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Die beiden Viehtreiber.

Sie beid' erschienen auf des Berges Wiesen,
Als sie beim Morgenroth die Heerden trieben.

Spencer.

Ich habe mich oft darüber gewundert, daß alle Lieblingsbeschäftigungen und Zeitvertreibe der Menschen auf die Störung jenes glücklichen Zustandes der Ruhe hinaus gehen, jenes Otium, wie Horaz es nennt, welches, wie er sagt, der Gegenstand aller Gebete der Menschen sowohl zu Lande wie zur See ist; und daß die ungestörte Ruhe, welche wir so gerne festhalten möchten, wenn Pflicht oder Nothwendigkeit uns zwingt, sie aufzugeben, alsbald eifrig mit einem Zustand der Aufregung vertauscht wird, wenn wir sie nach Belieben verlängern könnten. Kurzum, man braucht nur einem Manne zu sagen, bleibe ruhig, und man wird ihm sogleich die Liebe zur Arbeit einflößen. Der Jagdherr tummelt sich nicht weniger als sein Wildschütz, der Herr eines Rudels von Hunden plagt sich um die Wette mit seinem Hundezüchter, der Staatsmann oder Politiker quält sich mehr ab als der Rechtsgelehrte von Gewerbe; um auf meinen eigenen Fall zurückzukommen, der Verfasser aus eigenem Antrieb läßt sich in das Wagniß verdrießlicher Kritik und der bestimmten Gewißheit geistiger und körperlicher Arbeit eben so vollständig wie sein armer Bruder ein, den seine Bedürfnisse zur Ergreifung der Feder zwingen.

Diese Gedanken wurden mir eingegeben durch eine Ankündigung meiner Haushälterin, daß der kleine Hans Weißfuß aus der Druckerei angekommen sei.

»Hans Schwarzfuß solltet Ihr ihn nennen, Janet,« war meine Antwort, »denn er ist nichts mehr noch weniger, als der kleine Kobold eines Teufels; er ist gekommen, um mich um Manuscript für die Presse zu plagen.«

»Nun, Gott vergebe Euer Gnaden,« sagte Janet, »es sieht Euch nicht ähnlich, daß Ihr einen solchen Namen einem vaterlosen Waisenkinde gebt.«

»Ich kann ihm sonst nichts geben, Janet; er muß ein wenig warten.«

»Dann will ich dem Burschen ein Frühstück geben,« sagte Janet, »er kann beim Kamin in der Küche warten, bis Euer Gnaden fertig ist; es würde sich für ihn und Seinesgleichen geziemen, daß er auf Euer Gnaden Belieben den ganzen Tag warten müßte.«

»Aber Janet,« sagte ich meiner kleinen thätigen Oberaufseherin, als sie zum Zimmer zurückkehrte, nachdem sie ihre gastfreundlichen Anordnungen getroffen hatte, »ich beginne zu finden, daß dieß Schreiben unserer Chronik etwas langweiliger wird, als ich glaubte, denn es kömmt dieser kleine Kerl, um Manuscript zu holen, d. h. etwas, das man drucken soll, und ich habe keins.«

»Euer Gnaden kann nicht in Verlegenheit sein, ich habe Euch schnell genug schreiben sehen, und was Gegenstände betrifft, so habt Ihr ja die ganzen Hochlande, um darüber zu schreiben, und ich bin überzeugt, Ihr kennt noch hundert bessere Geschichten, als die von Hamish Mac Tavish, denn diese betraf doch im Grunde nur einen jungen Freibeuter und eine alte Hexe; wenn man das alte Weib als Hexe verbrannt hätte, so glaube ich, daß man nicht die Kohlen verschwendet haben würde; sie hat noch dazu ihren Thunichtgut von Sohn angereizt, daß er einen Herrn Cameron erschoß! Ich bin im dritten Gliede selbst mit den Camerons verwandt – mein Blut wird für sie warm, und wenn Ihr über Deserteure schreiben wollt, so gibt es deren genug dort in der Kaserne, besonders als die Meuterei an jenem traurigen Tage am Leith Pier ausbrach.«

Hier begann Janet zu weinen und sich die Augen mit der Schürze abzuwischen. Was mich betrifft, so war mir jetzt eine Idee, wie ich sie brauchte, angegeben worden, allein ich trug Bedenken, davon Gebrauch zu machen. Gegenstände werden wie Melodien gemein, wenn man sie zu häufig anwendet; nur ein Esel wie Friedensrichter Shallow, würde an solchen ausgepeitschten Melodien, welche die Karrentreiber pfeifen, noch länger festhalten, und versuchen, ob er sie als das Machwerk seiner Phantasie bei Andern gelten lassen könne. Nun aber sind die Hochländer, obgleich früher eine reiche Grube für Originalstoff, wie meine Freundin Bethune Baliol mir zu verstehen gegeben hat, in gewisser Hinsicht durch die Mühe neuerer Romandichter abgenützt, welche die eitle Einbildung hegten, als sie alte Sitten und Gewohnheiten in diesen entlegenen Gegenden vorfanden, daß das Publikum niemals durch dieselben sich ermüden lasse; man findet jetzt in den Fächern einer Leihbibliothek eben so viel Hochländer mit Schurzfellen und von ächter Abstammung, als auf einem Caledonischen Ball. Früher hätte man viel aus der Geschichte eines hochländischen Regimentes und der eigenthümlichen Ideen-Revolution machen können, welche in den Seelen der Soldaten vorging, als dieselben die Berge ihres Geburtslandes mit den Schlachtfeldern des Festlandes und die oft mit Gleichgültigkeit gepaarte Einfachheit ihrer heimischen Sitten mit der regelmäßigen, durch moderne Disciplin bewirkten Thätigkeit vertauschten. Allein der Markt ist jetzt überfüllt. Eine Schriftstellerin hat die Sitten, Gewohnheiten und den Aberglauben der Berge in der natürlichen, unverfälschten Weise dargestellt; mein Freund, General Stewart, hat die wirkliche Geschichte der hochländischen Regimenter geschrieben, so daß eine Ausfüllung der Skizze durch Phantasie sehr mißlich geworden ist. Indeß habe ich noch einige Luft, einen Stein zu dem Haufen hinzuzufügen; ohne meine Einbildungskraft zu Hülfe zu rufen, damit sie den Eindrücken meiner jugendlichen Erinnerungen Beistand leiste, kann ich noch einmal den Versuch machen, ein oder zwei Scenen zu Erläuterung des hochländischen Lebens zu erschaffen, welche als eigenthümlich der Chronik von Canongate angehören und den grauköpfigen Einwohnern desselben eben so bekannt wie mir sind. In die Tage der Clans und der hochländischen Degen will ich nicht dabei zurückgehen. Hier erhältst du, gütiger Leser, nur eine Geschichte von zwei Viehhändlern. »Eine Auster kann durch Liebe gequält werden,« sagt eine zierliche Dichterin, und ein Viehhändler kann im Punkte der Ehre verletzt werden, sagt der

Chronikschreiber von Canongate.



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