Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

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II.
Aus dem Kriege zwischen China und Japan.

Die Feindschaft zwischen China und Japan besteht schon seit Jahrhunderten und wurzelt tief im Herzen der beiden Völker. Während die Chinesen in stolzer Ueberhebung dauernd bemüht gewesen sind, ihr Land gegen das Eindringen europäischer Kultur abzuschließen, haben die sehr viel regsameren und intelligenteren, jedoch auch nicht minder zur Ueberhebung neigenden Japaner die veralteten Einrichtungen ihres Landes vollständig nach europäischem Muster reformiert und sich ein vorzüglich bewaffnetes, stehendes Heer nach deutschem Vorbilde geschaffen.

Sobald die Japaner glaubten, genügend vorbereitet zu sein, um mit dem sehr viel größeren und reicheren, aber altersschwachen und schlecht bewehrten Erbfeinde China eine blutige Abrechnung wagen zu können, brachen sie den Vorwand zu einem Kriege vom Zaun, indem sie einen Streit mit China wegen dessen Hoheitsrechte über die Halbinsel Korea begannen.

Ohne seine wahren Absichten zu verraten und ohne den Krieg zu erklären, landete Japan größere Truppenmassen in Korea an der Nordküste von China.

China in seiner Verblödung wollte lange nicht daran glauben, daß das zehnmal kleinere Japan im Ernst einen Krieg mit dem Riesen China wagen würde, und zögerte geraume Zeit, ehe es ebenfalls Truppen nach Korea sandte.

Für den ersten Truppentransport charterte die chinesische Regierung drei englische Dampfer, welche zusammen etwa 3000 Soldaten, außerdem Kanonen und anderes Kriegsmaterial nach Asan schaffen sollten.

Zwei dieser Dampfer hatten bereits glücklich ihr Ziel erreicht und ihre Ladung gelöscht.

Der dritte Dampfer »Kowshing«, mit 1300 chinesischen Soldaten und einer Batterie Berggeschütze an Bord, verließ am 23. Juli Taku. Die Fahrt näherte sich schon ihrem Ende, und war bis dahin ohne jede Störung verlaufen, als am Morgen des 25. Juli das japanische Kriegsschiff »Naniwa« in Sicht kam und mittelst Flaggen-Signalen und den üblichen zwei blinden Schüssen die »Kowshing« aufforderte, zu halten und Anker zu werfen. Da das Schiff unter englischer Flagge fuhr und der Krieg noch nicht erklärt war, so glaubte der englische Kapitän, durch das geltende Völkerrecht gegen jede feindselige Handlung der Japaner gesichert zu sein.

Nach kurzer Zeit erschienen einige japanische Offiziere an Bord des englischen Dampfers, sahen die Schiffspapiere ein, ließen sich Genaueres über Fracht und Bestimmungsort sagen und gaben dann dem erstaunten Kapitän, trotz seines Protestes und trotz seines Hinweises darauf, daß die englische Flagge von seinem Maste wehe, den gemessenen Befehl, mit seinem Schiffe der »Naniwa« zu dem japanischen Hauptgeschwader zu folgen.

Als nach Abfahrt der japanischen Offiziere der Kapitän den Chinesen den erhaltenen Befehl mitteilte, gerieten diese in Wut und Raserei, erklärten alle an Bord befindlichen Europäer für Verräter und drohten, sie umzubringen. Der Kapitän signalisierte deshalb dem japanischen Kriegsschiffe, daß er den erhaltenen Befehl nicht ausführen könne, da die Chinesen mit Gewalt ihn daran hinderten, daß jene verlangten, nach Taku zurückbeordert zu werden und Kapitän und Mannschaft mit dem Tode bedrohten, wenn diese das Schiff verlassen würden.

Darauf kam die Antwort, daß der Kapitän und die gesammte Mannschaft ins Wasser springen solle, sobald auf der »Naniwa« eine rote Flagge gehißt werde.

Als dies Signal gegeben wurde, sprang die Mannschaft, mit Ausnahme des dritten Offiziers ins Meer; sofort feuerten die Chinesen auf sie und nur der Kapitän, der erste Offizier und der Quartiermeister erreichten die zu ihrer Rettung ausgesetzten Boote des japanischen Kriegsschiffes.

Inzwischen war die »Naniwa« bis auf etwa 300 Meter an den englischen Dampfer herangekommen und begann aus dieser kurzen Entfernung ganz unerwartet aus ihren Schnellfeuergeschützen zu feuern und zwar nicht gegen das Schiff, sondern wohlgezielt gegen die auf dem Deck zusammengedrängten Chinesen. In wenigen Augenblicken war das Deck der »Kowshing« mit Toten und Verwundeten angefüllt. Nachdem die erste Verwirrung sich gelegt hatte, griffen die Chinesen nach den Gewehren, machten auch die Kanonen gefechtsbereit und eröffneten in wilder Hast ein heftiges, aber schlecht gezieltes und darum wirkungsloses Feuer auf die Japaner. Diese antworteten sofort mit der Abschießung eines Torpedos. Derselbe traf die »Kowshing« unterhalb des Maschinen- und Kohlenraumes und explodierte mit furchtbarer Gewalt. Ein Hagel von Kohlen, Holz- und Eisenteilen erfüllte die Luft; die Hälfte der Besatzung, Tote wie Lebendige, wurde ins Meer geschleudert. Der Dampfer sank schnell, bald ragten nur noch sein Vorderteil und die Masten aus dem Wasser; hier drängte sich Kopf an Kopf der Rest der Besatzung zusammen. Immer tiefer sank das Schiff, immer höher stieg das Wasser und der Raum, auf dem die Chinesen verzweiflungsvoll sich drängten, wurde immer kleiner; schließlich bildeten diese nur noch einen dichten Knäuel.

Das Kriegshandwerk ist an sich roh und brutal in seiner Ausübung, doch die Japaner haben an diesem Tage jedenfalls das Unmenschlichste geleistet, indem sie noch in diesen dichten Knäuel sich gegen den Tod wehrender Menschen hineinfeuerten, auch Boote aussetzten, deren Mannschaften, statt zu retten, Salve auf Salve auf die im Wasser schwimmenden, wehrlosen Chinesen abgaben; ein mit Chinesen überfülltes Boot der »Kowshing« wurde ebenfalls in dieser barbarischen Weise in Grund gebohrt.

Jedenfalls ganz gegen den Willen der Japaner hatten doch nahezu 200 Mann, viele davon schwer verwundet, schwimmend oder an Schiffsteile geklammert und von der Strömung getrieben, das Ufer einer kleinen Insel erreicht; es waren also bei dieser ersten, mehr als zweifelhaften Heldenthat der japanischen Marine mehr als 1100 Menschen ums Leben gekommen.

Sieben Tage nach diesem Ereignis, am 1. August 1894, wurde erst der Krieg erklärt.

Die erste größere Seeschlacht fand am 17. September 1894 vor der Mündung des Yalu-Flusses statt.

Die chinesische Flotte unter dem Oberbefehl des Admirals Ting bestand aus 14 Kriegsschiffen, dieselbe hatte 7 Transportdampfer begleitet, welche ein größeres Truppenkontingent nach Taku-schan gebracht hatten. Am 17. September, etwa 11 Uhr vormittag, kam die japanische Flotte unter Admiral Ito in Sicht und Admiral Ting beschloß, dem feindlichen Geschwader sofort entgegen zu dampfen und dasselbe anzugreifen. Schon beim Entwerfen des Schlachtplanes beging der sonst durchaus befähigte und thatkräftige chinesische Admiral den folgenschweren Fehler, daß er von vornherein ausdrücklich auf die Oberleitung während der Schlacht verzichtete und den Führern der einzelnen Schiffe nur allgemein gehaltene, unbestimmte Befehle erteilte.

Admiral Ito dagegen zeigte sich in seiner Taktik seinem Gegner weit überlegen. Das erste Signal, welches er seiner Flotte gab, lautete »Mittagessen«; die Soldaten der chinesischen Schiffe blieben dagegen an diesem Tage ohne Mittagbrod.

Inzwischen hatte jede der beiden Flotten sich in zwei Treffen formiert. Die Chinesen eröffneten zuerst und zwar aus einer Entfernung von über 5000 Meter das Feuer. Die Japaner erwiderten dasselbe erst, als sie bis auf etwa 3000 Meter herangekommen waren, dann aber überschütteten sie die chinesischen Schiffe mit einem Hagel von Geschossen aus ihren Schnellfeuerkanonen. Gleichzeitig suchte jede der beiden japanischen Divisionen durch ein geschickt ausgeführtes Manöver einen Flügel der chinesischen Schlachtlinie zu umfassen. Die Chinesen bemühten sich, dieses Manöver durch eine Gegenbewegung zu vereiteln, kamen dabei aber in völlige Unordnung, indem die Schiffe sich gegenseitig in der Bewegung hinderten und zeitweise sogar einander in die Schußlinie gerieten.

Die beiden Flügelschiffe der Chinesen »Yang-wei« und »Tschao-Yung« wurden infolge des Manövers der Japaner in kurzer Zeit in Brand geschossen, sie suchten deshalb ihr Heil in der Flucht und steuerten dem Lande zu. Dem »Yang-wei« gelang es dadurch, seine Mannschaft zu retten, »Tschao-Yung« dagegen rannte mit dem ebenfalls fliehenden chinesischen Panzer »Tsi-Yuen« zusammen, wobei er so stark beschädigt wurde, daß er in wenigen Minuten sank. Ein weiteres chinesisches Schiff, der »Kuang-Tschi« vom linken Flügel floh ebenfalls und strandete hierbei; das Schiff wurde später von den Japanern vollständig zerstört; die Mannschaft hatte dasselbe in den Booten verlassen.

Vier chinesische Schiffe, welche noch nachträglich auf dem Kampfplatz erschienen, machten, als vier japanische Kreuzer ihnen entgegendampften, sofort wieder Kehrt, ohne einen Schuß abzufeuern.

Sehr energisch dagegen griffen die beiden chinesischen Kreuzer »Tschi-Yuen« und »King-Yuen« die Japaner an. Die Folge davon war, daß das ganze erste japanische Geschwader sich gegen dieselben wandte und durch ein forciertes Schnellfeuer mit Granaten beide Schiffe in kurzer Zeit so schwer beschädigte, daß sie untergingen.

Es waren nun nur noch die beiden schweren Panzerturmschiffe »Ting-Yuen« und »Tschen-Yuen« von der chinesischen Flotte auf dem Kampfplatz verblieben, die sich tapfer gegen die Uebermacht der Japaner hielten und das Feuer ununterbrochen nach allen Seiten erwiderten, schließlich war ihnen jedoch die Munition soweit ausgegangen, daß sie nur noch mit Vollgranaten schießen konnten. Aber auch die Japaner hatten bald ihre Munition verbraucht und da außerdem einzelne ihrer Schiffe schwer gelitten hatten, besonders das Flaggschiff, das nicht mehr manövrierfähig war, so sah sich Admiral Ito gezwungen, um 5 Uhr nachmittags das Gefecht abbrechen zu lassen; er zog sich mit seiner Flotte in südlicher Richtung nach dem offenen Meere zurück. Der Rest der chinesischen Flotte dampfte nach dem Hafen von Port Arthur.

Die japanische Flotte erschien am nächsten Tage wieder auf dem Kampfplatze und sprengte den aufgefahrenen und von der Besatzung verlassenen chinesischen Kreuzer in die Luft.

Die Chinesen haben in dieser Schlacht einen Verlust von etwa 1000 Toten und Verwundeten gehabt und 5 ihrer besten Kriegsschiffe vollständig verloren. Die Japaner hatten etwa 500 Tote und Verwundete, aber keines ihrer Schiffe total eingebüßt.

Wenn auch die Schlacht ohne einen entscheidenden Sieg der Japaner endete, so war andererseits die chinesische Flotte doch nahezu vernichtet, denn die größeren Schiffe, welche nach Port Arthur zurückgingen, hatten auch so schwere Havarien erlitten, daß lange Zeit dazu erforderlich war, diese auszubessern.

Den Erfolg, den die Japaner in dieser Schlacht über die Chinesen errungen haben, danken sie in erster Linie ihrer vorzüglichen Artillerie und dann der schnellen und sicheren Ausführung der Befehle des Admirals seitens der einzelnen Schiffe.

Wesentlich erleichtert wurde allerdings den Japanern die Durchführung ihrer Aufgabe durch das feige Verhalten der verschiedenen chinesischen Kapitäne und durch die Schwerfälligkeit der Bewegungen der großen chinesischen Panzer.

Nachdem die japanische Flotte alle Schäden ausgebessert hatte und wieder vollständig aktionsfähig war, richtete sie ihr Bemühen darauf, die Flotte der Chinesen, welche sich jetzt im Hafen von Wai-hai-wei befand, vollständig zu vernichten. Ein Angriff auf den Hafen war erschwert durch eine starke, eiserne Schutzwehr, welche die Einfahrt in ihrer ganzen Breite versperrte.

In der Nacht zum 5. Februar 1895, nach Untergang des Mondes, gelang es einer Torpedoboot-Flottille 100 Meter dieser Hafensperre zu beseitigen und durch die Bresche in den Hafen einzudringen, obgleich von den Hafenforts auf sie gefeuert wurde.

Es gelang den Torpedobooten, trotz der Gegenwehr der Chinesen, Torpedos gegen die beiden Panzerturmschiffe Ting-Yuen und Tscheng-Yuen zu lancieren und dieselben zum Sinken zu bringen. Mehrere Torpedoboote der Japaner wurden durch Geschosse der Chinesen sehr stark beschädigt und konnten nur mit großer Schwierigkeit durch andere Boote zum Geschwader zurückgeschleppt werden.

Am Abend des 5. Februar versuchten die 12 Torpedoboote der Chinesen aus dem Hafen zu entfliehen, wurden aber von den Japanern bemerkt. Diese machten sofort Jagd auf die Fliehenden und ruhten nicht, bis alle 12 Boote entweder zum Stranden gebracht waren oder sich ergeben hatten.

In jeder der folgenden Nächte erneuerten die Japaner ihre Angriffe durch die Torpedoboote im Hafen; den Tag über unterhielten die Schiffe ein fortwährendes Artilleriefeuer auf die Forts. Auf diese Weise wurden die Chinesen unterbrochen in Aufregung gehalten, sodaß schließlich eine Erschöpfung eintrat und die Erwiderung des Feuers seitens der Forts schwächer und die Wachsamkeit lässiger wurde; infolgedessen gelang es den Japanern, den größten Teil der Hafensperre zu beseitigen und bei den nächtlichen Angriffen, mit weniger Verlusten, den Chinesen Schaden zuzufügen.

Am 12. Februar war der Mut des chinesischen Admirals Ting gebrochen, ein Kanonenboot mit weißer Flagge erschien vor dem Hafen und überbrachte die Mitteilung, daß der Admiral bereit sei, sich zu ergeben, wenn der gesamten Besatzung der Schiffe und Hafenforts freier Abzug gewährt würde. Admiral Ito erklärte, der Besatzung infolge ihres tapferen Verhaltens freien Abzug unter der Bedingung gewähren zu wollen, daß ihm die noch vorhandenen Schiffe und Anlagen vollständig übergeben würden.

Nachdem der Admiral Ting diese Vergünstigung für seine Untergebenen erwirkt hatte, beschloß er, sich zu töten, um den Untergang seiner stolzen Flotte nicht zu überleben; mit einer seidenen Schnur erdrosselte er sich. Die beiden Offiziere Lui und Chan, sowie der General Tai folgten seinem Beispiele.

Am 14. Februar dampfte die japanische Flotte in den Hafen Wai-hai-wei, wo ihr noch 10 verschiedene chinesische Kriegsschiffe in die Hände fielen. Damit war die Macht Chinas zur See vollständig gebrochen.

Einen Kreuzer, nachdem er abgerüstet war, gaben indes die Japaner den Chinesen frei, um darauf die Leichen des freiwillig in den Tod gegangenen Admirals Ting und der drei anderen hohen Offiziere in die Heimat zu bringen. Als der Kreuzer mit dem toten Admiral aus dem Hafen dampfte, erwiesen sämtliche japanische Schiffe demselben die höchsten militärischen Ehren, indem sie Halbmast flaggten und vom Flaggenschiff durch Kanonenschüsse den Trauersalut gaben.


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