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Zwölftes Kapitel.
Ein Erwachen.

Um dieselbe Zeit strich durch dieselben Gewässer langsam und schwerfällig eine kleine, alte Brigg dahin.

Grau und bleich stieg der Tag über dem Ozean herauf.

Auf der Steuerbordseite der Brigg, unweit des kleinen Kompaßhäuschens, stand der Steuermann des Fahrzeugs, eine untersetzte, stämmige Gestalt in einer verschossenen Monkeyjacke, weiten, schlotternden Hosen und rundem Hut, mit wettergerötetem Gesicht und hellbraunen Augen. Er spähte, wie dies jedem Steuermann beim Beginn eines neuen Tages zukommt, aufmerksam über das Meer hinaus.

Kaum waren die letzten Schatten der Nacht vor dem aufgehenden Tagesgestirn gewichen, als ein langgedehnter Pfiff über das Deck schrillte; ein Dutzend Janmaaten in verschiedenster Kostümierung erschien struppig und ungekämmt im hellen Morgenlichte, um sich mit Eimer und Schrubber an das Deckwaschen zu machen.

Die Brigg war außenbords in verschossenes Schwarz, innenbords in ein ausgeblichenes Grün gekleidet. Die winzige Kombüse, aus deren Schornstein gegenwärtig ein schwärzlicher Rauch emporstieg, der in dem Steuermann die Hoffnung auf den Morgenkaffee erweckte, erschimmerte in weißer Farbe. Auf plumpen, hölzernen Galgen lagen zwei plumpe Boote, die eine so ausgesprochene Familienähnlichkeit mit der Brigg zeigten, als wären sie Junge von ihr; sie schien sie auch so sorglich auf ihrem mütterlichen Rücken zu tragen, wie eine Henne ihre Küchlein. Hinter der Kombüse befand sich ein langes, schönes Walfischfängerboot. Mittschiffs hatte ein Geschütz von neunpfündigem Kaliber seinen Platz. In geradem Gegensatz zu dem altmodischen Unterschiff aber stand die Takelung. Die Segel waren schneeweiß und wohlgeformt, die schlanken Masten sorgfältig gestagt; das stehende Gut war sauber und straff gesetzt, und die Webeleinen so gleichmäßig, als seien sie mit dem Lineal gezogen – kurz, oberhalb der hohen Reeling erinnerte alles so stark an die Gebräuche. und Gepflogenheiten der Marine, daß man unwillkürlich auf den Gedanken kam, ein Herr aus dem königlichen Dienst könne gar nicht weit sein.

Und solch ein Herr kam in diesem Augenblick auch thatsächlich die Kajütstreppe herauf, ein Herr, noch kräftiger von Gestalt, als der Steuermann, eine goldgeränderte Mütze auf dem Kopf, sonst aber kauffahrteimäßig in Nankinghosen und Wollhemd.

Diese Persönlichkeit war der Kommandant Boldock von der britischen Marine, breit von Schultern, groß von Kopf, rot von Gesicht mit einem Paar gutmütiger grauer Augen unter den buschigen Brauen. Er erwiderte den Gruß des Steuermanns, sah hinauf nach den Segeln, rund um den ganzen Horizont, musterte den Mann am Ruder und trat dann an den Steuermann heran.

»Flauer Wind, Mr. Hardy,« sagte er, »flauer Wind; nichts als flauer Wind in diesen Breiten.«

»Ja,« antwortete Mr. Hardy, »und auch gar keine Aussicht auf eine nennenswerte Brise.«

Dabei lugte er über die Luvseite ins Wetter. Plötzlich wurde er aufmerksam. Er ging zur Reeling, die ihm bis an den Hals reichte, und schaute lange nach einer Richtung.

»Ich sehe da etwas treiben, Sir,« sagte er dann.

Der Kommandant kam herzu und folgte mit dem Blick der ausgestreckten Rechten des Steuermanns.

»Ei,« rief er nach einer Weile, »das ist ja – das ist ja – Mr. Hardy, seien Sie so gut und geben Sie mir das Glas.«

Der Steuermann holte ein langes, schweres Teleskop unter der Kajütskappe hervor und trug es in beiden Händen zum Kapitän, der es wie ein Geschützrohr auf die Reeling legte und richtete, als wolle er einen Schuß auf den Gegenstand da draußen abfeuern. Er schaute hindurch, erhob den Kopf, wischte sich das Auge aus, schaute wieder –

»Beim Himmel, Mr. Hardy,« rief er, »da treibt ein Mensch – eine Frau, eine weiße Frau! Und mir scheint, als hätte sie den Mund verbunden – als hätte man sie geknebelt, bei Gott!« Er sah von neuem durch das Rohr. »Das Haar wogt ihr schwarz um den Kopf, tote die Tinte um einen Tintenfisch. Hier, sehen Sie selbst!«

Während Mr. Hardy ausschaute, gab Kommandant Boldock dem Mann am Ruder die Weisung, direkt auf den treibenden Gegenstand abzuhalten.

»Nun, Mr. Hardy?« rief er dann mit seinem tiefen, dröhnenden See-Organ. »Es ist eine Frau, wie?«

»Jawohl,« antwortete der Steuermann, ohne das Auge von der Linse zu entfernen.

»Aufhören mit Deckwaschen!« befahl nun der Kommandant, »klar zum Backbrassen! Bringt das Steuerbordboot zu Wasser!«

»Sie kann nicht mehr am Leben sein,« bemerkte der Steuermann. »Nur Leichen schwimmen.«

»Das sagen Sie nicht, Mr. Hardy,« entgegnete Boldock. »Anno 1832, als ich zweiter Offizier der ›Venus‹ war, sammelten wir in der Gegend vom Kap der Guten Hoffnung einen Mann auf, der zwei Tage lang im Wasser getrieben hatte und doch noch lebendig war. In der Tafelbay fanden wir sein Schiff und konnten somit die Richtigkeit seiner Angaben feststellen.«

»So was habe ich noch nicht gehört,« sagte Mr. Hardy, der kein Auge von der schwimmenden Gestalt verwendete.

Nach erneut Schweigen von mehreren Minuten kam des Kommandanten Befehl, das Marssegel back zu brassen. Die Brigg hemmte ihren Lauf und schlengerte nur noch schwerfällig auf der sanften Dünung. Man hatte eins der Boote von den Galgen genommen und in die Davits gehängt, fertig zum Wegvieren. Die für dasselbe designierte Mannschaft stand dabei; Kommandant Boldock und Mr. Hardy lehnten sich an die Reeling.

Der auf der Flut treibende menschliche Körper war der eines jungen, weiblichen Wesens, wie man bereits durch das lange Teleskop erkannt hatte – und zwar eines sehr wohlgebauten, ansehnlichen, jungen Frauenzimmers, wie der Kommandant sich gestehen mußte. Der Körper hob und senkte sich geschmeidig mit den langen, weichen, azurnen Wellen, die ihn schluchzend umplätscherten. Das dunkle Haar schwebte wie eine Wolke dicht unter der blauen Oberfläche.

»Ich kann mir gar nicht denken, daß sie noch lebt,« sagte Boldock. »Sehen Sie doch, wie man ihr den Mund verschlossen hat.«

»Vielleicht hat sie die Nasenlöcher frei,« versetzte Mr. Hardy.

»Dann vorwärts ins Boot und schaffen Sie sie mir an Bord! Wenn sie lebt, retten wir sie, ist sie tot, dann soll sie ein christliches Begräbnis haben.«

Das Boot sank ins Wasser. Die Reemen wurden ausgelegt und vorsichtig ruderte man an den schwimmenden Körper heran, wohl wissend, daß der leiseste Stoß eines Reemens, eine stärkere Bewegung des Wassers denselben zum Wegsinken bringen konnte. Zwei Matrosen lehnten sich hinaus und zogen den Körper ins Boot, wo ein Wasserguß von ihm abtroff. Während man eiligst zum Schiffe zurückkehrte, löste Mr. Hardy mit seinem Taschenmesser den Knebel, der den unteren Teil des bleichen, schönen Gesichtes bedeckt hatte. Die Bekleidung der Aufgefischten war die notdürftigste; so weit der Steuermann dies zu beurteilen vermochte, bestand sie aus einem Schlafrock, einem Unterrock von Flanell und dem Nachtgewand. Die Füße waren nackt – außerordentlich hübsche Füße, wie Mr. Hardy sich gestehen mußte.

»Es will mir scheinen,« rief er dem über die Reeling herabschauenden Kommandanten zu, »als hätten Piraten hier in der Nähe ihr Geschäft betrieben.«

»Bringen Sie sie an Bord!« rief der Kommandant zurück. Er richtete sich auf und ließ die Blicke über die See schweifen, wobei er die Nase erhob, als wolle er den Feind wittern. Schon der bloße Gedanke an Piraten trieb ihm das Blut energischer durch die Adern.

Man hob mittschiffs einen Teil der Reeling heraus, um die Fallreepsöffnung herzustellen und schaffte darauf mit jener sorglichen, ehrfürchtigen Art, die brave Seeleute den Toten gegenüber an den Tag legen – besonders wenn diese Toten zu ihren Lebzeiten Mütter, Ehefrauen, Schwestern oder Bräute gewesen sind oder doch hätten sein können – die Aufgefischte zunächst an Bord der Brigg ›Wellesley‹ und sodann nicht ohne Mühe hinunter in die Kajüte.

»Vollbrassen, Mr. Hardy,« befahl Kommandant Boldock; »dann kommen Sie unter Deck und sagen mir Ihre Meinung.«

Die Kajüte war, wie das Schiff selber, klein und altmodisch; sie bestand aus zwei neben einander liegenden Räumen im Hinterteil des Fahrzeugs; den Zugang bildete eine schmale Kampanjetreppe. Der Raum auf der Steuerbordseite war die Wohnung des Kommandanten; man trug den Körper in den andern und legte ihn hier vorsichtig auf einen langen Sitz, der zugleich als Schrank diente. Die Matrosen traten zurück, Boldock aber beugte sich über das leblose Antlitz.

»Sollten wir es hier mit einem Mord zu thun haben?« murmelte er, gleichsam laut denkend.

»Um Vergebung, Euer Ehren,« sagte einer der Seeleute, salutierend an seine Stirnlocke greifend, »sie kann noch nicht lange im Wasser gelegen haben.«

»Woher wißt Ihr das?« fragte der Kommandant, sich schnell umwendend.

»Ich erkenne es an der Hautfarbe.«

»Ihr meint also, daß noch Leben in ihr sein kann, Adams, wie?«

»Jawohl, Euer Ehren.«

»Das wäre! Wenn Ihr Euch auf Wiederbelebungsversuche und dergleichen versteht, dann frisch ans Werk, Mann, frisch ans Werk! Nicht um die Welt möchte ich, daß sie uns stirbt, nachdem wir sie gerettet haben!«

Jetzt erschien auch der Steuermann auf dem Schauplatz.

»Adams meint, sie wäre vielleicht noch lebendig!« rief der Kommandant ihm entgegen.

Mr. Hardy betrachtete aufmerksam und ernst das junge, steinerne Gesicht.

»Wir müssen sie abtrocknen, in Decken wickeln und es dann mit der künstlichen Atmung versuchen,« entschied er.

»So ist's recht, Mr. Hardy,« nickte Adams. »Auch ein Löffel Rum könnte nicht schaden.«

»Dann also vorwärts,« sagte Kommandant Boldock ungeduldig.

Das Unternehmen war ein nahezu aussichtsloses, diese erprobten Seeleute aber wußten aus Erfahrung, daß auf See eigentlich nichts unmöglich und nichts unwahrscheinlich ist. Der Kommandant sah zu, und Hardy und Adams thaten die Arbeit. Sie streiften ihre Hemden von den Schultern, denn es war drückend schwül in der engen Kajüte, darauf trockneten sie die Leblose ab, schlugen eine Decke um sie, und nachdem ihr auch der von Adams verschriebene Löffel Rum eingeflößt worden war, begannen sie die Manipulationen der künstlichen Atmung, so gut sie sich darauf verstanden. Sie wälzten sie auf die rechte, dann wieder auf die linke Seite, immer hinüber und herüber. Adams schien mit solchen Dingen Bescheid zu wissen.

»Das kann so seine zwei Stunden dauern,« bemerkte Mr. Hardy, dem der Schweiß in Strömen vom Gesicht rann.

»Thut nichts, nur nicht nachlassen,« versetzte Boldock, der dem Vorgang mit gespanntem Interesse folgte. »Ich wollte, ich könnte Ihnen dabei zur Hand gehen. Wenn der gute Gott uns gnädig ist, dann warpen wir sie wieder zu der Boje zurück, von der man sie ruchlos abgeschnitten. Je länger man lebt, desto mehr erkennt man überall das Wunderbare der Weltregierung; wenn diese junge Dame nicht expreß zu dem Zweck in unsern Kurs getrieben ist, damit wir ihr an Bord des ›Wellesley‹ wieder Atem in den Leib kneten, was hätte sie dann in unserm Fahrwasser zu suchen?«

»Die ist nicht tot,« sagte der Matrose, ein Mann in mittleren Jahren, mit einem Bart, der ihm wie ein Bündel Werg unter dem Kinn hing.

»Ich glaube, Adams hat recht,« meinte der Steuermann, den Körper sanft der Wand zu wälzend, von wo ihn der Matrose wieder zurückrollte.

»Wenn wir's schaffen,« nahm Adams wieder das Wort »dann ist's dem Knebel zu verdanken, der verhindert hat, daß sie Wasser schluckte.«

»Trotz alledem ist es schwer zu glauben, daß ein lebender Körper sich so lange über Wasser hält,« sagte Hardy, mit der Arbeit innehaltend, um sich das Gesicht zu trocknen.

»Sie sieht ganz frisch aus,« sagte der Kommandant.

»Das sage ich ja,« rief Adams, der unter den obwaltenden Umständen sich berechtigt fühlte, in freierem Tone als sonst mit seinem Vorgesetzten zu reden. »Ihrer Farbe nach kann sie nicht länger als vier oder fünf Stunden über Bord gewesen sein.«

»Das Fahrzeug, dem sie zugehörte, muß dann ja beinahe noch in Sicht sein!« sagte Boldock lebhaft. »Lassen Sie nicht nach, Hardy! Nicht eher, als bis ihr beide fest überzeugt seid, daß alles vergeblich ist. Verstanden? Was wäre das für ein Glück, wenn wir ein so hübsches Kind dem Leben wiedergeben könnten! Außerdem wäre es doch auch wichtig, zu hören, wer diese Gewaltthat an ihr verübt hat. Also nicht nachlassen, Hardy. Ich komme bald wieder herunter.«

Er stieg an Deck hinauf.

»Spring einer auf die Oberbramraa!« rief er hier. »Ich will wissen, ob ein Segel in Sicht ist.«

Schnell wie ein Wiesel rannte ein Mann die Fockwant hinauf, und ehe man es sich versah, stand er auf der obersten Raa, die Hand an der Stenge unter dem Flaggenknopf und langsam und sorgfältig das weite Seerund musternd. Seine weißen Hosen flatterten in der blauen Höhe, er sah in dieser Ferne aus wie ein Spielzeug, sauber und neu, frisch aus der Schachtel; die Stimme aber, die nach einigen Minuten von jener Höhe herabschallte, war der tiefe, starke Baßton eines kräftigen Mannes:

»Nichts in Sicht!«

Der Kommandant schüttelte den Kopf. Wo kam das junge Frauenzimmer her? Wie lange mochte sie im Wasser gewesen sein? Warum hat man sie geknebelt?

»Bootsmann!« rief er.

Ein Mann mit großem Bart, der eine silberne Pfeife um den Hals hängen hatte, kam eilig achteraus.

»Geben Sie acht auf die Brigg, Stubbins,« redete der Kommandant ihn an. »Mr. Hardy versucht unten in der Kajüte unsere Aufgefischte wieder zu beleben. Ist Ihnen das Verfahren bekannt, das man bei Ertrunkenen anwendet?«

Der Bootsmann sah seinen Vorgesetzten von der Seite an, als wisse er nicht recht, ob derselbe seinen Spaß mit ihm treiben wolle oder nicht.

»Das Verfahren, das man bei Ertrunkenen anwendet?« wiederholte er. »Ja, das ist mir bekannt: man begräbt sie.«

Boldock drehte sich kurz herum.

»Achten Sie auf die Brigg, Stubbins.«

Damit ging er in die Kajüte hinunter. Hier hatte der Koch inzwischen das Frühstück auf den Tisch gesetzt – wie immer und ohne Ausnahme gebratenen Speck mit Spiegeleiern – dessen Geruch die bedrückende Atmosphäre hier unten noch schwüler und dumpfiger zu machen schien. Boldock wendete dem Tisch den Rücken und trat in den andern Raum. Hardy und Adams hatten die Arbeit eingestellt; sie standen vor ihrer Geretteten mit halb erhobenen Händen, lauschend, wie in Verzückung. Ein Laut, leise verhauchend, wie ein Seufzer, drang in Boldocks Ohr.

Mr. Hardy drehte sich um, gewahrte den Kommandanten und flüsterte:

»Sie atmet!«

Langsam, sehr langsam vollzog sich dieses Wiedererwachen zum Leben; das Frühstück war längst kalt und ungenießbar geworden, ehe die Unbekannte regelmäßig atmend, wenn auch noch bewußtlos, in der Koje lag.

»Sie ist also gar nicht ertrunken gewesen,« bemerkte der Kommandant, als die drei Männer in die Betrachtung des gelungenen Werkes versunken standen.

»So scheint es,« versetzte der Steuermann; man merkte seiner Stimme an, wie sehr die Arbeit ihn erschöpft hatte.

»Der Knebel hat ihr das Leben gerettet,« fuhr Boldock fort, das Ding von einem Schränkchen nehmend und näher betrachtend. »Das ist mit teuflischer Geschicklichkeit verfertigt; sehen Sie her! Der Knoten hier in der Mitte mußte genau den Mund ausfüllen. Es sind zwei Taschentücher, die man zusammengenäht hat, speziell zu diesem Zweck. Und hier ist auch ein Name in der Ecke – ein Name! Wie heißt er?«

Alle drei steckten die Köpfe über dem Zipfel des Taschentuchs zusammen. Die Stickerei war leicht zu entziffern; der Eigentümer der Tücher hieß: Dike Caldwell.

»Das werden wir trocknen und sorgfältig aufbewahren,« sagte Boldock. »Es mag uns behilflich sein, einen Menschen an den Galgen zu bringen, der in einer Welt, wo Seeleute leben, keine Existenzberechtigung hat.«

»Es ist mir ein Rätsel, daß sie sich den Knebel nicht abriß, da sie doch die Hände frei hatte,« bemerkte Adams.

»Das beweist,« versetzte der Kommandant, »daß sie ohnmächtig war, als sie über Bord geworfen wurde. Aber ein schönes Weibsbild ist sie, das muß ihr der Neid lassen.«

Er trat an die Koje und betrachtete sie. Auf ihren vorher so weißen Lippen hatte sich ein Schatten von Färbung eingestellt. Ihre Wangen waren noch immer wachsbleich, die Augen, vorher halb geöffnet und nur das Weiße zeigend, hatten sich geschlossen. Die langen Strähne des nassen, schwarzen Haares lagen wirr auf Kopfpfühl und Decke.

»So wahr ich lebe,« rief der Kommandant mit unterdrücktet Stimme, indem er sich strahlenden Gesichts den beiden andern zuwendete, »so wahr ich lebe, nicht für alles Geld, das ich bis zu meinem letzten Stündlein noch verdienen kann, möchte ich dieses Abenteuer nicht erlebt haben, möchte ich den heutigen schönen Morgen missen!«


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