Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Letztes Kapitel.

Von den Sammlungen der Bettelmönche.

In jeder Bildergalerie, die zum allgemeinen Genuß bestimmt ist, hängt man diejenigen Gemälde, die an sich schlüpfrig sind, oder zu häßliche Gegenstände enthalten, fast immer in dunkle Winkel hin, wo sie nicht leicht in die Augen fallen. Das ist die Ursache, warum auch wir dieses Bild am äussersten Ende unsrer Galerie aufstellen.

Wir hätten uns zwar die Mühe ersparen können, dieses Gemälde zu entwerfen, da man den Mönchen schon so manches Kapitel über die Ausschweifungen ihrer Terminanten gelesen hat, und ihre Bauernplündereyen ohnehin vom Vater zum Sohn, und also durch Tradition auf unsre Nachkömmlinge kommen werden.

Allein man hätte uns vorwerfen können, daß wir nur nach Spazenköpfen zielten, und der Raubvögel verschonten, und so wollen wir also, so sehr uns vor dem Gegenstand eckelt, die Farben auftragen.

Daß die armen Kapuziner und Franziskaner, die nicht arbeiten können, und nicht stehlen dürfen, ihre Sammler ausschicken, und die Layen um Allmosen anflehen lassen, ist ihnen zu verzeihen, oder der Staat müßte sie nur, so lang sie noch existiren, wie in Oesterreich, aus seinem Säckel nähren, oder die reichen Prälaturen müßten sich entschliessen, sie von dem Ueberfluß ihrer Einkünfte, bis sie nämlich abgestorben sind, anständig zu erhalten. Es hat zwar auch das Bild eines Kapuziner-Terminanten, so wie jedes Bettlers, schon etwas Anstössiges an sich, besonders wenn man ihn in der Stellung erblickt, wie er einem fast eben 120 so armen Bauer durch ein Amulet mit Gänsbeinchen gefüllt, seine lebendigen Hühner herauslockt. Aber nichts geht über den Anblick eines ausgefütterten Karmeliter- oder Servitensammlers, die dem dürftigen Landmann durch süsse Worte, oder wohl auch durch Drohungen für ihre im Müssiggang lebende Brüder den im Schweis seines Angesichts erzeugten Wein abdringen, und ihm das Fett von der Suppe wegschöpfen.

Es giebt freylich hie und da einen Bauer, der lieber die Spitze ihrer Kapuzen als ihrer Nasen sieht, allein um nicht in der Gemeinde für einen Ketzer ausgeschrien zu werden, muß er sich von diesen Wampiren schon gleich den übrigen etwas Blut aussaugen lassen, und das ist eine von den Hauptursachen mit, warum ihre Sammlungen noch immer so guten Fortgang nehmen.

Denn die Kutte hat leider für den gemeinen Mann noch so viel Blendendes, daß er weder die vollen rothen Backen, noch den Schmeerbauch sieht, sondern wirklich einen armen, dürftigen Bettler, der für seine eben so arme Mitbrüder den nöthigen Unterhalt sammelt, in der Person des Terminanten zu erblicken glaubt.

Sollte sich der gute Dorfbewohner auch nur von Ferne die Idee machen, daß Leute, die ihn um Gotteswillen um Allmosen ansprechen, zu Haus volle Speisekammern und Weinkeller haben, grosse Kapitalien besitzen, und wohl gar öffentliche Wechselbänke halten?

Es gehörte ein grosser Grad von Mistrauen gegen Menschen dazu, um so etwas zu vermuthen, so wie ein hoher Grad von Unverschämtheit erfodert wird, um im Schoos des Ueberflusses betteln zu gehen.

Ausser dem geheimen Zauber der Kutte, besitzen die Terminanten aber auch noch andere Kunstgriffe, durch die sie unter dem Titel des Allmosens dem treuherzigen 121 Bauer, Eyer, Schmalz, Butter, Holz, Kerzen, Wein, Getreid, Fische, Obst u. s. w. wegzukappern wissen.

Viele von ihnen haben die Kunst zu betteln in ein förmliches Sistem gebracht. Sie bedienen sich also niemal einerley Mittel.

Ist der Bauer ein frommer Christ, das heißt ein Kuttenfreund, so reden sie von den ewigen Freuden, die auf diejenigen warten, die den armen Geistlichen Gutes thun, und versichern ihm in voraus den Himmel, an dem sie selbst vielleicht nicht immer Theil haben werden, so wie die vormaligen Päbste ganze Länder verschenkten, von denen ihnen kein Stein gehörte. Man weis, daß sich der Bauer eben nicht am besten auf dieser Welt befindet, er begnügt sich also gern mit einer ungeschmalznen Suppe, und giebt willig die Frucht seiner Arbeit an den Sammler hin; denn der Himmel ist doch einige Eimer Wein, und einige Pfund Butter werth.

Zeigt sich der Bauer als ein Stutzkopf, oder merken sie wohl gar, daß er in seinem Herzen die ganze Legion der Bettelmönche für Müssiggänger oder Blutigel halte, so geht es aus einer andern Melodie.

Man pralt mit der Patronanz der Herrschaft, redt vom Einfluß, den man auf das Schicksal der Unterthanen habe, und läßt mit unter etwas von den entsetzlichen Strafen einfliessen, die in der Hölle auf die Feinde der Geistlichkeit warten; und so müßte es wunderbar zugehen, wenn der Bauer, der gemeiniglich seine Herrschaft (besonders wenn es eine geistliche Herrschaft ist) und den Teufel gleich stark fürchtet, nicht trotz seiner Abneigung vor Kutte und Skapulier, den Bettelsack anfüllte.

Am besten aber gelingt es diesen Herren, wenn sie die Weiber auf ihre Seite bringen können. Daher wählen einige mit vieler Vorsicht den Zeitpunkt, wann die Bäurinn allein 122 ist, wo sie dann auch immer so reichlich regalirt werden, als es in Gegenwart des Mannes nie geschehen wäre.

Dafür aber lassen sie papierne Bilder, Agnusdei, Amulette, Lukaszettel, und andere Andenken zurück.

Es giebt unter den Sammlern indessen auch einige Genies, die von der Heerstrasse abweichen, und sich einen eignen originellen Bettlerplan machen. Sie mögen vielleicht bemerkt haben, daß Niemand leichter durch die Welt kömmt, als ein Lustigmacher, und weil sie schon alsMan sehe das 2te Kapitel Noviziat. Novizen dazu gebildet werden, so fällt es ihnen auch gar nicht schwer, diese Rolle zu spielen.

Daher suchen sie ihrer ohnehin etwas komischen Kutte noch eine komischere Gestalt zu geben, hängen wohl auch einige Lappen über den Kopf, und ziehen singend mit ihren Trägern durch die Dörfer.

Sie leiden es geduldig, wenn die Jungen sie an der Kapuze zupfen, oder eine muthwillige Dirne ihnen Butter in den Arm schmiert. Sie sind taub gegen alle Beschimpfungen, die ihnen von Bauern, Bäuerinnen, Beamten und Pfarrern angethan werden; dafür ist aber kein Huhn in der Steige, kein Getreid auf dem Boden, kein Wein im Keller, und kein Ey unter der Henne sicher vor ihnen. Sie begehren, was ihnen beliebt, und nehmen mit Gewalt, was man ihnen nicht gutwillig giebt; denn sie wissen, daß man einem Spaßmacher nichts übel nimmt.

Andere Sammler suchen die Leichtgläubigkeit des Landvolkes auf andere Art zu benützen. Sie geben vor, daß ihr heiliger Orden ganz vorzügliche Mittel wider Hexerey und Teufeley besitze; sie verehren also der Bäurinn mit der scheinbarsten Uneigennützigkeit geweihten Hexenrauch, Teufelspeitschen und Lukaszettel, durchräuchern wohl auch den 123 Stall selbst, und geben der kranken Kuh, die an Verstopfung leidet, eine unverdauliche Portion Lukaszettel in Weihwasser ein.

Geht auch das arme Vieh über diese geistliche Arzney zu Grunde, so weis der Bauer oder die Bäurinn schon selbst eine Entschuldigung für den Terminanten zu finden; denn daß die arme Kuh an den Lukaszetteln gestorben sey, wird sie die ganze Welt nicht bereden.

Dieß sind ungefähr die Methoden, durch die dem dürftigen Landmann die Früchte seiner Industrie herausgezaubert werden.

Es wäre aber unbillig, deswegen die Terminanten Bauernschinder zu nennen; denn sie sind in der grossenWeinpressen haben freylich keine Räder, aber eine Bauernpresse kann immer Räder haben. Diese Anmerkung ist für die litterarischen Mückenfänger. Bauernpresse wirklich das letzte Rad, das nur deswegen drückt, weil es gedrückt wird. Rom, das immer Geld braucht, preßt die OrdensgeneräleIn Oesterreich sind nun freylich die Orden von ihren Generälen getrennt. Aber solang noch Posten nach Rom gehen, und Wechsler existiren, ist es freylich schwer allen Nexus zu verhüten., der General den Provinzial, der Provinzial den Prior, der Prior den Sammler, und der Sammler den Bürger und Bauer.

Will nun also der Terminant von seiner Obrigkeit ein freundliches Gesicht sehen, oder bey der Terminantentafel, wenn er nach Haus kömmt, nicht mit der Sau essen, so muß er alles menschliche Gefühl ablegen, und so zu sagen, das Kalb im Mutterleib nicht verschonen.

Bisher haben wir das Bild eines Sammlers nur im Profil betrachtet, und da scheint es, als wäre er nur für das zeitliche Vermögen des Bauers schädlich; wenn wir ihm aber gerade ins Gesicht sehen, so finden wir leider, daß er auch auf ihr ewiges Heil den nachtheiligsten Einfluß habe. 124

Ein Bauer, der denkt, ißt seine Hühner und trinkt seine Weine selbst. Aberglauben ist das sicherste Präservativmittel wider Aufklärung; daher suchen die Terminanten durch ihre Filianzen, ihre abergläubische Gebether, ihre Hexen- und Gespensterhistorien das Landvolk im Aberglauben zu erhalten. Den Bauer machen sie durch Murren wider böse Zeiten und schlechtes Christenthum, halsstärrig gegen seine Obrigkeit, mistrauisch gegen seinen Seelsorger, und ungehorsam gegen den Landsfürsten; den Weibern und Töchtern verrücken sie die Köpfe durch ihre dritte Orden, Skapuliere und dergleichen. Sie mischen sich in alle häuslichen Angelegenheiten, verleiten die Mütter, daß sie ihnen ohne Vorwissen des Mannes, und die Töchter, daß sie ihnen ohne Vorwissen der Mutter verschiedenes heimlich zustecken, und machen also Andächtlerinnen, Heuchlerinnen, und wenn wir das Kind beym Namen nennen wollen, wohl auch kleine Diebinnen aus ihnen.

Da es unter dem Weibsvolk indessen auch manch verliebte Stalldirne, und unter den Terminanten manchen Pater FulgentiusWer die Briefe über das Mönchswesen kennt, wird auch den Pater Fulgentius kennen. giebt, so ist leicht zu vermuthen, daß es auch manchmal in diesem Punkte nicht leer ablaufe; denn wir wüßten sonst wahrhaftig nicht, warum sich die jungen Patres so sehr darum beneiden, und sich wohl in einigen Klöstern das Bettelprivilegium um Geld abkaufen?

Wir mögen nun einen Sammler von hinten oder von vorn betrachten, wir mögen ihm die Kapuze ins Gesicht, oder, so weit wir können, zurück ziehen, so macht er immer eine schlechte Figur.

Er mag also, bis man ihn einst als eine Antique hervorzieht, hier im Winkel hängen. Wir aber legen Pinsel und Palet aus der Hand, und schliessen unsere Galerie, sollen wir auch nicht beym besten Einfall abgebrochen haben.

 

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