Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

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Kap Sanct Vincent.

(14. Februar 1797.)

Die spanische Flotte unter den Befehlen des Don José von Cordova hatte am 1. Februar Carthagena verlassen. Sie zählte fünfundzwanzig Linienschiffe und elf Fregatten. Am 5. durchfuhr sie die Meerenge von Gibraltar. Widrige Winde verhinderten das Einlaufen in Cadix, und am 13. ward der Feind signalisiert. Die Spanier, nicht ahnend, welche Verstärkungen den Engländern aus der Heimat zugegangen waren, verließen sich auf ihre ungeheure Übermacht und verabsäumten jede Vorsichtsmaßregel. Sie träumten etwas von einer zweiten unüberwindlichen Armada.

Die englische Flotte stand unter dem Befehl des Admirals Sir John Jervis, der infolge des ruhmvollen Tages, dessen wir gedenken, den Titel eines Lords von Sanct Vincent erhielt.

Eine der verderblichen Folgen der spanischen Nachlässigkeit war die Teilung ihrer Flotte in zwei Geschwader. Sir John Jervis beschloß, von diesem Fehler Nutzen zu ziehen und die Abteilungen einzeln anzugreifen. Die erste derselben, welche das Gros der Flotte bildete, zählte neunzehn Linienschiffe, während die andere deren nur sechs enthielt, die nach Lee abgetrieben waren. Die dadurch entstandene Lücke benutzte Sir John Jervis dazu, mit seiner Flotte, ein Schiff nach dem andern in ununterbrochener Reihe, hindurchzusegeln.

Der spanische Admiral, dies bemerkend, gab sogleich Befehl, mit dem Gros seiner Flotte zu wenden. Jervis, der mit seltenem Scharfblick sogleich das Richtige erkannte, ließ nun von dem Vorhaben ab, die erste kleinere Abteilung zu vernichten, und gab dem »Culloden,« den Kapitän Troubridge kommandierte, den Befehl, das ganze Geschwader zur Verfolgung der neunzehn Linienschiffe zu verwenden, was der Kapitän mit überraschender Sicherheit that. Auf dem Kastell der »Victory,« seines Admiralschiffes, überwachte Jervis jede Bewegung mit großer Spannung. Die Schiffe, welche vor der »Victory« waren, folgten dem »Culloden.« Der spanische Dreidecker »Prinz von Asturien,« mit einer Viceadmiralsflagge am Fockmast, wollte die Vereinigung der getrennten Geschwader bewirken, ward aber bei dieser Gelegenheit so furchtbar zugerichtet, daß er sich zurückziehen mußte.

Von diesem Moment an tritt die Teilnahme Nelsons an dieser denkwürdigen Schlacht in den Vordergrund, wie nachfolgende Mitteilung aus dem eigenhändigen Berichte desselben ergiebt.

Es war ein Uhr nachmittags, als das Signal zum Wenden gegeben wurde. Ich bemerkte aber. daß alle spanischen Schiffe vor dem Winde segelten und offenbar die Absicht hatten, ihre Linien zu formieren. Um dies zu vereiteln, gab ich den Befehl, vor dem Winde abzuhalten, ging zwischen dem »Diadem« und dem »Excellent« durch und kam sogleich mit den vorderen Schiffen der spanischen Division zum Gefecht. Dabei wurde ich von Kapitän Troubridge, der sich sogleich an mich anschloß, kräftig unterstützt. Fast eine Stunde hatten wir den ungleichen Kampf gehalten, als der »Blenheim« uns zu Hilfe kam und den Feind ermüdete. Zwei spanische Schiffe blieben nun zurück und gerieten mit Collingwood, der den »Excellent« kommandierte, zusammen. Er zwang sie, ihre Flaggen zu streichen, und eilte uns zu Hilfe. Dies that er, indem er sich dem Achtzigkanonenschiff »San Nicolas« bis auf wenige Fuß Entfernung gegenüberlegte und ein furchtbares Feuer auf dasselbe eröffnete. Als er es kampfunfähig gemacht hatte, segelte er auf den Dreidecker von hundertsechsunddreißig Kanonen »Die heilige Dreifaltigkeit« los. Ich nahm denselben von der andern Seite, und die Kanonade begann.

Mein Schiff büßte die Vorderstenge ein. Das Steuerrad wurde weggeschossen, alle Segel durchlöchert und das Takelwerk zerrissen. Da gab ich den Befehl, zu entern. Die Soldaten vom neunundsechzigsten Regiment, welche ich an Bord hatte, waren mit ihrem Lieutenant Pearson unter den ersten, die dies Manöver ausführten. Unsere blinde Rahe hakte sich in das Takelwerk des feindlichen Besanmastes fest. Mein ehemaliger Lieutenant, Kapitän Berry, benutzte diese Brücke zuerst. Ein Soldat hatte sich auf den Sims der Galerie gewagt und zerschlug eines der Seitenfenster. Rasch sprang ich durch dasselbe in das feindliche Schiff und fand bald Nachfolger. Die Thüren der Kajüte waren verschlossen. Spanische Offiziere, die darin waren, feuerten ihre Pistolen auf uns ab. Während wir mit ihnen kämpften, brachen die Soldaten die Thüren auf und die Passage ward frei. Der spanische Kommandant, der sich hinauf zur Schanze begeben wollte, ward erschossen. Ich drang unverzüglich vor und fand Kapitän Berry bereits im Besitze des Halbdecks. Er war eben im Begriff, die spanische Flagge zu streichen. Nun eilte ich mit meinen Leuten und dem Lieutenant Pearson über die Laufplanken am Backbord nach dem Vorderkastell, wo ich drei spanische Offiziere traf, die nach kurzer Gegenwehr gefangen genommen wurden. Unterdessen hatte sich uns der »San Joseph« genähert und schoß von der Admirals-Galerie mit Musketen auf uns, was ich sogleich erwidern ließ; dann gab ich Befehl, diesen Dreidecker zu entern, der hnndertundzwölf Geschütze führte. Als ich bis zu der großen Rüst vorgedrungen war, rief uns ein spanischer Offizier zu, sie hätten sich ergeben. Jubelnd eilte ich auf die Schanze, wo mir der spanische Kapitän entgegentrat und mir mit einer Verbeugung seinen Degen überreichte. Er fügte hinzu, daß sein Admiral tödlich verwundet sei. Ich fragte ihn, ob ich die Übergabe für Ernst zu halten habe. Als er mir sein Ehrenwort gab, reichte ich ihm die Hand und bat ihn, diesen Entschluß laut zu verkündigen. So empfing ich – wie unglaublich es scheinen mag – auf der Schanze eines Dreideckers die Degen der Offiziere desselben. Bei dem Entern des ersten Schiffes hatten wir sieben Tote, bei diesem letztern neun; ein Beweis, wie feige und jämmerlich der uns geleistete Widerstand war.

Was Nelson in seinem Berichte allzu bescheiden verschweigt, das hat einer seiner Zeitgenossen uns aufbewahrt. Zwei Wege lagen vor ihm, entweder mußte er den Dreidecker fahren lassen, oder ihn unverzüglich entern. Voll Vertrauen auf die Tapferkeit seiner Offiziere und Matrosen wählte er, ohne sich zu besinnen, das letztere. Der tapfere Kommodore, der nie eine Gefahr scheute, führte die Seinigen in den neuen Kampf, indem er mit lauter Stimme rief: »Entweder die Westminster-Abtei oder ein glorreicher Sieg!«

Nelsons treuester Gefährte an diesem Tage war sein Steuermann John Sykes, der ihm nicht von der Seite ging. In seine Hände legte Nelson die Degen der spanischen Offiziere, so wie er sie empfing, und der unerschrockene Seemann nahm diese Siegeszeichen mit der größten Kaltblütigkeit an. In diesem Augenblicke geschah es auch, daß ein Matrose, der unter dem Kommodore gefochten hatte, unter vielen Entschuldigungen, daß er so dreist sei, die Hand desselben ergriff und ihm Glück dazu wünschte, daß er sich gesund und wohl auf dem Quarterdeck eines spanischen Dreideckers befinde.

Dem Ruhme Nelsons sollte an diesem Tage nichts mangeln. Als er am Bord des Admiralschiffes erschien, umarmte ihn Sir John Jervis und weigerte sich, den Degen des spanischen Admirals anzunehmen. »Behalten Sie ihn,« sagte er. »Er gehört aus vielen Gründen dem, der ihn aus der Hand seines Gefangenen empfing.«

Auf all den Jubel folgte auch ein Mißton. Man äußerte, Nelson habe diesen Erfolg nur erreicht, weil er gegen die Disziplin fehlte, indem er von der ihm erteilten Ordre abwich. Admiral Jervis aber fertigte den Kapitän Calder, der diese Bemerkung machte, mit den scharf hingeworfenen Worten ab. »Ich habe es wohl bemerkt, und wenn Sie jemals einen gleichen Fehler begehen, können Sie sich im voraus versichert halten, daß ich Ihnen denselben verzeihen werde.«

Zur Belohnung für den in dieser Schlacht bewiesenen Mut erhielt Nelson von seinem Könige die Insignien des Bathordens und die goldene Medaille. London ernannte ihn zum Ehrenbürger und das bezügliche Diplom wurde ihm in einer goldenen Kapsel überreicht.

Das war der Tag von Sanct Vincent.


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