Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Fünftes Kapitel.

Ueber das Gelübd des Gehorsams.

Sobald wir die verschiedene Mönchsorden, als geistliche Regimenter betrachten, die nach dem Willen eines einzigen Oberhauptes, und nach einem allgemeinen Endzwecke handeln sollen, so können wir ihre Obern nicht verdenken, wenn sie auf Subordinazion dringen.

Gehorsam ist die unüberwindliche Stütze des Soldatenstandes; daher verzeiht man im Militär leichter jedes Verbrechen, als den geringsten Fehler wider Subordination; und daher sehen auch die geistlichen Befehlshaber den Mönchen gern einen Sprung über die Gränzlinie der übrigen Gelübde durch die Finger, wenn sie nur das Gelübd des Gehorsams unverbrüchlich halten.

Allein die Mönche gehen in ihrer Disziplin viel weiter als die Soldaten. Sobald der Soldat nicht im Gliede steht, darf er sich seines freyen Willens bedienen, und nach Belieben denken und handeln; den Mönchen ist aber der freye Wille gänzlich untersagt, und die Jesuiten verlangten in ihrer Ordensregel ausdrücklich von ihren Untergebenen, daß sie sich unter der Hand ihrer Obern so verhalten sollen, wie ein Stecken unter der Hand eines Greisen, dem er zur Stütze dient.

Doch nicht nur die Jesuiten, sondern auch die übrigen Orden predigen die Verläugnung seiner selbst, und die Notwendigkeit eines blinden Gehorsams. Ein Mönch darf nichts denken, als was man ihm befiehlt. Der mindeste Gebrauch seiner Vernunft ist Aufruhr; alle seine Seelenkräfte sind zur Unthätigkeit verurtheilet; und je mehr er die Leblosigkeit seines 58 Modelles, des Steckens, an sich nimmt, desto grössern Fortgang hat er nach dem Urtheil der klösterlichen Ascese in der Vollkommenheit gemacht.

Wenn es ihnen also beliebt zu sitzen, sollen sie stehen; haben sie bey Tisch Lust zu einer Speise, sollen sie solche unberührt lassen, oder nur wenig davon essen; wenn sie der Durst brennt, nicht trinken; im Bette die unbequemste Lage aussuchen; die Mücken und Fliegen nicht vom Gesicht treiben; die Flöhe nicht stören, wenn sie beissen; auch die Haut nicht kratzen, wenn sie juckt u. s. w.

Der heilige Antonius exerzirte seine Schüler noch schärfer. Sie mußten aus Gehorsam dürre Bäume begiessen: Wasser schöpfen und wieder wegschütten; Körbe flechten und wieder auflösen; Kleider zusammen nähen und wieder zertrennen, und dergleichen; welche Mortifikazionen aber dem lieben Gott auch so gut sollen gefallen haben, daß er den dürren Baum grünen ließ, und die zertrennten Kleider wieder ganz machte.

Zu Zeiten des heiligen Kolumbans standen die Mönche sogar unter dem Karbatsch. Für ein Amen, das beym Tischgebeth ausgelassen wurde, waren sechs Karbatschstreiche; wer auf seinen Löfel oder seine Lanterne das Kreuzzeichen nicht machte, bekam zwölf Streiche; fünfzig waren für jede auch unwissentliche Lüge; hundert Karbatschstreiche endlich erhielt jeder Mönch, bey dem man ein Eigenthum fand. Wie oft müßte die letztere Dosis in unsern Zeiten nicht wiederholet werden?

Der Abbt Zacharias und Nesteros behaupteten endlich, der Mönch müsse sich mit Füssen treten lassen, und einem Esel gleich seyn.

Das ganze mönchische Subordinationsgebäude obenhin betrachtet, sollte dem Biedermann freylich nur stille Seufzer und Mitleiden abzwingen; thut man aber tiefere Blicke in 59 dasselbe, so schaudert man vor den Gefahren zurück, die es für den Staat und die ganze Menschheit haben könnte, und schon gehabt hat.

Die Mönche einzeln betrachtet, gleichen freylich größtentheils ihrem vortrefflichen Modell: einem leblosen Stecken; allein diese Stecken treffen in Rom als ihrem Mittelpunkte zusammen, und bilden den grossen Hebel, durch den in vorigen Zeiten der heilige Vater mit einem einzigen Druck die ganze christliche Welt in Bewegung setzte, und Europens äusserste Theile erschütterte.Freymüthige Blicke des Philosophen in das Mönchthum.

Wenn man in gegenwärtigen Zeiten dergleichen Erschütterungen nicht mehr verspürt, so kömmt es etwan nicht daher, weil vielleicht der Hebel unbrauchbar geworden, sondern weil der Pabst einsieht, daß die Monarchen in ihren stehenden Armeen einen Gegenhebel ausgefunden haben, der, wenn er den seinigen abermal versuchen wollte, leicht ihn selbst aus dem Centrum rücken könnte.

Freylich würd' es um Gottes liebe Erde besser stehen, wenn dergleichen Hebel gar nicht existirten; da aber hier, wenigstens für itzt noch, die Wahl zwischen zween Uebeln ist, so wollen wir lieber heben, als gehoben werden.

Indessen wird kein ächt katholischer Christ es den weltlichen Monarchen verargen, wenn sie aus Liebe für ihre Staaten, die unzählichen Stecken, aus denen der päbstliche Hebel zusammengestücket ist, nach und nach entzweybrechen. Liesse man diese Stecken sich immerfort ungehindert vermehren, so könnten sie am Ende, trotz des Gegenhebels, alles Gute sammt uns zur Welt hinausprügeln.

Welcher Monarch kann in seinem Lande Truppen dulden, die einem fremden Monarchen den Gehorsam geschworen 60 haben; die mit der Ablegung ihrer GelübdeDie Wirkungen der Professe sind: 1 tens die Auslöschung aller in der Welt gethanen Gelübde, wenn sie sich schon mit dem Klosterstand vereinigen liessen, weil jedes Votum simplex durch ein Votum solemne aufgehoben wird. 2 tens die Auslöschung aller Eidschwüre, sowohl der reellen als personellen, die vor Gott allein, oder auch zum Nutzen der Nebenmenschen gethan worden. 3 tens die Aufhebung der Irregularität aus Mangel der Geburt. 4 tens hebt sie nicht nur den einzugehenden, sondern auch den schon eingegangenen Ehestand auf u. s. w. aufhören Bürger des Staats zu seyn, und wohl gar, wenn es der fremde Monarch gebietet, wider den Staat dienen, der sie erhält?

Wenn nun diese geistliche Regimenter, die den weltlichen Monarchen von Rom aus gleichsam zur Exekution eingelegt wurden, zum Ueberfluß des Uebels noch die Sorge über die Seelen der Unterthanen, oder wohl gar die Erziehung ihrer jungen Bürger an sich gerissen, und weil es ihnen so vorgeschrieben worden, Aberglauben und Unwissenheit im Volk ernährten, haben dann die Monarchen nicht Recht, oder sind sie nicht vielmehr im Gewissen verbunden, sich diese Exekution vom Hals zu schaffen?

Wer Gott und sein Vaterland liebt, sagt gewiß mit freudigem Herze: Amen. 61

 


 


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