Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Kapitel.
Frau Baliol hilft Herrn Croftangry in seinen literarischen Spekulationen.

Nach der Art, wie ich Frau Bethune Baliol beschrieben habe, wird der Leser mir glauben, daß ich mich in Betracht der gemischten Natur meines Werkes auf ihre Mittheilungen und die Geneigtheit, dieselben zu machen, als auf eine hauptsächliche Mithilfe bei meiner Unternehmung verließ. Sie mißbilligte auch nicht den Vorschlag meiner Herausgabe, obgleich sie Zweifel über ihre persönliche Fähigkeit mir zu helfen aussprach – ein Bedenken, welches sich vielleicht als weiberartige Ziererei auslegen läßt, die einige Bitten um die von ihr nicht ungern gereichte Gabe als Bedingung ihrer Gewährung erheischt; oder vielleicht hielt es die gute alte Dame, im Bewußtsein, daß ihr ungewöhnlich hohes Alter bald sich schließen müßte, für zweckmäßiger, das Material in Form eines Vermächtnisses zu hinterlassen, als dasselbe während ihres Lebens einem kritischen Publikum vorzulegen.

Manchmal pflegte ich in unsere Unterhaltungen meine Bitte um Mithülfe wegen des Bewußtseins vorzubringen, daß meine Freundin die werthvollste Niederlage schottischer Ueberlieferungen sei, welche sich wahrscheinlich jetzt noch vorfinde. Hievon war ich so sehr überzeugt, daß ich es nicht unterlassen konnte, wenn ich ihre Beschreibung der Sitten, weit über ihre Zeit hinaus, vernahm, wie Fletcher von Salton sprach, wie Graham von Glaverhouse tanzte, welche Juwelen die Herzogin von Lunderdale trug und wie sie dazu gelangt war – daß ich alsdann es nicht unterlassen konnte, ihr zu sagen, ich halte sie für eine Fee, die uns durch Beibehaltung des Aussehens einer Sterblichen unserer Tage, betrüge, da sie doch wirklich die Revolutionen von Jahrhunderten gesehen habe. Sie wurde sehr erheitert, wenn ich ihr einen feierlichen Eid abforderte, daß sie nicht auf den Bällen der Maria von Este getanzt habe, als der unglückliche Gemahl dieser Dame Holyrood in einer Art Verbannung bewohnte Der Herzog von York, nachher Jakob II., bewohnte häufig Holyroodhouse, als seine Religion ihn zum Gegenstande des Verdachtes bei dem englischen Hofe machte., oder wenn ich sie fragte, ob sie sich nicht an Carl II. erinnern könne, als derselbe 1650 nach Schottland kam, und ob sie nicht einige undeutliche Erinnerungen an den kühnen Usurpator habe, welcher den König als Flüchtling über den Forth drängte.

» Beau Cousin,« sagte sie lachend, »ich erinnere mich an keinen derselben persönlich, ihr müßt jedoch wissen, daß mein natürliches Temperament sich von meiner Jugend bis zum Alter nur wenig verändert hat. Daraus folgt, Vetter, daß ich, wie ich jetzt etwas zu jung an Geist für die Jahre bin, welche die Zeit in meinem Kalender mir gezeichnet hat, ich als Mädchen etwas zu alt für meine Altersgenossen war und deßhalb damals ebenso große Neigung hatte, die Gesellschaft älterer Personen aufzusuchen, als ich jetzt weit mehr dazu gestimmt bin, muntere junge Herren von 50 oder 60 Jahren, wie Euch, in meine Gesellschaft zuzulassen, wie Alle 80jährigen um mich her zu versammeln. Nun komme ich zwar wirklich nicht vom Elfenland, und kann mich deßhalb nicht der persönlichen Bekanntschaft der gewaltigen Personen, nach denen Ihr Euch erkundigt, rühmen, habe aber doch diejenigen gesehen und gehört, welche sie sehr wohl kannten und mir einen so bestimmten Bericht von ihnen gegeben haben, wie ich Euch über Maria Theresia oder Friedrich II. geben könnte. Auch will ich frei gestehen,« fügte sie lachend hinzu, indem sie mir ihre Bonbonnière reichte, »daß ich von den Jahren 1688 soviel gehört habe, daß ich bisweilen die meinem Gedächtniß durch häufige und lebhafte Erzählung Anderer eingeprägten Beschreibungen mit Dingen zu verwechseln geneigt bin, die ich selbst wirklich erlebt habe. Noch gestern ertappte ich mich, wie ich Lord M. den Festzug des letzten schottischen Parlamentes mit so vieler Genauigkeit beschrieb, als hätte ich denselben ebenso wie meine Mutter vom Balkon in Lord Murray's Hause zugesehen.«

»Ich bin überzeugt, Ihr müßt Lord M. einen großen Genuß verschafft haben.«

»Ich gewährte ihm den Genuß eines herzlichen Gelächters, wie ich glaube«, erwiderte sie, »allein Ihr seid es, ihr schändlicher Verführer der Jugend, welcher mich zu solchen Thorheiten verleitet. Doch will ich mich vor meiner eigenen Schwachheit schützen. Ich weiß nicht, ob der ewige Jude eine Frau hat, es sollte mir aber sehr leid thun, wenn eine anständige schottische Dame von mittlerem Alter für diese Person gehalten würde.«

»Ungeachtet dessen muß ich Euch, ma belle Cousine, jetzt etwas mehr mit meinen Fragen quälen; denn wie kann ich anders Schriftsteller werden, als durch die mannigfache Kunde, die ihr mir so oft über den Zustand unserer alten Sitten gegeben habt.«

»Halt, ich kann Euch nicht gestatten, dem Stoff Eurer Erkundigungen einen so ehrwürdigen Namen zu ertheilen. ›Alt‹ ist ein Ausdruck für vorsündfluthliche Zeiten. Ihr könnt mir Fragen vorlegen über die Schlacht von Flodden, oder Euch nach Einzelheiten über Bruce und Wallace unter dem Vorwande einer Neugier hinsichtlich alter Sitten erkundigen, aber letzterer Umstand würde, wie ihr wißt, mein Baliolblut in Hitze bringen.«

»Wohlan denn, Frau Baliol, setzen wir unsere Zeit fest: nennt Ihr nicht die Thronbesteigung Jakobs VI. von Großbritannien sehr alt?«

»Mein Vetter, ich könnte Euch mehr davon erzählen, als die Leute sich erinnern; z. B. als König Jakob mit Sack und Pack nach England auszog, wurde seine Reise bei Cockenzie aufgehalten, weil er dem Leichenzuge des Grafen von Winton, des alten und treuen Dieners und Anhängers seiner unglücklichen Mutter, der armen Königin Marie, begegnete; es war eine schlechte Vorbedeutung für seinen Einzug, und dieß hat sich auch später bewährt, Vetter.«

Ich wollte die Sache nicht weiter verfolgen, denn ich wußte wohl, daß Frau Baliol sich nicht gern mit Fragen in Bezug auf die Stewarts drängen ließ, deren Unglück sie um so mehr bemitleidete, als ihr Vater deren Sache vertreten hatte. Da aber ihre Anhänglichkeit an die gegenwärtige Dynastie sehr aufrichtig und sogar glühend war, besonders weil ihre Familie dem verstorbenen Könige im Krieg sowohl, wie im Frieden gedient hatte, kam sie immer etwas in Verlegenheit, wenn sie ihre Ansichten über die verbannte Familie mit denen in Uebereinstimmung bringen wollte, welche sie von dem jetzt regierenden Fürstenhaus hatte. Wie viele alte Jakobiten begnügte sie sich mit einigem Widerspruch in ihrer Denkweise und tröstete sich damit, daß es jetzt mit dem Staate gut stehe, und daß man nicht so genau untersuchen müsse, wer vor einem halben Jahrhundert Recht oder Unrecht gehabt habe.

»Die Hochlande,« fuhr ich fort, »müssen Euch reichlichen Stoff der Erinnerung darbieten. Ihr habt die vollkommene Veränderung dieses uralten Landes erlebt und gesehen, wie ein Geschlecht, welches von der frühesten Periode der Gesellschaft nicht sehr weit entfernt war, in der großen Masse der Civilisation zuletzt aufging. Ein solcher Wechsel konnte nicht ohne Vorfälle eintreten, welche an sich sehr auffallend und auch merkwürdig als Kapitel in der Geschichte des Menschengeschlechtes sein müssen.«

»Allerdings,« erwiderte Frau Baliol, »sollte man erwarten, daß diese Vorgänge dem Beobachter sehr auffallend waren, indeß war dieß kaum der Fall. Was mich betrifft, so war ich selbst keine Hochländerin, und die alten hochländischen Häuptlinge, von denen ich sicherlich mehrere kannte, zeigten in ihrem Wesen wenig Besonderheiten, wodurch sie sich von dem Adel des Niederlandes unterschieden hätten, wenn sie sich unter die Gesellschaft in Edinburg mischten und die niederländische Kleidung annahmen. Ihr besonderer Charakter war für ihre Ranggenossen zu Hause; ihr müßt nicht glauben, daß sie mit Mänteln und hochländischen Schwertern in den Straßen einher stolzierten, oder mit Mütze und Schurzfell in den Palast kamen«

»Ich erinnere mich,« bemerkte ich, »daß Swift in seinem an Stella gerichteten Tagebuche schreibt, er habe im Hause eines schottischen Edelmanns mit zwei hochländischen Häuptlingen gespeist, und dieselben hätten sich als so gut erzogene Leute benommen, als er dergleichen jemals angetroffen habe.«

»Das ist sehr wahrscheinlich,« sagte meine Freundin; »die äußersten Punkte der Gesellschaft stehen sich näher, als Swift vielleicht geglaubt hat. Der Wilde ist immer artig bis zu einem gewissen Grade.«

»Außerdem betrugen sich die Hochländer, die stets bewaffnet gingen und eine sehr kitzliche Vorstellung von ihrem eigenen Anstand und ihrer Bedeutung hegten, gegen einander und gegen die Niederländer mit so viel förmlicher Höflichkeit, daß sie sogar in den Verdacht der Unaufrichtigkeit kamen.«

»Die Falschheit,« erwiderte ich, »gehört ebensowohl dem frühesten Zustand der Gesellschaft wie den Formen gegenseitiger Achtung an, die wir mit dem Namen Höflichkeit bezeichnen. Ein Kind sieht nicht die geringste moralische Schönheit in der Wahrheit, bis es ein halb Dutzend Mal gepeitscht ist. Kann man nicht sogleich überführt werden, so ist die Ableugnung so leicht, und scheinbar so natürlich, daß sowohl der Wilde, wie das Kind, um sich zu entschuldigen, zur Lüge greift, und zwar beinahe so instinktartig, wie Beide die Hand erheben, um ihren Kopf zu schützen. Das alte Sprüchwort »bekenne und du wirst gehängt« ist nicht ohne Begründung. Neulich fiel mir eine Bemerkung eines älteren schottischen Geschichtsschreibers auf. Derselbe erzählt, daß Mac Gregor von Glenstrae und einige seiner Leute sich einem der Grafen von Argyle auf die besondere Bedingung hin überliefert hatten, daß sie mit sicherem Geleit nach England gebracht würden. Der Mac Callan Mhor jener Zeit hielt sein Wort, jedoch nur dem Buchstaben nach. Er schickte allerdings seine Gefangenen nach Berwick, wo sie auf der andern Seite des Tweed Luft einathmeten, jedoch nur unter starker Bewachung, welche sie wieder nach Edinburg zurückbrachte, und sie dem Henker überlieferte. Der alte Geschichtsschreiber (Birrel) nennt dieß die Haltung eines hochländischen Versprechens.«

»Wohlan,« erwiderte Frau Baliol, »ich kann noch hinzufügen, daß viele der hochländischen Häuptlinge, welche ich in früheren Tagen kannte, in Frankreich erzogen worden waren; ihre Artigkeit war vielleicht dadurch erhöht, ihre Aufrichtigkeit aber sicherlich nicht gesteigert. Man muß jedoch bedenken, daß sie zu einer gedrückten und geschlagenen Parthei gehörten, und dadurch zuweilen zur Verstellung genöthigt wurden, sowie andererseits ihre gleichförmige Treue gegen ihre Freunde ihrer gelegentlichen Falschheit gegen ihre Feinde entgegensetzen konnten: somit darf man über die armen Hochländer nicht zu streng urtheilen. Sie befanden sich in einem Zustande der Gesellschaft, wo helle Lichter einen starken Gegensatz gegen die dunkelsten Schatten bilden.«

»Auf den Punkt wollte ich Euch bringen, ma belle Cousine, und deßhalb sind die Hochländer geeignete Gegenstände für Dichtung.«

»Und Ihr wollt zum Romandichter werden, guter Freund, und meine alten Erzählungen nach einer beliebten Volksmelodie setzen. Allein es sind schon zu viele Componisten, wenn wir bei dem Bilde bleiben sollen, Euch hierin zuvorgekommen. Die Hochlande boten wirklich ein schönes Thema, dasselbe ist aber nach meiner Meinung vollkommen ausgebeutet worden, und eine gute Melodie wird gemein, wenn sie bis zur Savoyardenleyer und der Drehorgel hinabsinkt.«

»Ist die Melodie wirklich schön,« erwiderte ich, »so werden sich ihre besseren Eigenschaften in's Licht stellen, wenn sie von besseren Künstlern ausgeführt wird.«

»Hm,« sagte Frau Baliol, indem sie auf ihre Dose schlug, »wir fanden uns heute Abend bei unserer Meinung sehr behaglich, Herr Croftangry. Ihr glaubt also, daß ihr den Schimmer des hochländischen Mantels wiederherstellen könnt, den derselbe dadurch verloren hat, daß er durch so viele Finger gegangen ist?«

»Mit Eurer Unterstützung bei Herbeischaffung des Materials, läßt sich nach meiner Meinung Etwas machen.«

»Wohlan, ich muß mein Möglichstes thun, obgleich Alles, was ich vom Galischen weiß, nur sehr unbedeutend ist, ich habe dasselbe hauptsächlich nur von Donald Mac Leish gelernt.«

»Wer ist denn dieser Donald Mac Leish?«

»Weder Barde noch Häuptling, das kann ich Euch versichern, auch nicht ein Mönch oder ein Eremit, wie man dergleichen Herren für die besten Gewährsmänner alter Ueberlieferungen hält. Donald war ein so guter Postillon, als je einer die Extrapost zwischen Glencroe und Inverary fuhr. Wenn ich Euch hochländische Anekdoten zum Besten gebe, so werdet Ihr sicherlich oft den Namen hören. Er war der Anbeter von Alice Lambskin und mir, als wir eine lange Reise durch die Hochlande machten.

»Wann soll ich aber diese Anekdoten hören? Ihr antwortet mir, wie Hartley dem armen Prior

Was Prior wünscht, gewährt nach Pflicht –
Ja, sprach der Graf, doch heute nicht.«

»Wohlan, mon beau Cousin, wenn ihr mich an meine Grausamkeit erinnert, so muß ich Euch daran erinnern, daß die Thurmuhr im Schlosse 9 Uhr geschlagen hat, und daß es Zeit ist, für Eure Heimkehr nach Little Croftangry. Was mein Versprechen betrifft, Euch in Euren antiquarischen Forschungen zu unterstützen, so seid versichert, daß ich dasselbe eines Tages in großer Ausdehnung halten werde, es soll kein Hochländer-Versprechen sein, wie Euer alter Geschichtsschreiber es nennt.«

Jetzt begann ich die Absicht meiner Freundin bei der Verzögerung zu merken, mein Herz wurde betrübt, als ich daran dachte, ich werde die gewünschte Kunde nur in der Form eines Legates erhalten. Ich fand somit in dem erwähnten, nach dem Tode der ausgezeichneten Dame mir übersandten Paket mehrere Anekdoten über die Hochländer; ich wähle daraus die folgende hauptsächlich deßhalb, weil sie große Gewalt auf das Gefühl meiner kritischen Haushälterin Janet Mac Evoy übte, welche bitterlich weinte, als ich sie ihr vorlas.«

Die Erzählung ist jedoch sehr einfach und gewährt vielleicht kein Interesse solchen Personen, die an Rang und Stand höher stehen als Janet.



 << zurück weiter >>