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Erstes Kapitel.

Wo Leidende nach Hülfe schreien,
Umschattet von des Todes Nacht,
Zeigt er durch kräft'ge Arzeneien
Prunklos die Kunst und ihre Macht;
Bringt Pflege in die dunkle Zelle,
Wo Elend sich den Qualen bückt,
Wo sterbend an die öde Schwelle
Sich hoffnungslos der Mangel drückt;
Kein Rufen läßt ihn kalt verziehen,
Kein Lohn ist seinem Stolz zu klein:
So trägt sein tägliches Bemühen
Ihm den Bedarf des Tages ein.

Samuel Johnson.

Die ausgezeichnet schöne Schilderung, welche Johnson von seinem Freunde Levett in seiner Wochenschrift »The Rambler« gegeben hat, paßt auf Gideon Gray und manche andere Dorfärzte, von welchen Schottland mehr Wohlthaten empfängt und gegen welche es sich vielleicht undankbarer erweist, als gegen irgend eine andere Klasse von Menschen, mit Ausnahme seiner Schulmeister.

Ein solcher ländlicher Arzt ist meistens Bewohner eines kleinen Fleckens oder Dorfes, welches den Mittelpunkt seiner Praxis bildet. Außerdem aber, daß er die Kranken behandelt, die im Dorfe sich finden, steht er Tag und Nacht Jedermann zu Diensten, der vielleicht seines Beistandes innerhalb eines Umkreises von 40 englischen Meilen Durchmesser bedarf, eines Gebietes, welches von Straßen in manchen Richtungen durchzogen ist, und Sümpfe, Berge und Moore einschließt. Für nächtliche und gefährliche Reisen durch ein unzugängliches Land, welche nur die Leistung von Diensten der wesentlichsten Art bezwecken – für solche Reisen, bei welchen Gesundheit und Leben verloren gehen oder wenigstens auf's Spiel gesetzt werden, empfängt der schottische Dorfarzt im besten Falle einen sehr mäßigen Lohn, oft einen solchen, welcher gänzlich unverhältnißmäßig ist; sehr häufig aber bekömmt er auch gar keine Bezahlung seiner Mühen. Es stehen ihm nicht die großen Hülfsquellen zu Gebote, die seinen Collegen in einer englischen Stadt eröffnet sind. Die Bürger eines schottischen Fleckens sind durch ihre sehr beschränkten Mittel des Luxus für Gicht, Ueberladung und alle die chronischen Krankheiten unempfänglich, welche den Reichthum und die Trägheit begleiten. Vier Jahre der Enthaltsamkeit setzen sie in Stand, das Mittagessen einer Parlamentswahl auszuhalten, und auf zerschlagene Köpfe ist keine Aussicht, wo einige zwanzig oder vierzig ruhige Wähler das Geschäft bei Tische abmachen. Dort ergießen nicht die Mütter des Staates im Laufe eines jeden Jahres eine gewisse Quantität Arznei in die Eingeweide ihrer geliebten Kinder. Jedes alte Weib von einem Ende des Stadtgebietes bis zum andern kann eine Dosis Bittersalz verschreiben, oder ein Pflaster schmieren; nur wenn ein Fieber oder ein Schlagfluß ernstliche Gefahr darbietet, wird die Hülfe des Doctors von seinen Nachbarn im Orte selbst angerufen.

Indeß der Mann der Wissenschaft kann sich über Unthätigkeit oder Mangel an Praxis nicht beklagen. Findet er keine Patienten vor seiner Thüre, so sucht er dieselben in einem weiteren Kreise. Wie der Geist in Bürgers Lenore reitet er zur Mitternacht und durchzieht in der Dunkelheit Pfade, die den weniger daran Gewöhnten beim Tageslicht furchtbar erscheinen; er reitet auf engen Wegen, wo der geringste Fehltritt ihn in einen Morast werfen oder über einen Abgrund schleudern würde; er reitet nach Hütten, über die sein Pferd hinwegschreiten könnte, ohne zu erfahren, daß sie ihm im Wege lägen, wenn es nicht durch das Dach hindurch fiele. Gelangt er an ein so trauriges Ziel seiner Reise, wo man seiner Dienste bedarf, um einen Armen in die Welt zu bringen, oder zu verhindern, daß ein solcher sie verläßt, so ist die Scene des Elendes oft solcher Art, daß er, statt die hart ersparten Schillinge zu berühren, die man ihm dankbar anbietet, seine Arzneien ebenso wie seine ärztliche Behandlung als Almosen gibt. Ich selbst habe gehört, wie der berühmte Reisende Mungo Park, welcher das Leben eines solchen Arztes durch Erfahrung kannte, einer Entdeckungsreise in's Innere von Afrika den Vorzug gab vor den täglichen und mißlichen Wanderungen in den Wildnissen seines Vaterlandes, welche ein praktischer Arzt auf dem Lande dort ausführen muß. Er erzählte, daß er einstmals 40 Meilen ritt, die ganze Nacht aufsaß, und ein Weib nach dem einfachsten Verfahren glücklich entband, wofür seine einzige Belohnung in einer gerösteten Kartoffel und einem Trunk Buttermilch bestand. Sein Herz war jedoch nicht solcher Art, daß er über irgend eine Arbeit gemurrt hätte, welche das menschliche Elend erleichtert. Kurzum, es gibt in Schottland kein Geschäft, welches härtere Arbeit erheischt und elender belohnt wird, als dasjenige des Landarztes – vielleicht nur mit Ausnahme seines Pferdes. Dennoch ist das Pferd, und muß es auch sein, kräftig, thätig und unermüdlich, ungeachtet seiner struppigen Haut und seines elenden Aussehens; so auch wird man öfter finden, daß sein Herr unter einem wenigversprechenden und plumpen Aeußern Geschicklichkeit in seiner Kunst und Begeisterung für dieselbe, höhere Einsicht, Muth und wissenschaftliche Kenntniß verbirgt.

Herr Gideon Gray, Wundarzt im Flecken Middlemas, welcher in einer der mittleren Grafschaften Schottlands liegt, führte das rauhe, thätige und schlecht belohnte Leben, welches wir zu schildern suchten. Er war ein Mann zwischen vierzig und fünfzig, welcher sich von ganzer Seele seinem Gewerbe hingegeben und einen solchen Ruf unter den Aerzten erlangt hatte, daß ihm mehr als einmal bei vorkommenden Gelegenheiten angerathen wurde, Middlemas und dessen magere Praxis mit derjenigen in einer der größeren Städte Schottlands oder Edinburgs selbst zu vertauschen. Er war ein einfacher, derber Mann, welchem jeder Zwang widerlich war, und welcher sich den Formen nicht unterwerfen wollte, die in gebildeter Gesellschaft gelten. Er hatte nicht selbst erkannt, und kein Freund hatte ihm einen Wink gegeben, daß der Arzt durch ein an das Cynische streifendes Benehmen im Aeußern und in Gewohnheiten bei der Menge den Eindruck der Ueberlegenheit erhält, welcher sehr dazu dient, seinen Ruf zu vergrößern.

Herr Gray, oder wie ihn das Landvolk nannte, Doctor Gray (er hatte vielleicht den Titel durch ein Diplom erhalten, er selbst aber machte nur Anspruch auf den Rang eines Magister artium liberalium) hatte wenige Bedürfnisse, und diese wurden im Ueberfluß durch das Einkommen seiner Praxis gedeckt, welche im Allgemeinen sich auf 200 Pfd. jährlich belief; dafür mußte er im Durchschnitt ungefähr 5000 Meilen zu Pferde im Laufe des Jahres zurücklegen. Sein Einkommen ernährte ihn so reichlich nebst seinen zwei Kleppern, Mörserkeule und Mörser genannt, die er abwechselnd ritt, daß er ein Mädchen heirathete, die es mit ihm theilte. Dies war Jean Watson, die rothwangige Tochter eines ehrlichen Pächters, welche als das Mitglied einer Familie von 12 Kindern, die mit einem Einkommen von 80 Pfd. jährlich auferzogen ward, sich nicht denken konnte, daß Armuth bei mehr als dem doppelten Betrag jener Summe stattfinden könne; sie betrachtete Gray, obgleich derselbe jetzt von der unehrerbietigen Jugend der alte Doctor genannt wurde, als einen Bewerber, welcher ihr eine sehr vortheilhafte Heirath biete. Mehrere Jahre lang erhielt das Ehepaar keine Kinder, und es schien, als ob Doctor Gray, welcher seinen Beistand den Anstrengungen der Göttin Lucina so oft geleistet hatte, dieselbe niemals in seinen eigenen Angelegenheiten anrufen solle. Seinem Hause jedoch war das Schicksal bestimmt, daß es bei einer merkwürdigen Gelegenheit als Schauplatz dienen mußte, wo die Kunst der Göttin erheischt wurde.

Eines Abends im Spätherbste sah man drei bejahrte Frauen ihre alten Glieder durch die einzige Straße des Fleckens Middlemas nach der geehrten Thüre eilig hinbewegen, welche, von dem Fahrwege durch einen Zaun abgesondert, durch ein zerbrochenes Pfahlwerk geschützt war, welches zwei Streifen Land, zur Hälfte Ackergrund, zur Hälfte mit verkrüppeltem Gebüsch bedeckt, umringte. Ueber der Thüre selbst prangte ein Schild mit dem Namen Gideon Gray, Magister artium, Wundarzt u. s. w. Einige müssige Knaben, die noch vor einigen Minuten am andern Ende der Straße vor der Thüre eines Bierhauses umhergeschlendert waren (denn der angebliche Gasthof verdiente keinen bessern Namen), begleiteten jetzt die alten Damen mit lautem Gelächter, welches durch ihre ungewohnte Behendigkeit erregt war. Sie wetteten auf die jenen Wettlauf Gewinnende mit so lautem Geschrei, als würden bei einem Wettrennen am Auslaufeplatz der Pferde Wetten ausgeboten: »eine halbe Pinte auf Luckie Simson!« – »alte Peg Tamson, halte dich gegen das Feld hin!« – »lauf schneller, Alison Jaup, Ihr könnt die Andern noch zu Tode hetzen!« – »lauft geschwind nach dem Hügel zu, Mädchen, sonst wird ein altes Weib unter euch zerplatzen!« Diese und tausend ähnliche Spöttereien schallten durch die Luft, ohne von den ängstlichen, den Wettlauf haltenden Weibern beachtet oder gehört zu werden, deren Zweck allein dahin gerichtet zu sein schien, wer des Doctors Thüre zuerst erreichen werde.

»Gott schütze uns, Doctor, was kann das zu bedeuten haben,« sagte Mistreß Gray, eine Frau, deren Charakter derjenige eines gutmütigen Dummkopfs war, »dort halten Peg Tamson, Jean Simson und Alison Jaup ein Wettrennen auf der Straße des Dorfes!«

Der Doctor, welcher nur einen Augenblick zuvor seinen nassen Ueberrock ans Feuer gehängt hatte (denn er war soeben nach einem langen Ritt vom Pferde gestiegen), eilte die Treppe hinab, indem er eine neue Gelegenheit für seinen Dienst vermuthete; es war für ihn ein glücklicher Umstand, daß dieselbe, nach dem Charakter der Boten zu schließen, sich im Dorfe selbst, und nicht außerhalb desselben vorfand.

Er hatte gerade die Thüre erreicht, als Luckie Simson, eine der Wettrennenden, auf die kleine vor dem Hause liegende Fläche kam. Sie war den Uebrigen voran gelaufen und hatte ihren Platz behauptet, für den Augenblick jedoch auf Kosten ihres Sprachvermögens, denn als sie zum Doctor gelangte, schnaufte sie wie ein Nordkaper, wobei ihr loses Kopftuch von ihrem Gesicht zurückflatterte; sie machte die heftigsten Anstrengungen, um zu sprechen, ohne jedoch ein einziges verständliches Wort hervorbringen zu können. Peg Tamson kam ihr mit den Worten zuvor:

»Die Dame, Herr, die Dame!« –

»Augenblickliche Hülfe!« kreischte Alison Jaup, eher als sie diese Worte sprach, während Luckie Simson, welche sicherlich das Wettrennen gewonnen hatte, Worte fand, um den Preis in Anspruch zu nehmen, der sie Alle in Bewegung gesetzt hatte.

»Ich hoffe, Herr, Ihr werdet mich als Krankenwärterin empfehlen, ich war hier, um Euch die Zeitung zu bringen, lange Zeit vor diesen faulen Menschern.«

Laut waren die Einreden der beiden Mitbewerberinnen, und laut das Gelächter der müssigen Schlingel, die in einiger Entfernung horchten.

»Haltet das Maul, ihr zankenden Närrinnen,« sagte der Doctor, »und ihr faule Schlingel, wenn ich unter Euch komme« – mit den Worten klatschte er seine lange Peitsche mit großem Nachdruck und rief sogleich die Wirkung des berühmten Quos ego Ich will euch! Neptuns im ersten Buch der Aeneide hervor, »und nun,« fragte der Doctor, »wo und wer ist diese Dame?« Die Frage war kaum nothwendig, denn eine schlichte Kutsche mit vier Pferden fuhr nach der Thüre des Hauses zu, und die alten Frauen, die sich jetzt mehr in ihrer Bequemlichkeit befanden, gaben dem Doctor zu verstehen, der Herr in der Kutsche halte die Einrichtung im Gasthofe zum Schwanen für durchaus ungeeignet zur Aufnahme einer Dame von Rang und hohem Stande; er habe deßhalb sie hieher gebracht (eine jede nahm das Verdienst der Rathgeberin in Anspruch), um die Gastfreundschaft des westlichen Zimmers zu ersuchen – eine Art von Fremdenzimmer, worin Doctor Gray gelegentlich solche Patienten unterbrachte, die er auf einige Zeit unter seinen eigenen Augen behandeln wollte.

In dem Wagen befanden sich nur zwei Personen; der Eine, ein Herr in einem Reitkleide, sprang heraus, empfing von dem Doctor die Versicherung, daß die von ihm herbeigeführte Dame in seinem Hause eine ziemlich bequeme Einrichtung finden werde, leistete seiner Gefährtin Beistand, um den Wagen zu verlassen, und zeigte offenbare und große Zufriedenheit, als dieselbe in einem anständigen Schlafgemach untergebracht und der achtbaren Sorgfalt des Doctors und seiner Frau übergeben war, die ihm noch einmal die Versicherung gaben, daß sie der Dame jede Art Sorgfalt erweisen würden. Um dies Versprechen noch fester zu binden, ließ der Fremde eine Börse von 20 Guineen (die Geschichte ereignete sich in der goldenen Zeit, worin man noch wenig Papiergeld im kleinen Verkehr kannte) in die Hand des Doctors als Unterpfand einer noch freigebigeren Belohnung schlüpfen, und bat alsdann, derselbe möge keine Kosten scheuen, um alles Nothwendige und Wünschenswerthe herbeizuschaffen, welches für eine Person im Zustande der Dame und für das hülflose Wesen erheischt werde, dessen Geburt sogleich zu erwarten sei. Er erklärte alsdann, daß er sich in den Gasthof zurückziehen wolle; man möge aber durch eine Botschaft ihn sogleich von der erwarteten Veränderung der Lage der Dame in Kenntniß setzen.

»Sie ist eine Dame von Rang,« sagte er, »und eine Fremde, sparet keine Kosten. Wir beabsichtigten Edinburg zu erreichen, wurden aber durch einen Zufall gezwungen, vom Wege abzulenken. Noch einmal,« wiederholte er, »sparet keine Kosten, und behandelt sie in solcher Weise, daß sie sobald als möglich weiter reisen kann.«

»Das Letztere geht über meine Macht,« sagte der Doctor; »die Natur darf nicht übereilt werden, oder sie rächt sich an jedem Versuch, dieß zu thun.«

»Allein die Kunst,« erwiderte der Fremde, »vermag viel,« und er reichte eine zweite Börse, welche so schwer wie die erste zu sein schien.

»Die Kunst,« sagte der Doctor, »kann man belohnen, aber nicht erkaufen. Ihr habt mir schon mehr als genug bezahlt, damit ich die äußerste mir mögliche Sorgfalt für Eure Dame trage; wurde ich mehr Geld annehmen, so könnte ich dieß allein durch Versprechen oder wenigstens durch stillschweigendes Zugeständniß solcher Leistungen, deren Erfüllung über meine Kräfte geht. Jede mögliche Sorgfalt soll Eurer Dame erwiesen werden, und dadurch wird die meiste Möglichkeit geboten, daß sie ihre Reise bald antreten kann. Jetzt, Herr, geht in Euren Gasthof, denn vielleicht ist meine Gegenwart im Augenblick erforderlich, und wir haben bis jetzt weder für eine Wärterin der Dame, noch für eine Amme des Kindes gesorgt; Beides soll alsbald geschehen.«

»Noch einen Augenblick, Doctor, welche Sprachen versteht Ihr?«

»Latein und französisch spreche ich ziemlich, wenigstens so, daß man mich versteht, auch lese ich etwas italienisch.«

»Aber kein Portugiesisch oder Spanisch?« fragte der Fremde aufs Neue.

»Nein, Herr.«

»Das ist ein unglücklicher Umstand, Ihr könnt Euch aber durch Französisch verständlich machen; merkt Euch aber, daß Ihr jedes ihrer Verlangen erfüllt; wenn Ihr die Mittel dazu braucht, so wendet Euch an mich.«

»Darf ich fragen, Herr, mit welchem Namen ich die Dame –«

»Dieß ist gänzlich gleichgültig,« unterbrach der Fremde die Frage. »Ihr werdet denselben bei mehr Muße erfahren.«

Mit den Worten hüllte er sich in seinen weiten Mantel, wobei er eine halbe Wendung, dies Verfahren zu erleichtern, mit einem Ausdruck seiner Züge machte, den der Doctor nur schwer hätte nachahmen können, und ging die Straße nach dem kleinen Gasthofe hinab. Hier bezahlte er und entließ die Postillionen, und schloß sich in ein Zimmer mit dem Befehle ein, Niemanden zuzulassen, bis der Doctor ihn rufen würde.

Als der Doctor zum Zimmer seiner Patientin zurückkehrte, fand er seine Frau in großer Ueberraschung, welche mit Furcht und Aengstlichkeit gemischt war, wie es bei Personen ihres Charakters gewöhnlich ist.

»Sie kann kein Wort wie ein christliches Wesen reden,« sagte Frau Gray.

»Ich weiß es,« erwiderte der Doctor.

»Aber sie will hartnäckig eine schwarze Maske auf ihrem Gesicht behalten, und kreischt, wenn wir dieselbe wegnehmen wollen.«

»Wohlan denn, laßt ihr die Maske, was kann dieselbe schaden?«

»Was sie schaden kann, Doctor! wurde jemals ein ehrliches Weib entbunden, während eine Maske auf ihrem Gesichte war?«

»Vielleicht selten, aber Jean, meine Liebe, diejenigen, welche nicht ganz ehrlich sind, müssen ebenso entbunden werden, als die ehrlichen Weiber, und wir dürfen nicht das Leben des armen Dings dadurch in Gefahr bringen, daß wir ihren Launen gegenwärtig widersprechen.«

Als er sich dem Bette der kranken Frau näherte, bemerkte er, daß sie wirklich eine dünne seidene Maske derjenigen Art trug, welche in der ältern Komödie so gute Dienste leistet, und welche Damen von Rang damals auf Reisen, sicherlich aber niemals in der Lage dieser armen Dame, trugen. Wie es schien, hatte sie deßhalb Zudringlichkeit erfahren; als sie nämlich den Doctor sah, legte sie die Hand auf's Gesicht, als besorge sie, er werde darauf bestehen, ihr die Maske abzunehmen. Er beeilte sich, ihr in ziemlich gutem Französisch zu erklären, daß ihr Wille hier Gesetz sei, und daß sie in vollkommener Freiheit sich befinde, die Maske zu tragen, bis sie dieselbe ablegen wolle. Sie verstand ihn, denn sie erwiderte in einem unvollkommenen Versuch, dieselbe Sprache zu reden, und sprach ihm ihre Dankbarkeit für die Erlaubniß aus, ihre Verkleidung beizubehalten, wofür sie die Erklärung des Doctors zu halten schien.

Der Doctor traf nun weitere Anordnungen. Zur Befriedigung der Leser, welche genaue Angaben wünschen, bemerken wir hier, daß Luckie Simson, die erste im Wettrennen, den Preis der Anstellung als Krankenwärterin bei der zarten Patientin davontrug; daß Peg Tamson das Vorrecht erhielt, ihre Pathe, Bet Jamieson, als Amme zu empfehlen, und daß eine Enkelin von Alison Jaup gemiethet wurde, um bei den jetzt vermehrten Haushaltungsgeschäften der Familie als Gehülfin zu dienen. Der Doctor theilte somit wie ein gewandter Minister unter seinen vertrauten Anhang die guten Dinge, die ihm das Glück zur Verfügung gestellt hatte.

Um 1 Uhr Morgens erschien der Doctor im Gasthofe zum Schwanen und setzte den fremden Herrn in Kenntniß, daß er ihm Glück wünsche, der Vater eines gesunden Knaben zu sein, und daß sich die Mutter nach der gewöhnlichen Phrase so gut als möglich befinde.

Der Fremde hörte die Nachricht mit scheinbarer Zufriedenheit, und rief dann aus: »er muß sogleich getauft werden!«

»Das kann keine Eile haben,« sagte der Doctor.

» Wir sind anderer Meinung,« sagte der Fremde, indem er die Verhandlung kurz abschnitt; »ich bin Katholik, Doctor, und da ich vielleicht genöthigt werde, diesen Platz zu verlassen, bevor die Dame weiter reisen kann, so wünschte ich mein Kind in den Schooß der Kirche aufgenommen zu sehen. Wie ich höre, befindet sich ein katholischer Priester in diesem elenden Orte«

»Es wohnt hier ein katholischer Herr, Namens Goodriche, von welchem man sagt, daß er die Weihe empfangen habe.«

»Ich empfehle Euch Vorsicht, Doctor,« sagte der Fremde, »es ist gefährlich, allzu bestimmte Behauptungen über irgend einen Gegenstand vorzubringen. Ich will diesen Herrn Goodriche morgen in Euer Haus bringen.«

Gray bedachte sich einen Augenblick und sagte dann: »ich bin ein calvinistischer Protestant, Herr, ein Freund der Verfassung in Kirche und Staat, und zwar mit gutem Recht, denn ich erhielt den Sold des Königs, Gott segne ihn, vier Jahre lang als Unterarzt im Cameron'schen Regiment, wie meine Regimentsbibel und mein Patent bezeugt; obgleich ich aber verbunden bin, jeden Handel und Ceremonien mit Papisten zu vermeiden, so will ich dennoch nicht einem zarten Gewissen im Wege stehen. Herr, Ihr mögt Herrn Goodriche, wenn Ihr wollt, in mein Haus bringen. Da Ihr nun, wie ich glaube, unzweifelhaft der Vater dieses Kindes seid, so könnt Ihr Anordnungen nach Eurem Belieben treffen; nur wünsche ich, nicht für einen Anstifter oder Unterstützer irgend eines Theils der päpstlichen Bräuche zu gelten.«

»Genug, Herr,« sagte der Fremde stolz; »wir verstehen einander.«

Am nächsten Tage erschien er in des Doctors Hause mit Herrn Goodriche und zwei Personen, die zu des ehrwürdigen Herrn Religion angeblich gehörten. Die Gesellschaft schloß sich mit dem Kinde ein, und es läßt sich vermuthen, daß die Feierlichkeit der Taufe mit dem bewußtlosen Wesen vorgenommen wurde, welches auf so sonderbare Weise zur Welt gebracht war. Als der Priester und die Zeugen sich entfernt hatten, setzte der fremde Herr den Doctor in Kenntniß, weil die Dame vor mehreren Tagen noch nicht abreisen könne, und er selbst die Gegend zu verlassen im Begriffe stehe, so werde er nach zehn Tagen zurückkehren, und hoffe, daß seine Gefährtin dann im Stande sei, das Haus zu verlassen.

»Mit welchem Namen sollen wir das Kind und die Mutter nennen?«

»Des Kindes Name ist Richard.«

»Es muß jedoch einen Familiennamen haben, ebenso wie die Dame, ohne Namen kann sie in meinem Hause nicht wohnen.«

»Nennt sie nach dem Namen Eures Fleckens hier, ich glaube Middlemas heißt derselbe?«

»Ja, Herr.«

»Wohlan denn, Frau Middlemas ist der Name der Mutter, und Richard Middlemas der des Kindes, und ich bin Matthias Middlemas zu Euren Diensten. Dieß,« fuhr er fort, »wird der Frau Middlemas Alles, was sie zu besitzen wünscht, verschaffen, oder ihr im Falle von Zufälligkeiten zur Aushülfe gereichen.« Damit legte er 100 Pfd. in Herrn Gray's Hand, der einiges Bedenken trug, sie anzunehmen, indem er sagte: »ich glaube, die Dame kann ihre Börse selbst verwahren.«

Am schlechtesten von Allen in der Welt, das versichere ich Euch, Doctor,« erwiderte der Fremde; »wünschte sie dies Papierstück einzuwechseln, so würde sie kaum wissen, wie viel Guineen sie dafür zu empfangen hat. Nein, Herr Gray, ich versichere Euch, Ihr werdet Frau Middleton – Middlemas – wie habe ich sie denn genannt – so unwissend in diesen Angelegenheiten der Welt finden, als irgend Jemand, der Euch in Eurer Praxis vorgekommen ist; seid gefälligst ihr Schatzmeister und Vermögensverwalter auf einige Zeit, und zwar derjenige eines Patienten, welcher seine Angelegenheiten selbst nicht besorgen kann.«

Dieß wurde, zur Verwunderung des Doctor Gray, in einer etwas stolzen und hochmüthigen Weise gesagt. Die Worte an sich enthielten nichts Anderes, als den Wunsch, ein Incognito zu bewahren, welcher sich auch aus dem ganzen übrigen Betragen des Fremden ergab; das Benehmen aber schien zu sagen: »ich bin nicht der Mann, dem man Fragen vorzulegen hat; was ich sage, muß ohne weitere Erläuterungen angenommen werden, wie wenig Ihr es auch glaubt oder versteht.«

Gray wurde dadurch in seiner Meinung bestärkt, daß er entweder einen Fall der Entführung oder den einer geheimen Ehe zwischen Personen des höchsten Ranges vor sich habe; auch bestätigte das ganze Verfahren der Dame sowohl als des Herrn diese Vermuthung. Zudringlichkeit und Neugier lag durchaus nicht in seinem Charakter; allein der Umstand, daß die Dame keinen Ehering trug, konnte ihm nicht entgehen; ihr tiefer Kummer und ihr fortwährendes Zittern schien ein unglückliches Geschöpf anzudeuten, welches den Schutz seiner Eltern verloren hatte, ohne ein gesetzmäßiges Recht auf den ihres Gatten zu erlangen. Er ward deßhalb etwas ängstlich, als Herr Middlemas nach einer ziemlich langen Unterredung mit der Dame ihm Lebewohl sagte. Allerdings gab er ihm die Versicherung, daß er in zehn Tagen wiederkehren würde; dieß war nämlich der kürzeste Zeitraum, welchen Gray für die Aussicht einer sicheren Reise für die Dame festzusetzen bewogen werden konnte.

»Ich hoffe, bei Gott, daß er zurückkehren wird,« dachte Gray; »in allem dem ist zu viel Geheimniß, als daß die Sache in einfacher und wohlmeinender Weise abgemacht würde. Wenn er dies arme Ding ebenso zu behandeln beabsichtigt, wie manches arme Mädchen früher behandelt wurde, so hoffe ich, daß mein Haus nicht den Schauplatz bieten wird, wo er sie zu verlassen beabsichtigt. Der Umstand, daß er das Geld zurückläßt, hat etwas Verdächtiges und sieht aus, als ob mein Freund eine Ausgleichung mit seinem Gewissen treffen wollte. Wohlan, ich muß das Beste hoffen, mittlerweile ist es meine Pflicht, alles Mögliche zu thun, was ich zum Wohl der armen Dame thun kann.«

Herr Gray besuchte seine Kranke bald nach der Abreise von Herrn Middlemas, und zwar so bald er Zutritt erhalten konnte. Er fand sie in heftiger Aufregung. Gray's Erfahrung ließ ihn den besten Weg zu ihrer Beruhigung einschlagen; er ließ ihr das Kind bringen. Sie weinte lange Zeit, und die Heftigkeit ihrer Aufregung legte sich unter dem Einfluß mütterlicher Gefühle, die sie nach ihrem Aeußeren, welches die früheste Jugend bezeugte, zum ersten Male empfinden mußte.

Der beobachtende Arzt konnte nach diesem heftigen Anfall sehr wohl bemerken, daß die Seele seiner Patientin hauptsächlich sich mit der Berechnung des Verlaufes der Zeit beschäftige, und stets an das Eintreffen des Zeitpunktes im Voraus dachte, wo die Rückkehr ihres Gatten, wenn es ihr Gatte war, erwartet werden konnte. Sie fragte Kalender um Rath, erkundigte sich nach der Entfernung gewisser Orte, obgleich mit solcher Vorsicht, daß es klar wurde, sie wünsche die Richtung der Reise ihres Geliebten nicht anzuzeigen, und verglich zu wiederholten Malen ihre Uhr mit denen von Andern; sie brachte dabei offenbar alle jene täuschenden Arten von Rechnungen der Einbildungskraft in Anwendung, womit die Sterblichen den Verlauf der Zeit zu beschleunigen versuchen, während sie deren Fortgang berechnen. Dann wieder weinte sie über ihrem Kind, welches von allen Richtern für so schön erklärt wurde, als man irgend eines sehen könne; Gray bemerkte bisweilen, daß sie Sätze vor dem unbewußten Kinde hermurmelte, von welchen nicht allein die Worte, sondern sogar der Ton und der Accent ihm fremd schienen, und hinsichtlich deren er besonders nicht wußte, daß dieselben portugiesisch waren.

Herr Goodriche, der katholische Priester, ersuchte sie bei einer Gelegenheit um Zutritt. Zuerst lehnte sie seinen Besuch ab, nahm ihn aber nachher an, vielleicht in der Erwartung, daß er ihr Nachrichten von Herrn Middlemas, wie jener sich nannte, bringen könnte. Die Unterredung war sehr kurz, und der Priester verließ der Dame Gemach voll Mißvergnügen, welches seine Klugheit vor Herrn Gray kaum verbergen konnte. Er kam niemals wieder, obgleich der Zustand der Dame seine Aufmerksamkeiten und Tröstungen hätte nothwendig machen können, wäre dieselbe ein Mitglied der katholischen Kirche gewesen.

Unser Doctor begann zuletzt zu argwöhnen, sein schöner Gast sei eine Jüdin, welche einem Manne von verschiedener Religion ihre Person und ihre Liebe hingegeben habe; die besondere Form ihres schönen Antlitzes bestärkte ihn in dieser Meinung. Der Umstand machte bei Gray keinen Unterschied, welcher nur ihr Unglück und ihren verlassenen Zustand im Auge hatte, und soviel es in seiner Gewalt stand, beiden abzuhelfen suchte. Er wünschte denselben jedoch vor seiner Frau und der übrigen Umgebung der Kranken zu verbergen, deren Klugheit und freisinnige Denkungsweise mit mehr Recht bezweifelt werden konnten. Er traf deßhalb hinsichtlich ihrer Nahrung solche Anordnung, daß sie weder Anstoß nehmen noch Argwohn erregen konnte, wenn ihr irgend eine vom mosaischen Gesetz verbotene Speise gereicht würde; in anderen Hinsichten als denjenigen, welche ihre Gesundheit oder ihre Bequemlichkeiten betrafen, kam er mit ihr in wenig Berührung.

Der Zeitraum ging vorüber, innerhalb dessen die Rückkehr des Fremden zu dem Flecken von seiner weiblichen Gefährtin so ängstlich erwartet wurde. Die durch sein Ausbleiben vereitelte Hoffnung äußerte sich bei der Genesenden durch Unruhe, die zuerst mit Aerger, nachher mit Zweifel und Furcht gemischt war. Als zwei oder drei Tage ohne Botschaft oder Brief irgend einer Art vorüber waren, wurde Gray selbst sowohl um seinetwillen, als wegen der armen Dame besorgt, daß der Fremde wirklich den Gedanken gehegt habe, dieses schutzlose und wahrscheinlich schwer verletzte Weib zu verlassen. Er wünschte mit ihr eine Unterredung zu halten, wodurch er in Stand gesetzt wäre, zu beurtheilen, welche Erkundigungen man anstellen könne, oder was sich sonst am besten thun lasse. Das arme Weib verstand aber nur unvollkommen die französische Sprache, und war vielleicht selbst nicht Willens, über ihre Lage Kunde zu geben, so daß jeder Versuch solcher Art erfolglos blieb. Wenn Gray ihr Fragen über einen Gegenstand vorlegte, welcher einer Erklärung sich anzunähern schien, bemerkte er, daß sie gewöhnlich mit einem Kopfschütteln antwortete, um anzuzeigen, daß sie ihn nicht verstehe; mitunter schwieg sie weinend und bisweilen verwies sie ihn an Monsieur.

Gray begann somit Monsieurs Ankunft sehr ungeduldig zu erwarten, als dasjenige Ereigniß, welches allein diese unangenehme Art von Geheimniß beenden könne, das jetzt zum Hauptgegenstand der Klatschereien bei der guten Gesellschaft des Fleckens wurde. Einige tadelten Gray, daß er fremde Landläufer, deren Moral man sehr ernstlich bezweifeln könne, in sein Haus aufnehme; Andere beneideten die glückliche Hand des Doctors, welcher jetzt das Reisegeld der reichen Fremden zur Verfügung stehe; letzterer Umstand hatte vor dem Publikum nicht verheimlicht werden können, da des ehrlichen Mannes Ausgaben für kleine Luxusartikel die gewöhnlichen Grenzen bei weitem überstiegen.

Die gewissenhafte Rechtlichkeit des ehrlichen Doctors befähigte ihn zur Verachtung dieser Art Geklatsch, obgleich ihm die geheime Kenntniß von dessen Umlauf nicht angenehm sein konnte. Er machte seine gewöhnlichen Reisen mit seiner gewohnten Ausdauer, und wartete mit Geduld, bis die Zeit den Gegenstand und die Geschichte seines Gastes aufklären würde. Es war schon die vierte Woche nach ihrer Niederkunft, und die Wiederherstellung der Fremden ließ sich als vollkommen betrachten, als Gray bei der Heimkehr von einem seiner Krankenbesuche, die ihn oft zehn Meilen weit entfernten, eine Postkutsche mit vier Pferden vor seiner Thüre sah. »Der Mann ist zurückgekehrt,« dachte er, »und mein Verdacht hat ihm keine Gerechtigkeit widerfahren lassen.« Er spornte sein Pferd, welchem Zeichen auch das treue Roß um so bereitwilliger gehorchte, da seine Richtung jetzt auf die Stallthüre ging. Als aber der Doctor nach dem Absteigen in sein Haus eilte, schien es ihm, als sei die Abreise ebenso wie die Ankunft der unglücklichen Dame dazu bestimmt, Verwirrung in seiner friedlichen Wohnung hervorzurufen. Mehrere Müssiggänger hatten sich vor seiner Thüre versammelt, und zwei oder drei hatten sich unverschämt beinahe bis in die Flur vorgedrängt, um einem verwirrten Zanke zuzuhören, welcher von innen her ertönte. Der Doctor eilte vorwärts, wobei die vordersten der Eindringlinge sich bei seiner Ankunft bestürzt zurückzogen, während er in der Stimme seiner Frau einen lauten Schall erkannte, von welchem er aus Erfahrung wußte, daß er nichts Gutes bedeute. Mistreß Gray nämlich konnte bisweilen, obgleich im Allgemeinen gut gelaunt und umgänglich, die Rolle der höchsten Stimme im Eheduett spielen. Da er weit mehr Vertrauen auf die guten Absichten seiner Frau als auf deren Klugheit hegte, verlor er keine Zeit, und stürzte in's Besuchzimmer, um die Sache in seine eigene Hand zu nehmen. Hier fand er seine Ehehälfte an der Spitze der ganzen Miliz des Krankenzimmers der Dame, nämlich Amme, Krankenwärterin und Stubenmädchen, sämmtlich in heftigem Streit mit zwei Fremden begriffen. Der Eine war ein ältlicher Mann von dunkler Gesichtsfarbe, mit einem im Ausdruck scharfen und schwarzen Auge, dessen Blick jedoch zugleich ein Gemisch von Gram und Kränkung verrieth. Der Andere, welcher den Streit mit Frau Gray lebhaft zu führen schien, war ein derber Mann mit kühnem Blick und hartem Gesichtsausdruck; er hatte Pistolen im Gürtel, die er auf eine etwas unnöthige und prahlende Weise zur Schau trug.

»Hier ist mein Mann,« sagte Frau Gray in einem triumphirenden Tone; denn sie hatte die Gnade, den Doktor für einen der größten lebenden Leute zu halten. »Hier ist der Doctor, was wollt Ihr jetzt noch sagen?«

»Nun gerade das, was ich vorher sagte,« erwiderte der Mann, »nämlich, daß meinem Verhaftsbefehle Folge geleistet werden muß. Er ist in regelmäßiger Form, Madame.«

Mit den Worten richtete er den Zeigefinger seiner rechten Hand auf ein Papier, welches er Frau Gray mit der linken Hand vor's Gesicht hielt.

»Wendet Euch an mich, wenn es Euch gefällig ist,« sagte der Doctor, welcher wohl sah, daß er keine Zeit verlieren dürfe, um die Angelegenheit vor die geeignete Behörde zu bringen. »Ich bin der Herr vom Hause, Herr, und wünsche die Ursache Eures Besuches zu wissen.«

»Mein Geschäft ist bald erklärt,« erwiderte der Mann; »ich bin ein Königsbote, und diese Dame hat mich behandelt, als wäre ich der bloße Häscher eines Schuldgefängnisses.«

»Davon ist hier nicht die Rede,« erwiderte der Doctor; »seid Ihr ein Königsbote, so zeigt Euren Verhaftsbefehl, und sagt, was Ihr hier thun wollt?« Zugleich flüsterte er dem kleinen Stubenmädchen zu, den Stadtschreiber, Herrn Lawford, zu rufen, derselbe möge so schnell als möglich kommen. Die Pathe von Peg Thomson lies fort mit einer Geschwindigkeit, die ihrer Gevatterin würdig war.

»Hier ist mein Verhaftsbefehl,« sagte der Beamte, »sehet zu, ob er richtig ist.«

»Der schamlose Schlingel wagt dem Doctor seine Botschaft nicht zu sagen,« rief Frau Gray triumphirend aus.

»Das ist eine schöne Botschaft,« sagte Luckie Simson; »er will eine Wöchnerin fortführen wie ein Taubenfalke eine Bruthenne.«

»Ein Weib, das noch vor keinem Monat niedergekommen ist,« schrie die Krankenwärterin Jamieson.

»Vierundzwanzig Tage, acht Stunden und sieben Minuten auf die Sekunde,« fügte Frau Gray hinzu.

Der Doctor, nachdem er den Verhaftsbefehl, welcher in aller Form ausgestellt war, sich angesehen hatte, begann zu besorgen, daß die Weiber seiner Familie sich durch ihren Eifer, den Charakter ihres Geschlechtes zu vertheidigen, zu einem plötzlichen Ausbruch der Meuterei könnten hinreißen lassen, und befahl ihnen deßhalb zu schweigen.

»Dies ist,« sagte er, »ein Verhaftsbefehl, ausgestellt gegen Richard Tresham und Zilia de Monçada wegen Hochverraths. Herr, ich habe Sr. Majestät gedient, und dieß ist kein Haus, wo Hochverräther beherbergt werden. Ich weiß nichts von Einer dieser zwei Personen, und habe nicht einmal ihre Namen gehört.«

»Aber die Dame, die Ihr in Eure Familie aufgenommen habt,« sagte der Königsbote, »ist Zilia de Monçada, und hier steht ihr Vater, Matthias de Monçada, welcher einen Eid darauf ablegen wird.«

»Ist dieß wahr,« sagte Herr Gray, indem er den angeblichen Beamten anblickte, »so habt Ihr einen sonderbaren Dienst übernommen. Es ist weder meine Gewohnheit, meine Handlungen abzuläugnen, noch den Gesetzen des Landes mich zu widersetzen. In diesem Hause befindet sich eine Dame auf langsamer Genesung von ihrer Niederkunft, nachdem sie unter meinem Dache die Mutter eines gesunden Kindes geworden ist. Ist sie die in diesem Verhaftsbefehl beschriebene Person und die Tochter dieses Herrn, so muß ich sie den Gesetzen des Landes gemäß überliefern.«

Hier setzte sich die Miliz des Aesculaps wieder in Bewegung.

»Ihr wollt sie ausliefern, Doctor Gray? es ist eine Schande, daß Ihr so redet, da Ihr von Weibern und Kindern lebt, die mehr als andere Kundschaft einbringen!« So rief seine schöne Ehehälfte.

»Ich wundere mich, daß der Doctor solches sagt, bemerkte die Amme; »in dem ganzen Flecken ist Niemand, der es von ihm glauben würde.«

»Bis zu diesem Augenblick dachte ich immer, der Doctor sei ein Mann,« sagte Luckie Simson, »jetzt aber halte ich ihn für ein altes Weib, und für nicht kühner als mich selbst; jetzt wundere ich mich nicht mehr, daß die arme Frau Gray« –

»Haltet das Maul, albernes Weib,« sagte der Doctor. »Glaubt Ihr, diese Angelegenheit sei nicht schlimm genug, so daß Ihr sie mit Eurem sinnlosen Geschwätz noch schlimmer machen müßt? Ihr Herren, dieß ist ein sehr trauriger Fall: hier ist ein Verhaftsbefehl wegen eines schweren Verbrechens gegen ein armes Geschöpf erlassen, welches sich noch wenig eignet, um von einem Hause zu einem andern gebracht zu werden, und die man noch viel weniger in ein Gefängniß schleppen darf. Ich sage euch mit klaren Worten, daß die Ausführung dieser Verhaftung ihren Tod verursachen kann. Herr, wenn Ihr wirklich ihr Vater seid, so ist es Eure Pflicht zu überlegen, was Ihr thun könnt, eher um die Angelegenheit zu mildern, als sie bis auf's Aeußerste zu treiben.«

»Besser todt als Schande,« erwiderte der finstere alte Mann mit einer Stimme, welche ebenso rauh als sein Aeußeres war, »und Ihr, Staatsboote,« fuhr er fort, »seht Euch vor, daß Ihr Eure Pflicht erfüllt, und führt den Verhaftsbefehl auf Eure Gefahr hin aus.«

»Ihr hört,« sagte der Mann, indem er sich zum Doctor selbst wandte, »daß ich augenblicklichen Zutritt zur Dame erhalten muß.«

»Zur glücklichen Stunde,« sagte Herr Gray, »kömmt hier der Stadtschreiber – Ihr seid sehr willkommen, Herr Lawford; wir bedürfen Eurer Meinung ebensowohl als eines Juristen, wie als eines Mannes von Verstand und Menschlichkeit; ich freute mich noch niemals in meinem Leben so sehr über Euren Besuch als jetzt.«

Er gab alsdann in der Schnelle eine Darlegung des Falles; und der Königsbote, als er bemerkte, daß der neue Ankömmling ein Mann von einigem Ansehen sei, zeigte wiederum den Verhaftsbefehl vor.

»Der Verhaftsbefehl ist genügend und rechtskräftig, Herr Gray,« erwiderte der Mann des Gesetzes; »wenn Ihr jedoch einen Eid ablegen wollt, daß eine augenblickliche Fortbringung der Dame ihrer Gesundheit nachtheilig sein würde, so muß sie ohne Zweifel unter geeigneter Bewachung hier bleiben.«

»Es ist nicht so sehr die Ortsveränderung, welche ich befürchte,« sagte der Wundarzt; »ich kann jedoch auf meine Seele und Gewissen Zeugniß ablegen, daß Scham und Furcht vor dem Zorn ihres Vaters und das Gefühl der Schmach solch' einer Verhaftung nebst dem Schrecken vor deren Folgen eine heftige und gefährliche Krankheit, sogar den Tod selbst zur Folge haben können.«

»Der Vater muß die Tochter sehen, obgleich Beide sich veruneinigt haben mögen,« sagte Herr Lawford, »der Gerichtsbeamte muß seinen Verhaftsbefehl ausführen, wenn auch der Schrecken den Tod der Verbrecherin zur Folge haben müßte; diese Uebel sind nicht direkte und unmittelbare, sondern nur zufällige Folgen. Ihr müßt die Dame ausliefern, Herr Gray, wie natürlich Eure Bedenken auch sein mögen.«

»Wenigstens, Herr Lawford, muß ich mich überzeugen, daß die Person in meinem Hause dieselbe ist, welche die Herren hier suchen.«

»Führt mich in ihr Zimmer,« sagte der Mann, den der Königsbote mit dem Namen Monçada anredete.

Der Königsbote, welcher durch die Gegenwart Lawford's etwas gefälliger geworden war, wurde jetzt auf einmal wieder unverschämt; er hoffte, wie er äußerte, durch den weiblichen Gefangenen genügende Kundschaft zu erlangen, um die bei weitem schuldigere Person verhaften zu können. Würde ihm noch mehr Verzug in den Weg gelegt, so könne er diese Kundschaft zu spät erlangen, und er mache alsdann alle diejenigen, welche an der Veranlassung des Verzuges Theil genommen hätten, für die Folgen verantwortlich.

»Und ich,« sagte Herr Gray, »wenn ich auch dafür an den Galgen kommen sollte, lege Protest ein, daß dies Verfahren die Ermordung meiner Kranken zur Folge haben kann. Herr Lawford, läßt sich keine Bürgschaft stellen?«

»In Fällen des Hochverraths ist dieß nicht erlaubt,« sagte der Beamte; alsdann fuhr er in vertraulichem Tone fort: »Kommt, Herr Gray, wir Alle wissen, daß Ihr gegen unsern königlichen Oberherrn, König Georg, und gegen die Regierung ein gutgesinnter Mann seid; Ihr dürft aber die Sache nicht so weit treiben, sonst bringt Ihr Euch in Ungelegenheiten, die Jedermann in Middlemas bedauern würde. Das Jahr 45 ist noch nicht lange genug vergangen, als daß wir uns nicht der Verhaftsbefehle wegen Hochverraths erinnern sollten, wie sogar Damen von hohem Stande wegen solcher Anklagen in's Gefängniß mußten. Sie wurden aber sämmtlich milde behandelt – Lady Ogilvy, Lady Mac Intosh, Flora Macdonald und alle Uebrigen. Ohne Zweifel weiß dieser Herr, was er thut, und hat Gewißheit erhalten, daß die Dame außer Gefahr ist; Ihr müßt Euch deßhalb ducken und die Welle über Euch hinfahren lassen, wie wir zu sagen pflegen.«

»Folgt mir also, ihr Herren,« sagte Gideon, »ich will euch zur jungen Dame führen;« während im starken Ausdruck seiner Gesichtszüge sich die Aufregung kund gab, die er im Voraus über das Unglück empfand, welches er zu veranlassen im Begriff stand, führte er die Herren über eine kleine Treppe, öffnete eine Thüre und sagte zu Monçada, der ihm zunächst gefolgt war. »Dies ist Eurer Tochter einziger Zufluchtsort, worin sie zu beschützen ich, ach! zu schwach bin. Trete ein, Herr, wenn Euer Gewissen es Euch erlaubt.«

Der Fremde warf ihm einen mürrischen Blick zu, und es schien, als wünsche er, daß er durch denselben die Macht der fabelhaften Basilisken üben könne. Alsdann trat er mit stolzem Schritte in das Gemach; Lawford und Gray folgten in einiger Entfernung, und der Staatsbote blieb in der Thüre stehen. Die unglückliche junge Dame hatte den Lärm vernommen und die Ursache nur zu richtig errathen; vielleicht hatte sie sogar die Fremden gesehen, als dieselben aus dem Wagen stiegen. Als sie in das Zimmer traten, lag sie vor einem Lehnstuhl auf den Knieen und ihr Gesicht war mit einer seidenen Maske verhüllt. Der Monçada genannte Mann sprach nur ein einziges Wort aus; nach dem Tone schien dasselbe Elende zu bedeuten, Niemand aber konnte es verstehen. Die Dame fuhr krampfhaft zusammen, wie ein halbtodter Soldat, der eine zweite Wunde empfängt. Ohne sich jedoch um ihre Gemüthsbewegung zu bekümmern, ergriff Monçada sie am Arm, riß sie mit einem unsanften Stoße empor, worauf sie nur auf ihren Füßen zu stehen schien, weil sie durch seine Faust gehalten wurde. Alsdann zog er ihr die Maske vom Gesicht, welche sie bis dahin getragen hatte. Die arme Frau suchte noch das Gesicht zu verbergen, indem sie es mit der linken Hand bedeckte, da die Art, wie sie gehalten wurde, sie am Gebrauch der rechten verhinderte. Ihr Vater riß ihr mit geringer Anstrengung auch diese Hand weg, welche übrigens an sich zu klein war, um das Gesicht zu verhüllen, und zeigte ihr schönes, von Schaamröthe glühendes und mit Thränen benetztes Antlitz.

»Ihr, Alkalde, und Ihr, Wundarzt,« sagte er zu Lawford und Gray, mit fremdem Accent und Geberden, »dieses Weib ist meine Tochter, dieselbe Zilia Monçada, die in dem Protokoll angegeben ist, macht Platz und laßt sie mich fortführen, damit sie für ihr Verbrechen büße.«

»Seid Ihr die Tochter dieses Mannes?« fragte Lawford die Dame.

»Sie versteht kein Englisch,« sagte Gray; dann redete er seine Kranke französisch an, und beschwor sie, ihm zu erklären, ob sie wirklich jenes Mannes Tochter sei oder nicht, indem er ihr die Versicherung seines Schutzes gab, wenn dieß nicht der Fall sei. Die Antwort wurde mit schwacher Stimme gemurmelt, war aber sehr deutlich zu verstehen, »es sei ihr Vater.«

Jetzt schien alles weitere Recht aus Einmischung erloschen, der Königsbote verhaftete seine Gefangene und ersuchte mit einigem Zartgefühl die Frauenzimmer um Beistand, um sie in die bereitstehende Kutsche zu führen.

Gray schritt wiederum ein – Ihr werdet nicht,« waren seine Worte, »Mutter und Kind trennen?«

Zilia de Monçada hörte die Frage, welche Gray an ihren Vater und unbedachterweise in französischer Sprache gerichtet hatte; es schien, als werde dadurch die Erinnerung an das Dasein des hülflosen Geschöpfes, welches sie geboren hatte, wieder erweckt, nachdem sie dasselbe unter den sich häufenden Schrecken der Gegenwart ihres Vaters einen Augenblick vergessen hatte. Ihr entfuhr ein Schrei als Ausdruck stechenden Schmerzes; dann wandte sie die Augen auf ihren Vater mit der Geberde des demüthigsten Flehens.

»Der Bastard mag vom Kirchspiel aufgezogen werden,« sagte Monçada, während die hülflose Mutter leblos in die Arme der Weiber sank, welche sich jetzt um sie versammelt hatten.

»Ein solches Verfahren ist Euch nicht gestattet, Herr,« sagte Gideon; »seid Ihr der Vater dieser Dame, so seid Ihr auch der Großvater dieses hülflosen Kindes, und Ihr müßt auf irgend eine Weise für dessen zukünftige Versorgung Anstalten treffen, oder uns an eine verantwortliche Person verweisen.«

Monçada blickte auf Lawford, welcher aussprach, daß er mit Gray in seiner Meinung gänzlich übereinstimme.

»Ich habe nichts dagegen, Alles zu zahlen,« sagte er, »was für dies elende Kind erforderlich ist; wenn Ihr, Herr« (er wandte sich an Gray), »Euch seiner annehmen und es aufziehen wollt, so sollt Ihr etwas erhalten, was Euer Einkommen verbessern wird.«

Der Doctor stand im Begriff, ein so unhöfliches Anerbieten zurückzuweisen, nach der Ueberlegung eines Augenblickes erwiderte er jedoch: »Ich hege von dem Verfahren, welches ich ansah, und von denen, welche daran betheiligt sind, eine so schlechte Meinung, daß ich das Anerbieten nur dann nicht zurückweisen werde, wenn die Mutter es wünscht.«

Monçada redete seine Tochter, welche gerade aus ihrer Ohnmacht wieder zu sich kam, in den Worten derselben Sprache an, in welcher er sich zuerst an sie gewandt hatte. Der von ihm gemachte Vorschlag schien ihr im höchsten Grade annehmbar, denn sie riß sich von den Armen der Frauen los, trat auf den Doctor zu, ergriff dessen Hand, küßte und badete dieselbe mit ihren Thränen; sie schien sogar mit der Nothwendigkeit, sich von ihrem Kinde zu trennen, durch die Betrachtung sich zu versöhnen, daß das Kind unter seiner Obhut verbleiben werde.

»Guter und freundlicher Mann,« sagte sie in ihrem schlechten Französisch, »Ihr habt sowohl die Mutter als das Kind gerettet.«

Der Vater überreichte mittlerweile mit kaufmännischer Bedachtsamkeit Herrn Lawford Banknoten und Wechsel im Betrage von 1000 Pfund; nach seinem Verlangen sollten dieselben zum Gebrauch des Kindes ausgesetzt und im Verhältniß ausgezahlt werden, wie dessen Ernährung und Erziehung es erheische. Sollte eine Korrespondenz wegen des Kindes im Fall des Todes oder bei anderer Gelegenheit nothwendig werden, so würden die Mittheilungen, wie er angab, an Signor Matthias Monçada unter der Adresse eines gewissen Banquierhauses in London abzusenden sein.

»Hütet Euch aber,« sagte er zum Doctor, »mich mit dieser Angelegenheit zu belästigen, wenn nicht ein Fall unbedingter Nothwendigkeit eintritt.«

»Seid unbesorgt, Herr,« erwiderte Gray, »ich habe heute nichts gesehen, was bei mir den Wunsch nach einer genaueren Korrespondenz mit Euch, als gerade erforderlich ist, erwecken könnte.«

Während Lawford ein genaues Protokoll der Verhandlung aufnahm, wodurch er und Gray zu Vormündern des Kindes ernannt wurden, suchte Herr Gray der Dame die Bilanz der beträchtlichen Geldsumme zurückzugeben, welche Tresham, wenn dieß sein wirklicher Name war, früher bei ihm niedergelegt hatte. Mit jeder Art Bewegung, womit Hände, Augen und sogar Füße Zurückweisung ausdrücken können, weigerte sie sich ebenso wie in gebrochenem Französisch, die Geldsumme anzunehmen, und bat den Arzt, er möge dieselbe als sein Eigenthum betrachten; zugleich drang sie ihm ein Geschenk in einem mit Brillanten besetzten Ringe auf, welcher einen beträchtlichen Werth zu haben schien. Der Vater sagte ihr alsdann einige harte Worte, die sie mit dem gemischten Ausdruck des höchsten Schmerzes und der Unterwerfung anhörte.

»Ich habe ihr noch einige Minuten gegeben, um das elende Wesen, welches ihre Schande besiegelt, zu sehen und bei ihm zu weilen,« sagte der finstere Vater. »Ziehen wir uns zurück, und lassen sie allein; Ihr, Herr,« sagte er zum Königsboten, »bewacht von außen die Thüre.«

Gray, Lawford und Monçada zogen sich somit in das Zimmer zurück, wo sie schweigend, jeder in seine Gedanken versunken, warteten, bis sie etwa nach einer halben Stunde die Nachricht erhielten, die Dame sei zur Abreise bereit.

»Es ist gut,« erwiderte Monçada; »es ist mir lieb, daß sie Verstand genug besitzt, sich der Nothwendigkeit zu unterwerfen.«

Mit den Worten stieg er die Treppe hinauf und kehrte seine Tochter herabführend zurück, welche jetzt wiederum maskirt und verschleiert war. Als sie bei Gray vorüberging, ließ sie die Worte, »mein Kind, mein Kind,« in einem Tone unaussprechlicher Angst vernehmen; alsdann stieg sie in den Wagen, welcher so dicht an des Doctors Haus gefahren wurde, als die kleine Umzäunung es gestattete. Der Staatsbote bestieg ein Pferd und begleitete dann nebst einem Gehülfen und Diener die Kutsche, welche schnell die Straße von Edinburg einschlug. Alle, welche Zeugen des sonderbaren Auftritts gewesen waren, trennten sich jetzt, um ihre Vermuthungen anzustellen, und Einige, um ihren Gewinn zu überzählen, denn Geld war unter die Wärterinnen der Dame mit solcher Freigebigkeit vertheilt, daß dieselben mit der Verletzung der Weiblichkeit hinlänglich wieder ausgesöhnt wurden, welche durch die schnelle Entfernung der Wöchnerin stattgefunden hatte.



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