Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Zwölftes Kapitel.

Ueber Klosterasylen.

Als der heilige Benedikt seine Klöster stiftete, hatte er unter andern die wohlthätige Absicht, der gedrückten Menschheit einen Zufluchtsort oder Asylum zu eröffnen.

Die barbarischen Völker zerstörten damal das römische Reich; Krieg, Hunger und Pest verwüsteten die Länder; die eignen abentheuerlichen Kaiser tobten auf dem Throne gleich wilder Thieren, und machten sich ihren Untergebnen nur durch Erpressungen und Gewaltthätigkeiten kennbar.

Wie sehr segnete man also in diesem traurigen Zeitpunkt die Vorsicht, daß es friedsame Freystätte gab, wo man von den Verfolgungen sicher war. Jeder Unglückliche sehnte sich nach so einer Wohnung der Ruhe; es war also nicht sowohl Fanatismus, als Armuth, Elend und Verzweiflung, die so schnell die Klöster bevölkerten.

Die Zeiten haben sich nun freylich sehr geändert; indessen giebt es noch hie und da einen Biedermann, dem Privatverfolgungen die Welt zum Eckel machen, und der sich nach so einer Freystätte sehnet – Wo soll er sie finden?

Die Klöster sind freylich noch immer Asylen; aber sie sind es nicht mehr für die gedrückte Menschheit, nicht mehr für den Martirer der Wahrheit, und den abgelebten, harmvollen Greise.

Diesen sind ihre Türen verschlossen; aber sie öffnen sie (wir erröthen statt ihnen, indem wir dieses schreiben) sie öffnen sie dem Störer der öffentlichen Sicherheit – dem Aufrührer – dem Räuber – und dem Meuchelmörder. 95

Wenn ein Verbrecher den Händen der strafenden Gerechtigkeit entkam, fand er ein sicheres Asylum in den Klöstern, die ihn nicht nur liebreich aufnahmen, sondern ihm wohl gar das heilige Ordenskleid anzogen, und Spitzbuben in der Gestalt eines Franziskaners oder Dominikaners zur Flucht verhalfen. Hiedurch aber griffen sie nicht nur der Gerechtigkeit in den Arm, sondern versündigten sich auch an ihrem Mitbürger, dessen Sicherheit sie durch die Unterstützung des Räubers und Meuchelmörders abermal in Gefahr setzten.

Diese Asylen hatten aber eine andere noch weit schrecklichere Folge für den Staat; sie gaben Anlas zu den abscheulichsten Verbrechen und Mordthaten, die ohne sie nie wären verübet worden. Italien liefert uns häufige Beyspiele, und selbst Deutschland ist nicht leer davon. Sobald das Laster eine Freystätte weiß, schleicht es nicht mehr im Dunkeln einher; es tritt öffentlich mit unverschämter Stirne auf – und so sah man manchen Bösewicht am Eingang der Kirche oder des Klosters auf seinen Feind lauren, ihm in Angesicht des Volks den Dolch in die Brust stossen, und dann an der nämlichen heiligen Stätte der Gerechtigkeit trotzen, die ihn zur Strafe ziehen wollte.

Daß also die Mönche auch in Ansehung der Asylen von ihrem Ordensstifter abgiengen, bedarf wohl keines fernern Beweises; aber wissen möchten wir doch, wie diese Herren ihre Abweichung, oder lieber ihre Diebs- und Mörderpatronanz entschuldigen?

Sie sperren ihre eignen Mitbrüder oft kleiner Fehltritte wegen in ewige Gefängnisse – und geben dem wirklichen Verbrecher und Bösewicht eine sichere Zuflucht in ihren Klöstern; sie schreien über Eingriffe in ihre heilige Rechte, wenn der Monarch irgend einen ihrer leidenden Brüder aus den Banden der Klosterverfolgung erlöset, und ihm die Welt zu seinem Asylum eröffnet – und tragen doch kein 96 Bedenken, dem Monarchen in seine heilige Rechte zu greifen, indem sie die Uebertreter und Verächter seiner Gesetze in Schutz nehmen.

Bey diesen auffallenden Widersprüchen können wir also unmöglich Mitleiden und allgemeine Menschenliebe als eine Entschuldigung gelten lassen, wenn wir auch annehmen wollten, daß Menschenliebe ein Attribut der Mönche im Durchschnitt seyn könne.

Ihre Asylen scheinen uns also bloß eine Geburt ihrer angemaßten Immunität zu seyn, durch die sie den Monarchen beweisen wollten, daß sie einen besondern Staat ausmachen, auf dessen Territorium jeder Dieb und Mörder sicher ist.

Wir wissen zwar, daß schon die grosse Theresie diesem kränkenden Eingriff in ihre Rechte Schranken zu setzen suchte; allein wir wissen auch, daß die Klöster, wo sie nur immer können, so unbequem auch ihre Kutten zum Voltigiren sind, über diese Schranken hinwegspringen, und wir dürfen nicht weit nach einem Beyspiel langen, um uns ganz zu überzeugen, daß sie keinen Verbrecher, den der weltliche Arm der Gerechtigkeit verfolgt, zweymal an ihre Pforte klopfen lassen.

Aber eben deswegen konnten wir uns nicht enthalten, dieses Klosterbild in unsrer Galerie aufzustellen. 97

 


 


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