Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einundzwanzigstes Kapitel.
Der Kampf

Fern am Rande der Kimmung erschimmerte ein lichter Punkt, der sich, durch das Teleskop betrachtet, als ein Bootssegel erwies. Unterhalb desselben ragte ein langes Dollbord und eine Reihe menschlicher Köpfe über die Horizontlinie herauf.

»Das ist das Großboot der ›Queen‹!« rief Mr. Matthews mit einer Stimme, der man seine innere Erregung anhörte. »So wenig auch davon zu sehen ist, ich erkenne es doch!«

»Ich glaube, daß Sie recht haben,« sagte Boldock, das Glas beiseite legend. »Wir sind nicht mehr weit von der Insel Halloran; wenn das Boot gestern mit nördlichem Kurse von dem Eiland abgesegelt ist – und gegenwärtig liegt es nördlich an – dann mußten wir ihm begegnen. Ein seltener Glücksumstand bleibt jedoch dieses Zusammentreffen für uns trotz alledem, und wir haben nun zu beweisen, daß wir einer solchen Gunst des Schicksals würdig sind. Gestatten Sie, Sir, daß ich das Kommando dieser Bark übernehme?«

»Selbstverständlich, Euer Ehren,« antwortete der Obersteuermann, sich wiederholt verbeugend. »Selbstverständlich. Verfügen Sie über mich und dieses Schiff ganz nach Belieben.«

»Gut. Zunächst müssen wir uns mit Waffen versehen. Signalisieren Sie Hardy beizudrehen, aber schnell, bitte. Wenn jenes Boot erkennt, daß wir die ›Queen‹ sind – die fehlende Vorbramstenge wird es nicht lange im Zweifel darüber lassen – und wenn es außerdem herausfindet, daß wir in Gesellschaft der Brigg segeln, dann macht es sich auf und davon, und es einzufangen dürfte uns nicht leicht werden.«

Eine kleine Flagge stieg an der Gaffel empor; Hardy verstand das Signal und ließ sofort backbrassen. Die Brigg hemmte ihre Fahrt und ließ die Bark herantreiben.

»Mr. Hardy,« gröhlte der Kommandant hinüber, »ich will auf das Boot Jagd machen. Schicken Sie mir die Waffenkiste und Munition an Bord!«

»Ay, ay, Sir,« rief Hardy zurück.

»Lassen Sie sechs Mann ins Boot gehen, drei davon behalte ich hier,« lautete Boldocks weitere Ordre. »Komme ich Ihnen aus Sicht, dann segeln Sie nach Halloran und erwarten mich dort.«

»Ay, ay, Sir!« rief der Steuermann, und dann begann ein geschäftiges Treiben auf der Brigg.

Der Kommandant trat an Miß Mansel heran, legte zärtlich die Hand auf ihre Schulter und sagte, halb zu ihr, halb zu Matthews gewendet: »Wir müssen eine Kriegslist anwenden. Sobald wir die Waffen an Bord haben, halten wir auf das Boot ab. Stubbins muß die Piraten durch eine Geschichte, die ich ihm in den Mund legen werde, an Bord lockert. Sie, Mr. Matthews, und die Leute, William und Harry ausgenommen, halten sich versteckt, bis die Halunken sämtlich an Deck sind. Dann fallen alle Mann auf mein Signal über sie her.«

»Wenn die Kerle aber vorziehen sollten, nicht an Bord zu kommen?« wendete Matthews ein.

»Dann werden wir andere Maßregeln ergreifen,« versetzte der Kommandant mit jener Geringschätzung im Tone, die ein Offizier der Königlichen Marine in solch einem Moment einem Kauffahrtei-Steuermann gegenüber nur zu leicht empfindet, namentlich wenn der letztere überflüssige Fragen stellt.

Er nahm die Hand von der Schulter der jungen Dame und winkte den Bootsmann Stubbins zu sich auf die Seite. Nachdem er diesen instruiert hatte, rief er die Matrosen William und Harry nach hinten, um auch diesen ihre Rolle einzuprägen.

»Habt ihr mich verstanden?« schloß er seine Unterweisung.

»Jawohl, Euer Ehren,« sagte der Däne.

»Wir erhalten doch auch Waffen?« erkundigte sich der vorsichtige William.

»Gewiß,« sagte der Kommandant.

Inzwischen war das Boot der Brigg mit der Waffenkiste angelangt; Hardy hatte, außer der Munition. noch die Säbel und Entermesser der Brigg hinzugefügt. Drei Mann brachten das Boot zum ›Wellesley‹ zurück, der nun ohne weiteren Aufenthalt seinen Kurs auf Halloran richtete.

Das Großboot verfolgte unterdessen mit scharf angeholter Schoot seinen Weg in nördlicher Richtung. Seine Insassen führten keine Ferngläser mit sich; Boldock wußte dies, da alle der ›Queen‹ gehörigen Gläser sich an Bord befanden. Sie konnten daher die Bark nicht eher erkennen, als bis dieselbe in natürlicher Sehweite war.

Man öffnete die Waffenkiste und verteilte die Schuß- und Hiebwaffen.

»Außer William und Harry darf sich keiner von euch an Deck blicken lassen,« sagte Boldock zu der unterhalb des Achterdecks versammelten Mannschaft. »Ihr haltet euch mit Mr. Matthews im Logis versteckt und brecht erst hervor, wenn ich rufe. Dann aber drauf, und ergeben sie sich nicht gutwillig, so bändigt sie mit aller Gewalt, und wenn ihr die Schufte mitten durchspalten sollt! Geht es aber ohne Blutvergießen ab, dann um so besser, denn es liegt mir daran, die Gesellschaft heil und gesund nach Sydney zu bringen. Hat mich jeder verstanden?«

»Ay, ay, Sir,« klang es laut und kräftig tut Chor.

Mit umgeschnalltem Seitengewehr und eine geladene Pistole in der Rocktasche nahm der Kommandant seine Stellung auf dem Achterdeck, dem Obersteuermann die Aufsicht über die Mannschaft überlassend. Miß Margaret stand neben dem Bootsmann, der das ferne Segel durch das Glas beobachtete.

»Ich zähle sechs Mann in dem Großboot,« sagte Stubbins.

Boldock nahm das Teleskop.

»Sechs Mann, wie Sie sagten,« nickte er nach minutenlangem Schweigen. »Das Gold haben sie nicht bei sich, dafür geht das Boot nicht tief genug; es ist also unter der Obhut der drei andern auf der Insel zurückgeblieben, und diese sechs haben sich ausgemacht, ein Schiff zu kapern. Tolles, verwegenes Volk! Ganz wie die Flibustier vom alten Schlage!«

Das Hauptdeck war jetzt ganz menschenleer, nur William und Harry schlenderten mittschiffs auf und ab, des Befehls des Schiffers gewärtig.

»Auf mit dem Ruder!« rief dieser nach einer Weile. »Wir wollen auf sie zutreiben, ohne eine Brasse anzurühren, und sie sollen weiter keinen an Bord sehen, als Sie, Stubbins, und den Rudersmann.«

Langsam fiel das Schiff ab, bis es mit dem Buge dem fernen Boote zugewendet lag.

»Mein Herzblatt,« sagte Boldock jetzt liebevoll zu der jungen Dame, die den kommenden Ereignissen mit Bangen entgegensah, »mein süßes Herzblatt« – Stubbins spitzte die Ohren und machte ein höchlichst erstauntes Gesicht – »sei ja recht vorsichtig und zeige dich nicht eher, bis wir mit der Bande fertig geworden sind. Ist's nicht eine wunderbare Fügung, Margaret,« setzte er hinzu, »daß diese Wendung der Dinge allein durch dich herbeigeführt wurde, durch dich, die jene Raub- und Mordgesellen tief unten auf dem Meeresgründe wähnen?«

Sie sah ihn feuchten Auges an und nickte stumm; er aber faßte sie zärtlich bei der Hand und geleitete sie zur Kampanjetreppe, die sie hinabstieg, während er innerhalb der Kajütskappe stehen blieb. Von hier aus konnte er, selber ungesehen, mit dem Teleskop das Boot und seine Insassen mit Muße beobachten. Die Piraten hatten die Bark bereits erkannt, das ging aus ihrem Benehmen deutlich hervor.

Das Boot, dem man sich inzwischen bis auf eine Seemeile genähert hatte, wurde von einem sehr stattlichen Manne gesteuert, der einen starken Schnurrbart hatte. Ihm zunächst saß eine wahre Hünengestalt. Miß Mansel hatte dem Kommandanten die einzelnen Persönlichkeiten der Zehn oft und genau beschrieben. »Der große Kerl ist Davenire,« sagte er, durch das Glas schauend, zu sich selber, »und der Mann am Ruder kann nur der Hauptmann Trollop sein.« Ebenso schnell erkannte er den schwarzen, unheimlich blickenden Caldwell, ferner Weston, Hankey und Shannon.

»Nieder das Ruder, Stubbins,« sagte er nach langem Stillschweigen, während dessen das Boot so nahe herangekommen war, daß eine Büchsenkugel es erreicht hätte. »Die Kerle beabsichtigen, die Bark wieder in Besitz zu nehmen. Wenn Sie jetzt Ihre Rolle mit Verstand und Geschick durchführen, dann fangen wir das Gesindel, ohne einen Tropfen Blut dabei vergießen zu müssen.«

Er stieg die Treppe hinab und ging durch den Salon bis zu der Thür, die zum Hauptdeck führte; hier blieb er im Gange stehen.

Stubbins ließ das Großsegel backbrassen, so daß die Bark beigedreht liegen blieb. Die Brigg befand sich um diese Zeit bereits in weiter Ferne.

Die Sechs im Boote warfen ihr Segel herab und standen nun, Mann neben Mann, aufrecht in dem schwankenden Fahrzeuge und betrachteten, die Augen mit den Händen beschattend, die Bark mit forschender, gespanntester Aufmerksamkeit.

»Lauft auf die Back, William und Harry,« rief Boldock den beiden Matrosen zu, »aber verschnappt euch nicht, wenn sie euch ausfragen.«

Die Leute gehorchten. Kaum kamen sie den Bootsinsassen zu Gesicht, als sie auch schon angerufen wurden.

»Harry der Däne, ahoy!« donnerte Davenires mächtige Stimme. »Vor einer Stunde bereits erkannten wir in dem Schiffe unsere Bark. Hatten euch die Flutwellen vom Anker gerissen?«

»Jawohl, Sir,« antwortete Harry, seine Kappe schwenkend.

»Wer sind die Leute da auf dem Achterdeck?«

»Zwei Matrosen, die uns jener Walfischfänger dort drüben zur Hilfe an Bord gab.«

»Lügt uns nichts vor!« schrie Caldwell heiser; »die Brigg da ist kein Walfischfänger!«

»Ho! Boot ahoy!« rief jetzt der Bootsmann Stubbins vom Achterdeck her. »Jene Brigg ist doch ein Walfischfänger, wie ich euch beweisen will, wenn ihr langseit kommen wollt. Dann sollt ihr ihren Namen erfahren, auch den des Schiffers, und auch, wenn euch das interessiert, wieviel Thran sie an Bord hat!«

»So was läßt sich leicht genug erfinden,« entgegnete Davenire. »Sind außer euch Vieren noch mehr Leute an Bord?«

»Kommt doch näher heran, damit wir besser miteinander reden können,« versetzte Stubbins. »Ich hielt euch für Schiffbrüchige und steuerte auf euch zu, um euch Beistand zu leisten.«

Die Sechs hielten eine kurze Beratung, dann legten Weston und Shannon die Reemen aus und trieben das Boot langsam dem Schiffe näher, bis sich die Parteien in bequemer Unterhaltungsdistanz befanden.

»Wollte die Brigg euch denn nicht mehr, als jene Zwei, zur Hilfe überlassen?« fragte Trollop die auf der Back stehenden Matrosen. »Wenn sie ein Walfischfänger ist, dann muß sie doch Leute genug an Bord haben.«

»Der da wird Ihnen alles erzählen,« versetzte Harry, nach dem Achterdeck deutend.

»Die Brigg ist die ›Hübsche Mary‹ von Hull, sechzehn Monate auf dem Fang,« begann Stubbins seinen Bericht, und wie er so dastand, die Hand nachlässig an eine Pardune gestützt, angethan mit einer Aermelweste von verschossenem Baumwollensamt, mit weiten, schäbigen, blauen Tuchhosen, einen schmierigen, grauen Filzhut auf dem Kopfe, da konnte er sehr wohl als der Typus eines alten, erprobten Fangmannes gelten. »Kapitän Button, was unser Schiffer ist, konnte nicht mehr als zwei Mann entbehren, da er aber euer Boot daherkommen sah, so meinte er, daß ich in euch, sicherlich die Leute finden würde, die zur Bedienung dieser Bark noch nötig sind. Die ›Queen‹ ist ein seiner, wertvoller Klipper und hat eine volle Ladung Wolle an Bord; es lohnt sich schon, sie in den nächsten Hafen zu bringen.«

»Wie lange seid ihr an Bord?« rief Caldwell.

»Ungefähr drei Stunden. Ist das ein Sextantenkasten da achter in eurem Boot? Wenn ihr solch ein Instrument bei euch habt, dann muß ein Navigator unter euch sein und –«

Er unterbrach sich und that, als käme ihm plötzlich ein Argwohn.

»Aber zum Teufel, wer und was seid ihr denn eigentlich?« fuhr er dann in verändertem Tone fort. »Wo seid ihr an Bord gewesen? Ihr seht mir aus wie Passagiere, und da möchte ich doch Näheres hören, ehe ich euch aufnehme.«

Das aber ging über die Instruktionen hinaus, die der Kommandant dem Bootsmann erteilt hatte. Der erstere schlüpfte daher aus seinem Versteck heraus und eilte gebückt nach vorn, den Matrosen auf der Back dabei zuwinkend, gar nicht zu thun, als ob sie ihn sähen. Harry schlenderte wie von ungefähr bis an den Rand der Back, um zu hören, was der Kommandant wollte.

»Aufgepaßt, Harry!« flüsterte Boldock, ganz dunkelrot vor Eifer und Aufregung. »Ruft dem Boote zu, was ich Euch sagen werde.«

Der Däne lauschte unauffällig, dann brachte er die hohle Hand an den Mund.

»Wir haben noch keine Zeit gehabt, dem Fangmann zu erzählen, was sich hier an Bord zugetragen hat,« schrie er den Piraten zu. »Er weiß nichts; wenn Sie aber wollen, dann gehe ich achteraus und sage ihm Bescheid.«

Diese Mitteilung brachte die Sechs zu einem Entschluß. Sie wechselten schnell einige Worte, fühlten nach ihren Revolvern, und Shannon und Weston ruderten mit kräftigen Schlägen der Bark zu, während Boldock sich mit gezogenem Säbel in das Matrosenlogis zurückzog, wo Mr. Matthews mit seiner kampfesfreudigen Schar im Hinterhalt lag.

»Was?« rief Stubbins den Piraten zu. »Wollt ihr an Bord kommen, ohne mir gesagt zu haben, wer ihr seid?«

»Das sollt ihr sogleich erfahren!« schrie Davenire mit seiner Löwenstimme. »Vorwärts, Weston und Shannon!«

Im nächsten Augenblick stieß das Boot gegen die Schiffsseite, und mit Tigersprüngen schwangen sich die Sechs in die Rüsten und von dort aus über die Reeling an Deck.

Ehe sie aber noch zu Atem kommen oder einen Blick um sich werfen konnten, brach der Kommandant aus dem Logis hervor.

»Drauf, Mr. Matthews!« brüllte er. »Drauf, meine Jungen! Laßt keinen entwischen!«

»Verrat!« schrie Hankey, den Revolver ziehend.

»Die Waffen nieder!« rief Boldock den Banditen zu. »Ergebt euch! Wir wollen euer Blut nicht!«

Damit sprang er auf Caldwell zu.

Statt der Antwort feuerten die Sechs eine Salve gegen die anstürmenden Seeleute.

Der Kampf war ungleich; ein halbes Dutzend in einen Hinterhalt gelockter Männer hatte sich gegen eine große Uebermacht zu wehren.

Der schwarze Caldwell, dem ein satanisches Feuer aus den blutunterlaufenen Augen blitzte, gab seinen zweiten Schuß auf den Kommandanten ab. Die Kugel ging fehl; dem unglücklichen Masters gegenüber hatte er sicherer gezielt. Zum dritten Male abzudrücken blieb ihm keine Zeit, und so schleuderte er die plumpe, ungefüge Waffe aus aller Kraft nach des Gegners Kopf. Der schwere Revolver traf den erhobenen Säbel, dessen Klinge wie Glas zerbrach. Boldock schleuderte den nutzlosen Stumpf von sich und packte den auf ihn zu stürzenden Caldwell mit bärenhaftem Griff. Es entspann sich ein wütender Ringkampf, bei dem niemand dem tapferen Offizier zu Hilfe kam. Die Absicht des Schwarzen war, Boldock unter sich zu bringen, ihm dann das Knie oder den Fuß auf die Kehle zu setzen und ihn so zu erdrosseln. Er war der Stärkere von beiden und kämpfte um Leben und Freiheit. Keuchend, knirschend und stampfend schwankten und taumelten sie hinüber und herüber, der Kommandant wortlos, Caldwell fürchterliche Flüche ausstoßend. Da ließ der letztere urplötzlich seinen Gegner los – ein Ausdruck unaussprechlichen Entsetzens zeigte sich auf seinem aschgrau gewordenen Gesicht, in dem starren Blick seiner hervorquellenden Augen.

»Ha!« stieß er lallend hervor. »Da ist sie!«

In demselben Moment schleuderte ihn der Kommandant zu Boden, und Stubbins stürzte mit einer Leine herbei, ihn zu fesseln. Im Salon aber, durch den Gang von dieser Stelle aus sichtbar, stand Miß Mansel und beobachtete den Kampf.

»In deine Kammer, Margaret!« rief Boldock ihr, nach Atem ringend zu. Sein Herz wurde zu Eis bei dem Gedanken, daß eine Kugel sie treffen könnte. Noch einen Blick warf das Mädchen auf den Gefangenen.

»Das ist Caldwell!« rief sie; dann verschwand sie in ihrer Kammer.

Der Kommandant hatte von Anfang an gewußt, mit wem er es zu thun hatte.

»Binden Sie ihn ordentlich, Stubbins,« sagte er. »Schnüren Sie den mörderischen Hund, bis ihm das Blut unter den Nägeln hervorspritzt!«

Schnell, mit vereinten Kräften, fesselten sie den Verbrecher an Händen und Füßen, dann schleiften sie ihn zur Achterluk und warfen ihn hier wie einen Ballen in den Raum hinab.

Noch aber hatte der Kampf sein Ende nicht erreicht. Die übrigen Fünf fochten wie Dämonen, sie schossen nach rechts und nach links, bis sie keine Kugel mehr im Laus hatten, und dann schleuderten sie die unnütz gewordenen Revolver gegen ihre Angreifer. Drei Seeleute lagen bereits verwundet an Deck, und noch waren die fünf Piraten unverletzt. Der hünenhafte Davenire hatte einem der Matrosen eine Handspeiche entrissen und stürzte sich nun mit diesem Hebebaum auf Matthews, den Obersteuermann. Noch einen Augenblick, und dieser würdige Seefahrer hätte nie mehr eine Eintragung in sein Logbuch gemacht, wenn ein rettender Zufall nicht den zerschmetternden Streich von seinem Haupte abgewendet hätte. Davenire trat in seiner blinden Wut auf einen der herumliegenden Revolver, er stolperte und fiel, und ehe er sich wieder aufzuraffen vermochte, hatten der Steuermann und drei Matrosen sich auf ihn geworfen. Es bedurfte der äußersten Kraftanstrengung dieser vier Männer, den Riesen zu überwältigen. Bei jeder Bewegung dieser ungeheuren Masse eisenharter Muskeln wurden die einen oder die andern zur Seite geschleudert, bis endlich die Ueberzahl siegte. Es war Matthews gelungen, mit beiden Händen des wilden Gesellen Hals zu fassen, und so würgte er ihn, bis seine Helfer den Ungebärdigen mit Leinen ganz umwunden hatten, so daß er kein Glied mehr rühren konnte.

Als der Kommandant von der Achterluke zurückkam, standen Trollop, Weston, Shannon und Hankey rückenfrei an der Reeling und wehrten sich gegen die andringenden Seeleute mit Mut und Geschick. Jeder von ihnen hatte sich in den Besitz eines Säbels zu setzen gewußt, und damit parierten sie die Hiebe der Matrosen, die bisher von ihren Schußwaffen noch keinen Gebrauch gemacht hatten, da es galt, die Räuber lebendig zu fangen. Trollops Antlitz war von Blut überströmt, das einer Kopfwunde entquoll, auch sein leinener Rock und der linke Arm waren blutgerötet. Es war eine widerwärtige, abstoßende Szene – diese vier Männer, eingeengt von den wütend auf sie loshackenden und stechenden Seeleuten – eine Szene, der, trotz der tapferen Gegenwehr, jeder heroische Charakter fehlte, da es sich einfach um die Festnahme von Verbrechern handelte.

»Ergebt euch!« rief Boldock. »Euer Leben ist gesichert, wenn ihr freiwillig die Waffen niederlegt! Ergebt euch, ihr Schufte!«

Da knallte eine Pistole; Trollop senkte den erhobenen rechten Arm, und der Säbel entfiel seiner Hand. Stöhnend rollte er die Augen mit einem jammervollen Ausdruck auf den Kommandanten, die vom Blute freien Teile seines Gesichtes wurden leichenfahl, er brach in die Kniee, um sich gleich darauf in seiner ganzen Länge an Deck auszustrecken.

Als Weston dies sah, warf er den Säbel fort und verschränkte die Arme über der Brust. Zwei der Matrosen bemächtigten sich seiner und rissen ihn fort In demselben Moment sank Hankey, von dem Schlag einer Handspeiche auf den Kopf getroffen, zu Boden.

»So mag denn kommen, was kommen muß!« keuchte Shannon; damit ließ er seine Waffe fallen, steckte die Hände in die Taschen und stierte hernieder auf den zu seinen Füßen liegenden Leichnam Trollops. Auch er wurde ergriffen, gefesselt und mit den andern durch die Achterluke in den Raum gebracht.

»Bringen Sie die Hand- und Fußeisen, Stubbins!« rief der Kommandant. »Ich will hoffen, daß solche Dinger hier an Bord sind. Wer war's, der den Mann da erschossen hat?« fragte er sodann, auf den toten Hauptmann deutend.

»Harry der Däne,« antwortete einer der Seeleute.

»So, der also; das werde ich dem Halunken gedenken!« sagte der Schiffer, einen drohenden Zornesblick auf den Matrosen richtend. Dann wendete er sich zu den Verwundeten, die unweit der Großluke lagen, und wies Mr. Matthews an, dieselben nach vorn in die Kojen zu schaffen und sorglich nach ihren Verletzungen zu sehen.

Der erste, den man aufhob, erwies sich als zu Tode getroffen. Es war der Matrose Tom, der Mann, der es sich nicht wollte ausreden lassen, daß Matrosen auch eine Seele haben. Man hatte ihn gern gehabt im Mannschaftslogis, trotz seiner Neigung zu Grübeleien und zur Erörterung mystischer Fragen. Noch einmal öffnete er die brechenden Augen.

»Maaten,« sagte er schwach, »Gott hat die Sonne ausgelöscht!«

Dann entschwebte seine Seele nach jenen Regionen, wo es keine ungelösten Rätsel mehr giebt.


 << zurück weiter >>