Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Zehntes Kapitel.

Ueber Klosterstrafen.

Die Subordination würde den weltlich- und geistlichen Regimentern schlecht befolgt werden, wären nicht auf ihre Uebertrettung Strafen gesetzt, und diese Strafen müssen empfindlicher als für andere Verbrechen seyn, weil die Subordination, wie schon im Kapitel vom Gehorsam gesagt worden, der Grundpfeiler der guten Ordnung ist.

Der heilige Benedikt fügte also seiner Ordensregel einen förmlichen Kriminalkodex bey, der dem Entwurf seines Instituts vollkommen angemessen war. Alle seine Strafen zielten auf Besserung ab, und bey dem sie nicht fruchteten, der wurde wieder in die Welt zurück gewiesen; denn der fromme Ordensstifter wollte bloß gesittete und gute Männer in seinen Klöstern haben.

Der erste Grad von Bestrafung war also, daß der Fehlende in Geheim von seinem Obern zweymal ermahnet wurde: fehlte er dann wieder, so bekam er in der ganzen Versammlung einen Verweis; besserte er sich noch nicht, so wurde er vom gemeinen Tisch, dann auch von der Arbeit und vom Gebeth ausgeschlossen: Half auch dieß nicht, so versuchte man seinen moralischen Wandel durch Karbatschstreiche zu bessern; und wenn man endlich auch dieses Extremum fruchtlos sah, schickte man das Subjekt, das so wenig Anlage zum Mönch hatte, wieder in die Welt zurück.

Allein diese Kriminalverordnung taugt so wenig für die itzigen Mönche, als die römischen Rechte für die deutsche 84 Nation; daher reduzirt sich ihr ganzer gegenwärtiger Kodex auf Kapitelverweis, und (kaum getrauen wir uns das von Mönchen zu sagen) auf – Gefängniß.

Wie sollte auch für Leute, wie unsre Mönche im Durchschnitt sind, Ausschliessung vom Gebeth und Arbeit eine Strafe seyn, da sie es für eine Wohlthat halten, wenn sie nicht arbeiten und nicht bethen dürfen? Eben so wenig ließ sich von den Obern (wir meynen den Prälaten) bey der itzigen Verfassung fodern, daß sie die fehlenden Brüder in geheim ermahnten, da sie nicht mehr unter ihnen wohnen, und also bey Hof nicht wissen können, wie es in der Klausur zugeht.

Karbatschstreiche sind ebenfalls nicht mehr anzuwenden, denn die Mönche sind keine gemeine Soldaten, das ist, keine Layenbrüder mehr, und haben sich durch das an sich gerissene Priesteramt zu Offiziers hinaufgeschwungen; und diese stehen nicht unter dem Stocke.

Sie haben also für die geringern Klosterverbrechen ganz andere Strafen ausgedacht, und weil sie selbst äußerst viel auf das point d'honneur halten, so suchen sie ihre Untergebne ebenfalls durch blosses point d'honneur zu bessern.

Solche point d'honneur-Strafen sind also: Bey Tischzeit auf dem Boden sitzen; statt Wein Wasser trinken; öffentlich von sich selbst gestehen, daß man ein Taugenichts ist; die Matraze mit ins Kapitel bringen, wenn man sich verschlafen hat; Disziplin machen u. s. w. In Bettelklöstern müssen die Verbrecher wohl auch durch Stunden auf der Nase liegen; im Speisesaal den Speichel auflecken; den Pot de chambre an einer Schnur um den Hals tragen; statt des Betts in einer Todtentruhe schlafen, und dergleichen.

Wie gern verzeihen wir ihnen alle diese lächerliche, alberne, zwecklose, und kindische Strafen! aber welche Furie gab ihnen ein, ihre Mitbrüder um den Rest von Freyheit zu bringen, 85 und sie in finstere Kerker, wo sie vor Verzweiflung umkommen müssen, lebenslänglich einzusperren?

Es mag sich wohl hie und da ein Mönch eines Verbrechens schuldig machen, das eine strenge Ahndung verdient, und da möchte es wohl nöthig seyn, sich seiner Person zu versichern, bis von der weltlichen Obrigkeit weitere Verfügung getroffen wird; allein das hieß für Mönche zu menschlich gehandelt. Die weltliche Obrigkeit sollte und durfte von ihrem eigenmächtigen Verfahren nicht wissen (denn sie machen ja einen eigenen Staat aus) und so waren sie zugleich Kläger und Richter, und so wurden die Opfer ihrer Rache, ihres Privathasses und des Fanatismus in geheim geschlachtet.

Hatte der Unglückliche vielleicht mächtige Verwandte, so ließ man diesen hinterbringen, daß ihr Vetter wichtiger Verrichtungen wegen in eine andere Provinz verreiset sey, und war er zum ewigen Gefängniß bestimmt, so folgten aus dieser Provinz bald fingirte Briefe nach, die den Anverwandten seinen schnellen Tod berichteten. Die Missionen nach Indien mußten ihnen aber am öftesten zur Ausflucht dienen, und so glaubt noch itzt manch betrogner Vater, daß sein Sohn in Indien zum Martirer geworden, indessen ihn seine eigene Mitbrüder hingerichtet haben; im Grunde ist es doch eins, ob ich dem Unglücklichen den Dolch ins Herz stosse, oder ihm durch Verzweiflung seine Tage verkürze, oder ihn wohl gar, wie den armen unschuldigenMan lese die in Wien herausgekommene Anekdoten zur Todesgeschichte des verfolgten P. Nonos Gschall &c., die, wenn sie auch in einigen Nebenumständen unrichtig seyn sollten, doch in der Hauptsache blos Wahrheit sind. Nonos, zwinge, sein eigner Mörder zu seyn.

Wir wollen über diesen mehr als unmenschlichen Klosterdespotismus in keine Deklamationen ausbrechen; aber man denke sich das Wort Mönch und Bettelmönch in seiner 86 wahren Bedeutung, stelle es dann neben Haß, Neid, Rache und Klosterkerker hin, und reime alles dieß zusammen, wenn man kann.

In Oesterreichs Provinzen, wo es (trotz dem, daß Mönche und Exmönche mit ihren Kutten und Mänteln vor das Licht der Aufklärung hinstehen, und es wohl gar, bald mit ihren eigenen und bald mit Berlinerblasbälgen auszulöschen suchen) täglich heller wird, sind freylich die Riegel der Klosterkerker gesprengt; aber in wie vielen andern Provinzen Deutschlandes herrscht nicht der Mönchsgeist noch; und wie mancher junge vielleicht auch geschickte Mann wird nicht noch, vielleicht eines geringen menschlichen Fehltrittes wegen, sein junges Leben in diesen Behältnissen des Schreckens endigen müssen?

Die Geschichte der unglücklichen Nonne in München mag dieses Kapitel beschliessen. Sie führt nebstbey zur traurigen Bemerkung, daß Fanatismus und Klostergeist auch die sanftere Hälfte des Menschengeschlechts gefühllos und tirannisch mache.

Wir bürgen für ihre Richtigkeit, und erzählen sie dem braven wahrheitliebenden Verfasser der Briefe aus dem Noviziat fest wörtlich nach:

»Dieses unglückliche Geschöpf war von Jugend auf zum Schleyer bestimmt, und verlegte sich, eines Akords mit dem Kloster zufolge, auf die Apothekerkunst. Sie ward eingekleidet, hielt das Probjahr aus, und ward dann als Frau Apothekerinn angestellt.«

»An diesem Posten that sie, ohne eben allezeit positive Erlaubniß zu haben, den Armen durch unentgeltliche Mittheilung einiger simplen Arzneyen von Zeit zu Zeit viel Gutes, ward darüber hart gestraft, ihrer Stelle entsetzt, und ohne Unterlaß auf die kränkendste Art einige Jahre hindurch schikaniert.« 87

»Das gute Mädchen unterlag endlich der ewigen Verfolgung, und in einem Taumel von Bewußtseyn gekränkter Unschuld entstand in ihr der unglückliche Gedanke zur Flucht. Noch in den Anstalten dazu wurde sie überrascht, und nun konnten die erboßten, runzlichten Strunseln kaum eine hinreichende Strafe für eine solche Masse von Sünden erdenken.«

»Nach vielen Kapitelhalten, und heimlichen Konferenzen ward endlich das arme Kind mit Einstimmung und Gutheissung eines wohlehrwürdigen Franziskaners, des Klosterbeichtvaters, zum ewigen Kerker verdammt. Nun mußte die Elende in ein Loch wandern, wo noch Sonne noch Mond hinkam; in ein Loch, das gerade so breit war, daß ein Mensch Platz hatte, aber so niedrig, daß sie immer gebückt sitzen mußte. Sie bekam etwas Nahrung, aber niemal frische Kleider. Keinem Menschen konnte sie ihre unmenschliche Behandlung klagen, denn die ganze Welt wußte nichts um sie.«

»Nun denke man sich ein 26jähriges Mädchen voll Gefühl, voll jugendlicher Hitze über das noch unausgeführte, vielleicht nur eben so lang als das gereizte Unschuldgefühl daurende Vorhaben zu entfliehen, verdammt, vergessen, ohne Hoffnung zur Erlösung hingeworfen in ein Hundloch, wo sie mit krummgebognen Nacken sitzen mußte, versenkt in die natürlichen Unreinigkeiten, preisgegeben einem Schwarm von Ungeziefer, halberstickt von gährendem Faulgeruch, genagt vom Hunger und der gänzlichen Verzweiflung – –

»An die zehn Jahre hatte die unaussprechlich Leidende schon so gesessen, hatte vor schneidenden Jammer ihre Brust zerschlagen, und vergeblich jede Minute den Himmel um ihren Tod angefleht und beschworen«.

»Ein Schornsteinfeger kam endlich zufälligerweise bey seiner Arbeit in einen nicht weit von diesem Loch vorbeylaufenden Kamin; er hörte das gebrochene Wimmern einer 88 Verzweifelten; er stutzt, lauscht wieder; das Jammern wird eindringender, und durchbohrt ihm das Innerste seines Marks«

»Nun klopft er mit seiner Haue an die Mauer, ruft, was die Stimme bedeute, und ob ihr zu helfen sey. Die winselnde Nonne erklärt ihm kurz ihren Zustand: er eilt sogleich zur Polizey; man schickt eine Kommission, findet die bis an die Lenden im Unflath steckende Unselige, holt sie heraus, sekularisirt sie, und giebt ihr eine Pension – und die Oberinn, und der Barbar von Beichtvater werden – – nicht gestraft.« – – –

Hören Sie es, liebe Christen, und hör du es o Nachwelt: Die Oberinn und der Barbar von Beichtvater wurden nicht gestraft! Und das geschah im 18ten im philosophischen Jahrhundert.Dies ist seit vielen Jahren das einzige Beispiel, das auf diese Art an Tag gekommen ist. Aber wie viele Auftritte sind im despotischen Dunkel gespielt worden. P. D** im Kloster *** war 18 Jahre eingekerkert, weil er von einem Konventualen, der aus einer reichen Familie war, und von dem das Kloster eine fette Erbschaft hoffte, eine boshafte That entdeckte, und wäre jener Prälat nicht gestorben, so hätte er noch 18 Jahre sitzen mögen. Pater ** in ** war 10 Jahre eingesperrt, weil er seinem Prälaten mit gutem Grunde in einem auszuführenden Projekte widersprach.
    Pater F** aus dem W*** saß über 16 Jahre in einem elenden Loch, und wäre auch darin verstorben, wenn ihm nicht der Bruder, der ihm seine Nahrung brachte, zur Flucht behülflich gewesen wäre. Dieser Pater F** ist freylich, so weit wir ihn kennen, ein abgenütztes ziemlich lockeres Kapuzinertuch, der nichts weniger als Klosterfleisch hatte; indessen bleibt seine Strafe in Vergleich mit seinen Fehltritten immer grausam und schrecklich. Wer Gelegenheit hat, auf Klöstern herumzureisen, darf nur die alten Klosterbedienten mit etwas Trinkgeld offenherzig machen, und er wird Wunder hören. Aber wie weit ist die Menschheit noch von ihren Rechten weg, in solang es Klosterkerker und eine Inquisition in der Welt giebt?
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Erklärung des allegorischen Kupfers.

  1. Ein sehr dunkles Gewölbe, zu dem ein schmaler eben so dunkler Gang führt.
  2. Eine junge Nonne wird durch zwey Gerichtspersonen aus einem Loch, das in der Mauer ist, hervorgezogen. Ihr Gesicht ist abgehärmt und leichenblaß, und ihr Gewand halb vom Leibe gefault.
  3. Der Beichtvater nimmt mit einer verstellten heuchlerischen Freundlichkeit Theil an ihrer Erlösung.
  4. Der landesfürstliche Kommissär sieht ihn mit einer ernsthaften, strafenden Mine an, und weiset auf den elenden Zustand der Nonne.
  5. Die Oberinn steht ganz betroffen da, und sucht sich bey den übrigen Herren der Kommission zu entschuldigen, die sie aber nicht anhören, sondern ganz in bedaurendem Erstaunen da stehen.
  6. Im Hintergrund stehen einige Gerichtspersonen mit Fackeln.
  7. Einige Nonnen sehen zur Kerkerthüre herein. 90

 


 


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