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Vierzehntes Kapitel.

Abend war's, der Heiden Brauch
Rief die Paynim zum Gebete,
Als des Thaues kühler Hauch
Unter Sternenschimmer wehte.

Vor ihm schwand des Tages Glühn,
Ruhig schien der Mond und kalt,
Als ein Christ allein und kühn
Zum Bezier-Palaste wallt'.

Campbell.

Das Zwielicht ging so schnell in Dunkel über, daß Hartley seinen Führer nur an seiner weißen Kleidung erkennen konnte, als derselbe an dem glänzenden Bazar der Stadt vorüber eilte. Das Dunkel war jedoch in so weit günstig, daß es die ungelegene Aufmerksamkeit verhinderte, womit die Eingeborenen sonst einen Europäer in seiner Nationalkleidung betrachtet haben würden, ein Anblick, der in Seringapatam sehr selten war.

Die verschiedenen Windungen und Krümmungen, durch die er geführt wurde, endeten an einer kleinen Thüre in einer Mauer, welche, nach den verschiedenen überhängenden Zweigen zu urtheilen, einen Garten oder einen Hain umringte.

Die Hinterthüre öffnete sich auf ein Klopfen seines Führers; als der Sklave eingetreten war, wollte Hartley folgen, schritt aber zurück, als ein riesenhafter Afrikaner über seinem Kopf einen drei Finger breiten Säbel schwang. Der junge Sklave berührte seinen Landsmann mit einem Stabe, den er in der Hand hielt, und es schien, als ob die Berührung dem Sklaven alle Kraft benähme, dessen Arm und Waffe sogleich niedersanken. Hartley trat ohne weiteren Widerstand ein und befand sich jetzt in einem Haine von Magnolien, durch welche das erste Viertel des Mondes unter dem Murmeln von Quellen, dem lieblichen Gesang der Nachtigall und den Düften der Rose, des gelben Jasmins, der Orangen- und Zitronenblüthen und der persischen Narzisse einen schwachen Schein warf. Hohe Kuppeln und Bögen, die man in dem unbestimmten Lichte noch undeutlich sah, schienen die Nähe eines heiligen Gebäudes anzudeuten, wo der Fakir ohne Zweifel seine Wohnung hatte.

Hartley eilte so schnell wie möglich vorwärts, trat in eine Seitenthüre und einen niedrig gewölbten Durchgang, an dessen weiterem Ende sich eine zweite Thüre befand. Hier blieb sein Führer stehen, wies aber auf die Thüre, und gab durch Zeichen zu verstehen, der Europäer möge eintreten. Hartley befolgte die Anweisung und befand sich in einer kleinen Zelle, wie wir eine solche schon früher beschrieben haben; in derselben saß Barak el Hadschi mit einem andern Fakir, welcher nach der außerordentlichen Würde eines weißen Bartes zu urtheilen, der auf jeder Seite des Gesichtes bis zu den Augen reichte, eine Person von großer Heiligkeit und Bedeutung sein mußte.

Hartley sprach den gewöhnlichen Gruß Salam Alaikum im bescheidensten und achtungsvollsten Tone aus; sein Freund war aber so weit entfernt, seiner früheren Vertraulichkeit zu entsprechen, daß er noch einen Blick auf seinen älteren Gefährten warf und auf einen dicken Teppich hinwies, auf welchen der Fremde sich nach der Landessitte mit gekreuzten Beinen niederließ. Ein tiefes Stillschweigen herrschte mehrere Minuten lang; Hartley kannte zu wohl die orientalischen Gewohnheiten, um den Erfolg seines Gesuches durch Uebereilung in Frage zu stellen; er wartete so lange, bis er eine Aufforderung zum Reden erhielt. Dieselbe trat zuletzt ein und ging von Barak aus.

»Als der Pilger Barak,« sagte derselbe, »in Madras wohnte, hatte er Augen und eine Zunge; jetzt aber wird er geleitet durch die seines Vaters, des heiligen Scheikhs Ali Ben Khaledoun, welcher der Vorsteher seines Klosters ist.«

Die äußerste Demuth hielt Hartley für unverträglich mit dem angeblichen Besitz höheren Einflusses, welchen Barak während seines Aufenthaltes in der Präsidentschaft gezeigt hatte, allein Uebertreibung der eigenen Wichtigkeit ist eine Schwäche bei Allen, die sich in einem fremden Lande befinden. Er wandte sich deßhalb an den älteren Fakir und berichtete ihm in so wenig Worten wie möglich den schändlichen Plan, um Menie Gray in die Gewalt und in die Hände des Prinzen Tippu zu liefern; er brachte sein Gesuch für die Dazwischenkunft des ehrwürdigen Vaters beim Prinzen und bei dessen Vater selbst, beim Nawob, mit den lebhaftesten Ausdrücken der Ueberredung vor.

Der Fakir hörte mit unbeugsamem und unbeweglichem Ausdruck, demjenigen ähnlich, womit ein hölzernes Heiligenbild auf die leidenschaftlich Flehenden herabblickt. Es entstand eine zweite Pause. Hartley widerholte mehr als Einmal sein Gesuch, mußte aber zuletzt aus Mangel an Stoff seine Rede schließen.

Das Stillschweigen wurde vom älteren Fakir unterbrochen, welcher, nachdem er auf seinen jüngeren Gefährten einen Blick mit der Wendung des Auges, jedoch ohne die geringste Aenderung in der Stellung und Wendung des Körpers, geworfen hatte, sagte: »Der Ungläubige hat wie ein Dichter gesprochen; glaubt Ihr jedoch, daß der Nawob Khan Hyder Ali Behoder seinem Sohne Tippu, dem Siegreichen, den Besitz einer ungläubigen Sklavin streitig machen wird?«

Hartley erhielt zu gleicher Zeit einen Seitenblick von Barak, als wolle er ihn ermuthigen für seine eigene Sache zu sprechen. Er ließ eine Minute verstreichen und erwiderte dann:

»Der Nawob ist der Stellvertreter des Propheten, ein Richter über Niedrige wie Hohe. Es steht geschrieben, daß das Weib des Propheten Fatima, als derselbe einen Streit zwischen zwei Sperlingen über ein Reiskorn entschieden hatte, ihm sagte: ›Geziemt es dem Gesandten Allahs, seine Zeit auf die Vertheilung der Gerechtigkeit über eine solche Kleinigkeit und zwischen zwei so verächtlichen Streitenden zu verwenden?‹

›Wisse Weib,‹ erwiderte der Prophet, ›daß die Sperlinge wie das Reiskorn die Schöpfungen Allahs sind; sie sind nicht mehr werth, als du gesagt hast, allein Gerechtigkeit ist ein Schatz von unermeßlichem Werth, und muß von Ihm, der sie in der Hand hält, vertheilt werden unter Alle, die es wünschen. Derjenige vollbringt den Willen Allahs, welcher sie ebenso in großen wie in kleinen Dingen, sowohl dem Armen wie dem Mächtigen ertheilt; dem hungrigen Vogel ist ein Reiskorn dasselbe, was eine Perlenschnur einem Fürsten.‹ – Ich habe gesprochen.«

»Bismallah! Gelobt sei Gott! Er hat wie ein Mollah gesprochen,« sagte der ältere Fakir mit einiger Rührung und mit einiger Neigung seines Kopfes auf Barak, denn er würdigte Hartley kaum eines Blickes.

»Die Lippen haben es gesprochen, welche nicht lügen können,« erwiderte Barak, und dann entstand wieder eine Pause.

Sie wurde wiederum von Scheikh Ali unterbrochen, welcher, sich unmittelbar an Hartley wendend, ihm die Frage vorlegte: »Hast du, Feringi, von sonst einem Verrath gehört, den dieser Kafr (Ungläubiger) gegen den Nawob Behoder im Sinn hat?«

»Von einem Verräther kommt Verrath,« sagte Hartley, »um aber nach meinem Wissen zu reden, so ist mir ein solcher Plan nicht bekannt.«

»Wahrheit liegt in den Worten dessen,« sprach der Fakir, »welcher seinen Feind nur nach seiner Kenntniß anklagt; was du gesprochen hast, wird dem Nawob vorgelegt werden; der Ausgang wird sein, wie Allah und Er es will. Mittlerweile kehre zu deinem Khan zurück und bereite dich, den Wakiel deiner Regierung zu geleiten, welcher mit der Morgendämmerung nach Bangalore, der starken, glücklichen und heiligen Stadt aufbrechen wird. Friede sei mit dir! Ist es nicht so, mein Sohn?«

Barak, an den diese Worte gerichtet wurden, erwiderte: »wie mein Vater gesprochen hat.«

Hartley blieb nichts übrig als aufzustehen und mit der gewöhnlichen Phrase Abschied zu nehmen. »Salam, Gottes Segen sei mit Euch!«

Sein jugendlicher Führer, welcher außen auf seine Rückkehr gewartet hatte, brachte ihn nach seinem Khan auf Nebenwegen zurück, die er ohne ein leitendes Steuer nicht hätte finden können. Mittlerweile blieben seine Gedanken auf die Unterredung gerichtet. Er wußte, daß man den Priestern der Moslem nicht durchaus trauen könne. Der ganze Auftritt konnte in Folge eines Entwurfes von Barak stattgefunden haben, damit derselbe sich den Schutz eines Europäers in einer so zarten Angelegenheit vom Halse schaffe; er beschloß, sich deßhalb durch Anzeichen leiten zu lassen, welche die Erfüllung des von ihm empfangenen Versprechens bestätigen oder ihm den Glauben daran benehmen würden. Als er im Khan ankam, fand er den Wakiel der brittischen Regierung sehr beschäftigt; er traf Vorbereitungen, um den vom Divan oder Schatzmeister des Nawob überbrachten Befehlen zu folgen, welche ihm vorschrieben, am nächsten Morgen mit Tagesanbruch nach Bangalore aufzubrechen.

Er sprach großen Aerger über den Befehl aus; als Hartley seine Absicht, ihn zu begleiten, erklärte, schien er denselben für einen Narren zu halten, und gab ihm einen Wink über die Wahrscheinlichkeit, daß Hyder sich Beide vermittelst der Freibeuter vom Halse schaffen wolle, deren Gebiet sie mit einer schwachen Escorte durchreisen mußten. Diese Besorgniß wich einer zweiten, als die Zeit der Abreise kam; in dem Augenblick nämlich sprengten 200 Mann von der Reiterei des Nawob herbei. Der Sirdar, welcher die eingeborenen Truppen kommandirte, benahm sich höflich und erklärte, er habe Befehl erhalten, die Reisenden zu geleiten und für ihre Sicherheit und Bequemlichkeit auf der Reise Sorge zu tragen; sein Benehmen war jedoch gemessen und zurückhaltend, und der Wakiel behauptete, diese Truppen seien eher dazu bestimmt, ihre Flucht zu verhindern, als für ihren Schutz zu sorgen. Unter solchen unangenehmen Aussichten wurde die Reise zwischen Seringapatam und Bangalore in zwei Tagen und dem Theile eines dritten zurückgelegt, während die Entfernung beinahe 80 engl. Meilen betrug.

Als sie vor dieser schönen und volkreichen Stadt anlangten, fanden sie ein schon aufgeschlagenes Lager ungefähr in der Entfernung einer Meile von den Wällen. Es befand sich auf der Spitze eines mit Bäumen bedeckten Hügels, und bot die Aussicht auf die Gärten, welche Tippu in einem Viertel der Stadt errichtet hatte. Die prächtigen Zelte der hauptsächlichsten Personen glänzten von Seide und Gold; Speere mit vergoldeten Spitzen oder Pfähle mit goldenen Kugeln entfalteten zahlreiche kleinere mit dem Namen des Propheten beschriebene Banner. Dieß war das Lager der Biegom Mutie Mahul, welche mit einem kleinen Korps ihrer Truppen, ungefähr 200 Mann, die Rückkehr Tippu's unter die Mauern von Bangalore erwartete. Die besonderen Gründe derselben für die Zusammenkunft sind dem Leser bekannt; dem Volke schien der Besuch der Biegom nur als eine Handlung der Achtung, welche schwächere und untergeordnete Fürsten häufig den Beschützern, von denen sie abhängig waren, erwiesen.

Der Sirdar des Nawob, nachdem er Gewißheit über die Thatsachen erlangt hatte, schlug sein Lager vor dem der Biegom, jedoch in der Entfernung von etwa einer Viertelstunde auf, und sandte in die Stadt einen Boten, um dem Prinzen Tippu sogleich bei dessen Ankunft anzukündigen, daß er mit dem englischen Wakiel hier angelangt sei.

Der Lärm beim Aufschlagen reicher Zelte war bald vorüber; Hartley ging einsam und traurig unter dem Schatten einiger Magnolien spazieren, und blickte auf die entfalteten Banner im Lager der Biegom, während er bedachte, daß Menie Gray sich unter diesen Zeichen des Mahomedanismus befand, und von einem ruchlosen so wie verrätherischen Geliebten zum Schicksal der Sklaverei unter einem heidnischen Tyrannen bestimmt war. Das Bewußtsein, sich in ihrer Nähe zu befinden, erhöhte den bitteren Schmerz, womit Hartley ihre Lage betrachtete, und die geringen Aussichten überdachte, die ihm dargeboten waren, sie allein durch Gründe der Vernunft und Gerechtigkeit zu retten – die einzigen Mittel, die er der leidenschaftlichen Begierde eines wollüstigen Tyrannen entgegen setzen konnte. Ein Liebhaber der Romantik hätte vielleicht auf Mittel gedacht, sie durch Gewalt oder List zu erlösen, allein Hartley, obgleich ein Mann von Muth, besaß nicht den Geist der Abenteuer, und würde jeden Versuch der Art als verzweifelt betrachtet haben.

Sein einziger Hoffnungsstrahl entsprang aus dem Eindrucke, den er offenbar auf den älteren Fakir gemacht hatte. Zu Einem war er jedoch fest entschlossen, nämlich die Sache, worin er sich eingelassen hatte, nicht aufzugeben, so lange noch die geringste Hoffnung vorhanden war. In seinem Beruf hatte er oft ein schnelles Wiedererscheinen der Lebenskraft im Auge von Kranken gesehen, die scheinbar durch die Hand des Todes erstarrt waren; er hatte bei moralischem Unglück Vertrauen auf einen Erfolg durch denjenigen verlangt, welcher ihm oft bei Beseitigung des physischen Elends zu Theil geworden war.

Während Hartley sich solchem Nachdenken hingab, wurde seine Aufmerksamkeit durch ein Geschützfeuer von den Basteien der Stadt erweckt; als er seine Augen nach der Richtung hinwandte, erblickte er auf der nördlichen Seite von Bangalore einen Schwarm von Reiterei, welche ungeordnet voran sprengte, die Speere in allen verschiedenen Stellungen schwang und die Pferde zum Galopp spornte. Die Staubwolken, welche dieser Vorhut voran gingen, ließen ebenso wie der Rauch der Geschütze nicht deutlich das folgende Hauptcorps erkennen, allein die unbestimmte Erscheinung von Elephanten mit Sänften und königlichen Bannern in der Staubwolke, verkündete deutlich die Rückkehr Tippu's nach Bangalore, während lauter Zuruf und unregelmäßige Musketensalven die wirkliche oder angebliche Freude der Einwohner andeuteten. Die Stadtthore empfingen den lebendigen Strom, welcher auf sie zurollte, die Wolken von Staub und Rauch zerstreuten sich bald, und dem Horizont wurde Heiterkeit und Stille zurückgegeben.

Die Zusammenkunft zwischen Personen von Bedeutung, besonders solcher von königlichem Rang, ist eine Sache von großer Wichtigkeit in Indien; gewöhnlich wird viele Geschicklichkeit darauf verwandt, um denjenigen, welcher den Besuch empfängt, zu bewegen, daß er dem Besucher so weit wie möglich entgegen gehe. Von dem bloßen Aufstehen oder von dem Vorschreiten bis zum Rande des Teppichs, bis zum Entgegengehen am Ende des Palastes oder zum Thore der Stadt, oder auf eine oder zwei Meilen des Weges, ist Alles ein Gegenstand der Unterhandlung. Tippu's Ungeduld, die schöne Europäerin zu besitzen, veranlaßte ihn bei dieser Gelegenheit zur Gewährung eines größeren Grades von Höflichkeit, als die Biegom zu erwarten gewagt hatte. Er bestimmte seinen an die Stadtmauer stoßenden Garten, welcher wirklich innerhalb der Festungsmauern lag, zum Orte der Zusammenkunft; er setzte dazu die Mittagszeit des nächsten Tages an, denn die Eingeborenen gehen selten an ein Geschäft früh am Morgen, oder bevor sie etwas genossen haben. Dieß wurde dem Boten der Biegom vom Prinzen in Person mitgetheilt, als derselbe vor ihm knieend den Nuzzur überreichte (ein Tribut, der aus drei, fünf oder sieben Goldstücken, immer in ungerader Zahl besteht), und dafür ein Khelot oder Ehrenkleid empfing. Der Bote dagegen war beredt in der Beschreibung der Wichtigkeit seiner Herrin, ihrer Hingebung und Verehrung des Fürsten, des Vergnügens, welches sie in der Voraussicht ihrer Zusammenkunft empfinde, und schloß mit einem bescheideneren Kompliment, das er seinen eigenen außerordentlichen Talenten und dem Vertrauen der Biegom gegen ihn abstattete. Alsdann entfernte er sich, und es wurde Befehl gegeben, daß am nächsten Tage Alles für die Sowarrie Eine große Prozession. bereit sein solle, womit der Fürst die Biegom als geehrten Gast in dem Lusthause seiner Gärten empfangen werde.

Lange Zeit vor der festgesetzten Stunde bezeugte der Aufenthalt von Fakirs, Bettlern und Müssiggängern vor dem Thore des Palastes die erregten Erwartungen derjenigen, welche Prozessionen gewöhnlich begleiten, während ein weit unverschämterer Schwarm von Bettlern, nämlich von Höflingen auf Pferden oder Elephanten, je nachdem es ihre Mittel erlaubten, stets in großer Eile herbeikam, um dadurch ihren Eifer zu zeigen, wobei ihre Schnelligkeit zu demjenigen, was sie hofften oder fürchteten, im Verhältniß stand.

Genau zur Mittagstunde verkündete eine Salve von Kanonen, die an den äußeren Höfen aufgestellt waren, so wie von Lunten-Gewehren und Drehbassen, welche von Kameelen getragen wurden (die armen Thiere schüttelten bei jeder Salve ihre langen Ohren), Tippu habe seinen Elephanten bestiegen. Der feierliche und tiefe Schall der Naggra oder Staatstrommel, welche von einem Elephanten getragen wurde, erschallte wie entfernte Kanonenschüsse; darauf folgte ein länger dauerndes Musketenfeuer, und wurde sogleich von zahlreichen Trompeten und Tomtoos oder gewöhnlichen Trommeln beantwortet, die einen unharmonischen aber kriegerischen Lärm machten. Das Geräusch vermehrte sich, als die Prozession die äußeren Höfe des Palastes nach einander durchzog, und zuletzt aus den Thoren heraus, mit Tschobdars Ausrufern. an der Spitze, kam, welche silberne Stäbe und Keulen trugen und mit lautem Geschrei die Titel und Tugenden Tippu's des Großen, des Edelmüthigen, des Unbesieglichen hersagten, welcher stark sei wie Rustan, gerecht wie Nauschirwan, wozu noch ein kurzes Gebet für dessen ununterbrochene Gesundheit kam.

Hierauf folgte ein ungeordnetes Korps von Fußsoldaten, mit Speeren, Luntenflinten und Fahnen; Reiter waren damit gemischt, einige in vollständigen Panzerhemden mit stählernen Sturmhauben unter den Turbans, Andere mit einer Art Vertheidigungswaffe, die aus seidenen und mit Baumwolle gesteppten und dadurch für Säbelhiebe undurchdringlichen Kleidern bestand; diese Truppen gingen dem Prinzen als Leibwache voran, denn Tippu hat erst später sein berühmtes Tigerregiment gebildet, welches nach europäischer Weise disciplinirt und bewaffnet war.

Unmittelbar vor dem Fürsten ritt auf einem kleinen Elephanten ein finsterblickender Mann mit harten Zügen, seinem Amte nach der Vertheiler von Almosen, die er wie ein Regenschauer in kleiner Kupfermünze unter die Fakirs und Bettler warf, deren Gedränge, um die Gaben aufzunehmen, den Betrag derselben zu steigern schien; der grimmig aussehende Vertheiler mahomedanischer Barmherzigkeit schien ebenso wie sein Elephant, welcher mit aufwärts gewundenem Rüssel und beinahe zornigen Augen vorwärts marschirte, zugleich auch bereit, zur Züchtigung derjenigen, bei welchen die Armuth zu große Zudringlichkeit hervorrief.

Tippu selbst erschien in reichem Schmuck auf einem Elephanten, welcher sein Haupt über alle anderen in der Prozession erhebend, seiner überlegenen Würde mit Stolz sich bewußt zu sein schien. Die Haudah oder Sänfte des Fürsten war von Silber, übergoldet und mit getriebener Arbeit, hinten mit einem Sitz für einen vertrauten Diener versehen, der den großen Tschauri oder Kuhschwanz zur Abwehrung der Fliegen bewegte, und gelegentlich auch die Rolle eines Redners übernehmen konnte, denn er war in allen Ausdrücken der Schmeichelei und Komplimente wohl bewandert. Die Schabrake des königlichen Elephanten bestand aus Scharlachtuch mit reicher Goldstickerei. Hinter Tippu kamen die verschiedenen Höflinge und Offiziere des Haushaltes, meist auf Elephanten und sämmtlich in glänzendster Kleidung und mit größter Pracht angethan.

Auf diese Weise zog die Prozession die Hauptstraße der Stadt hinab nach dem Thore der königlichen Gärten. Die Häuser waren mit breiten Tüchern, Seidenshawls und gestickten Teppichen in den glänzendsten Farben geschmückt, welche von dem Geländer der Balkone und von den Fenstern herab hingen; sogar die niedrigste Hütte war mit etwas Tuch verziert, so daß die ganze Straße ein eigenthümlich prächtiges und pomphaftes Aeußeres darbot.

Nachdem diese glänzende Prozession in die königlichen Gärten gelangt war, zog sie sich durch einen hohen Baumgang auf eine Tschabutra oder Plattform von weißem Marmor, mit einem gewölbten Dach desselben Materials, welches sich von der Mitte aus erhob. Die Plattform war vier oder fünf Fuß vom Boden erhaben, mit weißem Tuch und persischen Teppichen bedeckt. In der Mitte der Plattform befand sich der Musnud oder das Staatspolster des Fürsten, von sechs Quadratfuß Umfang und aus scharlachrothem Sammet mit reicher Stickerei bestehend. Aus besonderer Gnade war ein kleines niedriges Kissen zur Rechten des Fürsten für die Biegom bestimmt. Vor der Plattform dehnte sich ein vier Fuß tiefes, viereckiges Marmorbecken aus, bis an den Rand mit kristallhellem Wasser gefüllt, und in der Mitte mit einem Springbrunnen, der eine große Wassersäule 20 Fuß hoch in die Höhe trieb.

Kaum war der Prinz Tippu von seinem Elephanten gestiegen, und hatte sich auf dem Musnud oder dem Thron der Polster niedergelassen, als die stattliche Gestalt der Biegom sich auf den Ort der Zusammenkunft hinbewegte. Da ihr Elephant an dem Gartenthore, welches zum Felde führte, zurückgelassen war, wurde sie in einer offenen Sänfte getragen, die reich mit Silber geschmückt, auf den Schultern von sechs schwarzen Sklaven ruhte. Ihre Gestalt war so prächtig gekleidet, als es mit Seidenstoffen und Edelsteinen nur irgend möglich war.

Richard Middlemas ging als General oder Bokschi der Biegom neben ihrer Sänfte in einer Kleidung her, die an sich eben so prächtig als entfernt von allem europäischem Anzug war, nämlich in der eines Bankah oder indischen Höflings. Sein Turban war von prächtiger Seide und Gold sehr fest um seinen Kopf gewickelt und schief nach einer Seite gesetzt, wobei die Zipfel auf die Schulter herab hingen, sein Schnurrbart war nach oben gekräuselt und seine Augenlider mit Antimonium gefärbt. Sein Wams war von Goldbrokat; eine Schärpe, seinem Turban entsprechend, umwand ihm die Hüfte; in der Hand trug er einen breiten Säbel in einer Scheide von Scharlachsammet, und mit einem breiten, gestickten Gehenke in der Mitte. Die Darstellung der Gedanken, die er unter diesem prächtigen Anzug hegte, und die kühne Haltung, welche demselben entsprachen, würde man nur mit Scheu unternehmen können. Seine am wenigsten verabscheuungswürdigen Hoffnungen waren vielleicht diejenigen, welche die Rettung der Menie Gray betrafen, die er dadurch bewerkstelligen wollte, daß er den Fürsten, welcher ihm zu vertrauen im Begriff stand, und die Biegom verrathen wollte, auf deren Vermittlung Tippu's Vertrauen beruhte.

Die Sänfte hielt an, als sie dem Marmorbecken nahe war, an dessen entgegengesetzter Seite der Prinz auf seinem Musnud saß; das übrige Geleit der Biegom folgte in den prächtigsten Kleidern; es bestand gänzlich aus Männern, und es war kein Zeichen vorhanden, daß ein Weib sich in ihrem Gefolge befand, mit Ausnahme des Umstandes, daß eine verschlossene Sänfte, von zwanzig schwarzen Sklaven mit gezogenem Säbel bewacht, in einiger Entfernung in einem Dickicht blühenden Gesträuches zurückgelassen wurde.

Als Tippu Saib durch den dünnen Nebel des Springbrunnens die Annäherung des glänzenden Zuges der Biegom erkannte, erhob er sich von seinem Musnud, um sie am Fuß seines Thrones zu empfangen; dort wurden beiderseitige Begrüßungen über das Vergnügen der Zusammenkunft und Erkundigungen nach dem Befinden ausgewechselt.

Alsdann führte er sie zu dem Kissen neben seinem eigenen, während seine Höflinge ängstlich ihre Artigkeiten erwiesen, um dem Gefolge der Biegom Plätze auf den umherliegenden Teppichen zu verschaffen, wo sie sich sämmtlich mit gekreuzten Beinen niederließen; Richard Middlemas nahm dabei einen Ehrenplatz ein. Die Leute von geringerer Bedeutung standen hinten, und unter diesen auch der Sirdar Hyder Ali's mit Hartley und dem Wakiel von Madras.

Es würde unmöglich sein, die Gefühle zu beschreiben, womit Hartley den Apostaten Middlemas und die Amazone Frau Montreville erkannte. Ihr Anblick erweckte in ihm den Entschluß, in voller Versammlung auf die Gerechtigkeit sich zu berufen, die Tippu Allen erweisen müsse, die sich über Unrecht zu beklagen hätten. Mittlerweile gab der Prinz, welcher bis dahin in leisem Ton gesprochen hatte, indem er, wie es schien, die Dienste und die Treue der Biegom anerkannte, seinem vertrauten Diener ein Zeichen, welcher mit erhabener Stimme sagte: »Deßhalb und um diese Dienste zu vergelten, hat der mächtige Prinz auf das Gesuch der mächtigen Biegom Mutie Mahul, schön wie der Mond, und weise wie die Tochter Dschemschids, den Beschluß gefaßt, den Bukschie ihrer Heere in Dienst zu nehmen, und ihm als einem des Vertrauens würdigen Mann die Bewachung seiner geliebten Hauptstadt Bangalore anzuvertrauen.«

Die Stimme des Ausrufers war kaum verstummt, als sie von einer eben so lauten aus dem Haufen der Anwesenden heraus beantwortet wurde. »Verflucht ist der, welcher den Räuber Leik zum Schatzmeister macht oder das Leben der Moslem dem Befehl eines Apostaten anvertraut!«

Hartley erkannte mit unaussprechlicher Freude, allein dennoch vor Zweifel und Angst erzitternd, die Stimme des älteren Fakir, des Gefährten von Barak. Tippu schien sich um die Unterbrechung nicht zu kümmern, welche für die eines verrückten Andächtigen galt; die mahomedanischen Fürsten nämlich gestatten Leuten solcher Art große Freiheiten. Der Durbar oder die Versammlung zeigte deßhalb auch kein weiteres Erstaunen, und beantwortete die Proklamation mit dem Beifallsruf, welcher bei jeder Verkündigung des königlichen Willens erwartet wird.

Sobald der Zuruf verstummt war, erhob sich Middlemas, verbeugte sich gegen den Musnud, und erklärte in einer auswendig gelernten Rede seine Unwürdigkeit für die hohe ihm übertragene Ehre und seinen Eifer für den Dienst des Fürsten. Es sollte noch etwas hinzugefügt werden, allein plötzlich stockte seine Rede, seine Glieder zitterten und seine Zunge schien ihm den Dienst zu versagen.

Die Biegom fuhr von ihrem Sitze, obgleich der Etiquette zuwider, auf und sagte, als wolle sie dasjenige ergänzen, was die Rede ihres Offiziers ausgelassen hatte. »Mein Sklave wollte sagen, daß ich zur Anerkennung einer so großen meinem Bukschie übertragenen Ehre, der Mittel des Dankes entbehre, und nur bitten kann, Eure Hoheit möge sich zu Annahme einer Lilie aus Frangistan herablassen, um dieselbe in den entlegenen Theilen des geheimen Gartens Eurer Vergnügungen zu pflegen. Mögen die Wachen meines Herrn jene Sänfte zur Zenana tragen.«

Ein weiblicher Schrei wurde vernommen, als die Wachen des Serails, auf ein Zeichen von Tippu, vorschritten, um die verschlossene Sänfte von den Leuten der Biegom in Empfang zu nehmen. Die Stimme des alten Fakirs wurde wieder lauter und strenger als zuvor vernommen. »Verflucht ist der Fürst, welcher Gerechtigkeit gegen Wollust verhandelt; er wird sterben in seinem Thore unter dem Schwerte des Fremden.«

»Das ist zu unverschämt,« sagte Tippu, »schleppt jenen Fakir herbei und zerreißt ihm auf seinem Rücken sein Kleid in Fetzen mit euren Tschabauks (lange Peitschen).«

Allein jetzt erfolgte ein Auftritt wie in der Halle von Seyd. Alle, welche versuchten, dem Befehle des wüthenden Despoten zu gehorchen, stürzten vor dem Fakir wie vor dem Engel des Todes zurück. Derselbe warf seine Mütze und seinen falschen Bart auf den Boden, und das wüthende Antlitz Tippu's zeigte sogleich die Züge der Unterwürfigkeit, als sein Blick dem finstern und furchtbaren Auge seines Vaters begegnete.

Ein Zeichen entließ ihn von dem Throne, welchen Hyder selbst bestieg, während die emsigen Diener ihm schnell seinen zerrissenen Rock abnahmen, einen Mantel von königlichem Glanz über ihn warfen und auf seinen Kopf einen mit Juwelen geschmückten Turban setzten. Der Durbar ertönte vom Zurufe an Hyder Ali Khan Behoder, »den Guten, den Weisen, den Entdecker verborgener Dinge, welcher in den Divan kömmt, wie die Sonne durch die Wolken bricht.«

Der Nawob gebot zuletzt Schweigen durch einen Wink, und erlangte sogleich Gehorsam. Er schaute majestätisch um sich, und richtete zuletzt seinen Blick auf Tippu, dessen niedergeschlagene Augen, als er seine Arme über der Brust zusammenlegend vor dem Throne stand, einen starken Gegensatz zu dem stolzen Ausdruck der Herrschaft boten, deren er noch vor einem Augenblick gezeigt hatte. »Du hast absichtlich,« sagte der Nawob, »die Sicherheit deiner Hauptstadt für den Besitz einer weißen Sklavin verhandelt, allein die Schönheit eines Weibes ließ Salomo auf seinem Pfade straucheln; um wie viel weniger hätte der Sohn Hyder Nägs bei der Versuchung fest bleiben können! – Damit die Menschen hell sehen, müssen wir das Licht entfernen, welches ihre Augen blendet. Jenes Feringi Weib muß mir zur Verfügung gestellt werden.«

»Hören ist gehorchen,« erwiderte Tippu, während die finstere Wolke auf seiner Stirne bewies, wie schwer seinem stolzen und leidenschaftlichen Gemüthe diese Unterwerfung wurde. In den Herzen der gegenwärtigen Höflinge herrschte die größte Neugier nach der Entwicklung des Auftritts, allein keine Spur dieses Wunsches äußerte sich auf den Gesichtszügen, die an Verheimlichung jeder innern Regung gewohnt waren. Die Gefühle der Biegom waren unter ihrem Schleier verborgen, während der Angstschweiß in großen Tropfen an der Stirn von Richard Middlemas stand, obgleich derselbe einen kühnen Versuch machte, seinen Schrecken zu unterdrücken. Die nächsten Worte erklangen wie Musik in Hartley's Ohren.

»Bringt des Feringi Weib zum Zelte des Sirdar Belasch Cassim (dieß war der Offizier, der das Geleit Hartley's kommandirt hatte), behandelt es mit allen Ehren und setzt ein Geleit in Bereitschaft, um sie mit dem Wakiel und dem Hakim Hartley nach dem Päjien Ghoth zu bringen (dem Lande unterhalb der Pässe); das Geleit muß mit den Köpfen für die Sicherheit dieser Person einstehen.« Die Sänfte war schon nach den Zelten des Sirdars unterwegs, ehe der Nawob jene Worte beendet hatte.

»Was dich, Tippu, betrifft,« fuhr Hyder fort, »so bin ich nicht hieher gekommen, um dir deine Gewalt zu nehmen, dich vor diesem Durbar zu beschimpfen. Was du dem Feringi versprochen hast, mußt du erfüllen. Die Sonne nimmt den Glanz nicht zurück, den sie dem Mond verlieh; der Vater verdunkelt nicht die Würde, die er dem Sohn übertrug. Was du verheißen hast, vollbringe.«

Die Ceremonie der Belehnung wurde wieder begonnen, wodurch der Prinz Tippu die wichtige Gouverneurstelle der Stadt Bangalore an Middlemas übertrug; wahrscheinlich hegte er dabei den geheimen Entschluß, er werde den neuen Killedar bei der ersten Gelegenheit wieder absetzen, da er jetzt selbst die schöne Europäerin verloren hatte. Middlemas erhielt dagegen die Belehnung mit klopfendem Herzen und mit der Hoffnung, daß er sowohl den Vater als den Sohn betrügen könne. Die Belehnungsurkunde wurde laut verlesen – das Ehrenkleid wurde dem neuernannten Killedar angelegt, und hundert Stimmen wünschten dem Gouverneur Glück und Sieg über seine Feinde, während sie die kluge Wahl Tippu's priesen.

Ein Pferd wurde als Geschenk des Prinzen herbeigeführt. Es war ein schönes Roß von persischer Rasse mit hoher Mähne und breitem Hintertheil; es war von weißer Farbe, und nur die Enden seines Schwanzes und seiner Mähnen waren roth gefärbt. Sein Sattel war von rothem Sammet, Zaum und Schwanzriemen mit vergoldeten Knöpfen geschmückt. Zwei Diener auf kleineren Pferden führten das sich bäumende Thier; der Eine trug die Lanze, der Andere den langen Speer seines Herrn. Das Pferd wurde den Beifall gebenden Höflingen gezeigt und fortgebracht, um im Staat durch die Straßen geführt zu werden, während der neue Killedar auf dem Elephanten folgen würde, einem weiteren bei solchen Gelegenheiten gewöhnlichen Geschenk, welches jetzt herbeigebracht wurde, damit die Welt die Freigebigkeit des Fürsten bewundern könne.

Das massenhafte Thier nahte der Plattform, indem es seinen großen gerunzelten Kopf schüttelte, den es wie ungeduldig erhob und senkte, und von Zeit zu Zeit seinen Rüssel emporhob, als wolle es den Rachen seines zungenlosen Mundes zeigen. Der Killedar entfernte sich anmuthig mit der tiefsten Verbeugung; er war mit der Beendigung der Audienz sehr zufrieden, und stand am Halse des Elephanten in der Erwartung, daß der Führer des Thieres dasselbe werde niederknieen lassen, damit er die vergoldete und ihn erwartende Haudab besteigen könne.

»Halt, Feringi,« sagte Hyder, »du hast Alles empfangen, was die Güte Tippu's versprach. Empfange jetzt die Frucht der Gerechtigkeit Hyders.«

Bei den Worten winkte er mit dem Finger, und der Führer des Elephanten ließ den Willen des Nawob sogleich von dem Thiere ausführen. Das Ungeheuer schlang seinen ungeheuren Rüssel um den Hals des unglücklichen Europäers, streckte den Elenden zu Boden, stampfte ihm mit seinem großen, formlosen Fuße auf die Brust, und beendete so auf einmal sein Leben und seine Verbrechen. Der Schrei, den das Opfer ausstieß, wurde von dem Gebrüll des Ungeheuers nachgeahmt, und ein Schall wie ein hysterisches Gelächter, mischte sich mit einem Kreischen, welches unter dem Schleier der Biegom hervordrang. Der Elephant erhob wieder seinen Rüssel und riß in furchtbarer Weise den Rachen auf.

Die Höflinge bewahrten ein tiefes Schweigen. Tippu jedoch, auf dessen Mousselinkleid ein Theil vom Blute des Opfers gespritzt war, hielt dasselbe zum Nawob empor, indem er mit traurigem aber dennoch zornigem Tone ausrief: »Vater, Vater, sollte so dein Versprechen gehalten werden?«

»Wisse, schönster Knabe,« sagte Hyder Ali, »daß der dort als Leichnam liegende Mensch an einer Verschwörung Theil genommen hatte, um Bangalore den Feringi's und Maharatten zu überliefern. Diese Biegom (sie fuhr auf, als sie ihren Namen hörte) hat uns eine Kunde von der Verschwörung ertheilt, und so die Verzeihung dafür verdient, daß sie ursprünglich daran Theil nahm. Wir wollen nicht zu genau untersuchen, ob Liebe zu uns ihr Beweggrund war. – Bringt fort jenen Klumpen blutigen Thones, und laßt den Hakim Hartley und den englischen Wakiel vor uns erscheinen.«

»Hakim,« sagte Hyder, »du sollst mit dem Feringi-Weibe heimkehren, und zwar mit Gold, um das ihr erwiesene Unrecht auszugleichen; die Biegom soll dazu, wie billig, ihren Antheil beitragen. Sage deinem Volk, daß Hyder Ali gerecht handelt.« Der Nawob machte dann Hartley eine gnädige Verbeugung und wandte sich zum Wakiel, der sehr bestürzt schien. »Ihr brachtet mir,« sagte er, »Worte des Friedens, während Eure Heere an einen verrätherischen Krieg dachten; aber nicht soll meine Rache Leute wie Euch treffen. Sage dem Kafr Popiah, und dem unwürdigen Herrn desselben, daß Hyder Ali zu klar sieht, um durch Verrath die Vortheile zu verlieren, die er im Kriege gewonnen hat, bis dahin bin ich im Karnatschik ein milder Fürst gewesen – in Zukunft werde ich ein zerstörender Sturm sein. Bis dahin habe ich Angriffe oder Einfälle in Euer Gebiet als mitleidiger und gnädiger Eroberer ausgeführt; von jetzt an werde ich der Bote sein, welchen Allah den Königreichen sendet, die er in seinem Zorne heimsucht!«

Es ist wohl bekannt, wie furchtbar der Nawob seine Versprechen hielt, und wie er und sein Sohn später vor der Disciplin und der Tapferkeit der Europäer niedersanken. Der Auftritt der gerechten Strafe, die er seiner Verheißung gemäß gegen den Verbrecher übte, war vielleicht seiner Politik, seinem inneren Gerechtigkeitsgefühle oder seiner Absicht, mit demselben vor einem verständigen und einsichtsvollen Engländer zu prunken, oder allen diesen Beweggründen zusammen zuzuschreiben; es liegt nicht an uns zu bestimmen, in welchem Verhältniß das letztere statthatte.

Hartley erreichte die Küste mit dem kostbaren ihm anvertrauten Gute, nachdem die Dame aus einem furchtbaren Schicksal in einem Augenblick errettet war, worin beinahe jede Hoffnung verschwunden schien; allein die Nerven und Gesundheit der Menie Gray hatten eine Erschütterung erlitten, woran sie lange Zeit schwer duldete, und sich niemals gänzlich erholte. Die vornehmsten Damen der Colonie, durch die eigenthümliche Erzählung ihrer Leiden gerührt, empfingen sie mit äußerster Güte, und übten gegen sie die aufmerksamste und liebevollste Gastfreundschaft. Der Nawob, seinem Versprechen treu, übersandte ihr eine Summe von nicht weniger als 10,000 Gold Mohurs, welche, wie man vermuthete, beinahe gänzlich aus den Schätzen der Biegom Mutie Mahul oder Montreville erpreßt waren. Von den Schicksalen dieses abenteuerlichen Weibes ist nichts weiteres für gewiß bekannt, als der Umstand, daß ihre Forts und ihre Regierung ihr von Hyder Ali genommen wurden; nach einem Gerüchte soll sie, als ihre Macht vernichtet und ihre Bedeutung verloren war, an Gift gestorben sein, welches sie entweder selbst nahm, oder welches ihr von einem Andern gereicht wurde.

Man sollte es für einen natürlichen Schluß der Geschichte von Menie Gray halten, daß sie Hartley geheirathet hätte, welchem sie wegen seiner heldenmüthigen Wirksamkeit bei ihrer Rettung so viel verdankte. Allein ihre Gefühle waren zu peinlich erregt und ihre Gesundheit zu sehr erschüttert, als daß sie Gedanken einer ehelichen Verbindung sogar mit dem Gefährten ihrer Jugend und ihrem Retter hätte nähren können. Die Zeit hätte diese Hindernisse vielleicht entfernt, allein zwei Jahre nach ihren Abenteuern in Mysore fiel der muthige und uneigennützige Hartley als ein Opfer der Unerschrockenheit in seinem Berufe, indem er den Fortschritten einer pestartigen Krankheit widerstand, von welcher er zuletzt ergriffen wurde und welcher er unterlag. Er hinterließ einen beträchtlichen Theil des mäßigen von ihm erworbenen Vermögens der Menie Gray, welche natürlich mehrere vortheilhafte Anträge zu ihrer Verheirathung erhielt. Allein sie achtete zu sehr das Andenken Hartley's, um in Bezug auf einen andern die Gründe aufzugeben, weßhalb sie ihm die Hand verweigerte, die er so wohl verdient, und man kann sagen gewonnen hatte.

Sie kehrte nach Großbritannien unverheirathet aber reich zurück. Nachdem sie sich in ihrem Geburtsort niedergelassen hatte, fand sie ihr einziges Vergnügen in Handlungen des Wohlwollens, welche die Ausdehnung ihres Vermögens zu übertreffen schienen, hätte man nicht ihre große Zurückgezogenheit in Betracht nehmen müssen. Zwei oder drei Personen, mit denen sie in genauer Freundschaft stand, konnten in ihrem Charakter jene großmüthige Uneigennützigkeit und Liebe erkennen, welche dessen Grundzüge bilden. Für die Welt im Allgemeinen schienen ihre Gewohnheiten diejenigen der römischen Matronen zu sein, die in einer Grabschrift mit folgenden vier Worten bezeichnet wurden.

Domi mansit – Lanam fecit Sie blieb zu Haus und spann Wolle..



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