Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel.
Verschwunden

In der Frühe des nächsten Tages kam, langsam und vorsichtig, wie immer, Mr. Storr durch die Kampanjeluke herauf und wünschte dem Steuermann einen guten Morgen. Er freute sich über den prächtigen Anblick des Schiffes, das alle seine Leesegel stehen hatte, vernahm mit Interesse, daß von der Bramraae aus ein Fahrzeug in Sicht sei, und erzählte sodann, daß er eine recht schlechte Nacht gehabt habe.

»Die Hitze,« meinte Mr. Matthews.

»Möglich,« nickte der kleine Mann. »Aber ich habe auch schauderhaft geträumt, und was das Tollste ist, auch meine Frau hat schauderhaft geträumt.«

»So,« sagte der Steuermann teilnahmsvoll. »Wie geht es denn der Miß Holroyd?«

»Darüber habe ich noch nichts gehört. Wenn ihre Kammer neben der unsern wäre, dann würde ich mich über meinen schlechten Schlaf nicht wundern, denn sie soll ja sehr unruhig sein; durch so viel Zwischenwände aber kann man nichts hören.«

»Allerdings nicht,« sagte der Steuermann.

»Ich kann mir nicht helfen,« fuhr der Auktionator fort, »aber ich bilde mir ein, daß heute nacht etwas passiert sein muß; auch meine Frau meint, das Alpdrücken, das sie gehabt, müßte etwas Besonderes bedeuten. Und diese Träume! Wir, die wir eigentlich nie träumen!«

»Hm, hm,« machte der Steuermann und wiegte den Kopf.

»Wissen Sie, Mr. Matthews,« sagte der kleine Mann nach einem raschen Umblick über das Deck, »ich weiß nicht, wie ich dazu komme, aber ich muß es Ihnen sagen – wissen Sie, es liegt etwas in dem Aeußeren, oder besser, in dem Wesen einiger von den zehn Herren, was meine Frau und mich recht unruhig macht. Denken Sie nur an die Plünderung der Waffenkiste – wer hat das gethan? Man weiß es bis auf den heutigen Tag nicht. Wo sind die Waffen geblieben? Und welchen Zweck verfolgen diejenigen, die den Diebstahl ausgeführt haben?«

Der Steuermann zuckte die Achseln.

»Wir können gegenwärtig weiter nichts thun, als scharf aufpassen,« sagte er.

»Sie haben also Ihren Verdacht?«

Des Steuermanns Antwort war ein vielsagendes Lächeln.

»Meine Frau und ich,« plauderte Mr. Storr leise weiter, »haben neuerdings die Herren, die an Ihrem Ende der Tafel sitzen, unwillkürlich immer beobachten müssen, bei Tische sowohl, wie auch an Deck. Waffen haben wir an ihnen noch nicht bemerken können. Es ist mir ganz klar, daß der Kapitän sich in einer heiklen Lage befindet. Einsperren und in Eisen legen kann er sie nicht, wenigstens nicht auf bloßen Verdacht hin. Sie würden ihm in London mit schweren Entschädigungsklagen kommen, wodurch er leicht ruiniert werden könnte. Aber ich fürchte, ich fürchte, Mr. Matthews – ich fürchte, daß wir ihretwegen während dieser Reise aus Sorgen, Unruhen und Aengsten aller Art nicht herauskommen werden. Keinen Abend kann man zu Bett gehen, ohne –«

Er unterbrach sich erschrocken, denn er sah den Hauptmann Trollop nachlässig von der Kampanjeluke her zur Reeling schlendern.

»Ganz recht,« sagte er jetzt ganz laut, »solch einen schönen Morgen hatten wir lange nicht. Aber wir brauchen mehr Wind, Mr. Matthews, wenn wir in angemessener Zeit das Kap Horn erreichen wollen.«

Beim Frühstück waren drei Stühle leer.

»Wo ist Mr. Davenire?« fragte der Schiffer den Hauptmann Trollop.

»Er ist nicht wohl, wie ich von Mr. Johnson höre.«

Der Schiffer sah den neben Mr. Matthews sitzenden Doktor an.

»Mich hat er nicht rufen lassen,« sagte dieser.

Nach einer kleinen Weile wendete der alte Benson sich zu Mrs. Holroyd.

»Hoffentlich geht es Ihrer Tochter heute besser, Madam.«

»Viel besser, ich danke Ihnen; sie soll aber, nach des Doktors Verordnung, noch bis Mittag das Bett hüten.«

»Hat jemand von den Herrschaften heute nacht auch diesen eigentümlichen Klageton gehört?« fragte Mr. Dent. »Meine Frau konnte nämlich vor Hitze nicht schlafen; ich öffnete daher das Fenster und da vernahm ich ganz deutlich ein Wehegeschrei draußen auf der See. Es war höchst unheimlich!«

Der Kapitän starrte finster vor sich ins Leere.

»Hörten Sie das auch?« fragte Mrs. Storr die Frau des Kaufmanns.

»Nein; wahrscheinlich, weil ich in der unteren Koje liege.«

»Sollte dieses klagende Geschrei der Grund dafür gewesen sein, daß ich so schlecht geschlafen habe?« fragte der kleine Auktionator, in die Runde blickend.

»Jedenfalls sehe ich darin die Erklärung für meine abscheulichen Träume,« bemerkte seine Gattin, »und für das Alpdrücken, das mich gequält hat. Ein ungewöhnliches Geräusch habe auch ich gehört.«

»Welcher Art war das Geräusch?« forschte der Schiffer.

»Ein Rutschen und Stoßen, als wenn gerungen würde,« antwortete Mrs. Storr. »Diesen Eindruck hatte ich wenigstens, als ich aus dem Schlaf schreckte, und ich fragte William, meinen Mann, ob in Mrs. Holroyds Kammer auch wohl etwas vorgefallen wäre.«

»Ich verstehe nicht, wie hier so viel von Geräuschen und unheimlichen Tönen die Rede sein kann,« warf Mrs. Peacock etwas empfindlich ein. »Ich habe nichts gehört, mag dergleichen auch nicht hören. Es ist doch alles sicher hier an Bord, woher sollen also Geräusche kommen – ich meine solche unheimlichen Geräusche? Habe ich nicht recht, Kapitän Benson?«

Der alte Schiffer neigte sein weißes Haupt seitwärts gegen die fragende Dame, sagte jedoch kein Wort.

»Der Ton, der Sie in der Nacht so beunruhigte, Mr. Storr,« nahm jetzt Burn in seiner gravitätischen Weise das Wort, »kann sehr wohl der Schrei eines südwärts fliegenden großen Vogels gewesen sein. Ich erinnere mich, daß ich einst in einer stillen Mitternacht auf See ein Gewirr von durchdringenden, seltsamen Tönen unmittelbar über dem Schiffe vernahm. Stutzend schaute ich auf, und was sah ich? Eine unendliche, meilenlange Schar von Sturmvögeln, Mutter Careys Küchlein von den Seeleuten genannt, die unter unablässigem Geschrei nordwärts über das Schiff hinstrichen.«

Während dieser Unterhaltung brütete Caldwell über seinem Teller und stocherte in den Speisen herum, die er sich vorgelegt hatte. Der Ausdruck seines Gesichtes erregte die Aufmerksamkeit des jungen Masters, der ihn von Zeit zu Zeit scharf beobachtete. Die abstoßende Häßlichkeit des Mannes war heute aber auch ganz besonders auffallend. Das sonst gelbliche Weiß seiner Augen glühte blutrot, das Zigeunerbraun seiner Haut hatte einen grünlichen Anflug und sein kohlschwarzes grobes Haar war ungekämmt. Mit gerunzelten Brauen stierte er vor sich nieder, und wenn er aufsah, geschah dies nur, um einen Blick auf Trollop oder Shannon zu werfen.

»Sehen Sie nur einmal den Caldwell an,« flüsterte Masters dem neben ihm sitzenden Burn zu. »Das ist ein Gesicht, wie es ein Hofkünstler des Satans für seines Herrn Privatgalerie malen würde. Was mag ihm sein?«

»Er fürchtet sich vor dem Moment, wo Miß Mansel erscheinen und unsern Plan offenbaren wird.«

»Vorsichtig!« warnte der andere, eifrig Messer und Gabel handhabend. »Trollop sagte mir vorhin –«

Die Stimme des Kapitäns unterbrach ihn.

»Wo bleibt denn unsere Miß Mansel heute?« rief der alte Herr. »Hat sie das Frühstück nach ihrer Kammer verlangt, Steward?«

»Nein, Kapitän. Als ich vor einer Stunde anklopfte, schlief die Miß noch.«

Es war weder auffällig noch ungewöhnlich, wenn einer der Passagiere die Zeit des Frühmals verschlief, weshalb der Schiffer die Abwesenheit der jungen Dame zunächst auch nicht weiter beachtete.

Nach einer Weile erhob sich Mrs. Holroyd. Eben im Begriff, in ihre Kammer zu gehen, wendete sie sich noch einmal nach dem Kapitän um.

»Soll ich vielleicht Miß Mansel fragen, ob sie etwas bedarf?«

»Wenn Sie die Güte haben wollen,« antwortete Benson, gleichfalls aufstehend.

»Sie wollen sie Lügen strafen,« flüsterte Burn in Masters Ohr. »Caldwell sieht allerdings nicht so aus, als ob er den Mut dazu hätte. Wenn man ihr aber Glauben schenkt? Was dann?«

Er verließ seinen Platz, und Masters folgte ihm. Auch die übrigen hatten ihr Frühstück beendet. Man wendete sich den Ausgängen zu, als ein lauter Ruf, den Mrs. Holroyd ausstieß, alle an die Stelle bannte. Caldwell, der noch saß, drehte langsam den Kopf um. Matthews sprang von seinem Stuhle auf.

»Miß Mansel ist gar nicht da!« rief Mrs. Holroyd. Sie stand in der Thür der Kammer und blickte bleich und erschrocken den Kapitän an.

»Was?« fuhr dieser auf. »Miß Mansel nicht da? Sagten Sie das, Madam?«

Er ging in die Kammer, gefolgt von dem Arzt und dem Steuermann. An der Thür staute sich eine kleine Versammlung, darunter Caldwell und Trollop. Die Kammer war leer. Als einzelne junge Dame hatte Miß Mansel das Privilegium des Alleinwohnens genossen. Ihr Bett war die untere Koje gewesen, die obere hatte sie als Aufbewahrungsort für allerlei Habseligkeiten benutzt. Man sah, daß sie während der Nacht in ihrem Bett geschlafen hatte; die Decke war auf eine Seite geschoben, als habe sie sich beim Aufwachen schnell von derselben befreit.

Im ersten Erstaunen blieben die Anwesenden eine Weile stumm. Der Schiffer fand zuerst Worte.

»Wo mag sie sein?« fuhr er heraus. »Hoffentlich noch an Bord! Mr. Matthews, lassen Sie sofort nach ihr suchen!«

Der Steuermann eilte ganz betroffen von dannen.

An seiner Stelle drängte sich Mrs. Peacock herein.

»Was höre ich?« lamentierte sie. »Miß Mansel ist verschwunden? Was in aller Welt kann aus ihr geworden sein?«

»Wo ist der Steward?« rief der Schiffer.

»Hier!« antwortete Trickel aus dem Hintergrunde der vor der Thür Versammelten.

»Ich muß bitten, Raum zu geben, meine Herrschaften,« gebot der Kapitän. »Hier ist nichts zu sehen, die Kammer ist leer.«

Caldwell und Trollop schlenderten fort, die andern zerstreuten sich in den Salon. Mr. Dent und seine Gattin redeten flüsternd miteinander, Mrs. Holroyd suchte ihre Tochter auf, Mrs. Peacock aber hörte man die Gattin des Auktionators fragen, ob es unter solchen Umständen nicht des Kapitäns Pflicht und Schuldigkeit wäre, sofort »umzulenken« und nach Sydney zurückzufahren, da hier alles drunter und drüber ginge und sie für ihre Person ganz sicher sei, auf diesem Schiffe niemals England zu erreichen.

»Wann haben Sie die Miß Mansel zuletzt gesehen?« fragte der Schiffer den Steward aus.

»Gestern abend.«

»Um welche Zeit?«

»Gegen halb zehn Uhr. Sie kam aus der Kajüte und ging nach mittschiffs. Ich hatte zu thun und achtete nicht weiter auf sie.«

»Und heute früh haben Sie bei ihr angepocht?«

»Ja, um dreiviertel auf acht, wie gewöhnlich. Da ich keine Antwort erhielt, meinte ich, die junge Dame schliefe noch.«

Der Arzt hatte inzwischen mit ernstem Antlitz in dem kleinen Raume Umschau gehalten. Alles erschien in bester Ordnung. Kleidungsstücke hingen an den Wandhaken. Der Hut, den die Verschwundene stets an Deck zu tragen pflegte, lag, neben einigen Schirmen und andern Dingen, in der Oberkoje. Die Gewandstücke, die sie am letzten Abend abgelegt hatte, befanden sich, sauber zusammengefaltet, auf einem Stuhl. Des Doktors wandernder Blick blieb auf denselben haften.

»Ob Mrs. Storr vielleicht einen Augenblick die Güte hätte?« sagte er.

»Mrs. Storr!« rief der Schiffer.

Die Gerufene ließ Mrs. Peacock stehen und kam herbei.

»Wären Sie wohl imstande,« redete der Doktor sie an, »uns, nachdem Sie diese Sachen gemustert, zu sagen, ob Miß Mansel angekleidet war, als sie diese Kammer verließ?«

Mrs. Storr nahm die Gewandstücke eins nach dem andern auf, darauf betrachtete sie die an der Wand hängenden Kleider und gelangte dadurch zu der Ansicht, daß die junge Dame nicht für einen Gang an Deck angekleidet gewesen sei. »Hier fehlt nur ein Schlafrock und ein Unterkleid von Flanell,« sagte sie.

»Sie muß also an Bord sein,« nickte der Kapitän und erteilte dann dem Steward Trickel und dessen Gehilfen John einige Instruktionen im Flüsterton.

»Bis wir bestimmt wissen, daß sie nicht mehr an Bord ist, sind alle Mutmaßungen nutzlos,« meinte der Doktor. »Immerhin scheint aus allem hervorzugehen, daß Miß Mansel ihre Kammer freiwillig verlassen hat. Uebrigens war da noch ein dritter Platz an der Tafel leer. Wenn Mr. Davenire meine Dienste auch nicht in Anspruch genommen hat, so will ich doch nach Ihrer Instruktion, Kapitän, mich nach ihm umsehen.«

»Thun Sie das,« versetzte der Schiffer. »Vielleicht finden wir seine Kammer auch leer.«

Der alte Benson blieb in Miß Mansels Kammer, im Gespräch mit Mrs. Storr, deren Gatten und dem Ehepaar Dent.

Außerhalb der Kajüte, unter dem Galerievorsprung, stand eine Gruppe der Zehn, mit Rauchen beschäftigt. Die Neuigkeit von dem Verschwinden der jungen Dame mit den schönen Augen hatte bereits den Weg zum Matrosenlogis gefunden und die Janmaaten zu einer Generalversammlung bei der Ankerwinde veranlaßt. Der ›Zweite‹, der auf dem Achterdeck mit Caldwell und Trollop das Ereignis besprach, war zu sehr davon in Anspruch genommen, um sich jetzt um die Schiffsdisziplin zu kümmern.

»James,« sagte Mrs. Dent, den Arm ihres Gatten mit einem Gefühl banger Furcht an sich drückend, »sollten die Klagelaute, die du heute nacht hörtest, wohl von Miß Mansel ausgegangen sein?«

»Sie kamen weit draußen von der See her,« antwortete Mr. Dent.

»Das meine ich eben.«

»Guter Gott!« rief der Kapitän, die kleinen Augen vor Entsetzen weit geöffnet.

»Ja, wissen Sie, Kapitän Benson,« fuhr die Dame fort, »das arme Mädchen sah immer so melancholisch, so traurig gedankenvoll aus, als ob sie großen Kummer hätte. Sie sprach sich auch einmal gegen mich über die bitteren Erfahrungen aus, die sie in Australien hatte machen müssen. Solch eine arme Gouvernante ist schon im besten Falle nicht auf Rosen gebettet. Und nun war sie auf der Heimfahrt, beinahe ohne Mittel, mit der Aussicht, wieder von vorn anfangen zu müssen, und wer weiß, welche Familienverhältnisse dabei noch in Betracht kamen –«

»Willst du bannt andeuten, Mathilda, daß sie Selbstmord begangen haben könnte,« unterbrach sie ihr Gatte.

Mrs. Dent schwieg. Sie preßte die Lippen aufeinander und sah den Kapitän an. Die beiden Stewards erschienen an der Thür.

»Nirgends eine Spur,« meldete Trickel, dem Auge des Schiffers begegnend.

Der Doktor kam und berichtete, daß Davenire klage, von der Hitze angegriffen zu sein und allerdings auch so aussähe. Uebrigens habe er eine gefüllte Branntweinflasche in dessen Koje bemerkt, woraus manches zu folgern wäre. Zwei der andern seien gestern abend betrunken zu Bett gegangen – kein Wunder, meinte er, daß solche Leute in den Kolonieen zu nichts kommen konnten.

»Ich wollte, ich hätte niemals einen von der Bande an Bord meines Schiffes gesehen!« stieß der alte Schiffer zwischen den Zähnen hervor. »Aber wo ist Miß Mansel?«

Er trat in den Salon zurück und starrte hier gänzlich ratlos um sich. Nie zuvor in seinem Leben hatte dieser greise, vielerfahrene Seemann eine so ereignisvolle Fahrt gehabt. Und noch war es ein langer Weg bis zum Kap Horn, und dann währte es noch weitere sechzig oder achtzig Tage, ehe das Ziel erreicht war. Und wenn es so weiter gehen sollte mit den unvorhergesehenen Begebenheiten an Bord, mit den Beunruhigungen, dem Raub und Diebstahl, dem Verschwinden harmloser Passagiere, dem meuterischen Wesen gewisser Herren – was würden die Insassen der Bark dann wohl zu vermelden wissen, wenn das Wasser der Themse die hohen Masten des Schiffes noch einmal widerspiegeln sollte?

Schweren langsamen Schrittes stieg der sonst so flinke alte Herr die Kampanjetreppe hinauf. Oben blieb er, auf die Lukenkappe gestützt, stehen, als ob das Steigen ihn angegriffen hätte. Als Herr des Schiffes fühlte er sich besonders für das Wohl einzelner weiblicher Passagiere verantwortlich, und nun war gerade dieses junge, alleinstehende Mädchen auf eine so unerklärliche Weise verschwunden!

Vom unteren Deck her kam der Steuermann die Treppe im Lee herauf. Er meldete, daß alles durchsucht worden sei, jedoch ohne Erfolg.

»Sie hatten die erste Nachtwache,« erwiderte der alte Benson mit einer Stimme, die wie gebrochen klang. »Wann sahen Sie das Mädchen zuletzt?«

»Ich habe gestern abend nichts von ihr gesehen.«

Der Schiffer rief den ›Zweiten‹ heran.

»Sie hatten die Mittelwache.«

»Jawohl.«

»Haben Sie während derselben etwas von Miß Mansel bemerkt?«

»Nein.«

»Nein? Warum nicht?« schnaubte der Schiffer in plötzlichem Zorn. »Wahrscheinlich trieben Sie sich vorn bei den Leuten herum, anstatt hier hinten auf Ihrem Posten zu sein! Wenn nun die junge Dame in Ihrer Abwesenheit hier über Bord gestürzt ist, wie? Wer stand die ersten zwei Stunden am Ruder?«

»Johnson.«

»Schicken Sie ihn her. Auch der Mann, der nach ihm am Ruder war, soll kommen. Schicken Sie mir alle Leute her, die von Mitternacht bis um sechs Uhr morgens das Ruder verfangen haben!«

Es entstand eine allgemeine Bewegung auf dem Schiffe; Matrosen eilten nach hinten; die Zehn – Mr. Mark Davenire befand sich wieder unter seinen Genossen – erschienen zu zweien und dreien ebenfalls auf dem Achterdeck; allenthalben herrschte Unruhe, und der leichte Wind war erfüllt mit dem Gemurmel und Gesumme vieler Stimmen.


 << zurück weiter >>