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VII

Tod des letzten Longueville. Heirat des Prinzen von Rohan. Madame Cornüel. Heiraten. Die Verteilung der Armeen. Liebeshandel des Dauphin. Saint-Simon geht zur Armee nach Deutschland. Zwei Jesuiten. Philippsburg. Speyer. Gau-Böckelheim.

 

Diesen Winter (1694) erlosch das berühmte Haus Longueville, so bekannt durch sein unerhörtes und so wunderbar bis zuletzt bewährtes Glück. Der Herzog von Longueville, der sich während der Unruhen zur Zeit der Minderjährigkeit Ludwigs XIV. von so verschiedenen Seiten zeigte, hatte keine Kinder hinterlassen, außer der Herzogin von Nemours, die aus seiner ersten Ehe mit der Schwester der Prinzessin von Carignan und des letzten Grafen von Soissons stammte, der in der Schlacht von Sedan getötet wurde und der letzte seines Zweiges war. Aus seiner zweiten Ehe mit der berühmten Herzogin von Longueville, der Schwester des Großen Condé und des Prinzen von Conti, hatte er nur zwei Söhne gehabt. Der jüngere, der viel verheißen hatte, war unverheiratet beim Übergang über den Rhein getötet worden; der andere, ein schwacher Charakter, wurde nach Rom geschickt, von den Jesuiten eingeseift und vom Papst zum Priester gemacht. Nach Frankreich zurückgekehrt, verlor er allmählich den Verstand, so daß er für den Rest seines Lebens in der Abtei von Saint-Georges bei Rouen eingesperrt wurde. Niemand bekam ihn dort zu sehen, und der Prinz von Condé übernahm die Verwaltung seines Vermögens. Er starb in den ersten Tagen des Februar (1694), und man fand ein Testament von ihm, das er vor seiner Reise nach Rom in Lyon gemacht hatte, und in dem er sein ganzes Vermögen seinem später beim Übergang über den Rhein gefallenen Bruder und falls dieser ohne Nachkommen stürbe, seiner Mutter und nach dieser den Prinzen von Conti vermachte. Der älteste dieser Prinzen war schon lange tot, so daß sein Bruder François-Louis der einzige berechtigte Erbe dieses großen Vermögens wurde, das die Herzogin von Nemours ihm streitig machte.

Der Prinz von Soubise brachte fast zur selben Zeit die Heirat der Erbin von Ventadour mit seinem ältesten Sohne zustande. Sie war die Witwe des Prinzen von Turenne, des ältesten Sohnes des Herzogs von Bouillon, der bei Steenkerk tödlich verwundet worden und am andern Tage seinen Verletzungen erlegen war, während er an seine Geliebte schrieb. Er hatte durch mehrere kühne Märsche bewiesen, daß er kein unwürdiger Urenkel des Marschalls von Bouillon war, und der Kardinal von Bouillon empfand über seinen Tod solchen Schmerz, daß er den Jesuitenpater Gaillard, der sehr an allen Mitgliedern des Hauses Bouillon hing, nötigte, die Leichenrede für ihn zu halten. Aus seiner ziemlich kurzen Ehe hatte er keine Kinder gehabt; seine Frau aber hatte doch Zeit gefunden, sich durch so viele offenkundige Liebeshändel bekannt zu machen, daß keine Dame sie besuchte, und die Spottlieder, die überall auftauchten, in Flandern bei der Armee gesungen wurden, wo auch der Prinz von Rohan (der sie 1694 heiraten sollte) sie nicht geschont und häufig ganz offen mitgesungen hatte.

Sie hatte den Ritter von Bouillon heiraten wollen, der ihr sehr zusagte, und der diese Verbindung wegen des großen Vermögens, das sie bereits besaß, und eines ungeheuren Besitzes, den sie noch zu erwarten hatte, ebenfalls sehr wünschte. Herr und Frau von Ventadour wollten aber nicht von einem sehr wenig gut gestellten jüngeren Sohne reden hören, und Herr und Frau von Bouillon widersetzten sich dem Plane nicht weniger, weil sie sie mit dem Herzog von Albret wiederverheiraten wollten, der nun der älteste Sohn war, ihr jedoch ganz und gar nicht behagte. So einigte sich denn die Familie, den König zu bitten, er möge den Ritter von Bouillon zur Abkühlung seiner Liebeshitze nach Turenne schicken, und dort hielten sie ihn fest, bis diese Verbindung nicht mehr in Frage kam. Die Prinzessin blieb aber dabei, den ältesten Sohn zurückzuweisen.

Herr von Soubise betrachtete diese reiche Heirat als die festeste Grundlage seines Zweiges. Er hatte gute Gründe in der Wahl nicht schwierig zu sein: die Schönheit seiner Frau hatte ihn zum Prinzen und Provinzgouverneur gemacht und gab ihm Hoffnung auf noch mehr; der Reichtum einer Schwiegertochter, gleichviel wie ihr Ruf beschaffen war, schien ihm die Verachtung der öffentlichen Meinung wohl wert zu sein. Kurz, die Heirat kam zustande.

Im Maraisviertel wohnte eine alte Dame aus dem Bürgerstande, der ihr Geist und die Mode stets die beste Hof- und Stadtgesellschaft zugeführt hatten. Sie hieß Madame Cornüel, und der Prinz von Soubise gehörte zu ihren Freunden. Er ging also zu ihr, um ihr von der eben geschlossenen Heirat Mitteilung zu machen, ganz voll von der hohen Geburt und dem großen Vermögen, die sich da vereinigten. »Ho! Monsieur,« Dangeaus Tochter von Anne-Françoise Morin (gestorben 1682) war Marie-Anne-Jeanne de Courcillon, geboren 1671, gestorben im Kloster 1718. Sie hatte Honoré-Charles d'Albert, Herzog von Montfort geheiratet (1694).entgegnete ihm die gute Frau, die im Sterben lag und zwei Tage darauf verschied, »das ist ja eine glänzende und fette Heirat für in sechzig oder achtzig Jahren!«

Der Herzog von Montfort, der älteste Sohn des Herzogs von Chevreuse, heiratete gleichzeitig die einzige Tochter des Marquis von Dangeau, Ritters des Heiliggeistordens und seiner ersten Frau, der Tochter Morins, genannt der Jude und Schwester der Marschallin d'Estrées. Sie gilt als sehr reich, man sagt ihr aber auch nach, daß sie ihre Winde nicht zurückhalte, was zu vielen Witzen Anlaß gab.

Um dieselbe Zeit heiratete der Herzog von Villeroy die zweite Tochter der Frau von Louvois, ein sehr reiches und entzückendes Mädchen, Schwester des Herrn von Barbezieux und sehr viel jüngere Schwester der Herzogin von la Rocheguyon. Der Erzbischof von Reims, ihr Onkel, der aus seiner Geburt, wie alle Telliers ebensowenig machte, wie die Colberts sich auf die ihrige besonders viel zugute tun, und der ebendeswegen ziemlich gefährlich war, wo die Geburt der andern berührt wurde, sagte zu ihr: »Liebe Nichte, Ihr seid im Begriffe, Herzogin zu werden, wie Eure Schwester, aber gebt Euch nicht dem Wahn hin, Ihr wäret ihr nun gleich; ich mache Euch darauf aufmerksam, daß Euer Gatte nicht vornehm genug wäre, Page Eures Schwagers zu sein.« Man kann sich denken, wie sehr ihm diese freimütige Äußerung, die nicht verschwiegen blieb, seinen guten Freund, den Marschall von Villeroy, verpflichtete.

Endlich heiratete der Marquis von la Chastre die einzige Tochter erster Ehe des Marquis von Lavardin, Ritters des Heiliggeistordens, mit einer Schwester des Herzogs von Chevreuse.

Es gab in diesem Winter viele Bälle und mehrere schöne im Palais-Royal. Bei dem ersten von diesen hatte ich die Ehre, die verwitwete Prinzessin von Conti, die Tochter des Königs, zum Rundtanz zu führen. Am Faschingsdienstag war in Versailles, im großen Appartement, großes Maskenfest, zu dem der König den König und die Königin von England führte, nachdem er sie zur Abendtafel bei sich gehabt hatte. Die Damen waren bei diesem Ball in vier Quadrillen geteilt, die von der Herzogin von Chartres, der ältesten Tochter des Herzogs von Orléans, der Herzogin von Bourbon-Condé und der verwitweten Prinzessin von Conti geführt wurden. Trotz der Maskierung begann man mit dem Rundtanz, und ich führte bei dieser Gelegenheit die einzige Tochter des Herzogs von La Tremoïlle, die sehr schön gewachsen war und mit am besten tanzte. Sie war als Maurin verkleidet und gehörte zur ersten Quadrille, die alle andern durch ihren Glanz übertraf, wie die letzte durch die Anmut der Kostüme.

 

Die Verteilung der Armeen erfolgte wie gewöhnlich: die große flandrische erhielt der Herzog von Luxemburg, eine kleinere der Marschall von Boufflers und der Marquis von Harcourt sein fliegendes Lager; die deutsche Armee bekam der Marschall von Lorge, die in Piemont operierende der Marschall Catinat, während der Herzog von Noailles in seiner Provinz Roussillon blieb. Der Marschall von Villeroy wurde dem Herzog von Luxemburg und der Marschall von Joyeuse dem Marschall von Lorge als Stellvertreter beigegeben. Der Marschall von Choiseul ging mit einem sehr weitgesteckten Kommando nach der Normandie. Die Herren von Beuvron und von Matignon sperrten sich, ihn in ihren Briefen mit Monseigneur anzureden; der König ließ ihnen aber befehlen, es zu tun, und sie mußten gehorchen.

Der Dauphin wurde nach dieser Verteilung der Streitkräfte zum Oberbefehlshaber der flandrischen Armeen bestimmt, und alle Prinzen schlossen sich ihm an.

Das Regiment, das ich gekauft hatte, lag im Steuergerichtsbezirk von Paris im Quartier und war infolgedessen für Flandern bestimmt. Nach all' dem, was mit dem Herzog von Luxemburg vorgefallen war, hatte ich aber keine Lust, dort hinzugehen. Auf den Rat des Herzogs von Beauvillier legte ich in einem Briefe an den König in aller Kürze meine Gründe dar und überreichte ihm mein Schreiben, als er nach seinem Lever in sein Kabinett trat. Es war an dem Morgen, da er nach Chantilly und Compiègne fuhr, um Revuen abzuhalten und sofort wieder zurückzukehren. Ich folgte ihm in die Messe und von dort zu seinem Wagen. Er setzte den Fuß auf den Tritt, dann zog er ihn wieder zurück, wandte sich zu mir und sagte: »Monsieur, ich habe Euern Brief gelesen; ich werde daran denken.« In der Tat erfuhr ich kurz darauf, daß ich mein Regiment mit dem des Ritters von Sully vertauschen sollte, der in Toul stand und an meiner Stelle nach Flandern, während ich an seiner nach Deutschland ging. Ich freute mich um so mehr, auf diese Weise und durch eine besondere Aufmerksamkeit des Königs, dem Herzog von Luxemburg zu entgehen, als ich erfuhr, daß Herr von Luxemburg sich sehr darüber ärgerte.

Es war schon einige Jahre her, daß der Dauphin in eine Tochter des Herzogs von la Force sehr verliebt gewesen war. Man hatte sie nach der Zerstreuung ihrer Die Kammer der Ehrenfräulein wurde im Januar 1688 aufgelöst, weil man ein Exemplar der Ecole des filles, eines berüchtigten pornographischen Buches, dort aufgefunden hatte. Sie bestand damals aus Fräulein de la Force (Mme. de Roure), Fräulein von Rambures (Mme. de Polignac), Fräulein von Loewenstein (Mme. Dangeau), Fräulein von Gramont (Milady Stafford) und Fräulein von Séméac, die bei dieser Gelegenheit die Hauptschuldige war. – Der Marquis von Créquy. Saint-Simon wirft hier zwei verschiedene Intrigen und zwei Ehrenfräulein zusammen, Fräulein von la Force und Fräulein von Rambures. Letztere, die mit dem Grafen von Polignac verheiratet war, verriet ihren Liebhaber, den Dauphin, für Créquy. Créquy wurde Ende 1686 verbannt und erhielt 1698 die Erlaubnis, sein Kommando, er war Infanterieoberst, wieder zu übernehmen. Frau de Roure (Fräulein von la Force) hatte nicht nur ein Verhältnis mit dem Dauphin, sondern auch Beziehungen zu einem Bürger namens Frérot, dem Prinzen von Turenne und dem Prinzen Philipp von Savoyen.Familie infolge deren protestantischer Gesinnung der Gemahlin des Dauphin als Ehrenfräulein beigegeben und zwar an Stelle der ersten Tochter des Herzogs, die niemals eine solche Stellung angenommen hätte. Der König hatte die Herzogin von Arpajon, Ehrendame der Gemahlin des Dauphin, beauftragt, für sie zu sorgen, und diese gab ihr Wohnung und Kost in ihren Gemächern zu Versailles, nachdem die Kammer der Ehrenfräulein aufgelöst worden war. Man hatte sie später mit dem Sohne des Grafen von Roure verheiratet, der dafür vom König, der sie mit Ehren los sein wollte, die Anwartschaft auf das väterliche Amt eines Generalstatthalters der Languedoc und eine Summe Geldes erhielt. Darauf hatte man ihr durch Herrn von Seignelay verbieten lassen, an den Hof zu kommen. Der Dauphin nahm das mit Ehrerbietung hin, bediente sich aber des Marquis von Créquy, um heimlich den Liebeshandel fortzusetzen. Es geschah aber, daß der Marquis und Frau von Roure aneinander Gefallen fanden. Der Dauphin erfuhr es: es kam zum Bruch, die beiderseitigen Geschenke wurden zurückgegeben (ein seltener Fall bei einem Dauphin), und der Marquis von Créquy wurde aus dem Königreiche gejagt und verbrachte einige Zeit im Auslande.

In diesem Winter nun loderte das schlechtgelöschte Feuer wieder auf: Frau von Roure vermochte den Dauphin in Versailles nicht so heimlich zu sehen, daß der König nicht davon benachrichtigt worden wäre. Er nahm den Dauphin ins Gebet, erreichte aber nichts. Dieser Prinz ging Ostern nicht zur Kommunion, worüber der König sehr zornig wurde. Die Folge war, daß er die Dame in die Normandie, auf die Güter ihres Vaters verbannte, bis auf weitere Ordre. Der Dauphin wußte in dieser Angelegenheit nichts weiter zu tun, als ihr durch Joyeux, seinen ersten Kammerdiener, tausend Louisdor zu schicken und darauf zur Kommunion zu gehen.

Der Dauphin

Der König hatte den Wunsch, daß er nach Deutschland ginge, aber er zog infolge eines Liebeshandels, der während des Feldzuges offenbar wurde, vor, nach Flandern zu gehen, und der König gab seine Einwilligung. Er wählte sich den braven Generalleutnant la Feuillée, der nahe an die achtzig war, zu seinem Rat bei der Armee und wollte nichts tun, bevor er seine Ansicht eingeholt hatte. Das konnte dem Herzog von Luxemburg nicht sehr angenehm sein, aber der König wünschte für seinen Sohn einen besonderen Mentor. Er erinnerte sich vielleicht dessen, was das Jahr zuvor in Heilbronn vorgefallen war, und wollte ihm nun einen Berater an die Seite geben, von dem ähnliche Unzuträglichkeiten nicht zu befürchten waren. La Feuillée genoß den Vorzug, nicht aktiven Dienst bei der Armee zu tun, wenn die Reihe an ihn kam und dennoch als Generalleutnant anerkannt und behandelt zu werden. Er hatte ferner stets sein besonderes Quartier beim Dauphin oder ganz in dessen Nähe. Der König hatte ihm ausdrücklich verboten, die Märsche anders als im Wagen mitzumachen und zu Pferde zu steigen, außer an der Seite des Dauphin vor dem Feinde. Er war ein sehr vortrefflicher Edelmann, milde, besonnen, tapfer, ein ausgezeichneter Offizier und verdiente dieses Vertrauen in jeder Beziehung.

Ich ging nach Soissons, um mein dort versammeltes Regiment zu besichtigen. Ich hatte es dem Könige, der in seinem Kabinett lange mit mir sprach, mitgeteilt, und er empfahl mir Strenge an. Das war der Grund, Die Gemahlin des Dauphin, Maria-Viktoria von Bayern, starb 1690.daß ich sie bei dieser Besichtigung in höherem Grade walten ließ, als ich sonst getan hätte. Ich hatte die Marschälle von Lorge und Joyeuse aufgesucht, die mir ihren Besuch erwiderten. Mit dem letzteren stand ich gut, und die Rechtschaffenheit des ersteren gefiel mir; ich war daher ebenso befriedigt, mit dieser Armee ins Feld zu ziehen, wie ich betrübt gewesen wäre, in Flandern dienen zu müssen.

Ich ging endlich nach Straßburg ab, wo mich die Großartigkeit dieser Stadt und die Zahl, Größe und Schönheit ihrer Befestigungen überraschten. Ich hatte das Vergnügen, dort einen meiner alten Freunde wiederzusehen, nämlich den Pater Wolff, den ich zuerst in fünf oder sechs Jesuitenkollegien in der Umgebung der Stadt hatte suchen lassen, und den man in Hagenau fand, wo er Regens war. Er war Genosse des Pater Adelmann, des Beichtvaters der Gemahlin des Dauphin, gewesen, und da ich von Jugend auf das Deutsche vollkommen verstand und sprach, trug man Sorge, mir deutschen Umgang zu verschaffen, und diese beiden Väter hatten mir sehr gefallen. Als die Prinzessin starb, schickte man sie ins Elsaß, verbot ihnen aber weiterzugehen. Der Pater Adelmann konnte sich nicht enthalten, sein Vaterland wieder aufzusuchen. Dies wurde so übel vermerkt, daß er, um die Pension nicht zu verlieren, die er vom König erhielt, genötigt war, nach Nîmes zu gehen und sich in die Languedoc zurückzuziehen, wo er starb. Der Pater Wolff, der verständiger war, hatte das Elsaß nicht verlassen und blieb dort für immer.

Wir nahmen einige Mahlzeiten nach Landesart in dem schönen Hause des Marquis von Rosen ein, mit dem ich während des vorhergehenden Feldzuges in Flandern Freundschaft geschlossen hatte. Er diente Philippsburg, in der Pfalz, am rechten Rheinufer, war von Condé 1644 genommen worden, 1676 von den Kaiserlichen wieder zurückerobert und 1688 von dem Dauphin von neuem genommen.dort als Generalleutnant und war Generaloberst der Reiterei. Auch in der Folge wurde mir seine Freundschaft auf die zuvorkommendste Art zuteil. In Straßburg hielt ich mich sechs Tage auf. Dort riet man mir, den Rhein bis Philippsburg hinunterzufahren. Ich nahm für mich und die wenigen Leute, die ich mit mir führte, zwei zusammengekoppelte Weidlinge, d. h. sehr kleine, lange und schmale und überaus leichte Kähne, und noch einige andere für diejenigen, die mir folgten. Ich übernachtete im Fort-Louis, wo ich frühzeitig anlangte und hatte Muße, die Befestigungen bei meiner Ankunft in Augenschein zu nehmen. Rouville, der Gouverneur des Forts, empfing mich sehr höflich und bewirtete mich ausgezeichnet. Am andern Tage fuhr ich nach Philippsburg weiter, wo der Gouverneur des Bordes mich beherbergte, bewirtete und sich sehr zuvorkommend bewies. Ich fand dort eine große Gesellschaft von Herren, die zur Armee stoßen wollten, unter andern den Pfalzgrafen Prinzen von Birkenfeld, Hauptmann im Kavallerieregiment des Marquis von Bissy, einen meiner besten Freunde.

Am andern Tage brachen wir auf, um zu der Kavallerie zu stoßen, die unter dem Generalleutnant Melac bei Ottersheim lagerte; die Infanterie stand unter den Mauern von Landau, mit den Marschällen und allen hohen Offizieren. Nach meiner Ankunft suchte ich Melac auf, der meinen Besuch am andern Tage erwiderte. Ich empfing den Besuch aller Brigadegeneräle und Reiterobersten, die dort waren und einer Unmenge anderer Offiziere und stattete ihnen, d. h. den erstgenannten, auch den meinigen ab. Dieses so nahe dem Rhein gelegene Lager ähnelte in seiner Ruhe einem Friedenslager; bald aber ging unsere gesamte Kavallerie auf der Brücke von Philippsburg über den Rhein, um sich auf der andern Seite mit der Infanterie zu vereinigen, die sich mit allen Generälen bereits dort befand. Da war es, wo ich zum erstenmal die beiden Marschälle von Frankreich aufsuchte. Ich besuchte auch Villars, den Generalleutnant und Generalkommissär der Kavallerie, der den Oberbefehl über sie führte, und nach meiner Bequemlichkeit die hauptsächlichsten hohen Offiziere.

Ich befand mich mit Souastre bei der Brigade d'Harlus, die den linken Flügel der zweiten Linie schloß. Das waren zwei vortreffliche und sehr umgängliche Männer.

Als ich am Abend vor Johannis mit den Marquis von Grignan, von Arpajon und von Lautrec und mehreren Offizieren bei mir zu Mittag speiste, erfuhren wir, daß die Feinde in beträchtlicher Anzahl auf den Höhen erschienen. Wir lagerten mit dem Neckar im Rücken auf kleine Kanonenschußweite von Heidelberg und erhielten im Generalquartier, wohin wir eilten, die Bestätigung dieser Nachricht. Man erteilte verschiedene Befehle, und gegen Mitternacht setzte sich die Armee in Marsch.

Der Marquis von Barbezières war mit einer ziemlich starken Abteilung an der Spitze, um aus größtmöglicher Nähe zu rekognoszieren, hatte aber den Befehl, sich auf keinen Kampf einzulassen. Die kleinen Abteilungen, die er vorschob, kamen dem Feind so nahe, daß sie genötigt wurden, sich zu Barbezières zurückzuziehen, der sie tadelte, daß sie sich so unbedacht vorgewagt hatten. Bei Anbruch des Tages, der hell und klar heraufkam, erkannte der Marquis, daß er den Feinden an Zahl sehr unterlegen sei und sandte an den Marschall von Lorge um Verstärkungen. Dieser General, der nichts anfangen wollte, ohne genau zu wissen, was er tat, war sehr ärgerlich über dieses Gefecht, schickte Barbezières Sukkurs und ließ ihm befehlen, sich zurückzuziehen. Dieser Sukkurs fand die Pistolen in Tätigkeit, aber die Feinde, von denen nur eine Abteilung auf dem Platze war, und die unsere Armee ganz nahe glaubten, verfolgten Barbezières nur noch lau, und so bewerkstelligte er seinen Rückzug ohne Schwierigkeit.

Unterdessen setzte die Armee ihren Marsch in halbmondförmiger Formation fort und machte lange Haltpausen. Sie kam gegen ein Uhr nachmittag ganz in die Nähe des Dorfes Roth und sehr dicht an die Feinde heran, welche die Höhen von Wiesloch besetzt hielten, die stark von Hecken und Weingärten durchschnitten waren, und von denen wir nicht wußten, wie es dahinter aussah. Das Dorf Wiesloch lag auf dem Kamm und zog sich ein wenig gegen unsern rechten Flügel zu herab. Unterhalb dieser Höhen floß ein Bach, dessen Ufer sehr ungünstig waren. Da traf eine falsche Nachricht ein, die uns in Kolonne haltmachen ließ, daß nämlich der Troß, der in recht schlechter Ordnung folgte, im Stich gelassen sei und geplündert werde. Der Marschall von Joyeuse ritt im stärksten Galopp hin, erfuhr jedoch unterwegs, daß es nur ein falscher Alarm sei und kehrte sofort zurück.

Die Feinde hatten an dem genannten Bache kleine Posten aufgestellt, namentlich einen, um eine kleine Steinbrücke, die herüberführte, zu bewachen. Der Graf von Averno, Brigadegeneral der Dragoner, erhielt den Befehl, die Brücke anzugreifen und nahm sie. Er wurde dort aber getötet, nachdem er die Feinde vertrieben und sehr weit verfolgt hatte. Er war ein vornehmer Sizilianer, den das Unglück mehr als seine Wahl in den Aufstand seines Vaterlandes hineingezogen hatte, und den Herr von la Feuillade mit einigen andern mitnahm, als er die französischen Truppen aus Sizilien zurückzog. Er wurde infolge seiner Verdienste und seiner Tapferkeit sehr betrauert, vor allem von dem Marschall von Lorge, an den er sich wie an Herrn von la Rochefoucauld sehr angeschlossen hatte.

Der Marquis du Châtelet ging über den Bach mit der Brigade de Mérinville, die er in dessen Abwesenheit befehligte, und vertrieb, von einigen Kompagnien schwerer Reiter unterstützt, die Feinde von den Höhen.

Der Marschall von Lorge, der ganz in der Nähe waldige Hügel sah, von denen er weder wußte, wie es hinter ihnen aussah, noch wieviel Truppen sie besetzt halten mochten, ließ die seinigen sich zurückziehen, sicherte den Bach und schlug dort in der Ebene das Lager auf und sein Generalquartier in Roth. Er blieb dort unter Beobachtung aller Vorsicht acht Tage lang, bis die Mehlmagazine in Philippsburg erschöpft und die Weideplätze in dem ganzen kleinen Lande kahlgefressen waren. Dann führte er seine Armee über den Rhein zurück.

Er führte den schönsten Marsch von der Welt aus. Um elf Uhr morgens brach er unter großem Kriegslärm von Roth auf, in neun Kolonnen, die beim Abmarsch in Gegenwart der Feinde, die die andere Seite des Baches besetzt hielten und auf der Rückseite der dahinterliegenden Höhen (wo das kleine Gefecht geliefert worden war) lagerten, eine Schwenkung machten. All diese Kolonnen passierten einen Wald mit so genauer Richtung, daß in der Ebene von Schwetzingen, wo sie sich alsbald in Schlachtordnung stellten, jede Brigade in ihrer Ordnung und an ihrem Platz war. Man defilierte darauf in großer Ordnung und Geschwindigkeit über eine Brücke und durch eine Furt eines breiten Baches, wobei die Truppen bis zum Augenblick des Übersetzens in Schlachtordnung blieben. Der Marschall von Joyeuse nahm an der Brücke Stellung, um die Ordnung aufrecht zu erhalten und alles zu beschleunigen, und der Marschall von Lorge bei seiner Nachhut. In zwei Stunden war alles drüben, weil die Lebensmittel, die Artillerie und das schwere und leichte Gepäck die Spitze genommen hatten. Man glaubte eine Zeitlang, dieser Marsch würde beunruhigt werden, erfuhr aber nachher, daß der Prinz Ludwig von Baden, der die kaiserliche Armee befehligte, es nicht gewagt und ganz laut zu den Seinen gesagt hatte, dieser Marsch ginge in zu guter Ordnung vor sich, als daß er ihn mit Erfolg angreifen könnte.

Wir lagerten beim Philippsburger Kapuzinerkloster, wo die ganze Armee sich vereinigt hatte, und da das ganze Gepäck mitsamt der Reserve unter dem Befehl Romainvilles, eines der ältesten und vortrefflichsten Brigadekommandeure, in Ottersheim lag, suchte jeder so gut er konnte, in Philippsburg Unterschlupf, wo der Gouverneur mir das Zimmer des Majors geben ließ, und wo la Chastre, der davon Wind bekam, mich bitten ließ, ihn mit aufzunehmen. Am andern Tage gab uns der Major ein Frühstück, und während die Armee über die Rheinbrücke defilierte, machte ich den beiden Marschällen meine Aufwartung. Von dort begab ich mich nach Ottersheim, wo die Truppen ein Lager bezogen.

Wir gingen nach Speyer weiter, und ich konnte mich nicht enthalten, die Verwüstung dieser Stadt zu beklagen, Die von Louvois und Chamlay befohlene Zerstörung von Speyer wurde von dem Marschall von Duras im Mai 1689 ausgeführt; gleichzeitig wurden Worms, Oppenheim und Frankenthal verbrannt und zerstört.die eine der schönsten und blühendsten des Reiches war. Sie bewahrte die Reichsarchive, war der Sitz des Reichskammergerichts und oftmals der Versammlungsort der Reichstage. Alles lag dort in Schutt infolge des Feuers, das Louvois zu Beginn des Krieges dort wie in der ganzen Pfalz hatte legen lassen. Und die spärlichen Einwohner, die es dort noch gab, hatten in den Ruinen Hütten aufgeschlagen oder hausten in den Kellern. Der Dom hatte größere Schonung erfahren, ebenso seine beiden schönen Türme und das Jesuitenkolleg, alle andern Häuser aber waren zerstört.

Chamilly, der erste Generalleutnant der Armee und Gouverneur von Straßburg, blieb mit dem Generalmajor Vaubecourt und der ganzen Infanterie in Ottersheim; die Marschälle, alle hohen Offiziere, die ganze Kavallerie und die picardische Brigade gingen nach Osthofen und Westhofen und acht Tage später nach Gimbsheim, mit dem alten Rhein im Rücken.

 

Unser Feldzug in Deutschland ging sehr ruhig zu Ende. Wir blieben 40 Tage in Gau-Böckelheim, in dem schönsten und besten Lager von der Welt, bei wundervollem, wenn auch etwas zur Kälte neigendem Wetter. Diese beginnende Kälte zog mir einen Streit um ein Haus mit dem Generalmajor der Kavallerie d'Esclainvilliers zu. Die Sache ging so weit, daß der Marschall von Lorge davon erfuhr, der mir alsbald durch Permillac, Quartiermeister der Kavallerie, sagen ließ, das Haus gehöre mir und d'Esclainvilliers darauf aufmerksam machte. Möglicherweise hielt er ihm noch eine Standpauke; denn als ich abends auf der Schwelle meiner Tür mit dem Prinzen von Talmond und fünf oder sechs andern Brigadegenerälen oder Obersten plauderte, erschien d'Esclainvilliers und entschuldigte sich sehr. Zwei Tage danach suchte er mich noch einmal auf, und ich erwiderte seinen Besuch und gab darauf ihm und einigen andern ein Mittagessen, wie ich denn stets Gäste zum Essen hatte, Generäle, Obersten und andere Offiziere.

Nach einem so langen Aufenthalt in diesem Lager des Überflusses, hieß es anderswohin gehen. Der Marschall von Lorge wollte im Elsaß ein starkes Infanteriekorps lassen, um die Feinde zu verhindern, dort über eine geschwind über den Fluß geworfene Schiffsbrücke einzudringen, wenn er sich wegen seiner Verproviantierung entfernt hätte. Er ließ sich durch die Vorstellungen des Armeeintendanten de la Grange, der auch der Intendant für das Elsaß war, nicht davon abbringen. Dieser schrieb darüber an den Hof und meldete, daß, wenn diese Infanterie im Elsaß bliebe, sie die Provinz außerstand setzen würde, hunderttausend Taler zu zahlen. Diese Besorgnisse und Vorsichtsmaßregeln seien zwecklos, er verbürge sich mit seinem Kopf, daß die Feinde den Rhein nicht überschreiten würden, ja nicht einmal in der Lage wären, daran zu denken. Barbezieux, der trotz der großen Airs, die er sich gab, mehr von einem Intendanten als von einem Heerführer an sich hatte und geneigter war, la Grange als dem Marschall zu glauben, brachte den König auf seine Seite. Und so empfing der Marschall einen gemessenen Befehl, der dem Vorschlag la Granges entsprach. Da konnte der Marschall nichts weiter tun als gehorchen, und da er keine näheren Verpflegungsmöglichkeiten fand, als die Ufer der Nahe, so zog er sich mit der ersten Linie ganz gegen Kreuznach und sandte Tallard mit der zweiten über diesen kleinen überall passierbaren Fluß in den Hunsrück, wo wir Fourage und Lebensmittel im Überfluß hatten.

Kaum aber hatten wir uns dort häuslich eingerichtet, als Tallard Befehl erhielt, sofort mit allen seinen Truppen aufzubrechen, um zum Marschall von Lorge zu stoßen. Der Prinz Ludwig von Baden hatte sich nämlich infolge unserer Entfernung gesagt, er würde alle Muße haben, bevor wir wieder vereinigt sein könnten, einen Beutezug ins Elsaß zu machen, und sich wieder zurückzuziehen, bevor wir imstande wären, ihn zu verfolgen. Er hatte also, begünstigt durch eine große Insel, auf der er Artillerie postierte, bei Hagenbach eine Schiffsbrücke über den Rhein geworfen und sich von dort in getrennten Abteilungen im Elsaß verbreitet. Sofort mit Eintreffen der ersten Nachricht war der Marschall von Lorge mit einiger Kavallerie nach Landau geeilt, wo der Marschall von Joyeuse ihm seine Truppen zuführte, und wir brachen am Tage nach Eintreffen des Befehls auf, gingen über die Nahe und lagerten am folgenden Tage bei Flonheim. Tallard erfuhr dort, daß der Landgraf von Hessen sich anschicke, ihn mit 20 000 Mann am nächsten Tage auf dem Marsche anzugreifen. Was wir aber fürchteten, war, das Defilee von Dürckheim besetzt zu finden, wo es leicht war, den Übergang zu verhindern, auf diese Weise die beiden Linien unserer Armee getrennt zu halten und das Elsaß zu verwüsten, während die erste Linie allein es nicht würde verhindern können und die zweite nutzlos bleiben müßte.

In dieser Verlegenheit traf es sich, daß eine Kusine des Mannes, bei dem ich wohnte, von Mainz zurückkehrte, von wo sie am Abend zuvor abgereist war. Ich erfuhr dies von meinen Leuten, die sie entdeckten. Sie sprach nur deutsch; ich führte sie zu Tallard, und dieser bat mich, ihm als Dolmetsch zu dienen. Wir erfuhren von ihr, daß die Tore von Mainz geschlossen seien, daß man niemand von dieser Seite her einlasse, daß man sie dort hinausgelassen und daß sie jenseits von Mainz eine Anzahl Zelte bemerkt habe, ferner, daß Husaren ihr gesagt hätten, sie gehörten dem Landgrafen von Hessen, der im Begriffe sei, sich mit dem Prinzen Ludwig zu vereinigen. Das machte uns nicht viel klüger, und Tallard, der keinerlei Nachricht von seinen Streifpatrouillen hatte, sandte noch zwei weitere aus. Wir hatten wohl vierzehn französische Meilen zurückgelegt und waren erst um acht Uhr abends angekommen, so daß man wohl oder übel die Nacht der Ruhe widmen mußte. Bis zum Defilee von Dürckheim hatten wir noch acht Meilen. Wir marschierten am andern Tage in der Erwartung, auf den Feind zu stoßen, aber es zeigte sich keine Spur von ihm. Später erfuhr man, daß jenes Lager unter den Mauern von Mainz 8000 Mann enthielt, die mehr auf Beute als auf Kampf aus waren. Romainville hatte mit seiner Reserve von Argenthal im Hunsrück, wo wir lagerten, einen andern Weg durch das Gebirge genommen. Er führte das Gepäck mit sich, so daß wir unbeschwert marschierten. Wir gingen über die Defilees von Dürckheim ohne jedes Hindernis und lagerten vier Meilen von dort abermals, zwei Meilen von der ersten Linie entfernt, mit der uns der Marschall von Joyeuse erwartete. Tallard ritt zu ihm, um seine Befehle entgegenzunehmen, die dahin lauteten, am nächsten Tage unter die Mauern von Landau zu marschieren. Unterwegs erreichten wir die erste Linie, und diese Vereinigung war für beide Teile eine große Freude.

Ich ging unverzüglich nach Landau, um den Marschall Das Lager (von Mansfeld) wurde am 22. September 1694 bezogen. – Weißenburg, – soll heißen: Lauterburg.von Lorge aufzusuchen, der seine Armee mit Ungeduld erwartet hatte. Ich fand ihn in dem Garten des Gouverneurs Mélac. Zugegen waren noch einer der Generalleutnants der Armee, fast alle hohen Offiziere und la Grange, der sehr verlegen war und den Kopf hängen ließ. Wir erfuhren dort, daß die in mehreren Kolonnen vorgedrungenen Feinde große Beute und eine Anzahl Geiseln mitgenommen hatten und sich auf der Insel und in den Wäldern von Hagenbach stark verschanzten. Die Zahl der Streitkräfte, die den Rhein überschritten hatten, erfuhr man aber niemals, obwohl man es an Bemühungen nicht hatte fehlen lassen. Mélac hatte ein großes Streifkorps der Feinde geschlagen, wobei Girardin leicht am Bauch verwundet worden war.

Am andern Tage wurde nach einem langen Marsche ein sehr ausgedehntes Lager bezogen, aus dem der Marquis d'Alègre, der Generalmajor vom Dienst, als er ankam, die Garden und die Dragoner des Marquis von Bretoncelles mit sich nahm, um zu sehen, ob in der jenseitigen Ebene Feinde seien. Er sprengte bis an den Wald, erstürmte dort eine große Verschanzung und vertrieb daraus den General Sohier. Am andern Tage wurde geruht. Am folgenden setzten sich die beiden Marschälle in Bewegung: Herr von Lorge, um die Feinde aus Weißenburg zu vertreiben, das er aber von ihnen verlassen fand; Herr von Joyeuse, um die Wälder zu durchsuchen. Er fand dort eine ausgedehnte Verschanzung, konnte sie jedoch nicht erstürmen, weil er nicht genug Truppen hatte. Am andern Tage wurde abermals geruht. Am übernächsten Tage marschierte man, die abgebrochenen Zelte im Lager zurücklassend, in umgekehrter Kolonne gegen den Feind. Man hatte eine gute Strecke durch große gefällte Baumbestände zurückgelegt, als man erfuhr, daß die Feinde wieder über den Rhein gegangen seien und ihre Brücke abgebrochen hätten. Die Armee kehrte daher ebenso betrübt ins Lager zurück als sie fröhlich ausgezogen war.

Drei Tage darauf trafen in demselben Lager Befehle ein, die eine Trennung der Streitkräfte verfügten. Tallard erhielt danach Weisung nach Zweibrücken zu gehen, der Marschall von Joyeuse nach dem Hunsrück, und der Marschall von Lorge dorthin, wohin er für zweckmäßig hielte. Außerdem war die Anzahl der Truppen und Generale für jeden der drei Heerführer bestimmt worden.

Der Marschall von Joyeuse erfuhr seine Ordre zuerst und schwieg dazu. Der Marschall von Lorge – war es nun aus Vergeßlichkeit oder einem andern Grund – sprach mit ihm nicht darüber. Am Tage der Trennung jedoch schickte er ihm durch einen Pagen einen Brief, in dem er ihn bat, in zwei Stunden aufzubrechen usw. Joyeuse, der sich beleidigt fühlte, antwortete wörtlich, er sei noch gar nicht vorbereitet und könne nicht abmarschieren, darauf ritt er spazieren. Unruhig über diese Antwort, ging der Marschall von Lorge, ihn aufzusuchen. Er fand ihn beim Spazierritt, Joyeuse wandte aber sein Pferd nicht, um ihm entgegenzureiten. Herr von Lorge sprengte an seine Seite. Der Empfang war sehr kalt, die gewechselten Reden desgleichen: Entschuldigungen auf der einen, Klagen auf der andern Seite, und die bestimmte Erklärung Joyeuses, nicht aufzubrechen. So trennten sie sich. Der Marschall von Lorge wurde immer unruhiger: er hatte bestimmte Befehle, und es wurde später und später. Er nahm seine Zuflucht zum Verhandeln und beauftragte damit den Marquis von Huxelles, Ritter des Heiligengeistordens und Generalleutnant, sowie den Generalmajor Vaubecourt. Diese suchten den Marschall von Joyeuse auf, überredeten ihn wenigstens zum andern Marschall zu kommen und führten ihn zu ihm. Sie hörten dort die Messe und schlossen sich darauf ein. Nach einer Stunde kamen sie heraus, und es wurden die Befehle für den Aufbruch des Marschalls von Joyeuse und seiner Truppen, zu denen ich gehörte, gegeben, und die beiden Marschälle gingen zusammen zur Mittagstafel beim Marquis von Huxelles, im Quartier des Marschalls von Joyeuse. Der Abmarsch konnte aber erst am Nachmittag erfolgen.

Unsere Brigade bezog ihre Quartiere in Norheim an der Nahe unweit von Ebernburg, in einer Gegend, die einen Überfluß an Futter bot. Ich blieb dort bis zum 16. Oktober (1694), wo mir der Marschall von Joyeuse in der liebenswürdigsten Form Urlaub erteilte, und begab mich nach Paris über Metz, wo ich Herrn von Sève sah, der dort Erster Präsident des Parlaments war. Er war einer der lautersten und aufgeklärtesten Beamten und hatte zu den Intimen meines Vaters gehört.

Bevor ich wieder auf Paris zu sprechen komme, muß ich etwas nachholen, was ich vergessen habe. Als wir im Lager von Gau-Böckelheim waren, erhielt la Bretesche den Auftrag, gegen Rheinfels zu aufzuklären. Er war ein Edelmann, der im Kriege ein Bein verloren hatte, ein hervorragender Parteigänger, hatte sich eine große Geschicklichkeit erworben und genoß das Vertrauen des Marschalls von Lorge in hohem Maße. Er war einer der Generalleutnants von dessen Armee und wollte zur Ausführung dieses Auftrages, trotz seines Grades, nicht mehr als zweihundert Grenadiere und hundertundfünfzig Dragoner mitnehmen.

Als er in der Nacht nach einem langen Marsche zu einem Dorfe vier Meilen von Rheinfels gekommen war, machte er halt, postierte seine Infanterie, ließ die Dragoner, mit Ausnahme von einigen wenigen, die im Sattel blieben, absitzen und ihre Pferde an einer Hecke vor der Scheune, in der er mit den Offizieren einen Bissen essen wollte, fest machen. Als sie bei Tisch waren, verdunkelte sich der Mond, der sehr hell war, plötzlich, und es brach ein heftiger Gewittersturm mit Blitz, Donner und Regen los. Alsbald läßt la Bretesche, der infolge des schlechten Wetters eine Überraschung fürchtet, die Dragoner aufsteigen, steigt selbst auf und hört im gleichen Augenblick eine starke Salve, die seine Vorsicht rechtfertigte. Er erteilt dem Führer der Dragoner seine Befehle, begibt sich zu seiner Infanterie und stellt sie auf. Gleich darauf kehrt er zu seinen Dragonern zurück, findet aber nur noch zwei oder drei und einen einzigen Hauptmann. Verzweifelt über dieses Auskneifen, kehrt er zu seiner Infanterie zurück, greift die Feinde an, macht sich die Dunkelheit und die Unordnung, in die er sie versetzt, zunutze, wirft sie zurück, jagt sie aus dem Dorfe, obgleich sie ihm an Zahl dreifach überlegen sind, wird leicht am Arm und Schenkel verwundet, und da der Tag zu grauen beginnt, zieht er sich in guter Ordnung nach Ebernburg zurück.

Unterwegs begegnete er einer der Dragonerabteilungen, die ihn im Stich gelassen hatten. Der Kapitän, der sie führte, war so schamlos, ihn zu fragen, ob er wünsche, daß er ihn eskortiere und zog sich dadurch die Antwort zu, die er verdiente. Die Dragoner entschuldigten sich daraufhin bei la Bretesche und schoben die Schuld an ihrem schimpflichen Verhalten auf ihre Offiziere, die sie gegen ihren Willen davongeführt hätten. Von unserm Lager bis nach Ebernburg waren nur drei Meilen: la Bretesche, der sehr beliebt und geschätzt war, erhielt die Besuche von allen Offizieren der Armee und meinen mit unter den ersten. Er war so großmütig, für jene Dragoner um Gnade zu bitten, und der Marschall von Lorge, der von Natur gut und milde war, so gefällig, sie ihm zu gewähren.

In der Muße der langen Lagertage von Gau-Böckelheim war es, wo ich diese Erinnerungen begann. Veranlaßt wurde ich dazu durch das Vergnügen, das mir die Lektüre der Memoiren des Marschalls von Bassompierre bereitete, das mich dazu verlockte ebenfalls die Ereignisse meiner Zeit niederzuschreiben. Die Herzogin von Chartres und die Herzogin von Bourbon-Condé waren beide Töchter der Frau von Montespan.


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