Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Erstes Kapitel.

Kandidatenwerbung.

Regimenter können nicht ohne Rekruten; Klöster ohne Kandidaten nicht bestehen. Erstere heben die junge Mannschaft mit Gewalt aus, oder locken solche auf ihren Werbungen mit List an sich; letztere, denen das Ausheben nicht erlaubt ist, mußten sich nun wohl der List bedienen.

Das wird zwar von den Herren Mönchen nicht eingestanden. Sie geben vor, daß sie keiner List nöthig hatten, weil sich die Kandidaten ja haufenweise zur Aufnahme darstellten, und statt des Handgelds, das die weltlichen Potentaten ihren jungen Rekruten geben müßten, noch gemeiniglich ein schönes Handgeld mitbrachten. Wenn wir ihren Worten glauben dürfen, so war es blos der heilige Geist, der ihnen ihre Rekruten zuführte.

Nun zweifeln wir zwar nicht, daß mancher Jüngling freywillig und aus wahrem Beruf den Mönchstand erwählte; aber wir glaubten uns an dem heiligen Geist zu versündigen, wenn wir die unzählichen misvergügten Mönche, die sich und ihren Stand verwünschen, sich aus Verzweiflung den Tod gaben, und noch geben werden, unter die wahrhaft Berufene zählten. 32

Schon der Umstand, daß sie ihre Kandidaten in Jahren der Kindheit aufnahmen, und in Jahren der Kindheit ewige unauflösbare Gelübde ablegen ließen, macht den vorgegebenen Beruf verdächtig, und entschuldiget die Monarchen, die die Wahl zwischen Welt und Kloster in die Jahre des reifen Verstandes hinaussetzen.

Warum soll sich der Geist Gottes nicht eben so gut im 25ten als im 14ten Jahre äussern? Oder glaubten die guten Herren vielleicht, daß es bey reifern Jahren keinen wahren Klosterberuf mehr geben könne?

Wir wollen der Nachkömmlinge wegen auch die übrigen Beschuldigungen anführen, durch die dieSo oft die Mönche auf der Kanzel von der Welt reden, nennen sie solche die böse Welt; da aber die Welt an sich weder gut noch böse ist, so ist zu vermuthen, daß sie unter der bösen Welt, uns arme Weltleute verstehen; dann begreifen wir aber eben nicht, wie sie, ohne sich ein Gewissen zu machen, den bösen Weltleuten ihren guten Wein wegtrinken können. bösen Weltleute, und selbst einige fromme aus der Art geschlagene Mönche zu beweisen suchen, daß der heilige Geist beym Klosterberuf wenig oder nichts zu thun hatte.

Nach diesen Beschuldigungen sollen die Mönchsklöster bey ihren Kandidaten vorzüglich auf Geld gesehen haben. Hatten sie nun einmal den Sohn irgend eines reichen Bürgers aufgespürt, so entgieng er nicht leicht ihren Schlingen. Man will ihnen zu Last legen, daß sie, wie die erfahrnsten Feldherren, förmliche Plane zu ihren Attaquen entwarfen, und daß es in jedem Kloster eigends einige gab, die sich aus der Kandidatenwerbung ihr Studium machen mußten.

Der Hauptangriff soll immer auf das Herz der Mutter geschehen seyn, und dies vermög des Mönchsprinzipium: daß die Weiber die Welt regierenDieses Prinzipium scheinet uns nicht allerdings richtig; denn da sich die Weiber durch Mönche regieren lassen, so sollte man vielmehr glauben, daß die Mönche die Welt regieren, oder wenigstens regieret haben., und daß der Mann, 33 wenn das Weib im Ernst will, immer sagen müsse: Frau, dein Wille geschehe!

Die Mütter wußten sie durch Agnusdei, Lukaszettel, Lorettohäubchen u. s. w., den Vater durch Lobsprüche, und Schmähung auf Polizey und Obrigkeit, das Hausgesind durch Handdrucken und Benediktionen, den Sohn aber durch glatte Worte, Rekreationen, und eine schön illuminirte Zeichnung des Klosterlebens zu gewinnen.

Ob der Kandidat gute Sitten an sich hatte: ob er fähig wäre, einst die grossen Pflichten des Beichtvaters und wohl gar des Volkslehrers zu erfüllen, das soll nie ihre Sorge gewesen seyn, sondern sie sollen sich blos bekümmert haben, das Vermögen der Eltern durch erlaubte, und unerlaubteVerschiedene weise Monarchen haben der Habsucht der Mönche Schranken zu setzen gesucht, indem sie die Vermächtnisse an Klöster verboten, und die Aussteuer der Kandidaten auf eine bestimmte Summe herabsetzten; allein ungeachtet dieser weisen Vorsorge wissen die Mönche über das Gesetz wegzuspringen, und das Vermögen der Weltleute an sich zu ziehen. Der Kandidat bringt nun freylich nur die erlaubte Aussteuer in das Kloster; aber wer kann die Eltern verhindern, nach der Professe verschiedene Donationen zum Nachtheil der übrigen Kinder an das Kloster zu machen; auch wohl ihr ganzes Vermögen an dasselbe zu verschenken? Wege an sich zu ziehen, und daher soll es kommen, daß die meisten Mönchsklöster mit schwachen Köpfen angefüllt sind, und oft ein ganzer Orden kaum einen mittelmässigen Prediger aufweisen könne: daß aber der heilige Geist solche Leute zum Klosterleben soll berufen haben, werden sich die Mönche, trotz dem Satz: bonus novitius debet esse, ut stultusPrax. relig. praelud. I. ein guter Novize muß wie ein Narr seyn, schwerlich zu behaupten getrauen.

Ueberdieß sollen ja die Mönche kein Eigenthum besitzen. Ihre Ordensstifter verbieten es ausdrücklich, und die meisten 34 Konzilien bestättigen dieses Verbot. Es war eine Zeit, wo man jeden Kandidaten mit allem Fleiß durchsuchte, ob er nicht von seinem investirten Weltvermögen etwas am Leibe habe. Das Sprichwort sagt: Der Mönch, der einen Pfenning hat, ist keinen Pfenning werth, und so handeln ja die Mönche, die nur nach reichen Kandidaten jagen, und Schätze sammeln, offenbar wider die Vorschrift ihres Ordensstifters, und wider die Satzungen der heiligen Konzilien.

Aber freylich ließ sich wider diesen Vorwurf die Einwendung machen, daß die Konzilien ja nur den Mönchen, nicht aber den Klöstern den Besitz des Eigenthums verboten haben, so wie das Sprichwort nur von Pfenningen, nicht aber von grossen Geldsummen rede; die Klöster dürfen sich also nur, gleich den Engländern, an den Buchstaben des Gesetzes halten, um ruhig und ungekränkt in dem Besitz ihrer Reichthümer fort zu leben, so wie das Sprichwort: der Mönch, der einen Pfenning hat, ist keinen Pfenning werth, unmöglich auf die braven Mönche gedeutet werden kann, die keine Pfenninge, sondern eine hübsche Goldbörse bey sich führen, und um Dukaten spielen.

Dann haben sich ja überhaupt die Zeiten geändert. Die von den Ordensstiftern vorgeschriebene Handarbeit hat sich nun in ein gemächlichers Leben verwandelt, und da sie ihr Brod nicht mehr im Schweiß ihres Angesichts verdienen, so ist es billig, daß sie von unserm Schweiß leben. Es ließ sich über diesen Punkt noch verschiedenes zu ihrer Entschuldigung sagen; aber wir würden die Kandidatenwerbung darüber aus dem Gesichte verlieren.

Nach dem Geld sollen sie bey ihren Kandidaten auf grosse Protektion gemerket haben, obwohl sie auch, um böse Nachrede zu vermeiden, zu Zeiten einen armen Teufel ohne Protektion und Geld in ihren Orden aufnahmen. 35

Die dritte und letzte Eigenschaft endlich, die an einem Kandidaten empfehlungswürdig war, soll Genie und grosser Verstand gewesen seyn, und so sollen sie, nebst dem Geld, dem Staat auch seine brauchbarsten und besten Köpfe entzogen haben; allein dieser Vorwurf scheint uns am wenigsten gegründet.

Bey den gottseligen Jesuiten mag es wohl zu Zeiten zugetroffen haben; obwohl auch diese sich in Ansehung der guten Köpfe sehr oft betrogen. Da sie die Schulen fast ausschlüssungsweise in Händen hatten, so ließ sich freylich in einer Reihe von sechs Jahren manch tiefer Blick in die Verstandeskräfte ihrer Schüler thun; aber dazu gehörte eine ganz andere Lehrmethode, als die ihrige, die viel geschickter war, den guten Kopf zu ersticken, als ihm empor zu helfen.

Ihre ganze Lehrart war zwecklos, weitschweifig, und blos Gedächtnißwerk; dazu kam noch ihre sklavische, despotische Art, die Schüler zu behandeln, die oft den besten Köpfen, mit dem Zutrauen und der Liebe zum Lehrer, auch die Lust zum Studieren benahm; aber eben dieser schlechten Methode und tiranischen Behandlung haben wir es zu verdanken, daß manch wahrhaft guter Kopf ihrer Aufmerksamkeit entschlüpfte, und daß dieser Orden bey weiten nicht die guten Köpfe besitzt, die er zu besitzen vorgiebt.Man war freylich gewöhnt, in jedem Jesuite einen grossen, gelehrten Mann zu sehen; aber mit ihrem Ordenskleid ist ein guter Theil dieser Täuschung verschwunden. Sie fahren zwar noch immer fort, sogar in Gasthäusern im Professortone zu reden; allein man unterfängt sich, an ihren unfehlbaren Worten zu zweifeln, und sie wohl gar, trotz ihrem beständigen. das müssen wir besser wissen, durch Gründe zu überzeugen, daß sie nichts wissen.

Wie kommen aber die Mönche zu dem Vorwurf, daß sie dem Staat die besten Köpfe entzogen? Zufälligerweise 36 mag solches wohl geschehen seyn; aber der gute Kopf wurde gewiß nicht aufgenommen, weil er ein guter Kopf war.

Um an andern Verstand zu bemerken, muß man selbst Verstand haben; und wie viel Prälaten und Prioren zählen wir also wohl, die im Stande sind, so etwas zu bemerken? Freylich sahen die Klöster bey der Aufnahme der Kandidaten auf ein gutes Attestat, und eine hübsche lateinische Anrede; aber man konnte dieses erhalten, und die andere sich machen lassen, und dabey doch ein schwacher Kopf seyn.

Wäre es den Mönchklöstern Ernst, wahrhaft gute Köpfe zu besitzen, so würden sie diejenigen, die sie bereits durch Zufall besitzen, ganz anders behandeln. So aber sieht man leider, daß sie ihre junge hoffnungsvolle Männer in der Blüthe ersticken; ihnen die Hilfsmittel zur Entwicklung ihrer Fähigkeiten vorsetzlich entziehen; sie zum allgemeinen Gespötte machen – und bey jeder Gelegenheit auf die niederträchtigste Weise verfolgen; und so zeigen sie ja offenbar, daß sie entweder nicht wissen, was ein guter Kopf ist, oder daß sie keinen guten Kopf im Kloster haben wollen – – und so glauben wir sie wider den unbilligen Vorwurf: daß sie dem Staat seine besten Köpfe entziehen, hinlänglich vertheidiget zu haben.

Ueber die anderen Beschuldigungen: daß sie bey der Auswahl ihrer Kandidaten nur auf Geld und mächtige Protektion sahen, mögen sich die guten Mönche selbst vertheidigen. Es wird ihnen nicht schwer fallen, wenn sie anders gute Sache haben; nur müssen sie das Murren ihrer unzufriednen Mitbrüder, und die lauten Klagen armer Verwandten, denen sie ihr Erbteil entzogen, vorher stumm zu machen suchen.

Für unsre Nachkommenschaft wird mit den Klöstern wohl auch die Streitfrage verschwunden seyn: ob ihnen der heilige Geist ihre Kandidaten zuführte, oder ob sie solche durch List an sich lockten. 39

 


 


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