Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Sechzehntes Kapitel.

Ueber Klosterkarneval.

Manch katholischer Christ würde noch bis diese Stunde nicht wissen, daß der Karneval heidnischen Ursprunges ist, wenn es ihm die Mönche nicht gesagt hätten, und noch alle Jahre von der Kanzel herab wiederholten.

Aber da wird es auch schon manchen Katholiken befremdet haben, wie dann die Mönche diesen heidnischen Gebrauch selbst mitmachen können, da sie seinen gottlosen Ursprung wissen, und sonst von allem, was sich von Heiden und Ketzern herschreibt, abgesagte Feinde sind.

Wir selbst wüßten das Wort Karneval nicht wohl auf Kloster zu reimen, wenn wir nicht überzeugt wären, daß die Mönche alle Handlungen, worin sie uns sündige Weltleute nachahmen, auf eine religiöse Art zu verrichten pflegen.

Sie reiten und fahren auf eine religiöse Art; schmausen, spielen und betrinken sich auf eine religiöse Art; die Jesuiten machten sogar im Jahr 1644 in Sevilla auf religiöse Art einen Bankrut, der hundert Familien an den Bettelstab brachte, und so existirt also auch in der Ordenspraxis ein eigener Paragraph, der den katholischen Mönchen befiehlt, die heidnische Fastnacht religiös zuzubringen.S. Brief. a. d. Noviz. I. Th. S. 204.

Was es aber eigentlich sagen wolle: eine heidnische Handlung religiös verrichten, haben wir ungeachtet aller Mühe noch nicht entdecken können. Es scheint, als wären unsre unheiligen Augen gar nicht dazu gemacht, das Religiöse in diesen Handlungen zu sehen. 110

Wer Gelegenheit hatte in Klöstern den Karneval mitzumachen, wird gefunden haben, daß die Mönche gleich uns Mundanen ihr Narrnkäppchen zu tragen wissen, und (wenn's anders nicht ein Blendwerk des Teufels ist) wohl manche Schelle daran hängen, die man noch nie an der Narrnkappe eines Layen erblickt hat.

Kein Wunder wärs auch nicht, wenn Leute, die das ganze Jahr so kurz an der Kette liegen, beym geringsten Anlaß von Freyheit und Belustigung über die Schnur hauen.

So etwas liegt in der Natur des Menschen, und den können die Mönche doch nicht ganz unter ihren Kutten verstecken.

Freylich lassen sie zur Fastnachzeit, besonders in einigen Bettelmönchklöstern, den Menschen zu stark hervorgucken, und das wird ihnen dann von den kritischen Weltleuten übel genommen.

Man will es unanständig, und wider alle religiöse Sittsamkeit finden, daß Mönche, die die Enthaltsamkeit predigen, durch die ganze Fastnacht sich nur mit Essen und Trinken beschäfftigen; daß sie ihr heiliges Ordenskleid ausziehen, und sich in weltlichen Masken mit Plumsäcken herumschlagen, oder sich wohl gar in die Gesichter spuckenBrief über d. Mönchswesen 4. Band S. 8.. Auch an ihren unschuldigern Spielen ärgern sich einige. Nach ihrer Meynung sollen Mönche durchaus nicht um Geld spielen, und die Kapuziner aus ihren Mänteln für die weltlichen Gäste keinen Würfeltisch machen. Selbst die Klosterkomödien, die noch hie und da aufgeführet werden, sind für viele ein Stein des Anstosses. Sie ärgern sich, daß der Pater Sonntagprediger in der bürgerlichen Dame als Hanswurst auf dem Theater herumspringtDer Verfasser dieser Galerie war Augenzeuge, wie man in einem Mönchskloster die bürgerliche Dame vom Hafner travestirt aufführte, und der P. Prediger als Hanswurst auftrat. –, und die 111 übrigen Patres, gleich den Kastraten in Rom als Frauenzimmer auftreten. Nach der Meynung dieser zu strengen Weltleute ist dem Gelübde der Keuschheit nichts gefährlicher, als so eine Travestirung.

Doch wir für unsern Theil denken nicht so sauertöpfisch, um den armen Mönchen, bey ihren vielen trüben Tägen, die wenigen heitern Stunden, und ihre, unserthalben auch etwas ausgelassene, Freuden zu misgönnen; und wenn wir ihnen manchmal in dieser Galerie den Spiegel so brüderlich vors Gesicht hielten, so geschah es bloß, um sie menschlicher und toleranter gegen unsre Thorheiten und Schwachheiten zu machen. Wir zeigten ihnen den Balken in ihren Augen, damit sie mit unsern Splittern Nachsicht haben.

Und so mögen sie immerhin in ihrer Fastnacht nur auf Küche und Keller denken, sich mit Plumsäcken herumprügeln, Komödien spielen, mitunter auch kleine Polissonerien treiben, und sich recht viel auf ihre Schellen zu gut thun, nur muß dann ihr Pater Prediger den andern Morgen nicht gegen die heidnischen Gebräuche der Fastnacht losziehen, und sich fein hübsch erinnern, daß er Tags zuvor selbst mitgehalten habe. 112

 


 


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