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Drittes Kapitel

Lökken, den 6. Juli 19..

Lieber Freund und Amtskollege!

Dieser Brief ist ein wichtiges Dokument. Also ... Amy Nummer 1 ist hier angekommen. Der Himmel segne das liebliche Kind für diese Tat. Sie kam allein. Ich konnte es nicht wagen, meinen Gefangenen ohne Aufsicht zu lassen, obgleich er sich scheinbar ins Unvermeidliche gefügt hat. Das Nachlaßgericht hat sich bis jetzt noch nicht gemeldet, doch wird dies zweifellos morgen geschehen, da morgen eine Reihe von Sitzungen abgehalten werden soll. Aber dies nur nebenbei, nun kommt die Hauptsache. Nachdem wir – Mr. Weston und ich – unsern Lunch eingenommen hatten, rief ich ihn in mein Zimmer hinauf, in dem Miß Derry, bereit, ihn zu empfangen, weilte. Er trat ein und – – wurde als Mr. Weston identifiziert! Ich erzähle Ihnen das gleich zu Anfang, denn dies ist ein Brief und kein spannender Roman. Sie und ich hatten unsern Kopf darauf gewettet, daß er der Major Johnson sei – dennoch ist er Mr. Weston. Und Amy Nummer 2 ist wirklich seine Frau.

Sie werden es nicht glauben wollen, ebenso wie ich zum Zweifeln geneigt war, aber denken Sie sich, als er die Tür öffnete und eintrat, stand Miß Derry ganz ruhig auf und streckte ihm mit einem zwar freundlichen, aber doch ganz natürlichen und gleichmütigen » How do you do, Mr. Weston?« die Hand entgegen!

Ich glaube, ich habe kein sonderlich geistreiches Gesicht dabei gemacht, und ich verzichte auf den Versuch, Ihnen einen ausführlichen Bericht über den Vorfall zu liefern.

Miß Derry kam, wie es sich gehörte, per Wagen von Vraa an; sie fragte, beim Hotel angekommen – ebenfalls, wie es sich gehörte – nach mir. Ich nahm sie in Empfang, führte sie in mein Zimmer, und sie erzählte mir, daß sie Ihren Brief bekommen habe und daraus ersehe, daß ihre Herkunft notwendig sei. Sie habe auch Mr. Armstrong aufgesucht, der ihr jedoch mitgeteilt habe, daß er von Mrs. Weston ein Telegramm bekommen habe, worin diese ihr Eintreffen in London anzeige, und somit genötigt sei, sie in London zu erwarten. Sie, Miß Derry, sei nun allein nach Hjörring gekommen und wünsche nun bloß zu wissen, warum ihre Anwesenheit erforderlich sei. Ich erwiderte ihr, daß sie das gleich sehen werde. Ließ Mr. Weston heraufholen, ihn schon im voraus als Major Johnson entlarvt sehend – er kam auch, und Amy sagte: » How do you do, Mr. Weston?«

Das ist in der Tat alles, was ich zu berichten habe.

Mr. Weston kam mir gefühlvoller als gewöhnlich vor, und er und Amy waren sich sofort darin einig, daß sie etwas zu besprechen hätten. Ich fühle mich meiner Position nicht mehr sicher, denn in der Tat ist meine Rolle ausgespielt. Miß Derry dankte mir für meine Bemühungen und gab mir deutlich zu verstehen, daß sie mich nicht mehr brauche. Mr. Weston behandelte mich mit übergroßer Höflichkeit. Er schlüpft mir aus den Händen. Und was, zum Teufel, kann ich tun? Still dazusitzen und wie ein Narr dreinzuschauen, paßt mir nicht. Es ist klar, daß unsre Lösung des Rätsels mörderlich falsch war!

Ich denke, wir müssen unsre Gedanken aufs neue dem Mann im Keller zuwenden. Auf Hypothesen aber lasse ich mich nicht mehr ein; ich bin schon ganz krank davon!

Damit genug für heute. Senden Sie mir Instruktionen zu.

Ihr Jens Koldby.

Telegramm.

London, den 8. Juli 19..

Doktor Jens Koldby – Lökken.

Weston alias Johnson muß festgehalten werden, nötigenfalls mit Hilfe Polizei. Miß Derry unter einer Decke mit ihm.

Nielsen.


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