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Ästhetik im Busch.

Stundenlang ritt ich, ohne einem Menschen zu begegnen. Mein Ziel war ein See, der an landschaftlichen Reizen und Wildreichtum alle anderen in dieser Gegend übertreffen sollte.

Ich besaß weder eine Karte, noch einen Kompaß; verließ mich allein auf die Ratschläge des Landeskundigen, der mir die Richtung gewiesen und versichert hatte: »Fürchten Sie nicht, sich zu verirren – Ihr Pferd wird den Rückweg finden.«

Geräuschlos trabte ich über den blonden Gräserteppich des Steppenbodens.

Was sind das für seltsame Reiter, nur wenige Meilen entfernt, hinter einer kleinen, kümmerlichen Palmengruppe? Vielleicht Gauchos, auf der Suche nach Vieh, das der Umzäunung entkommen ist; oder Pelztierjäger – weil sie dem Busch zustreben?

Willig reagierte mein Roß auf die Sporen. Nach wenigen Minuten war ich den Palmen nahe – aber die »Reiter«, – – ein Rudel Strauße, flüchteten in wildem Lauf.

Nun ein Galopp um die Wette!

Aber der Abstand wurde immer größer und schließlich hinderte ein sumpfiger Graben die weitere Verfolgung.

Unschlüssig ritt ich langsam das Ufer ab.

Plötzlich wieherte mein Pferd und verfiel in Trab.

Es mußten Menschen in der Nähe sein. »Weiße, Mischlinge oder Indianer?« fragte ich mich, während ich nach allen Richtungen spähte, ohne den Giebel eines Hauses oder auch nur das Dach einer Laubhütte zu entdecken.

Da, an einer Biegung des Grabens, in dem das seichte Wasser grünlich schillerte – Plätschern und Lachen.

Ein überraschendes Idyll: badende Indianermädchen; das feuchte schwarze Haar in Gesicht und Nacken; die Augen furchtlos, keck; aus dem lächelnden Mund blinken schneeweiße Zähne; breitschultrige, starkhüftige Körper, aber junge, knospende Brüstchen; kleine, rundliche Bäuchlein, nie in ein Mieder, kräftige Füße, niemals in Schuhe gezwängt; schlanke Arme, kleine, derbe Hände.

Die Mädchen kreischten nicht und versteckten sich nicht. Sie sahen den Fremdling neugierig an.

Um sie nicht zum Bewußtsein ihrer Nacktheit kommen zu lassen, versuchte ich, ebenso harmlos zu sein wie sie – und ich wurde traurig, als ich erkannte, daß ich Harmlosigkeit nicht einmal richtig zu heucheln verstand.

Beschämt ritt ich fort ... Aus der Ferne winkte ich mit meinem großen Kamphut.

Sie sandten mit Blättern der Wasserpflanzen ihre Grüße zurück.

Ich ließ die Zügel locker. Das kluge Pferd verstand: es brachte mich auf dem kürzesten Weg nach Hause.

 

Tags darauf begab ich mich auf die Suche nach dem Indianerlager. Es war nicht leicht, die Gegend wiederzufinden. Erst nach mehrstündigem Umherirren stieß ich auf den Graben.

Ein paar Reiher gingen hoch. Wildenten glucksten. Die Mädchen waren nicht da.

Ich fand einen Steg aus Palmenstämmen und einen schmalen Weg, auf dem ich mich mit meinem braven Gaul durch das Dickicht zwängen konnte.

Wie alle Indianerpfade führte er im Zickzack und teilte sich oft, um irrezuführen.

Nur der Instinkt des Tieres findet die Richtung.

An jeder Kreuzung hielt mein Pferd an. Immer machte es zuerst den Versuch umzukehren. Als ich das nicht duldete, schlug es mit selbstverständlicher Sicherheit den richtigen Weg ein.

So gelangten wir nach einer kurzen Stunde mühsamen Vorwärtsdringens, wobei Körper und Kleider etliche Risse abbekommen hatten, durch den Busch. Den Fasanen schenkte ich heute keine Beachtung, auch nicht den munteren Affen, den Adlern, Geiern und Papageien. Mein Ziel waren Menschen.

Am Waldessaum hielt ich vorsichtig Ausschau ...

Ein Laubdach unweit von mir!

Im Galopp ritt ich – noch unentdeckt – darauf los.

Ein kreischender Ruf – wie der Warnungslaut eines Vogels.

Und schon kommt Bewegung ins Lager. Ein lebhaftes Hin und Her – dann ein stummes Warten in friedlicher Abwehr.

Eine Frauengestalt hüllt sich hastig in bunte Tücher ... Sie verbirgt die Reize ihres Körpers vor mir.

Gestern habt ihr euch nicht geschämt – heute verhüllt ihr euch? Hat meine europäische Kleidung eure Nacktheit beleidigt – oder habt ihr die Zügellosigkeit meiner Blicke bemerkt?

Ich halte vor dem Laubdach: Kinder laufen mir neugierig entgegen und staunen mich an.

Die Mädchen – – nackt und heiter wie gestern, winken vertraulich.

Der Häuptling liegt in lässiger, stolzer Haltung in der Mitte des Lagers. Er trägt eine Badehose aus grobem, blauen Stoff.

Als ich vom Pferd steige, gibt er ein stummes Zeichen.

Schnell laufen die Kinder unter das Laubdach zurück und verbergen sich hinter den kauernden jungen Müttern. Die Mädchen werden scheu und verlegen. Die Männer tun, als sähen sie mich nicht.

Ich entnehme der Satteltasche ein großes Paket Zigarren.

Ein häßliches altes Weib tritt zögernd auf mich zu; empfängt das Gastgeschenk und bringt es dem aufmerksam beobachtenden, aber regungslos harrenden Kaziken.

Diese häßliche Alte hat, als einzige von den Frauen und Mädchen ihres Stammes, den Körper verhüllt ...


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