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Viertes Kapitel.

Er sagte darauf: Jetzt schweige still,
Vor dem Frieden fühl' ich schon Ekel schier,
Doch bist du ein Mann, wie ich glauben will,
So geh' in den Wald und ficht mit mir.

Volkslied der schottisch-englischen Grenze.

Am Morgen nach diesem heiteren Abend arbeiteten die zwei jungen Leute zusammen auf einem Stück hinter Stevenlaw's Land, welches der Doctor in einen Garten verwandelt hatte, wo er sowohl zur Bereitung von Arzneimitteln als zur Kunde der Botanik einige seltene Pflanzen zog, weßhalb der Platz vom Volke den hochklingenden Namen Arzneigarten erhalten hatte. Herrn Gray's Zöglinge kamen gern seinen Wünschen nach, daß sie diesen Lieblingsplatz mit Sorgfalt behandelten, und beide verwandten viel Mühe darauf. Nachher pflegte sich Hartley dem Anbau des Küchengartens zu widmen, den er in so achtbaren Zustand aus einem Orte verwandelt hatte, welcher nicht viel besser war, als ein gewöhnliches Kohlfeld; während Middlemas sein Aeußerstes that, um mit Blumen und Gesträuch ein kleines Gebüsch zu schmücken, welches gewöhnlich der Miß Menie Bosquet genannt wurde.

Gegenwärtig befanden sich beide auf dem botanischen Theil des Gartens, als Richard Middlemas an Hartley die Frage richtete, weßhalb er den Ball am Abend zuvor so früh verlassen habe?

»Ich sollte Euch eher fragen,« antwortete Hartley, »welches Vergnügen Ihr gehabt haben könnt, dort zu bleiben; ich sage Euch Richard, dieß Middlemas ist ein elender, schäbiger Ort. In dem kleinsten Flecken Englands würde jeder anständige Freibauer eingeladen werden, wenn das Parlamentsglied einen Ball gäbe.«

»Was, Hartley!« sagte sein Gefährte; »könnt Ihr, unter allen Menschen, ein Candidat für die Ehre sein, Euch unter die Ersten der Erde zu mischen? Gott sei uns gnädig! Wie müßte der schlaue Northumbrier (er accentuirte den Buchstaben R in der sonderbaren Weise, wie es im Norden von England gewöhnlich ist) sich dabei ausnehmen? Ich glaube, ich sehe dich in deinem erbsengrünen Rock einen Walzer mit der ehrenwerthen Miß Maddie Mac Fudgeon tanzen, während Häuptlinge und Freiherrn in der Runde lachen, als sähen sie ein Schwein in einer Rüstung.«

»Ihr versteht mich nicht, oder vielleicht wollt Ihr mich nicht verstehen,« antwortete Hartley. »Ich bin nicht der Narr, um den Wunsch nach dem Umgange mit diesen vornehmen Leuten zu hegen. Ich bekümmere mich um sie so wenig, als sie sich um mich bekümmern. Da sie uns aber nicht zum Tanz einladen, so sehe ich nicht ein, was sie mit unseren Tänzerinnen zu schaffen haben.«

»Tänzerinnen, sagt Ihr!« rief Middlemas aus, »ich glaube nicht, daß Menie sehr oft die Eurige ist.«

»So oft ich sie auffordere,« erwiderte Hartley etwas stolz.

»So, wirklich? – Ich glaube das nicht, der Henker hole mich, wenn ich das glaube!« sagte Middlemas in demselben höhnischen Tone. »Ich sage dir, Adam, ich will eine Bowle Punsch mit dir wetten, daß Miß Gray nicht mit dir tanzen wird, wenn du sie das nächste Mal aufforderst; ich mache nur zur Bedingung, daß ich den Tag erfahre.«

»Ich will wegen Miß Gray keine Wette eingehen,« sagte Hartley; »ihr Vater ist mein Lehrherr und ich bin ihm verpflichtet; nach meiner Meinung würde ich auf unwürdige Weise handeln, wollte ich sie zum eitlen Streit zwischen mir und dir machen.«

»Da habt Ihr sehr Recht,« erwiderte Middlemas, »Ihr müßt einen Zank beendigen, bevor Ihr einen andern anfangt. Ich bitte Euch, sattelt Euren Klepper, reitet zum Thor von Louponheight-Castle und fordert den Baron zum Kampf auf Leben und Tod heraus, weil er sich herausnahm, die schöne Hand der Miß Menie Gray zu berühren.«

»Ich wünsche, Ihr ließet den Namen der Miß Gray aus dem Spiele und überbrächtet Eure Herausforderung Euren vornehmen Leuten in Eurem eigenen Namen; dann könnt Ihr sehen, was sie zu dem Lehrling des Wundarztes sagen werden.«

»Sprecht für Euch selbst, wenn es Euch gefällig ist, Herr Adam Hartley, ich bin nicht als Tölpel wie gewisse Leute geboren, und würde mich wenig darum bekümmern, wenn ich es für zweckmäßig hielte, mit den Vornehmsten auf gleichen Fuß zu reden und mich im Nothfall verständlich zu machen.«

»Sehr wahrscheinlich,« antwortete Hartley, indem er die Geduld verlor, »Ihr wißt ja, daß Ihr Einer von ihnen seid, ein Herr Middlemas, von gewisser Herkunft.«

»Ihr Schurke!« sagte Richard, und sprang wüthend auf ihn zu, denn seine spöttische Laune hatte sich in Zorn verwandelt.

»Steht zurück,« sagte Hartley, »oder es ergeht Euch schlimm, wenn Ihr groben Scherz treibt, so müßt Ihr auch eine grobe Antwort einstecken.«

»Ich will Genugthuung für diese Beleidigung haben, beim Himmel!«

»Die sollt Ihr haben, wenn Ihr darauf besteht!« sagte Hartley. »Am besten ist es aber nach meiner Meinung, daß von der Sache nicht weiter gesprochen wird. Ich hatte Unrecht, zu sagen, was ich Euch vorwarf; Ihr habt mich jedoch gereizt und jetzt habe ich Euch so viel Genugthuung gegeben, als ein vernünftiger Mann erwarten kann.«

»Herr,« wiederholte Middlemas, »die Genugthuung, die ich verlange, ist die eines Herrn von Stande; der Doctor hat ein paar Pistolen.«

»Und ein paar Mörser dazu, die ich herzlich Euch zu Diensten stelle, ihr Herrn,« sagte Herr Gray, der hinter einer Taxushecke zum Vorschein kam, wo er den ganzen Streit oder den größeren Theil desselben angehört hatte. »Das wäre eine schöne Geschichte, wenn meine Lehrlinge sich mit meinen eigenen Pistolen schößen! Jeder von euch mag zuerst lernen, eine Schießwunde zu behandeln, bevor es ihm einfällt, eine solche einem Andern beizubringen; geht, ihr seid beide alberne Bursche, und ich kann es bei Keinem von euch gut aufnehmen, daß ihr den Namen meiner Tochter in solchen Streit bringt. Hört Bursche, ihr Beide seid mir, wie ich glaube, einige Achtung und sogar Dankbarkeit schuldig; es wäre ein schlechter Dank, wenn ihr, statt ruhig mit diesem mutterlosen Mädchen wie Brüder mit einer Schwester zu leben, mich zwingen solltet, meine Ausgaben zu vermehren und meine Behaglichkeiten zu vermindern, um für die wenigen Monate, die ihr noch hier bleibt, mein Kind fortschicken zu müssen. Gebt euch die Hände und laßt mich nichts mehr von solchen Thorheiten hören.«

Während der Herr in dieser Weise sprach, standen die jungen Leute vor ihm in der Haltung überführter Verbrecher; am Schluß seines Verweises wendete sich Hartley freimüthig um und bot seine Hand seinem Gefährten, welcher sie auch annahm, jedoch nur nach dem Bedenken eines Augenblicks. Die Sache hatte keine weiteren Folgen, als daß die jungen Leute niemals wieder dieselbe Vertraulichkeit gegen einander zeigten, die während ihrer früheren Bekanntschaft stattgefunden hatte. Im Gegentheil, sie vermieden jede Verbindung, welche durch ihre Lage nicht durchaus erfordert wurde, und verkürzten so viel wie möglich ihren unvermeidlichen Verkehr in Berufsgeschäften; sie schienen somit einander so sehr entfremdet, wie es zwei Personen in demselben kleinen Hause nur immer sein konnten.

Was Menie Gray betrifft, so schien ihr Vater nicht die geringste Besorgniß hinsichtlich ihrer zu hegen, obgleich sie wegen seiner häufigen und fast täglichen Abwesenheit vom Hause einem beständigen Verkehr mit den zwei hübschen jungen Leuten ausgesetzt war, welche Beide, wie man sich leicht denken kann, ihren Ehrgeiz darauf richteten, ihr mehr zu gefallen, als die meisten Eltern für klug gehalten haben würden; auch war die Kindsmagd Jamieson in Betracht ihrer Dienstbarkeit und ihrer übertriebenen Parteilichkeit für ihr Pflegkind nicht eine Matrone, die ihr Schutz gewähren konnte. Gideon jedoch wußte, daß seine Tochter in vollstem Maße die aufrichtige und reine Rechtschaffenheit seines Charakters besaß, und daß niemals ein Vater weniger Ursache zur Besorgniß hatte, seine Tochter werde sein Vertrauen verrathen; während er deßhalb mit Recht sich auf ihre Grundsätze verließ, übersah er die Gefahren, welchen er ihre Gefühle und Neigungen aussetzte.

Der Verkehr zwischen Menie und den jungen Leuten schien jetzt nach allen Seiten hin mit vieler Zurückhaltung verbunden zu sein. Sie trafen sich nur bei Tische, und Miß Gray gab sich vielleicht auf die Empfehlung ihres Vaters hin große Mühe, Beide mit demselben Grade von Aufmerksamkeit zu behandeln. Dieß jedoch war nicht so leicht; Hartley wurde so zurückgezogen, kalt und förmlich, daß es für sie unmöglich war, einen verlängerten Verkehr zu unterhalten. Middlemas dagegen bewahrte mit vollkommener Leichtigkeit des Benehmens sein früheres Verfahren bei allen sich darbietenden Gelegenheiten; ohne daß es schien, er wolle seine Vertraulichkeit ihr aufdringen, behielt er nichts desto weniger den vollkommenen Besitz derselben.

Es nahte zuletzt die Zeit, worin die jungen Leute von den Verpflichtungen ihrer Lehrbriefe befreit, sich jetzt nach ihren eigenen Rollen in der Welt umsehen mußten. Herr Gray benachrichtigte Richard Middlemas, er habe über den Gegenstand mehr als einmal dringende Briefe an Monçada geschrieben, jedoch bisher noch keine Antwort erhalten; er nahm sich nicht heraus, seinen eigenen Rath anzubieten, bis der Wille seines Großvaters bekannt sein würde. Richard schien die Zögerung mit mehr Geduld zu ertragen, als der Doctor glaubte, daß seinem Charakter angemessen sei. Er that keine Frage, sprach keine Vermuthungen aus und zeigte keine Aengstlichkeit, sondern schien mit Geduld die Wendung abzuwarten, welche die Ereignisse nehmen werden. Mein junger Herr, dachte Gray, hat entweder seine eigene Laufbahn sich schon ausgedacht, oder er ist leichter zu behandeln, als man nach einigen Zügen seines Charakters vermuthen sollte.

Richard hatte wirklich einen Versuch bei seinen unbeugsamen Verwandten gemacht; er hatte an Herrn Monçada einen Brief voll von kindlicher Ergebung, von Liebe und Dankbarkeit gesandt, und um die Erlaubniß gebeten, mit ihm in Person korrespondiren zu dürfen, wobei er versprach, sich in jeder Einzelnheit von seinem Willen leiten zu lassen. Die Antwort bestand in der Zurücksendung seines Briefes mit einem Billet der Banquiers, deren Adresse benutzt war; es hieß darin, jeder weitere Versuch, sich Herrn Monçada aufzudringen, werde die Uebersendung irgend einer Geldsumme von ihrer Seite beendigen.

Während die Dinge auf Stevenlaw's Land sich so verhielten, ersuchte Adam Hartley eines Abends, seinem seit mehreren Monaten eingehaltenen Verfahren entgegen, seinen Gefährten in der Lehrlingsschaft um eine Unterredung. Er fand ihn in dem kleinen Bosquet, und konnte nicht unterlassen zu bemerken, daß Richard Middlemas, wie er zum Vorschein kam, ein kleines Paket in seinen Busen schob, als besorge er, daß dasselbe gesehen werde. Alsdann ergriff er eine Hacke und begann mit großem Eifer wie Jemand zu arbeiten, der wünscht, man solle glauben, daß er von ganzer Seele bei seiner Beschäftigung thätig sei.

»Ich wünschte mit Euch zu sprechen, Herr Middlemas,« sagte Hartley, »ich besorge jedoch, Euch zu unterbrechen.«

»Nicht im Geringsten,« sagte der Andere, indem er seine Hacke niederlegte; »ich jätete nur das Unkraut aus, welches seit dem letzten Regen so zahlreich emporgeschossen ist; ich stehe jetzt zu Euren Diensten.«

Hartley ging in das Gebüsch und setzte sich; Richard ahmte sein Beispiel nach und schien die vorgeschlagene Mittheilung zu erwarten.

»Ich hatte eine wichtige Unterredung mit Herrn Gray,« sagte Hartley, und machte dann eine Pause wie Jemand, welcher fühlt, daß er die Ausführung einer schwierigen Aufgabe beginnt.

»Ich hoffe, die gegenseitige Erklärung ist befriedigend gewesen,« bemerkte Middlemas.

»Ihr mögt selbst urtheilen – Doctor Gray hatte die Güte, mir etwas sehr Höfliches über meine Fortschritte in den Pflichten meines Gewerbes zu sagen, und fragte mich zu meinem großen Erstaunen, ob ich, jetzt da er alt werde, etwas dagegen habe, in meiner gegenwärtigen Stellung, jedoch mit einiger Geldbelohnung, zwei Jahre länger zu bleiben; am Schluß dieser Zeit versprach er mir, mich als Theilhaber seines Geschäftes aufzunehmen.«

»Herr Gray ist ein unzweifelhafter Richter,« sagte Middlemas, »welche Person sich für ihn am besten als Assistenzarzt eignet; das Geschäft bringt jährlich etwa 200 Pfd. ein, und ein thätiger Assistenzarzt kann beinahe die Summe verdoppeln, wenn er nach Strath-Devan und Carse reitet. Die Summe ist jedoch für die Theilung nicht besonders groß.«

»Aber,« fuhr Hartley fort, »das ist nicht Alles. Der Doctor sagt – er macht den Vorschlag – kurzum, er hat mir den Antrag gemacht, wenn ich mich innerhalb dieser zwei Jahre bei der Miß Gray beliebt machen könne, so solle ich nach Beendigung der Zeit sowohl sein Schwiegersohn, als sein Theilhaber am Geschäft werden.«

Bei diesen Worten heftete er einen festen Blick auf Richards Antlitz, welches für einen Augenblick heftig erregt war. Nachdem dieser sich aber sogleich wieder gefaßt hatte, erwiderte er in einem Tone, worin Aerger und beleidigter Stolz sich vergeblich bemühte, unter der Verstellung der Gleichgültigkeit sich zu verbergen. »Wohlan, Herr Adam, ich kann Euch nur Glück wünschen wegen dieser patriarchalischen Anordnung. Ihr habt fünf Jahre lang gedient, um ein Diplom zu erwerben – und dies Privilegium zu tödten und zu heilen, ist eine Art Leah. Jetzt beginnt Ihr eine neue Dienstbarkeit wegen einer liebenswürdigen Rachel. Ohne Zweifel – vielleicht jedoch ist es unartig von mir zu fragen – ohne Zweifel habt Ihr jedoch eine so schmeichelhafte Anordnung angenommen?«

»Ihr müßt Euch erinnern, daß eine Bedingung daran geknüpft wurde,« sagte Hartley mit festem Tone.

»Diejenige, Euch einem Mädchen angenehm zu machen, die Ihr schon so viele Jahre gekannt habt,« bemerkte Middlemas mit halb unterdrücktem Hohne. »Darin liegt keine große Schwierigkeit, sollte ich glauben, für solch eine Person wie Hartley, dem die Gunst des Doctor Gray als Rückhalt dient. Nein, nein, da kann kein großes Hinderniß sich vorfinden.«

»Ihr wißt aber das Gegentheil, Herr Middlemas, ebensowohl wie ich,« sagte Hartley mit sehr großem Ernst.

»Meine Wenigkeit? wie sollte ich etwas mehr als Ihr selbst über den Zustand der Neigungen der Miß Gray wissen?« fragte Middlemas; »ich bin überzeugt, daß wir Beide gleiche Gelegenheit sie zu erlangen hatten.«

»Vielleicht ist das der Fall; einige Leute jedoch verstehen es besser, die Gelegenheiten zu benutzen. Herr Middlemas, ich habe lange beargwohnt, daß Ihr den unschätzbaren Vortheil besitzet, Miß Gray's Neigungen erworben zu haben und« –

»Ich?« fiel Middlemas ein; »Ihr scherzt oder seid eifersüchtig. Ihr erweiset Euch selbst zu wenig und mir mehr als Gerechtigkeit; allein das Compliment ist so groß, daß ich Euch für das Versehen verbunden bin.«

»Ihr könnt wissen,« erwiderte Hartley, »daß ich weder nach Vermuthungen, noch nach dem, was Ihr Eifersucht nennet, rede; ich sage Euch offen, daß Menie Gray mir selbst den Zustand ihrer Neigung erklärt hat. Ich habe ihr natürlich die Unterredung mit ihrem Vater mitgetheilt. Ich sagte ihr, ich sei nur zu sehr überzeugt, daß ich im gegenwärtigen Augenblick nicht diejenige Theilnahme in ihrem Herzen besitze, welche allein mir ein Recht geben würde sie zu ersuchen, daß sie sich den Aussichten füge, welche ihres Vaters Güte mir dargeboten habe. Ich bat sie jedoch, sich nicht plötzlich gegen mich zu entscheiden, sondern mir eine Gelegenheit zu geben, den Weg ihrer Neigung hinsichtlich meiner möglichst anzubahnen; ich hoffe nämlich, daß die Zeit und die Dienste, die ich ihrem Vater erweisen würde, eine endliche Wirkung zu meinen Gunsten hervorrufen könnten.«

»Ein sehr natürliches und bescheidenes Gesuch; welche Antwort hat die junge Dame gegeben?«

»Sie ist ein edelgesinntes Mädchen, Richard Middlemas, und verdient schon wegen ihrer Offenheit, sogar ohne ihre Schönheit und ihren Verstand, die Gemahlin eines Fürsten zu sein. Ich kann nicht genug die jungfräuliche Bescheidenheit ausdrücken, womit sie mir sagte, sie kenne zu wohl die Güte meines Herzens (sie beehrte mich mit diesem Ausdrucke), um mich jemals der in die Länge gezogenen Pein einer unerwiederten Leidenschaft auszusetzen. Sie erklärte mir aufrichtig, daß sie schon lange Zeit mit Euch im Geheimen verlobt ist, daß ihr Portraits ausgetauscht habt; obgleich sie ohne Einwilligung ihres Vaters niemals die Eurige werden wolle, so empfinde sie dennoch die Unmöglichkeit, jemals ihre Gefühle in so weit zu ändern, daß sie die geringste Aussicht auf Erfolg einem Andern darbiete.«

»Auf mein Wort,« sagte Middlemas, »sie ist wirklich außerordentlich aufrichtig, und ich bin ihr sehr verbunden.«

»Und auf mein ehrliches Wort, Herr Middlemas,« erwiderte Hartley, »thut Ihr der Miß Gray sehr unrecht; Ihr seid sogar sehr undankbar gegen sie, wenn Ihr Euch über diese ihre Erklärung ärgert. Sie liebt Euch, wie ein Weib den ersten Gegenstand ihrer Neigung liebt; sie liebt Euch mehr« – er hielt an, und Middlemas ergänzte den Satz.

»Mehr als ich es verdiene vielleicht? wahrhaftig, das mag sein, und ich erwiedere ihre Liebe; Ihr müßt jedoch begreifen, daß das Geheimniß ebensowohl das meinige als das ihrige war, und es wäre besser gewesen, daß sie mich um Rath gefragt hätte, bevor sie dasselbe einem Andern mittheilte.«

»Herr Middlemas,« sagte Hartley mit ernstem Ausdruck, »wenn das Geringste von diesem Gefühle Eurerseits aus der Besorgniß entspringt, daß Euer Geheimniß in meiner Verwahrung nicht sicher ist, so kann ich Euch versichern, die Dankbarkeit gegen die Güte der Miß Gray wegen der Mittheilung eines für sie und Euch so zarten Geheimnisses, um mir Schmerz zu ersparen, sei so groß, daß wilde Pferde mir eher ein Glied nach dem andern abreißen könnten, als daß mir die Aeußerung der geringsten Sylbe darüber abgezwungen würde.«

»Nun, mein theurer Freund,« sagte Middlemas mit einer Offenheit im Wesen, welche eine Herzlichkeit andeutete, wie sie seit einiger Zeit zwischen den Beiden nicht mehr vorhanden gewesen war, »Ihr müßt mir gestatten, meinerseits etwas eifersüchtig zu sein. Ein wahrer Liebhaber besitzt keinen Anspruch auf den Namen, wenn er nicht bisweilen unvernünftig ist, und es scheint jedenfalls etwas sonderbar, daß sie Jemand zum Vertrauten wählte, welchen ich für einen furchtbaren Nebenbuhler hielt; ich bin jedoch so weit entfernt, darüber mißvergnügt zu sein, daß ich die Meinung hege, das theure und verständige Mädchen habe nach Allem dem keine bessere Wahl treffen können. Es ist Zeit, daß die alberne Kälte zwischen uns beendet werde, da Ihr begreifen müßt, die wirkliche Ursache derselben sei unser Verhältniß als Nebenbuhler gewesen. Ich bedarf des guten Rathes, und wer kann mir denselben besser ertheilen, als der alte Gefährte, dessen gesundes Urtheil ich stets beneidete, sogar wenn einige Freunde von oberflächlicher Urtheilskraft mir den Vorzug wegen schnellerer Auffassung ertheilten?«

Hartley ergriff Richards dargebotene Hand, jedoch nicht mit der Lebhaftigkeit des Gefühles, womit sie dargeboten wurde.

»Es ist nicht meine Absicht,« sagte er, »viele Tage, vielleicht nicht einmal viele Stunden hier zu bleiben; kann ich Euch aber mittlerweile durch meinen Rath oder auf andere Weise einen Dienst erweisen, so könnt Ihr vollkommen über mich verfügen; es ist die einzige Art, worin ich der Menie Gray einen Dienst erweisen kann.«

»Liebst du meine Geliebte, so liebe auch mich, ein schönes Seitenstück zum Sprüchwort: »Liebst du mich, so liebe meinen Hund!« Wohlan denn, um der Miß Gray willen, wenn auch nicht wegen Richard Middlemas (der Henker hole den gemeinen Namen – der an alte Geschichten erinnert), wollt Ihr nicht, der Ihr ein Zuschauer seid, uns, die wir die unglücklichen Spieler sind, Eure Meinung sagen, was Ihr von diesem unseren Spiele haltet?«

»Wie könnt Ihr mir eine solche Frage vorlegen, wenn ein so schönes Feld Euch eröffnet ist? Sicherlich wird Herr Gray Euch als Assistenzarzt unter denselben Bedingungen beibehalten wollen, die er mir angetragen hat. Ihr bietet ihm in jeder weltlichen Rücksicht für seine Tochter eine bessere Heirath, da Ihr einiges Kapital besitzt, um in der Welt damit zu beginnen.«

»Allerdings; wie ich glaube, hat jedoch Herr Gray keine große Vorliebe für mich in dieser Hinsicht gezeigt.«

»Hat er Eurem unzweifelhaften Verdienst keine Gerechtigkeit erwiesen, so hat der Umstand, daß seine Tochter Euch vorzog, dieß noch mehr ausgeglichen.«

»Ohne Zweifel, und ich liebe sie deßhalb innigst; sonst, Adam, bin ich nicht die Person, welche nach demjenigen greift, was Andere übrig gelassen haben.«

»Richard,« erwiderte Hartley, »dieser Euer Stolz wird Euch sowohl undankbar als elend machen, wenn Ihr demselben nicht bei Zeiten Einhalt thut. Herrn Gray's Absichten sind sehr freundschaftlich; er sagte mir mit deutlichen Worten, daß seine frühere Anhänglichkeit an Euch lange Zeit der Wahl das Gleichgewicht hielt, welche er hinsichtlich meiner, als eines Hülfsarztes und Mitgliedes seiner Familie, treffe, bis er bei Euch eine entschiedene Unzufriedenheit mit so beschränkten Aussichten, welche sein Anerbieten gewährte, und den Wunsch erkannte, Euch in die weite Welt zu begeben und, wie man zu sagen pflegt, Euer Glück zu versuchen. Er äußerte, wenn es auch wahrscheinlich sei, daß Ihr seine Tochter innig genug liebt, um die ehrsüchtigen Vorstellungen ihrethalben aufzugeben, so würden doch die Teufel des Ehrgeizes und der Habsucht wieder heimkehren, sobald der Beschwörer solcher bösen Geister, die Liebe, endlich die Kraft ihres Zaubers erschöpft habe; alsdann werde er nach seiner Ansicht gerechten Grund haben, um Besorgnisse für das Glück seiner Tochter zu hegen.«

»Wahrlich, der würdige alte Herr spricht gelehrt und weise,« sagte Richard; »ich hielt ihn nicht für so hellsehend. Um Euch die Wahrheit zu sagen, so würde ich, wäre nicht die schöne Menie Gray hier vorhanden, mich so behaglich als ein Mühlpferd finden, wenn ich meine tägliche Runde in diesem langweiligen Lande wandeln müßte, während andere muntere Abenteurer den Versuch machen, wie die Welt sie aufnehmen wird; z. B. wohin wollt Ihr selbst gehen?«

»Ein Verwandter von mütterlicher Seite befehligt ein Schiff im Dienst der Compagnie; ich beabsichtige ihn als Unterarzt zu begleiten; gefällt mir der Seedienst, so will ich darin bleiben, wo nicht, es auf andere Weise versuchen.« Dieß sagte Hartley mit einem Seufzer.

»Nach Indien!« erwiderte Richard; »glücklicher Kerl – nach Indien! Jetzt könnt Ihr mit Gleichmuth die Vereitlung aller Hoffnungen auf dieser Seite der Erdkugel ertragen. O Delhi! o Golconda! besitzen eure Namen nicht Kraft genug, um eitle Erinnerungen zu beschwören? – Indien, wo man Gold mit Stahl gewinnt; wo ein tapfrer Mann seinen Wunsch nach Reichthum nie so hoch spannen kann, daß er sein Ziel nicht erreichen sollte, wenn das Glück ihm lächelt? Ist es möglich, daß ein kühner Abenteurer seine Gedanken wie Ihr nur auf einen Punkt richten und niedergeschlagen sein kann, weil ein hübsches blauäugiges Mädchen Euch einem Gesellen vorziehen mag, der weit weniger glücklich ist, als Ihr selbst? ist es möglich?«

»Weniger glücklich?« fragte Hartley; »könnt Ihr, der glückliche Liebhaber von Menie Gray, in solcher Weise selbst nur im Scherze reden?«

»Nun, Adam,« sagte Richard, »ärgert Euch nicht über mich, weil ich, in einem Punkte erfolgreich, mein gutes Glück nicht ganz mit dem Entzücken betrachte, als vielleicht Ihr, nachdem Ihr den Treffer nicht gehabt habt. Eure Philosophie sollte Euch sagen, daß der Gegenstand, den wir erreichen, oder hinsichtlich dessen wir die Gewißheit ihn zu erreichen haben, ein wenig von dem ausschweifenden und eingebildeten Werth verliert, welchen wir darein setzten, so lange er der Gegenstand fieberhafter Hoffnungen und krankhafter Besorgnisse war. Aber dennoch kann ich ohne meine süße Menie nicht leben; ich will sie morgen von ganzer Seele heirathen, ohne nur einen Augenblick an den Klotz zu denken, den unsere frühzeitige Ehe uns an die Füße binden würde. Aber noch zwei Jahre in dieser höllischen Wildniß zuzubringen, um nach Kronen und halben Kronen zu kreuzen, wenn schlechtere Menschen Sacks Rupien gewinnen – das ist ein trauriges Loos, Adam; rathet mir, mein Freund – könnt Ihr mir nicht eine Weise angeben, um aus diesen zwei Jahren der mir verhängten Langweile herauszukommen?«

»Nein,« erwiderte Hartley, kaum fähig, sein Mißfallen zu unterdrücken, »und könnte ich Doctor Gray bewegen, daß er eine so vernünftige Bedingung aufgebe, so würde ich nur mit großem Leidwesen so verfahren. Ihr seid 21 Jahre alt, und wenn eine solche Prüfungszeit von der Klugheit des Doctors für mich nothwendig gehalten wurde, der ich zwei volle Jahre älter bin, so kann ich mir nicht denken, daß er Euch diese Zeit erlassen wird.«

»Vielleicht nicht,« erwiderte Middlemas; »seid Ihr aber nicht der Meinung, daß diese zwei oder, wenn Ihr wollt, diese drei Prüfungsjahre besser in Indien vollbracht würden, wo in kurzer Zeit mehr gethan werden kann als hier, wo wir nicht mehr uns erwerben können, als Salz für unsere Suppe, und Suppe für unser Salz? Nach meiner Meinung habe ich eine natürliche Richtung nach Indien, und so muß es auch der Fall sein. Mein Vater war Soldat, nach der Vermuthung Aller, die ihn sahen, und ertheilte mir die Liebe zum Degen, sowie einen Arm, denselben zu gebrauchen. Meiner Mutter Vater war ein reicher Kaufmann, welcher den Reichthum liebte, und sicherlich ihn auch zu gewinnen wußte. Dieß kleine Einkommen von 200 Pfund jährlich mit seinen elenden und ungewissen Möglichkeiten mit dem alten Herrn zu theilen, klingt einem jungen Manne wie mir, dem die Welt zum Gewinn sich öffnet, und der einen Degen besitzt, um sich den Weg in ihr zu bahnen, nicht viel besser, als eine anständige Art Bettelei. Menie selbst ist ein Edelstein – ein Diamant – ich gebe das zu, aber dann wird Niemand ein so kostbares Juwel in Blei oder Kupfer, sondern nur in Gold fassen, und dasselbe mit einem Kreise Diamanten als Besatz umringen. Sei ein guter Kamerad, Adam, und übernimm den Auftrag, meinen Plan in passenden Farben dem Doctor vorzulegen. Ich bin überzeugt, das weiseste Verfahren für ihn und Menie besteht darin, daß sie mich diese kurze Prüfungszeit im Lande der Kaurie-Muscheln zubringen lassen; sicherlich wird mein Herz dort jedenfalls sein, und wenn ich einen Tölpel bei einer Entzündungskrankheit zur Ader lasse, werde ich mir einbilden, einen Nabob oder Raschputen von seiner Vollblütigkeit des Reichthums zu erleichtern. Kommt, Ihr müßt mir helfen; wollt Ihr mein Bundesgenosse sein? In 10 Fällen unter 100 werdet Ihr ohnedem Eure eigene Sache vertreten, denn ein Säbel oder eine Bogenschnur kann mich expediren, bevor ich mein Bündel zur Rückkehr schnüre; dann ist Euch der Weg zu Menie frei und offen, und Ihr könnt ja, da Ihr dann die Stellung eines Trösters ex officio einnehmet, sie sogar noch ›mit der Thräne im Auge‹ nehmen, wozu der alte Spruch räth.«

»Herr Richard Middlemas,« sagte Hartley, »ich wünsche, es wäre mir möglich, in den wenigen Worten, die ich noch an Euch zu richten gedenke, Euch hier zu erklären, ob ich Euch am meisten bemitleide oder verachte. Der Himmel hat Glück, Auskommen und Zufriedenheit in Eure Gewalt gegeben, und Ihr wollt diese Güter von Euch stoßen, um Ehrgeiz und Habsucht zu befriedigen. Würde ich entweder dem Doctor Gray oder seiner Tochter hierüber einen Rath ertheilen, so bestände derselbe darin, eine jede Verbindung mit einem Manne abzubrechen, welcher sich in Kurzem, ob noch so sehr von der Natur begabt, als ein großer Thor erweisen wird, welcher ferner, ob noch so ehrlich erzogen, sich vielleicht bei einer Versuchung auch als einen Schurken bewähren kann – Ihr könnt den höhnischen Ausdruck bei Seite lassen, welcher ein sarkastisches Lächeln sein soll. Ich werde dieß nicht versuchen, weil ich überzeugt bin, daß mein Rath zu Nichts helfen wird, wenn derselbe auch nicht einen Argwohn hinsichtlich meiner Beweggründe erregen sollte. Ich werde meine Abreise aus diesem Hause beeilen, damit wir uns nicht wiedersehen; ich werde Gott, dem Allmächtigen, den Schutz der Ehrlichkeit und Unschuld gegen die Gefahren überlassen, welche Eitelkeit und Thorheit begleiten müssen.« Mit den Worten wandte er sich verächtlich von dem jugendlichen Anbeter des Ehrgeizes weg und verließ den Garten.

»Halt,« sagte Middlemas, von dem Gemälde betroffen, welches seinem Gewissen vorgehalten wurde, »halt ein, Adam Hartley, ich will Euch bekennen« – allein seine Worte wurden in schwacher und stotternder Weise gesprochen und erreichten entweder nicht das Ohr Hartley's, oder änderten nicht dessen Entschluß abzureisen.

Als er den Garten verlassen hatte, begann Middlemas seinen Charakter der Keckheit wieder anzunehmen.

»Wäre er einen Augenblick länger geblieben,« dachte er, »so wäre ich Papist geworden und hätte ihn zu meinem Beichtvater gemacht, den Bauerntölpel! – ich möchte jedoch etwas darum geben, um zu erfahren, wie er einen solchen Einfluß über mich erlangt hat. Welche Verpflichtungen ist Menie Gray gegen ihn eingegangen? sie hat ihm ja seine Antwort gegeben, und welches Recht besitzt er deßhalb, sich zwischen uns einzudrängen? Hätte der alte Monçada seine Pflicht als Großvater gethan, und mir ein gehöriges Vermögen gegeben, so wäre dieser Plan, das süße Mädchen zu heirathen und sich hier in ihrem Geburtsort niederzulassen, ziemlich ausführbar gewesen, jedoch das Leben ihres alten Packesels von Vaters zu führen – jedem Bauern von 20 Meilen in der Runde zu Befehl zu stehen! Wahrlich, die Arbeit eines Krämers, welcher viele 20 Meilen zurücklegt, um Nadeln, Bänder, Schnupf- und Rauchtabak gegen der Bauernweiber Privatvermögen an Eiern, Marderfellen und Talg zu verkaufen, ist einträglicher, weniger mühsam, und wahrhaftig, wie ich glaube, ebenso achtbar. Nein, nein – wenn ich Reichthum nicht näher zu Hause finde, so will ich ihn dort suchen, wo ihn Jedermann für die Mühe des Einsammelns erhalten kann, und somit will ich in's Wirthshaus zum Schwanen, und eine schließliche Berathung mit meinem Freunde halten.



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