Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Anhang

I.
Die neueren Kampfmittel im Seekriege.

Die Helden der See, deren Ruhmesthaten und Lebensgang in den vorhergehenden Kapiteln dieses Buches geschildert worden sind, lebten ausnahmslos in einer Zeit, in der die gewaltige Kraft des Dampfes oder gar die mannigfachen Wunderwirkungen der Electricität beim Bau der Schiffe und im See-Kriege noch keine Verwendung fanden.

Als bewegende Kraft für die schwerfälligen, breit und hoch gebauten Schiffe diente in jener Zeit, von den Meeresströmungen abgesehen, noch ganz allein der in Richtung und Stärke stetig wechselnde Wind.

Eine Seeschlacht spielte sich früher in allen ihren Einzelheiten, nach heutigen Begriffen, recht langsam ab.

Die Bedienung der alten Kanonen war sehr umständlich und zeitraubend; das Laden konnte nur von vorn erfolgen; sobald also ein Schuß abgefeuert worden war, mußte das Geschütz, das aus der Stückpforte hervorragte, nach dem Innern des Schiffes zurückgezogen und wenn es von neuem geladen war, wieder mit der Mündung zur Luke hinausgebracht werden. Nicht weniger umständlich war das Laden und Abschießen der alten, schweren Musketen mit Pulverpfanne und Feuerschloß.

Darum griffen denn auch, sobald ein Schiff geentert worden war, die mutigsten und wildesten Krieger sofort zum Beil und Messer und suchten durch rohe Kraft und Verwegenheit im blutigen Ringen, Mann gegen Mann, den Kampf zu entscheiden.

Ein solcher Einzelkampf, Mann gegen Mann, ist nach der heute im Seekriege geltenden Taktik beinah ausgeschlossen. Heute sind die Gegner darauf bedacht, einander schon aus weiter Entfernung zu vernichten. Die schweren Kanonen der modernen Kriegsschiffe besitzen eine so ungeheure Kraft, daß die zentnerschweren Geschosse derselben noch auf 5000 Meter Entfernung die harten und dicken Panzerplatten, mit denen die Schiffswände über Wasser bekleidet sind, zerstören. Die Folge davon ist, daß man sich bemüht, die Schiffe durch immer stärkere Panzerplatten gegen die Geschosse der schweren Geschütze zu sichern.

Mit welcher furchtbaren Gewalt die Riesengeschütze der heutigen Schlachtschiffe ihre Geschosse schleudern, läßt sich aus folgenden Beispielen erkennen. Im April 1892 erreichte eine 24 Centimeter Küsten-Kanone von Krupp, auf dem Schießplatze bei Meppen, eine Geschoßweite von 20226 Meter. Das Geschoß, welches 215 Kilo wog, brauchte rund 70 Sekunden um diese Riesenbahn zu durchfliegen.

Bei einem anderen Schießversuch wurde eine 356 Millimeter dicke Panzerplatte aus vorzüglichem Material von einer Granate, mit 330 Millimeter Durchmesser, glatt durchschlagen.

Dagegen wieder ist es dem berühmten deutschen Gußstahlwerk von Friedrich Krupp in Essen gelungen, nach einem besonderen Verfahren, das geheim gehalten wird, Panzerplatten aus Stahl herzustellen, die in einer Dicke von 30 Centimeter bisher allen darauf abgefeuerten Schüssen widerstanden haben.

Dieser Triumpf wird jedoch auch nicht lange dauern, denn die Kriegstechnik ruht nicht, bis sie Geschütze und Geschosse von solcher Stärke construiert und hergestellt hat, die auch diese stärksten Panzerplatten zerstören. Dann werden natürlich die Panzerplatten wieder verstärkt werden. So besteht ein dauernder Wettstreit zwischen Geschütz und Panzer.

Die Erfindung einer neuen, in ihrer Wirkung furchtbaren, ja geradezu unheimlichen Waffe, des Torpedos, wogegen auch Panzerplatten nicht schützen, hat eine vollständige Umwälzung in der Taktik des Seekrieges hervorgebracht und zwei ganz neue, wichtige Schiffstypen, das Torpedoboot und den Torpedoboots-Zerstörer geschaffen.

Als Vorläufer des heutigen Torpedos dürfen die Brander gelten, die früher im Seekriege Verwendung fanden. Zu solchen Brandern benutzte man kleinere, nicht mehr besonders seetüchtige Fahrzeuge; diese wurden mit Pulver und anderen explodierbaren Stoffen angefüllt und, meist während der Nacht, mit günstigem Winde oder mit der Strömung gegen die feindliche Flotte abgeschickt, um diese in Brand zu stecken und zu vernichten.

Im Jahre 1809 schickten die Engländer 20 solche Brander auf einmal gegen die bei Isle d'Aix ankernde französische Flotte. In den größten dieser Brander hatte man 1500 Fässer Pulver geladen und über das Pulver noch 1500 Granaten gelegt.

In dem Kriege, welchen die Engländer vor etwa 40 Jahren gegen die Chinesen führten, schickten die Chinesen häufig ganze Flotten von Brandern gegen die feindlichen Schiffe, konnten jedoch der englischen Flotte keinen Schaden zufügen, da diese nur aus Dampfschiffen bestand, die jederzeit imstande waren, den herankommenden Brandern auszuweichen.

Mit der allgemeinen Einführung der Dampfschiffe haben denn auch die Brander ihre Bedeutung verloren und kommen seit Erfindung des Torpedos überhaupt nicht mehr zur Verwendung.

Der Torpedo besteht aus einer aus Stahl oder Hartbronze gefertigten Röhre, welche, ähnlich einer Cigarre, vorn und hinten spitz ausläuft; er hat eine Länge von etwa 5 Meter, einen Durchmesser von 30 bis 45 Centimeter und enthält 50 bis 100 Kilo Sprengstoff, meist Schießbaumwolle. In einer besonderen Abteilung am hinteren Ende befindet sich Preßluft, welche unter einem Druck von etwa 100 Atmosphären eingepumpt worden ist. Nach dem Abschießen des Torpedos strömt diese Preßluft mit großer Kraft wieder aus und setzt zwei Flügelschrauben in Bewegung, durch diese wird der Torpedo mit ziemlicher Geschwindigkeit vorwärts bewegt. Eine sehr sinnreich construierte, selbsttätige Steuervorrichtung sorgt dafür, daß der Torpedo stets unterhalb des Wasserspiegels bleibt.

Sobald der Torpedo das feindliche Schiff erreicht und mit der Spitze gegen die Schiffswand stößt, tritt der vorn angebrachte Schlagzünder in Tätigkeit und bringt das hinter demselben angehäufte Sprengmaterial zur Explosion. Die Beschädigung, welche ein auf diese Weise getroffenes Schiff erleidet, ist meist so groß, daß es sofort sinkt.

Die Kosten eines Torpedos belaufen sich auf 6000 bis 10000 Mark.

In der Herstellung und Wirkung dem Torpedo ähnlich sind die Seeminen, welche zur Verteidigung der Häfen, Küsten und Mündungen größerer Flüsse dienen.

Die Seemine besteht meist aus einem flaschenförmigen, eisernen Behälter, der zur Hälfte mit Sprengstoffen und zur Hälfte mit Luft gefüllt ist; die Luft bewirkt, daß die Seemine nicht untersinkt und so verankert werden kann, daß sie einige Meter unterhalb des Wasserspiegels schwimmt.

Aus der Oberfläche der Seemine ragen mehrere Glasröhren hervor, welche mit Schwefelsäure gefüllt und durch eine Bleiumhüllung geschützt sind. Sobald ein Schiff gegen diese Glasröhren stößt, zerbrechen dieselben, die Schwefelsäure ergießt sich auf ein darunter befindliches Trockenelement aus Zinkplatten, wodurch ein electrischer Strom erzeugt wird, dieser bringt einen dünnen Platindraht, der mitten in der Zündmasse liegt, zum Glühen und dadurch die Mine zur Explosion.

Eine Gelegenheit, die großen und bedeutsamen Fortschritte, welche die Schiffsbaukunst und Kriegstechnik gerade in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, praktisch in Wirksamkeit zu sehen, bot zunächst der Krieg zwischen China und Japan in den Jahren 1894 und 1895 und später der Krieg zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika im Jahre 1898.

In diesen Kriegen hat sich gezeigt, daß der Mut und die Kühnheit der Soldaten und ihrer Führer allein heute den Ausgang einer Seeschlacht nicht mehr bestimmen können, sondern daß die Panzerung der Schiffe, die Stärke der Maschinen, von denen die Fahrgeschwindigkeit der Schiffe abhängt, vor allem aber die Zahl und Größe der Geschütze und die Schnelligkeit des Feuerns den Ausschlag geben; wer in der kürzesten Zeit den Gegner mit den meisten und schwersten Geschossen zu überschütten vermag, wird künftig Sieger bleiben.

Zum Beweise mögen in den nächsten Abschnitten die kurzen Schilderungen der Seeschlachten der neueren Zeit dienen.


 << zurück weiter >>