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VI

Saint-Simon hält um die Tochter des Herzogs von Beauvillier an. Warum aus der Heirat nichts wird. Erwerbung von La Ferté. La Trappe.

 

Meine Mutter hatte sich während des Krieges sehr um mich gesorgt und wünschte sehr, ich sollte keinen zweiten mitmachen, ohne mich vorher verheiratet zu haben. Es war daher zwischen ihr und mir viel von dieser wichtigen Angelegenheit die Rede. Obwohl ich noch sehr jung war, empfand ich kein Widerstreben dagegen, aber ich wollte mich nach meinem Sinne verheiraten. Trotz meiner ansehnlichen Stellung fühlte ich mich in einem Lande, wo das äußere Ansehen mehr galt als alles übrige, sehr vereinsamt. Als Sohn eines Günstlings Ludwigs XIII. und einer Mutter, die nur für ihn gelebt, und die er geheiratet hatte, als sie selbst nicht mehr jung war, ohne Onkel und Tanten, Vettern und nahe Verwandte und ohne Nutzen von ihren Freunden zu haben, da diese sich infolge ihres Alters von allem zurückgezogen hatten, fühlte ich mich ganz alleinstehend. Die Millionen konnten mich nicht zu einer Heirat unter meinem Stande verführen, und meine Bedürfnisse konnten mich ebenfalls nicht dazu bewegen.

Der Herzog von Beauvillier hatte nie vergessen, daß mein Vater und der seinige Freunde gewesen waren und daß er selbst, soweit es die Verschiedenheit des Alters, des Aufenthalts und der Lebensweise zuließ, auf » Bei den Prinzen«, d. h. bei den Herzögen von Burgund, von Anjou und von Berry, den Enkeln Ludwigs XIV.demselben Fuße mit ihm gestanden. Und so hatte er mir bei den Prinzen, deren Erziehung er beaufsichtigte und denen ich meine Aufwartung machte, stets so viel Entgegenkommen bewiesen, daß ich mich nach dem Tode meines Vaters und später wegen der Bewilligung des Regiments an ihn wandte. Seine Vortrefflichkeit, seine Milde, seine Zuvorkommenheit, alles hatte mich für ihn eingenommen. Er stand damals in höchster Gunst. Seit Louvois' Tode war er Staatsminister; er war sehr jung dem Marschall von Villeroy in seinem Amte als Chef des Finanzrates nachgefolgt und hatte von seinem Vater die Stelle eines Ersten Kammerherren übernommen. Der Ruf der Herzogin von Beauvillier und die vollkommene Eintracht, in der sie stets gelebt hatten, machten ebenfalls Eindruck auf mich. Verlegenheit bereitete nur die Frage des Vermögens: ich brauchte Geld, um meine Verhältnisse in Ordnung zu bringen, die sich in sehr schlechtem Zustande befanden, und Herr von Beauvillier hatte zwei Söhne und acht Töchter. Dessenungeachtet siegte die Neigung über meine Bedenken, und meine Mutter pflichtete mir bei.

Nachdem ich diesen Entschluß gefaßt hatte, hielt ich es für passender, ohne Umweg und ohne Vermittelung gerade auf mein Ziel loszugehen. Meine Mutter übergab mir ein genaues Verzeichnis meines Vermögens und meiner Schulden, sowie der Lasten und Prozesse, die ich hatte. Ich ging damit nach Versailles und ließ den Herzog von Beauvillier fragen, wann ich ihn unter vier Augen und mit Muße sprechen könnte. Er bestellte mich auf acht Uhr abends in das Kabinett Frau von Beauvilliers, wo er sich allein einfand. Nach einigen Worten der Begrüßung sagte ich ihm, was mich herführe, Von den acht Töchtern des Herzogs von Beauvillier, die bei den Benediktinerinnen von Montargis erzogen wurden, wurden sieben Nonnen in demselben Kloster, die älteste, Marie-Antoinette, Priorin auf Lebenszeit. Sie nahm 1696 den Schleier. Das Kloster war auf Kosten des Herzogs und der Herzogin von Beauvillier wiederhergestellt worden; sie ließen sich auch beide dort begraben.und daß ich es vorgezogen hätte, mich direkt an ihn zu wenden, statt, wie man es bei Angelegenheiten dieser Art gewöhnlich mache, einen andern für mich sprechen zu lassen. Und nachdem ich ihm meinen Wunsch mit aller Wärme zu erkennen gegeben hatte, legte ich ihm das genaue Verzeichnis meines Vermögens vor und bat ihn, zu überlegen, was er hinzufügen könne, um seine Tochter mit mir glücklich zu machen; das seien alle Bedingungen, die ich zu machen hätte, und ich wolle weder von einer Diskussion über eine Andere, noch über die größere oder geringere Höhe der Mitgift etwas hören; die einzige Gunst, die ich von ihm erbitte, sei, daß er mir die Hand seiner Tochter bewillige und den Heiratskontrakt ganz nach seinem Gutdünken aufsetzen lasse; meine Mutter und ich würden ihn ohne Prüfung unterzeichnen.

Während ich zu ihm sprach, hatte der Herzog den Blick keinen Augenblick von mir gewandt. Er dankte mir lebhaft für meine Bewerbung, meinen Freimut und mein Vertrauen, worauf er mich um einige Augenblicke Zeit bat, um mit Frau von Beauvillier zu reden und mit ihr zu beraten, was sie tun könnten. Sodann setzte er mir die Verhältnisse seiner Familie auseinander. Er sagte mir, die älteste von seinen acht Töchtern sei zwischen vierzehn und fünfzehn Jahren, die zweite stark verwachsen und unmöglich zu verheiraten, die dritte zwischen zwölf und dreizehn, alle anderen aber Kinder, die er in Montargis bei den Benedektinerinnen habe. Er kenne die bei ihnen herrschende Tugend und Frömmigkeit und hätte sie nähergelegenen Klöstern vorgezogen, obwohl diese ihm die Annehmlichkeit gewährten, sie öfter zu sehen.

Er fügte hinzu, seine Älteste wolle Nonne werden; als er sie das letztemal von Fontainebleau aus besucht, habe er sie entschlossener dazu gefunden als je. Was aber das Vermögen angehe, so besitze er wenig; er wisse nicht, ob ich mit dem Heiratsgut zufrieden sein werde, er versichere mir aber, daß er in dieser Beziehung für mich alles tun werde, was in seinen Kräften stehe.

Ich antwortete ihm, er sehe wohl aus dem Antrage, den ich ihm mache, daß es nicht das Vermögen sei, das mich zu ihm führe, ja nicht einmal seine Tochter, die ich nie gesehen hätte, daß es vielmehr er selbst sei, der mich bezaubert habe und den ich heiraten wolle, und Madame de Beauvillier dazu. »Aber,« entgegnete er mir, »wenn sie durchaus Nonne sein will?« »Dann,« erwiderte ich, »bitte ich Euch um die Dritte.« Auf diesen Vorschlag machte er mir zwei Einwände: ihr Alter, und daß er ihr gerechterweise die Älteste bezüglich des Vermögens gleichstellen müsse, falls diese nach der Heirat der Schwester andern Sinnes würde und nicht Nonne werden wolle, wodurch er dann in große Verlegenheit kommen müsse. Auf den ersten Einwand antwortete ich, indem ich auf das Beispiel seiner Schwägerin hinwies, die noch jünger war, als sie den verstorbenen Herzog von Mortemart geheiratet hatte; auf den zweiten schlug ich ihm vor, mir seine dritte Tochter mit so viel Mitgift zu geben, wie er ihr für den Fall der Verheiratung der ältesten bewilligt hätte, ohne daß er mir jedoch den Rest der Summe auszahlen müsse, die er ihr anfänglich bestimmt habe, wenn die älteste das Gelübde ablege. Ändere diese ihren Entschluß, so wolle ich mich mit der Mitgift einer jüngeren Tochter begnügen und würde entzückt sein, wenn die älteste eine bessere Partie fände als mich.

Da hob der Herzog die Augen zum Himmel, wußte sich kaum zu fassen und versicherte mir, er sei noch nie auf solche Weise bekämpft worden; er müsse alle seine Kraft zusammennehmen, um mir seine Tochter nicht auf der Stelle zu geben. Er sprach dann noch des längeren über mein Verhalten gegen ihn und beschwor mich, ob nun aus der Sache etwas würde oder nicht, ihn künftig als meinen Vater anzusehen; er wolle mir in allem behilflich sein, ich habe ihn mir so verpflichtet, daß er mir nicht weniger bieten könne, als was an Rat und Tat in seiner Macht stehe. Er umarmte mich, als sei ich wirklich sein Sohn gewesen, und wir trennten uns mit der Verabredung, uns zu der Stunde wiederzusehen, die er mir am nächsten Tage beim Lever des Königs angeben würde. Dort sagte er mir dann im Vorübergehen ins Ohr, ich solle mich an demselben Tage um drei Uhr nachmittags im Kabinett des Herzogs von Burgund einfinden, der um diese Zeit beim Ballspiel sein müsse.

Aber es gibt immer lästige Menschen; auf dem Wege zum Stelldichein begegneten mir deren gleich zwei, die mich, erstaunt über die Stunde, da sie mich unterwegs fanden, mit ihren Fragen peinigten. Ich entledigte mich ihrer, so gut es ging, und langte endlich im Kabinett des jungen Prinzen an, wo ich den Herzog, seinen Gouverneur, vorfand, der einen zuverlässigen Kammerdiener an die Tür gestellt hatte, um niemand einzulassen, als mich. Wir setzten uns an den Arbeitstisch einander gegenüber. Dort erhielt ich in der denkbar liebenswürdigsten Form eine abschlägige Antwort. Sie gründete sich auf den Entschluß seiner Tochter, auf sein geringes Vermögen, das es ihm unmöglich mache, sie der dritten gleichzustellen, wenn sie nach deren Verheiratung ihren Sinn ändere und auf den Umstand, Das Geschenk des Königs bei der Verheiratung der Töchter seiner Minister betrug gewöhnlich 200 000 Livres. Die einzige Tochter des Herzogs von Beauvillier, die nicht Nonne wurde, erhielt diese Summe 1703, als sie ihren Vetter, den Herzog von Mortemart heiratete.daß er seine Gehälter und Bezüge nicht ausbezahlt bekomme. Außerdem wies er darauf hin, wie peinlich es für ihn sein müsse, wenn er der erste Minister sei, der bei der Verheiratung seiner Tochter vom Könige nicht das übliche Geschenk bekäme; denn der augenblickliche Zustand der Finanzen lasse nicht darauf hoffen. Er gab mir seinen Schmerz darüber, seine Trauer, seine Hochachtung, Liebe und Zuneigung auf alle Weise zu erkennen und versicherte mir, wie sehr er mich jedem andern vorziehe. Ich antwortete ihm in gleicher Weise, und wir trennten uns mit einer Umarmung, da wir nicht weiter zu sprechen vermochten. Wir waren übereingekommen, über unsere Unterredungen vollstes Stillschweigen zu bewahren, zumal da ich Herrn von Beauvillier zu Beginn unserer Aussprache von den beiden Begegnungen erzählte, die ich auf dem Wege zu ihm gehabt hatte. Ich führte daher Louville bezüglich der zweiten Unterredung auf eine falsche Spur, obgleich er um die erste wußte und einer der beiden Männer war, die ich unterwegs getroffen hatte.

Am andern Morgen, beim Lever des Königs, sagte mir Herr von Beauvillier ins Ohr, er habe sich überlegt, daß Louville ein sehr sicherer Mann und unser beider intimer Freund sei, und wenn ich ihm unser Geheimnis anvertrauen wolle, so würde er für uns ein sehr bequemer und verborgener Verständigungskanal werden. Die Hoffnung, die mir dieser Vorschlag wiedergab, machte mich froh; denn ich hatte schon gedacht, daß alles zu Ende sei. Ich sah Louville im Laufe des Tages, unterrichtete ihn genau und bat ihn, nichts zu unterlassen, was diese Heirat, die ich so dringend wünsche, fördern könne.

Er verschaffte mir für den andern Tag eine Unterredung in jenem kleinen Saal am Ende der Galerie, der an die Gemächer der Königin stößt, und wo niemand durchkam, weil diese Gemächer seit dem Tode der Gemahlin des Dauphins geschlossen waren. Ich fand dort Herrn von Beauvillier und sagte ihm, Furcht und Hoffnung in den Mienen, die Unterredung vom Tage vorher habe mich derart niedergedrückt, daß ich sie abgekürzt hätte, weil ich das Bedürfnis gefühlt, den ersten Ausbruch meines Schmerzes in der Einsamkeit vorübergehen zu lassen (und so verhielt es sich auch). Aber da er mir erlaube, diesen Gegenstand noch einmal zu berühren, so müsse ich sagen, daß ich nur zwei Hauptschwierigkeiten sehe: die Frage des Vermögens und den Entschluß seiner Tochter. Was das Vermögen angehe, so bäte ich ihn, das Verzeichnis des meinigen entgegenzunehmen, das ich ihm nochmals brächte, und danach alles zu regeln, wie es ihm beliebe. Bezüglich des Klosters wandte ich ihm mit Lebhaftigkeit ein, daß man sich nur zu oft täusche, wenn man sich dazu berufen fühle, und daß ein solcher Schritt gar häufig bittere Reue darüber nach sich ziehe, daß man auf etwas verzichtet habe, was man nicht kenne und sich als köstlich ausmale, um dagegen die Selbstverbannung in ein geistiges und leibliches Gefängnis einzutauschen. Ich schloß, indem ich schilderte, welches Glück und welch gute Beispiele seine Tochter in seinem Hause finden würde.

Der Beweggrund meiner Beredsamkeit schien den Herzog tief zu rühren. Er sagte mir, er sei bis ins Innerste bewegt, und er wiederhole mir, daß, wenn selbst der Graf von Toulouse um seine Tochter anhielte, er keinen Augenblick schwanken und mich vorziehen würde, es sei dies sein voller Ernst; er werde sich in seinem ganzen Leben nicht darüber trösten, daß ich nicht sein Schwiegersohn werden könne. Er nahm das Verzeichnis meines Vermögens, um mit Frau von Beauvillier zu prüfen, was sie tun könnten, wegen des Klosters sowohl wie wegen der Mitgift. »Wenn es aber ihr Beruf ist,« sagte er noch, »was kann ich da tun? Man muß in allen Dingen dem Willen Gottes und seinen Gesetzen blindlings folgen, und er wird der Beschützer meiner Familie sein. Ihm zu gefallen und treulich zu dienen, ist allein erstrebenswert und muß das einzige Ziel unserer Handlungen sein.« Nachdem wir dann noch einige andere Worte gewechselt hatten, schieden wir voneinander.

Diese so frommen und erhabenen Worte aus dem Munde eines so außerordentlich tätigen Mannes erhöhten meine Achtung und meine Bewunderung, zugleich aber auch mein Verlangen, wenn das noch möglich war. Ich erzählte Louville alles, und am Abend ging ich zur Musik und zum Appartement, wo ich meinen Platz so wählte, daß ich Herrn von Beauvillier, der hinter den Prinzen stand, beständig sehen konnte. Beim Weggehen konnte ich mich nicht zurückhalten, ihm ins Ohr zu sagen, ich fühlte mich nicht fähig, mit einer anderen glücklich zu leben als mit seiner Tochter, und ohne eine Antwort abzuwarten, zog ich mich zurück.

Louville hatte die Meinung geäußert, es sei gut, wenn ich mit Frau von Beauvillier spräche, da der Herzog ihr vollkommen vertraue, und er sagte mir, ich möchte mich am andern Tage um acht Uhr abends zu einer geheimen Besprechung bei ihr einfinden. Ich traf dort Louville bei ihr. Sie dankte mir und machte wegen der Mitgift und des Klosters beinahe dieselben Gründe geltend; ich glaubte aber klar zu erkennen, daß die Mitgift ein leicht zu bewältigendes Hindernis, der wahre Stein des Anstoßes aber die Neigung der Tochter fürs Kloster sei. Ich antwortete also darauf, wie ich Herrn von Beauvillier geantwortet hatte und fügte hinzu, in beiden Fällen handle es sich um einen Beruf, es komme nur darauf an, zu prüfen, welcher von beiden der vernünftigere, der besser begründete wäre und welcher von ihnen mit geringerer Gefahr aufgegeben werden könne. Sie fühle den Beruf, Nonne zu werden, ich dagegen den, sie zu heiraten; ihr Entschluß sei ohne Kenntnis der Verhältnisse gefaßt, der meine aber, nachdem ich alle vornehmen Mädchen hätte Revue passieren lassen; der ihrige sei dem Wechsel unterworfen, der meine aber fest und unabänderlich. Man würde nichts verderben, wenn man ihrem Entschluß nicht Rechnung trüge; denn man versetze sie dadurch in natürliche und gewöhnliche Verhältnisse und in den Schoß einer Familie, wo sie ebensoviel oder noch mehr Tugend und Frömmigkeit fände als in Montargis. Meinem Entschluß nicht Rechnung tragen, hieße dagegen, mich zu einem unglücklichen Leben mit der Frau, die ich heiraten würde, und mit ihrer Familie verurteilen.

Die Herzogin war über die Eindringlichkeit meiner Darlegung und die Wärme meines Wunsches einer Verbindung mit ihrer Familie erstaunt. Sie erwiderte mir, wenn ich die Briefe ihrer Tochter an den Abt Fénelon gelesen hätte, wäre ich überzeugt, daß sie tatsächlich einen Beruf fürs Kloster hätte. Sie hätte alles getan, was in ihrer Macht lag, um ihre Tochter zu bewegen, sieben oder acht Monate bei ihr zu verbringen, damit sie den Hof und die Welt kennen lerne, es sei ihr aber nur durch Anwendung der äußersten Mittel gelungen. Sie sei im Grunde Gott für den Beruf ihrer Tochter verantwortlich, der ihr die Sorge dafür übertragen, nicht aber für den meinen. Ich sei ein so guter Kasuist, daß ich sie in Verlegenheit brächte, sie wolle sich noch einmal mit Herrn von Beauvillier besprechen; denn sie wäre untröstlich, wenn sie mich verlieren müßte. Sie wiederholte mir dieselben liebenswürdigen und schmeichelhaften Worte, die ich schon von ihrem Gemahl gehört hatte, und sie kamen ihr ebenso von Herzen. In diesem Augenblick unterbrach uns die Herzogin von Sully, die plötzlich, ich weiß nicht wie, eintrat, obwohl jemand an der Tür aufpaßte, und ich ging fort – sehr betrübt, da ich wohl fühlte, daß so fromme und uneigennützige Leute sich nie über den Wunsch ihrer Tochter hinwegsetzen würden.

Zwei Tage darauf sagte mir der Herzog von Beauvillier beim Lever des Königs, ich möchte ihm von weitem bis in einen dunkeln Gang folgen, der zwischen der Tribüne und der Galerie des neuen Flügels lag, und an dessen Ende Beauvillier wohnte. Dieser Gang war zu einem großen Saal für die neue Kapelle bestimmt, die der König bauen wollte. Dort gab mir Herr von Beauvillier das Verzeichnis meines Vermögens zurück und sagte, er habe daraus ersehen, daß ich an Vermögen wie in allem übrigen ein großer Herr sei, daß ich aber auch nicht zögern dürfe, mich zu verheiraten. Dann gab er von neuem seinem lebhaften Bedauern Ausdruck und beschwor mich zu glauben, daß Gott allein, der seine Tochter zur Braut wolle, den Vorzug vor mir habe und vor dem Dauphin selber haben würde, wenn es denkbar wäre, daß dieser sie heiraten wollte. Sollte aber in der Folge seine Tochter ihren Entschluß ändern und ich noch frei sein, so hätte ich den Vorzug vor jedem andern, und er selbst hätte keinen größeren Wunsch. Wenn seine Vermögensverhältnisse nicht so schlecht wären, würde er mir die nötigen 80 000 Livres leihen oder mir unter seiner Bürgschaft verschaffen; so aber sei er genötigt, mir zu einer andern Partie zu raten und erbiete sich, die Vermittelung zu übernehmen und meine Angelegenheiten künftig zu seinen eigenen zu machen.

Ich antwortete ihm, ich beklagte es lebhaft, daß meine Vermögensverhältnisse mir nicht erlaubten, auf die jüngste seiner Töchter zu warten; denn vielleicht würden doch nicht alle Nonnen werden. Und ich wäre in der Tat dazu entschlossen gewesen, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte. Die Unterredung endigte, indem der Herzog mich mit den liebevollsten Worten dauernder Anteilnahme an meinem Ergehen und inniger Freundschaft versicherte und mir versprach, mir stets und in jeder Beziehung mit seinem Rat und seinem Einfluß zu dienen. Von nun an wollten wir einander als Schwiegervater und Schwiegersohn betrachten, die in der unauflöslichsten Verbindung lebten. Er vertraute sich danach Louville an und sagte ihm in seinem Schmerz, er finde nur in der Hoffnung Trost, daß seine Kinder und die meinigen sich eines Tages verheiraten könnten, und er ließ mich bitten, einige Tage in Paris zu verbringen, damit er durch meine Abwesenheit seinen Schmerz etwas zur Ruhe kommen lassen könne. Und das tat uns beiden not.

Ich habe mich bei dieser Erzählung vielleicht zu sehr in Einzelheiten verloren, ich habe aber gedacht, es tun zu müssen, um damit den Schlüssel meines vertrauten Verhältnisses zu Herrn von Beauvillier zu geben. Sein volles Vertrauen in mich und die Freiheit, die ich mir ihm gegenüber in allen Dingen nahm, wären sonst bei dem großen Altersunterschiede zwischen uns, zumal bei La Trappe, Zisterzienserabtei in der Diözese Seez bei Mortagne. Sie wurde 1140 durch einen Grafen aus Perche gegründet, die Mönche waren aber in die größte Zügellosigkeit verfallen, als der Abt Rancé, Saint-Simons väterlicher Freund, sie zur strengsten Observanz ihrer Regeln zurückführte (1662). – La Fin; Saint-Simons Vater kaufte la Ferté nicht von den Gläubigern von Jacques de la Fin de Salins, wie Saint-Simon sagt, sondern von Préjan de la Fin.dem verschwiegenen, schwer zugänglichen, gemessenen oder vielmehr zurückhaltenden Wesen des Herzogs, ganz unverständlich gewesen.

Es galt nun also eine andere Frau für mich zu suchen. Durch einen Zufall schlug man meiner Mutter die älteste Tochter des Marschalls Herzogs von Lorge vor. Die Sache wurde aber bald fürs erste fallen gelassen, und ich begab mich nach La Trappe, um den Versuch zu machen, mich über die Unmöglichkeit einer Verbindung mit dem Herzog von Beauvillier zu trösten.

La Trappe ist ein so berühmter und bekannter Ort, und sein Reformator so berühmt, daß ich mir hier Charakterzeichnungen und Schilderungen ersparen kann. Ich will nur sagen, daß diese Abtei fünf Meilen von La Ferté-au-Vidame oder -Arnaud entfernt liegt; denn so lautet der wirkliche Name dieses La Ferté, der es von den vielen andern in Frankreich unterscheidet, die den Gattungsnamen dessen, was sie einst waren, nämlich Forts oder Festungen ( firmitas) bewahrt haben.

Ludwig XIII. hatte gewollt, daß mein Vater diesen Besitz kaufte, der schon lange gerichtlich ausgeboten wurde. Er hatte La Fin gehört, der sich an der Verschwörung des Herzogs von Biron beteiligt, ihn dann aber um so grausamer verraten hatte, als er ihn immer in dem Glauben an seine Treue erhalten hatte und dadurch die Ursache seines Verderbens wurde. Die Nähe von Saint-Germain und Versailles, von denen La Ferté nur 20 Meilen entfernt ist, war die Ursache des Kaufs. Es war mein einziges Gut mit Wohngebäuden, und mein Vater pflegte dort den Herbst zu verbringen. Er hatte den Abt von La Trappe sehr gut gekannt, als dieser noch in der großen Welt verkehrte, und war sein naher Freund gewesen. Dieses Freundschaftsband wurde immer enger, seitdem er sich in nächster Nähe meines Vaters ins Kloster zurückgezogen hatte, wo dieser ihn alljährlich mehrmals auf einige Tage besuchte. Er hatte mich auch hingeführt. Obgleich ich sozusagen noch ein Kind war, hatte der Abt von La Trappe so viel Freundlichkeit für mich, daß ich mich stark zu ihm hingezogen fühlte, auch bezauberte mich die Heiligkeit des Ortes. Ich hatte immer den Wunsch, dorthin zurückzukehren und trug ihm jedes Jahr Rechnung, oft sogar mehrmals und zuweilen blieb ich acht Tage hintereinander dort.

Ich wurde nicht müde, einen so großen und rührenden Anblick zu genießen und den ganzen Wandel dessen zu bewundern, der das alles zur Ehre Gottes und zu seiner und sovieler andern Heiligung eingerichtet hatte. Diese Zuneigung, die der Sohn seines Freundes ihm entgegenbrachte, nahm er gütig auf; er liebte mich wie seinen eigenen Sohn, und ich hatte dieselbe Liebe und Verehrung für ihn, als wenn ich es wirklich gewesen wäre. Derart war diese für mein Alter merkwürdige Verbindung, welche mir das Vertrauen eines so außerordentlichen Mannes verschaffte und dem ich auch das meine schenkte. Ich werde immer bedauern, nicht mehr Nutzen daraus gezogen zu haben. Bemerken muß ich noch, daß ich mich immer nur ganz heimlich nach La Trappe begab, um diese Reisen der Besprechung durch meine Altersgenossen zu entziehen.


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