, hob ihn auf und reichte ihn dem Viceadmiral. Dieser nahm ihn und sagte. »Ihr seid sehr höflich, mein werter Graf, und ich würde mich glücklich schätzen, wenn es mir möglich wäre, Euch von der Redlichkeit meiner Gesinnungen zu überzeugen. Bedürft Ihr einst in Holland eines Freundes, so wendet Euch vertrauensvoll an mich.«

Der Graf erwiderte hierauf nichts. Der König aber rief ihm zu: »Wenn Ihr eine Reise in das Ausland machen möchtet, so habt Ihr unbeschränkten Urlaub. Hört Ihr? Unbeschränkten! Eure Hand, de Ruiter!«

Mit diesen Worten ging der König mitten durch die erschreckten Kammerjunker und führte den neuen Ritter zum Bankett.


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