Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Viertes Kapitel.

Ueber das Gelübd der Keuschheit.

Daß Novizen nach vollendeten Probjahre an den Altar hintreten, und das ewige Gelübd der Armuth schwören, läßt sich verzeihen; denn sie sehen ja wohl, und fühlen es selbst als Novizen, daß die klösterliche Armuth eben keine so untragbare Last sey, und können also sich leicht ein Joch aufladen, dessen Schwere sie bereits geprüfet haben.

Wenn aber Jünglinge von 15 Jahren, und so war es, vor dem Allmächtigen hinknien, und ohne zu wissen, was Keuschheit ist, in die Hände ihrer Obern das ewige Gelübd der Keuschheit ablegen, so empört sich die Menschheit, und man bricht wider Willen in Thränen über das unglückliche Opfer des Fanatismus, und in Verwünschungen wider den Stifter des Cälibats aus.

Wer nur ein wenig in der Kirchengeschichte erfahren ist, wird wissen, daß dieses schreckliche Gelübd erst vor ungefähr 700 Jahren in der Kirche eingeführet wurde, und der dies weis, wird auch leicht die Ursache errathen, warum man es einführte, und warum die Päbste noch itzt so eifrig auf seine Beybehaltung dringen.

Es legten zwar die Mönche schon im 6ten Jahrhundert, und im Orient noch früher, das Gelübd der Keuschheit ab; aber dies Gelübd war willkührlich, und sie waren nur so lang dazu verbunden, als es ihnen beliebte, im Kloster zu bleiben; das heißt: so lang es ihnen nämlich 52 beliebte, das Gelübd zu halten; denn damals wußte man von der Ungereimtheit ewiger Klostergelübde nichts, und der heilige Benedikt sagt in seiner Regel ausdrücklich: Wenn du es nicht halten kannst, so geh in Freyheit. Si non potes servare, liber discede.

Doch wir wollen hier nicht Dinge wiederholen, die mehr als zu bekannt sind, noch alle Beweise anführen, die Philosophen und Statistiker (die RömischenIn einem unlängst zu Rom gehaltenen Konsistorium hat ein Kardinal die Bemerkung gemacht, daß die Grundsäule der päbstlichen Macht durch die Einführung der Priesterehe zu sehr erschüttert würde, weil das Interesse unverehlichter Geistlichen mit dem Interesse des Vatikans verbunden wäre, Priester aber, die Vater und Gatte sind, sich von der grossen Petruskette losreissen, und mit ihrem Herzen an dem Staate hängen würden, der sie ernährt. Von Rom aus dürfte also wohl bey solchen Gesinnungen schwerlich eine Reforme dieses unnatürlichen Gelübdes zu erwarten seyn, und die Monarchen, zu denen die Stimme der unglücklichen Schlachtopfer der Möncherey schon lange empor schreyt, werden sich wohl der ihnen von Gott anvertrauten Macht bedienen müssen, diesem Gelübde ein Ende zu machen. ausgenommen) wider das Keuschheitsgelübd aufgebracht haben; denn es ist doch schon längst bewiesen, daß eine Lebensart und ein Gelübd, durch welches das Menschengeschlecht zu Grunde gehen müßte, kein Gott gefälliges Gelübd seyn könne.

So wollen wir auch alle Greuel, die durch den unnatürlichen Cälibat in die Welt gebracht wurden, mit dem Mantel der christlichen Liebe zudecken, wenn anders irgend so ein Mantel im Stand ist, sie ganz zu decken.

Jedes Verbot führt einen geheimen, mächtigen Reiz in sich, und ein angeschlossener Hund ist nur desto bissiger, je kürzer seine Bande sind: sagt Vater Stillwasser.

Unsre Stammeltern hatten den Genuß der herrlichsten Früchte im Paradies; nur von einem einzigen Baum war ihnen zu essen verboten, und sie fielen. 53

Den Geistlichen ist jeder Genuß im Garten der Liebe versagt, und doch heißt man sie in diesem Garten herumwandeln. Sie sehen die Tafel der Natur so reichlich gedeckt, und sollen nichts berühren.

Ist diese Forderung für Menschen? Und wenn sie dann glitschen

–   –   –   –   –   –   –   –   –   –   würde sie,
Wer selbst ein fühlend Herz im Busen trägt, verdammen?

Es ist gewiß mehr als ein Jahrhundert, daß einige katholische Monarchen, oder wenigstens ihre aufgeklärtern Minister die abscheulichen Folgen dieses so schädlichen Keuschheitgelübdes eingesehen, und demselben, so viel es die Umstände erlaubten, wohl auch entgegen gearbeitet haben. Wenn sie aber das Uebel bis itzt nicht an der Wurzel gefasset, und der Baum noch unerschüttert da zu stehen scheintDieser päbstliche Grundpfeiler ist schon wirklich stark erschüttert worden. Die Erfindung der Druckerey und Luther haben ihn bereits untergraben, und das wieder auflebende Gefühl vom Recht der Menschheit, wird ihn wohl gänzlich über den Haufen werfen., so ist es ein Beweis ihrer Klugheit, obschon ihr Betragen in den Augen des zu enthusiastischen Menschenfreundes, und des kurzsichtigen Politikers den Anschein übertriebner Bedenklichkeit haben könnte.

Die Mönche und Bettelmönche sind mit den Weltpriestern ungefähr in gleicher Lage; sind Fleisch und Blut wie sie, und werden vielleicht vermög ihrer müssigen Lebensart öfters versucht, die Hand nach der verbotnen Frucht auszustrecken, als die arbeitsamern Pfarrer. Bey letzteren das Gelübd der Enthaltsamkeit aufheben, hieß also ungerecht gegen die erstern seyn, und würde zu betrübten Auftritten Anlas geben. 54

Aber den Mönchen, so lang sie Mönche sind, Weiber zu geben, wird doch kein vernünftiger Mann im Ernst einrathen können? Wer wird sich junge Kapuziner und Franziskaner in einem Staat wünschen, wo schon die alten zur Last fallen? und dann darf ja bey einer gesunden Staatsverfassung Niemand aufs Betteln heurathen.

Was ist also zu thun? Unsre weisen Regenten beantworten diese Frage durch ihr Verfahren, indem sie nach und nach den verschiedenen Mönchen die beschwerliche Kutte ausziehen, und die Kirche wieder in den reinen Stand herzustellen suchen, in dem sie war, als ihre Priester noch Weiber hatten.

Wären die Mönche noch immer, was sie seyn sollten; lebten sie noch immer von ihrer Handarbeit, und hätten sie das Priesterthum nicht an sich gerissen, so wäre der Knoten viel geschwinder aufgelöset. Man dürfte sie nur von ihrem Gelübde losmachen; sie könnten dann ihr erlerntes Handwerk, oder auch ihre Kunst in der Welt treiben, und nach Belieben darauf heurathen; so aber haben leider die meisten von ihnen ausser ihrem unbrauchbaren Latein, nichts gelernt, als Meßlesen, und Chorsingen, und auf beydes läßt sich in der Layenwelt, wo keinem die gebratnen Vögel ins Maul fliegen, unmöglich ein Weib nehmen.

Zwar verdiente die Idee eines deutschen Biedermanns: mit denjenigen Mönchen, die kein Handwerk oder keine Kunst erlernet haben, verschiedene, bisher öde gelegene Gegenden zu bevölkern, und urbar zu machen, einige Aufmerksamkeit; wenn es gleich schwer halten würde, die durch vieles Meditiren entnervte Mönche wieder an die harte Handarbeit zu gewöhnen, und weil es überhaupt bedenklich wäre, durch Mönche einen Nachwuchs von Bürgern zu erzielen, die die Mönchsprinzipien gleichsam mit auf die Welt brächten. 55

Und so dürfte der Wunsch des Menschenfreundes, und das heisse Verlangen so vieler Hildebrandischen Schlachtopfer, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, sobald noch nicht erfüllet werden.

Damit sie aber von der Schwere ihres Gelübdes nicht ganz zu Boden sinken, möchten wir ihnen wohl den menschenfreundlichen Rath geben, sich, so viel möglich, von allen zu nahrhaften Speisen, besonders von Eyern, Hirn, phlegmatischen Gemüsen, und allen Hülsenfrüchten zu enthalten; ihren Körper durch viele Bewegung in starke Ausdünstung zu bringen, und statt des unnützen Meditirens eine Handarbeit, oder sonst eine angenehme Wissenschaft zu treiben. Je leichter sie verdauen, je mehr sie Bewegung machen, und je mehr sie durch Studieren die Säfte dem Kopfe zuziehen, um desto leichter werden sie die Last des Cälibats ertragen. Dieß ist der Rath, den der ehrliche Gutmann dem guten Pfarrer gab.Siehe Briefe über das Mönchswesen, wo in der Geschichte des Herrn Blanchet, Pfarrers von Cours, die schrecklichen Folgen der Enthaltsamkeit oder vielmehr des Cälibats beschrieben werden. Ueberhaupt soll man das Gelübde, das die Mönche ablegen, nicht so sehr das Gelübd der Keuschheit, sondern das Gelübd der Unfruchtbarkeit nennen; denn Keuschheit verträgt sich sehr wohl mit dem Ehestand. Man kann ein braves Weib haben, und dabey im moralischen und physischen Verstande eben so keusch seyn, als im Cälibat; man kann Kinder zeugen, und doch wahre Keuschheit beobachten. Die Mönchs- und Theologenköpfe mögens fassen, oder nicht.

Verschiedene heilige Männer bedienten sich freylich zur Austreibung des Fleischteufels weniger gelinder Mittel: so wälzte sich z. B. der heilige Benedikt in Dornen; der heilige Franziskus Seraphikus kroch in einen brennenden Kamin; der heilige Makarius steckte sich in eine Pfüze, und ließ sich sechs Monate von Schnacken 56 jämmerlich zerfressen; der heilige Bernhard stieg bis an den Hals in einen gefrorenen Teich; ein andrer frommer Einsiedler brannte sich in einer Nacht vorsetzlich alle Finger weg; und der heilige Wilhelm machte sich, als er von einem Weiblein angefochten wurde, aus brennenden Kohlen ein Bett, und lud das Weiblein ein, sich zu ihm zu legen.

Doch das waren Heilige, und die konnten so etwas thun; aber wir würden wohl weidlich ausgelacht werden, wenn wir in unsern Zeiten, unsern Herren Prälaten, Prioren, Guardianen, und sogar den gemeinen Mönchen dieses Mittel im Ernst anrathen wollten. 57

 


 


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