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XI

Heiratsprojekte. Die Herzogin von Bracciano und ihre Nichten. Phélypeaux. Die Familie des Marschalls von Lorge. Saint-Simons Hochzeit mit Fräulein von Lorge. Hochzeit seiner Schwägerin mit dem Herzog von Lauzun. Bemerkungen des Königs. Tod der Marquise von Saint-Simon und ihrer Nichte, der Herzogin von Uzès. Tod La Fontaines und Mignards. Austausch der Schlösser von Meudon und Choisy.

 

Diesen ganzen Winter (1695) war meine Mutter nur damit beschäftigt, eine gute Heirat für mich zu finden, betrübte es sie doch sehr, daß aus der geplanten nichts geworden war. Ich war einziger Sohn, besaß eine Würde und hatte Aussichten, die auch dazu beitrugen, daß man stark an mich dachte. Es war die Rede von Fräulein von Armagnac und Fräulein von la Trémoïlle, aber sehr flüchtig, außerdem noch von einigen anderen.

Die Herzogin von Bracciano lebte seit langem in Paris, fern von ihrem Gatten und von Rom. Sie wohnte ganz in unserer Nähe und war eine Freundin meiner Mutter, die sie oft sah. Ihr Geist, ihre Anmut, ihre Art sich zu geben, hatten mich bezaubert: sie empfing mich voll Freundlichkeit und ich war bei ihr, sooft es ging. Sie hatte Fräulein von Cosnac bei sich, eine Verwandte, und Fräulein von Royan, die Tochter ihrer Schwester, und wie sie aus dem Hause Trémoïlle, alles beides Erbinnen und ohne Vater und Mutter. Frau von Bracciano hätte mir gar zu gern Fräulein von Royan zur Frau gegeben. Sie sprach mir oft von Versorgungen, sprach auch meiner Mutter davon, um zu sehen, ob man ihr nicht einen Vorschlag mache, den sie aufnehmen könnte: es wäre eine vornehme und reiche Heirat gewesen, aber ich stand allein und wollte einen Schwiegervater und eine Familie, auf die ich mich stützen könnte.

Phélypeaux, der einzige Sohn von Pontchartrain, hatte die Anwartschaft auf dessen Amt als Staatssekretär. Die Blattern hatten ihn ein Auge gekostet, aber das Glück hatte ihn blind gemacht. Eine Erbin aus dem Hause von la Trémoïlle schien ihm keineswegs über das hinauszugehen, was er beanspruchen konnte; er strich um den heißen Brei herum, und sein Vater behandelte in derselben Absicht die Tante mit der äußersten Rücksicht. Diese aber machte sich als geschickte Frau diese Rücksichten wohl zunutze, doch nicht ohne sich im geheimen über ihre Veranlassung lustig zu machen.

Pontchartrain war stets ein Freund meines Vaters gewesen und hatte sehr gewünscht, daß ich auch ein Freund seines Sohnes sei. Dieser bemühte sich auch sehr darum, und wir lebten im besten Einvernehmen. Er fürchtete auch höchstens, daß ich von Fräulein von Royan vorgezogen werden könnte und versuchte meine Gedanken über sie zu entdecken, indem er mir von verschiedenen Partien sprach. Ich merkte seine Neugier nicht und noch weniger ahnte ich seine Absichten, aber ich begnügte mich, ihm unbestimmt zu antworten.

Unterdessen rückte die Zeit meiner Heirat näher. Schon im vorhergehenden Jahre war für mich von der ältesten Tochter des Marschalls von Lorge die Rede gewesen. Dem Gedanken war aber kaum nahegetreten worden, als er auch schon fallen gelassen wurde, doch hatten beide Teile den lebhaften Wunsch, den Plan wieder aufzunehmen. Der Marschall, der nichts besaß, und dessen erste Belohnung der Stab eines Marschalls von Frankeich gewesen war, hatte unmittelbar darauf die Tochter Frémonts, Aufsehers des königlichen Schatzes, geheiratet, der unter Colbert ein großes Vermögen erworben hatte und der geschickteste und am meisten zu Rate gezogene Finanzmann war. Gleich nach dieser Heirat erhielt der Marschall die Kompagnie der Gardes du Corps, die durch den Tod des Marschalls von Rochefort erledigt war. Er hatte anerkanntermaßen stets mit Ehre, Tapferkeit und Fähigkeit gedient und die Armeen mit all dem Erfolge befehligt, den der Erbhaß des Herrn von Louvois gegen Herrn von Turenne und alle die Seinigen den begünstigten Neffen und Schüler dieses großen Heerführers an seine Fahne fesseln zu lassen genötigt war. Die Rechtschaffenheit, Geradheit und der Freimut des Marschalls von Lorge gefielen mir außerordentlich; ich hatte sie während des Feldzuges, den ich in seiner Armee mitgemacht, aus etwas größerer Nähe kennen gelernt. Die Schätzung und Liebe, die ihm diese ganze Armee entgegenbrachte, das hohe Ansehen, in dem er bei Hofe stand, die Großartigkeit, mit der er überall lebte, seine ausgezeichnete Geburt, seine großen Heiratsverbindungen, welche die unebenbürtige Ehe aufwogen, die er als erster seines Stammes zu schließen genötigt gewesen war, ein gleichfalls hochangesehener älterer Bruder, der einzigartige Fall, daß die beiden die gleichen Würden, die gleiche Charge innehatten, vor allem die enge Verbindung zwischen den beiden Brüdern und dieser großen und zahlreichen Familie, und mehr als alles noch die so seltene Güte und Aufrichtigkeit des Marschalls von Lorge, hatten mir diese Heirat außerordentlich begehrenswert Der Vater der Marschallin von Lorge war zuerst Lakai gewesen.gemacht, und ich glaubte in ihr alles gefunden zu haben, was mir fehlte, um mich zu behaupten, vorwärtszukommen und um angenehm inmitten sovieler hervorragender Verwandten und in einem liebenswürdigen Hause zu leben.

Der Herzog von Lorge

Ich fand ferner in der tadellosen Tugend der Marschallin und in dem Talent, das sie bewies, indem sie endlich die Annäherung zwischen ihrem Manne und Herrn von Louvois zustande gebracht und als Preis dieser Aussöhnung erreicht hatte, daß er Herzog wurde, alle nur wünschbare Gewähr für das Verhalten einer jungen Frau, die ich bei Hofe zu sehen wünschte, wo ihre Mutter dank der feinen, klugen und vornehmen Art, mit der sie für die beste Gesellschaft ein offenes Haus zu führen wußte, Achtung und Beifall fand. Sie verdiente diese Schätzung und diesen Beifall um so mehr, als sie nichts von dem verschwendete, was ihrem Gatten gehörte und es dahin gebracht hatte, daß weder die Familie des Marschalls, noch der Hof, noch die Welt sich ihrer Herkunft erinnerten. Sie lebte im übrigen nur für ihren Gatten und die Ihrigen, und er setzte in sie das vollste Vertrauen und lebte mit ihr und allen ihren Verwandten in einer Freundschaft und behandelte sie mit einer Hochachtung, die ihm Ehre machten.

Sie hatten nur einen einzigen Sohn, den sie über alles liebten und der erst zwölf Jahre alt war, und fünf Töchter. Die beiden ältesten, die ihre erste Jugend bei den Benediktinerinnen von Conflans verbracht hatten, wo die Schwester von Madame Frémont Priorin war, wurden seit zwei oder drei Jahren bei Madame Frémont, der Mutter der Marschallin von Lorge, deren Haus an das ihrige stieß und mit ihm in Verbindung stand, erzogen. Die älteste war siebzehn Jahre alt, die jüngere fünfzehn. Ihre Großmutter verlor sie nie aus den Augen. Sie war eine Frau von scharfem Verstande und vollkommener Tugend, war sehr schön gewesen und zeigte noch Spuren davon, war sehr fromm und wohltätig und widmete sich der Erziehung ihrer beiden Enkelinnen mit außerordentlicher Hingabe. Ihr Gatte, der seit langer Zeit durch Lähmung und andere Übel niedergedrückt wurde, bewahrte seine volle geistige Gesundheit und führte alle seine Geschäfte. Der Marschall war stets voll Anhänglichkeit und Pietät für sie, und auch sie achteten und liebten ihn aufs zärtlichste.

Alle drei gaben heimlich Fräulein von Lorge den Vorzug, die Marschallin dagegen ihrer jüngeren Tochter, Fräulein von Quintin, und es hatte nicht an ihren Wünschen, ihren Bemühungen und noch an etwas mehr gelegen, daß die älteste sich nicht für das Kloster entschieden, damit sie ihr Herzblatt besser verheiraten konnte. Letztere war eine Brünette mit schönen Augen, die andere blond, von herrlicher Gesichtsfarbe und vollendetem Wuchs, sehr liebenswürdigem Gesichtsausdruck und einer sehr edlen und bescheidenen Art sich zu geben. Ein Zug von natürlicher Tugend und Sanftmut verlieh ihr außerdem eine gewisse Majestät. Sie war es auch, die ich unvergleichlich viel lieber hatte, seit ich sie beide gesehen, und von der ich das Glück meines Lebens hoffte, das sie mir denn auch einzig und allein und in der vollkommensten Weise gewährt hat. Da sie meine Frau geworden ist, enthalte ich mich, hier mehr über sie zu sagen, außer daß sie durch alles, was mir durch sie zugefallen, und was ich selbst von ihr erhofft, unendlich viel mehr gehalten hat, als man mir von ihr versprochen hatte.

Über alle diese Einzelheiten waren wir, meine Mutter und ich, durch eine Madame Dumont unterrichtet, die Frau des Bruders von Madame Frémont, die sehr gut mit ihnen stand und mehr in der großen Welt verkehrte, als diese Art Frauen es zu tun pflegen. Sie war eine Freundin meiner Mutter, und ich hatte sie ebenfalls sehr gern; sie war auch mit meinem Vater befreundet gewesen und hatte ihr ganzes Leben lang diese Heirat vor Augen gehabt und gewünscht und auch mehr als einmal zu Fräulein von Lorge davon gesprochen. Sie war es auch, die die Sache in die Hand nahm und gewandt, aber mit Ehrlichkeit nach Überwindung der Schwierigkeiten, die stets diese so ausschlaggebenden Angelegenheiten des Lebens durchkreuzen, damit zum Ziel gelangte.

Herr von Lamoignon, ein intimer Freund des Marschalls, und unter seiner Leitung der Advokat Riparfonds waren diejenigen, deren sie sich bedienten, die aber beide keine Neigung hatten, zum Ziele zu gelangen. Lamoignon wollte für Fräulein von Lorge Herrn von Luxemburg, der durch den Tod der Tochter des Herzogs von Chevreuse Witwer geworden war, keine Kinder hatte und diese Verbindung leidenschaftlich wünschte, während Riparfonds mich für Fräulein von la Trémoïlle haben wollte, wie wir später entdeckten.

Unser Advokat Érard und der Staatsrat Bignon bildeten unseren Rat. Letzterer war mit meinem Vater befreundet genug gewesen, um, ohne irgendwie mit mir verwandt zu sein, bereitwillig die Vormundschaft über mich zu übernehmen, als ich 1684 Universalerbe der kinderlos gestorbenen Herzogin von Brissac, der einzigen Tochter meines Vaters aus erster Ehe, geworden war. Er war Generaladvokat gewesen und erfreute sich des Rufes einer großen Fähigkeit und Unbestechlichkeit. Der Generalkontrolleur und Staatssekretär Pontchartrain, dessen Schwester er geheiratet hatte, liebte und schätzte ihn außerordentlich und behandelte seine Kinder stets so, als wenn es seine eigenen gewesen wären. Endlich wurden alle Schwierigkeiten mit Hilfe einer Summe von 400 000 Livres beseitigt, ohne daß ich auf etwas Verzicht leisten mußte.

Als die Dinge auf diesem Punkte standen, aber noch Geheimnis waren, glaubte ich sie der Neugier des mir scheinbar befreundeten Phélypeaux einige Tage vor der Bekanntgabe anvertrauen zu können, und das um so mehr, als er ein Neffe Bignons war. Kaum aber hatte er mein Geheimnis, als er nach Paris eilte, um es der Herzogin von Bracciano zu verraten. Ich besuchte sie bei meiner Ankunft und war überrascht, daß sie mir auf alle Weise zusetzte, um mich zu dem Geständnis zu bringen, daß ich im Begriffe sei, mich zu verheiraten. Eine Weile half ich mir, indem ich die Sache scherzhaft behandelte, endlich aber nannte sie mir meine künftige Frau und bewies mir, daß sie vollkommen unterrichtet sei. Da sprang mir der Verrat nun freilich in die Augen, allein ich beharrte, ohne etwas zu leugnen oder zuzugeben, in der Position, die ich eingenommen hatte und schloß mit der Erklärung, sie habe mich so gut verheiratet, daß ich nur wünschen könnte, die Sache wäre wahr. Sie drang noch zwei- oder dreimal unter vier Augen in mich, in der Hoffnung, auf diese Weise besseren Erfolg zu haben als durch die Vorwürfe, mit denen sie und ihre beiden Nichten mich wegen meines geringen Vertrauens überschüttet hatten. Ich ersah daraus, daß ihre Absicht dahin ging, den Versuch zu machen, durch ein Geständnis, welches das vom Marschall dringend gewünschte Geheimnis gelüftet hätte, die Verbindung zu hintertreiben, oder aus einer bestimmten Ableugnung das Recht auf eine begründete Klage über diese Lüge abzuleiten. Sie erreichte ihren Zweck jedoch nicht und vermochte mich weder zum einen noch zum andern zu bringen. Sehr aufgebracht gegen Phélypeaux verließ ich diese so peinliche Unterredung. Es hätte mich zu weit geführt, hätte ich von einem Manne seiner Profession und seines Standes eine Aufklärung über seinen Verrat fordern oder vielmehr ihm Vorwürfe machen wollen. Ich entschloß mich also zu schweigen und ihm gegenüber nicht dergleichen zu tun, mir hingegen für die Zukunft die dem Verrat gegenüber gebotene Zurückhaltung aufzuerlegen. Frau von Bracciano gestand mir später, daß er ihre Quelle gewesen war, und ich hatte das Vergnügen, daß sie selbst mir ihre törichte Hoffnung erzählte und sich mit mir darüber lustig machte.

Als meine Heirat beschlossen und alles geregelt war, machte der Marschall von Lorge dem König davon Mitteilung, für sich sowohl wie für mich, damit er durch ihn zuerst davon erführe. Der König hatte die Güte, ihm zu antworten, er könne nichts Besseres tun, und sehr liebenswürdig von mir zu sprechen. Der Marschall erzählte es mir später. Ich hatte ihm während des Feldzuges, den ich bei seiner Armee mitgemacht, gefallen, und er hatte mich damals, in der Absicht, wieder mit mir anzuknüpfen, insgeheim beobachtet und sich entschlossen, mich dem Herzog von Luxemburg, dem Herzog von Montfort (dem Sohne des Herzogs von Chevreuse) und vielen andern vorzuziehen. Herr von Beauvilliers tat, ohne mein Zutun, alles, was in seiner Macht stand, daß ich dieser Heirat den Vorzug gab, und nahm dabei nicht die geringste Rücksicht auf seinen Neffen, trotz der mehr als intimen Verbindung, die 600 Louisdor; der louis d'or, der 1640 zuerst ausgegeben wurde, galt 12 livres.zwischen dem Herzog von Chevreuse und ihm, wie zwischen ihren Frauen, die Schwestern waren, bestand.

Am Donnerstag vor Palmsonntag also unterzeichneten wir im Hause des Marschalls von Lorge die Artikel, zwei Tage darauf überbrachten wir dem König den Ehekontrakt, und ich ging allabendlich in das Haus des Marschalls, als die Heirat ganz plötzlich durch eine unklare Stelle im Kontrakt vollkommen in Frage gestellt wurde, die jede Partei auf ihre Weise interpretierte, ohne nachzugeben. Als man so auf beiden Seiten hartnäckig an seiner Meinung festhielt, kehrte glücklicherweise der Requêtenmeister d'Anneuil, der einzige Bruder der Marschallin von Lorge, vom Lande zurück, wohin er einen Ausflug gemacht hatte, und beseitigte die Schwierigkeit auf seine Kosten. Von diesem Zwischenfall verlautete so gut wie nichts, und die Hochzeit wurde am 8. April, den ich stets mit bestem Grunde als den glücklichsten Tag meines Lebens angesehen habe, im Hause Lorge gefeiert. Meine Mutter bewies sich mir dabei als die beste Mutter von der Welt. Wir begaben uns in das Hôtel de Lorge am Donnerstag vor Quasimodo gegen sieben Uhr abends. Der Kontrakt wurde unterzeichnet. Man servierte im kleinsten Kreise ein großes Essen, und um Mitternacht las der Pfarrer von Sankt-Rochus in der Kapelle des Hauses die Messe und vermählte uns. Am Abend vorher hatte meine Mutter für 40 000 Livres Schmuck für Fräulein von Lorge gesandt und ich 600 Louisdor in einem Körbchen, das mit all den kleinen Geschenken angefüllt war, die man bei solchen Gelegenheiten gibt.

Wir schliefen in dem großen Appartement des Hôtels de Lorge. Am andern Tage gab uns Herr von Anneuil, der gegenüber wohnte, ein großes Mittagessen, nach Die Witwentrauer dauerte zwei Jahre; während ihrer Dauer mußten die Vorzimmer schwarz, das Schlafzimmer und Kabinett grau ausgeschlagen sein; während der ersten 6 Monate verschwanden alle Möbel, Spiegel, Gemälde usw. unter dieser Verhüllung.
Saint-Germain, der Aufenthaltsort des Hofes Jakobs II., Exkönigs von England.
welchem die Neuvermählte, auf ihrem Bette ruhend, ganz Frankreich im Hôtel de Lorge empfing, wohin die Höflichkeitspflichten und die Neugier die Menge zogen. Die erste, die kam, war die Herzogin von Bracciano mit ihren beiden Nichten. Meine Mutter war noch in Halbtrauer und ihre Gemächer schwarz und grau ausgeschlagen, und dieser Umstand ließ uns zum Empfang der Besucher das Hôtel de Lorge vorziehen.

Am Tage nach diesen Besuchen, denen man nur einen Tag opferte, gingen wir nach Versailles. Am Abend geruhte der König, die Neuvermählte bei Frau von Maintenon sehen zu wollen, wo meine Mutter und die ihre sie ihm vorstellten. Während er dorthin ging, sprach mir der König scherzend von ihnen und hatte die Güte, sie mit großer Auszeichnung und lobenden Worten zu empfangen. Von dort gingen sie zur Abendtafel, wo die neue Herzogin ihr Tabouret einnahm. Als der König an die Tafel trat, sagte er zu ihr: »Nehmen Sie bitte Platz, Madame.« Als seine Serviette auseinandergefaltet war, sah der König, daß alle Herzoginnen und Prinzessinnen noch standen. Da erhob er sich von seinem Sessel und sagte zu Frau von Saint-Simon: »Madame, ich habe Sie bereits gebeten, sich zu setzen«, worauf sich alle, die sitzen durften, hinsetzten, und Frau von Saint-Simon zwischen meine Mutter und die ihrige, die nach ihr kam.

Am andern Tage empfing sie den ganzen Hof auf ihrem Bette in den Gemächern der Herzogin von Arpajon, da diese bequemer waren, weil sie zu ebener Erde lagen. Der Marschall von Lorge und ich fanden uns dort nur ein, wenn Mitglieder des königlichen Hauses ihren Besuch machten. Am folgenden Tage gingen sie nach Saint-Germain, darauf nach Paris, wo ich am Der Herzog von Lauzun verlor seine Charge als Kapitän der Garden 1672. Man wollte ihn zwingen, sie dem Herzog von Luxemburg abzutreten; er weigerte sich, der Herzog von Luxemburg übernahm die Funktionen aber trotzdem. Lauzun demissionierte erst 1682 gegen eine Summe von 400 000 livres.Abend der ganzen Hochzeitsgesellschaft bei mir ein großes Essen gab und am nächsten Tage ein besonderes Abendessen für die noch überlebenden alten Freunde meines Vaters, die ich von meiner Heirat unterrichtet hatte, bevor sie bekannt wurde, und die ich bis zu ihrem Tode stets mit großer Aufmerksamkeit behandelt habe.

Es dauerte nicht lange, da kam die Reihe auch an Fräulein von Quintin. Der Herzog von Lauzun sah sie mit mehreren andern heiratsfähigen Mädchen bei ihrer Schwester, als diese nach der Hochzeit empfing. Sie war fünfzehn Jahre alt und er mehr als dreiundsechzig. Dieses Mißverhältnis im Alter war ganz ungewöhnlich, aber sein Leben war bis dahin ein Roman gewesen, er glaubte ihn noch nicht abgeschlossen und hatte noch den Ehrgeiz und die Hoffnungen eines jungen Mannes. Seit seiner Rückkehr an den Hof und seiner Wiedereinsetzung in die früher genossenen Auszeichnungen, ferner seitdem der König und die Königin von England, denen er sie zu verdanken hatte, ihm noch dazu die Herzogswürde verschafft hatten, gab es nichts, was er nicht versucht hätte, um durch ihre Vermittelung die Gunst des Königs einigermaßen wieder zu erlangen, freilich ohne je damit Erfolg zu haben. Er schmeichelte sich mit der Hoffnung, es könnte ihm durch die Heirat der Tochter eines Heerführers gelingen, sich zwischen den König und ihn zu stellen und sich aufs neue einen Weg zu öffnen, auf dem er der Nachfolger seines Schwiegervaters in der Charge eines Kapitäns der Garden werden könne, über deren Verlust er untröstlich war.

Voll von diesen Gedanken, ließ er bei Frau von Lorge anfragen; sie kannte aber seinen Ruf zu gut und liebte ihre Tochter zu sehr, als daß sie in eine Heirat willigen wollte, die sie nicht glücklich machen konnte. Herr von Lauzun verdoppelte seine Bemühungen, erklärte sich bereit, ohne Mitgift zu heiraten und ließ auf dieser Grundlage mit Madame Frémont und den Herren von Lorge und von Duras verhandeln. Im Hause des letzteren wurde die Sache zur Kenntnis genommen, besprochen und, da sein Verzicht auf die Mitgift schwer ins Gewicht fiel, beschlossen. Die Mutter war damit sehr unzufrieden, ergab sich aber schließlich darein, weil es auf andere Weise schwer gewesen wäre, ihre Tochter zur Herzogin zu machen wie die ältere, der sie sie doch gleichstellen wollte.

Phélypeaux, der alles erreichen zu können glaubte, wollte sie wegen ihrer Verbindungen und dem, was damit zusammenhing, ebenfalls ohne Mitgift, und die Furcht, die Fräulein von Quintin davor hatte, bewirkte, daß sie mit Freuden einwilligte, den Herzog von Lauzun zu heiraten, der einen Namen, einen Rang und ein großes Vermögen hatte. Der Altersunterschied und ihre jugendliche Unerfahrenheit ließen sie diese Heirat als einen Zwang für zwei oder höchstens drei Jahre ansehen, worauf sie frei, reich und eine große Dame sein würde; sonst hätte sie nie darein gewilligt, was sie später oft genug zugegeben hat.

Diese Angelegenheit wurde mit der größten Heimlichkeit betrieben und abgeschlossen. Als der Marschall von Lorge zum Könige darüber sprach, erwiderte ihm dieser: »Es ist kühn von Ihnen, Lauzun in Ihre Familie zu bringen, ich wünsche, daß Sie es nicht bereuen. Über Ihre Angelegenheiten können Sie frei verfügen, was aber die meinigen angeht, so gestatte ich Ihnen nur unter der Bedingung, diese Heirat abzuschließen, daß Sie ihm gegenüber nie das geringste Wort darüber fallen lassen.«

An dem Tage, an dem die Heirat bekanntgegeben wurde, ließ mich der Marschall von Lorge in aller Frühe holen, machte mir Mitteilung davon und setzte mir seine Gründe auseinander. Was ihn hauptsächlich zu seiner Einwilligung bewog, war, daß er nichts zu geben brauchte, und daß Herr von Lauzun sich nach dem Tode des Herrn Frémont mit 400 000 Livres begnügen wolle, sofern, nach Abzug der Anteile seiner Kinder, noch so viel vorhanden sein sollte, und daß er ferner für den Fall seines Todes seiner Gattin außerordentliche Einkünfte zusicherte.

Wir brachten darauf den Kontrakt dem Könige zur Unterzeichnung. Dieser zog Herrn von Lauzun auf und lachte sehr. Herr von Lauzun antwortete ihm, er sei überglücklich, sich zu verheiraten, weil es das erstemal seit seiner Rückkehr sei, daß er den König mit ihm habe scherzen sehen. Man setzte die Hochzeit alsbald ins Werk, so daß niemand infolge der Kürze der Zeit seine Festkleidung beschaffen konnte. Das Geschenk Herrn von Lauzuns bestand in Stoffen, Schmuck und allerlei kleinen Geschenken, nicht aber auch in Geld.

An der Hochzeitsfeier, die um Mitternacht im Hôtel de Lorge vor sich ging, nahmen im ganzen sieben oder acht Personen teil. Herr von Lauzun wünschte sich allein mit seinen Kammerdienern zu entkleiden und betrat das Gemach seiner Frau erst, nachdem alles dasselbe verlassen hatte, sie im Bette bei geschlossenen Vorhängen lag, und er sicher war, auf seinem Wege niemand zu begegnen.

Er rühmte sich am andern Tage seiner Leistungen im Ehebett. Seine Gattin empfing ihre Besuche auf ihrem Bette im Hôtel de Lorge, wo sie und ihr Gatte wohnen sollten, und am andern Tage gingen wir nach Versailles, Der Cours-la-Reine an der Seine war 1628 von Maria de' Medici angelegt worden und der Corso der eleganten Welt; 1687 betrug die Zahl der dort spazierenfahrenden Wagen sieben- bis achthundert.
Seit 1686 bediente sich der König, der an der Gicht litt, eines fahrbaren Sessel, von dem aus er auch auf Wild schoß.
wo die Neuvermählte durch ihre Mutter bei Frau von Maintenon vorgestellt wurde und sodann bei der Abendtafel ihr Taburett einnahm. Am folgenden Tage empfing sie auf ihrem Bette den ganzen Hof, und es spielte sich alles so ab wie bei meiner Hochzeit. Die Hochzeit des Herzogs von Lauzun begegnete nur Tadel. Man verstand weder den Schwiegervater noch den Schwiegersohn, und es gab niemand, der nicht angesichts der sattsam bekannten Gemütsart Herrn von Lauzuns einen baldigen Bruch voraussah. Als wir nach Paris zurückkehrten, trafen wir auf dem Cours-la-Reine fast alle heiratsfähigen Töchter aus den ersten Familien, und dieser Anblick tröstete die Marschallin von Lorge, die ihre in so kurzer Zeit versorgten beiden Töchter bei sich im Wagen hatte, ein wenig.

Als der König wenige Tage darauf in seinem Rollsessel in den Gärten von Versailles spazieren fuhr, fragte er mich sehr angelegentlich nach der Größe und dem Alter der Familie des Herzogs von Lorge und mit einer Genauigkeit, die mich überraschte, nach der Beschäftigung seiner Kinder, dem Ansehen seiner Töchter, ob sie beliebt wären, und ob keine von ihnen dazu neigte, Nonne zu werden. Hierauf begann er über die Heirat des Herzogs von Lauzun zu scherzen und dann über die meinige und sagte mir, trotz jenes Ernstes, der ihn nie verließ, er habe vom Marschall erfahren, ich hätte mich in der Hochzeitsnacht wacker gehalten, er glaube aber, daß die Marschallin darüber noch eingehender unterrichtet sei.

Kaum war meine Hochzeitsfeier zu Ende, als die Marquise von Saint-Simon einundneunzigjährig zu Paris starb. Sie war vom Vater her Tante des Herzogs von Uzès, Witwe in erster Ehe des bei der Belagerung von Mignards Tochter war Catherine-Marguerite Mignard. Sie wurde 1657 in Rom, drei Jahre und vier Monate vor der Heirat ihrer Eltern geboren. Sie starb 1742.
Die Dekoration der großen Galerie von Versailles war von le Brun und nicht von Mignard. Dieser hatte die kleine Galerie und zwei Salons des Appartements des Königs mit allegorischen Darstellungen geschmückt.
Privas gefallenen Herrn von Portes, Ritters des Heiliggeistordens und Bruders der Gattin des Connétable von Montmorency, der Mutter der Prinzessin von Condé und des in Toulouse enthaupteten letzten Herzogs von Montmorency. Aus ihrer Ehe mit Herrn von Portes entstammten die erste Frau meines Vaters und Fräulein von Portes. Sie war die Witwe des älteren Bruders meines Vaters, dessen Vermögen sie bekommen hatte, ohne Kinder von ihm gehabt zu haben, uns aber hatte sie seine Schulden hinterlassen. Sie war eine geistvolle, aber hochmütige und boshafte Frau, die meinem Vater nie seine Wiederverheiratung hatte verzeihen können und ihn, soviel an ihr lag, von seinem Bruder getrennt hatte. Es war demnach eine Trauer ohne Schmerz.

Die Herzogin von Uzès, die Witwe des Sohnes ihres Bruders und einzige Tochter des verstorbenen Herzogs von Montausier, starb um die gleiche Zeit.

Der Tod zweier berühmter Männer erregte mehr Aufsehen als jener dieser beiden großen Damen; ich meine La Fontaine, der so bekannt ist durch seine graziösen Fabeln und Novellen und doch so schwerfällig in der Unterhaltung war, und Mignard, den sein Pinsel so berühmt gemacht hat. Der letztere hatte eine Tochter von vollkommener Schönheit, nach der er mit ganz besonderer Vorliebe arbeitete. Sie findet sich auf mehreren jener großartigen historischen Gemälde, die die große Galerie von Versailles und ihre beiden Säle schmücken und nicht wenig Anteil daran gehabt haben, daß ganz Europa gegen den König aufgereizt wurde und sich noch mehr gegen seine Person als gegen sein Reich verband.

 

Ludwig XIV., der gewohnt war, in seiner Familie mindestens ebenso zu herrschen, wie über seine Hofleute Die Kardinäle von Meudon und von Lothringen waren Antoine Sanguin, Bischof von Orléans, dann Erzbischof von Toulouse, Großalmosenier von Frankreich und Gouverneur von Paris, der 1539 den Purpur erhielt, und Karl von Lothringen, Erzbischof von Reims, geb. 1524, gest. 1574, einer der Söhne des ersten Herzogs von Guise.und sein Volk, und sie immer unter seinen Augen versammelt sehen wollte, hatte die Schenkung von Choisy an den Dauphin und die häufigen Reisen nicht gerne gesehen, die dieser in einer selbstgewählten ganz kleinen Gesellschaft dorthin machte. Dies verursachte eine Teilung des Hofes, die sich bei dem Alter seines Sohnes nicht verhindern ließ, seit die Schenkung dieses Hauses sie hatte entstehen lassen; er wollte ihn aber wenigstens in größerer Nähe haben. Meudon, das weit geräumiger und durch die Millionen, die Louvois hineingesteckt hatte, außerordentlich prunkvoll war, schien ihm für diesen Zweck sehr geeignet. Er schlug daher Barbezieux, dessen Mutter es aus der Masse für 500 000 Livres übernommen hatte, einen Tausch vor und beauftragte ihn, ihr 400 000 Livres mehr anzubieten und Choisy obendrein. Frau von Louvois, für die Meudon zu groß und zu schwer zu füllen war, zeigte sich entzückt, 900 000 Livres zu erhalten und ein Haus, das ihren Verhältnissen besser entsprach und im übrigen sehr angenehm war, und so wurde der Tausch an demselben Tage, an dem der König den Wunsch danach geäußert hatte, abgeschlossen. Der König hatte diesen Schritt nicht unternommen, ohne vorher mit dem Dauphin darüber gesprochen zu haben, für den die geringste Andeutung eines Wunsches ein Befehl war. Frau von Louvois verbrachte seitdem die Sommermonate in angenehmer Gesellschaft in Choisy, und der Dauphin flatterte nur um so häufiger von Versailles nach Meudon, wo er in Nachahmung des Königs im Hause wie in den Gärten viel Neues schuf und die Wunder, die die Kardinäle von Meudon und von Lothringen und die Herren Servien und von Louvois dort nacheinander hinzugefügt hatten, überbot. Barbezieux' Intrige. Vergl. hierzu die Anm. zu Seite 132 und Bd. II der Ausgabe von Saint-Simons Memoiren von A. de Boislisle (1879 ff.) Seite 286, Anm. 1 und 289, Anm. 1. – Das Patent des Herzogs von Vendôme war am 3. Mai 1695 von Compiègne abgegangen. Der Marschall von Noailles traf erst am 12. Juli in Versailles ein.


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