Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Neunzehntes Kapitel.

Ueber Klostervisitationen.

Man würde besser thun, wenn man diese Klostervisitationen, Klostervisiten nennte; denn im Grunde sind es doch blosse Besuche, die die Prälaten, und die Provinzialen den verschiedenen Prioren und Guardianen geben.

Freylich giebt es in Klöstern hundert Dinge, die eine Visitation, das ist, eine Untersuchung verdienten; aber Niemand läßt sich gern das cura te ipsum sagen, und hat je eine Katze der andern es übel genommen, daß sie Mäuse fängt? Der Provinzial muß immer besorgen, daß der Prior, den er nach allen Rechten wegen häufigen Misbräuchen zur Verantwortung ziehen sollte, wohl auch Provinzial werden könnte, wo er es ihm dann würde entgelten lassen; denn diese Art Herren hält gar zu viel auf das jus Talionis, und sie kennen einander zu gut, um unter sich Unparteylichkeit zu erwarten.

Was der Provinzial in Ansehung des Priors besorgt, muß der Prälat noch mit mehrerm Recht in Ansehung des Prälaten befürchten; denn erstens sind sie sich schon itzt an Würden gleich, und dann ändert sich gemeiniglich in wenigen Wochen die Scene, wo der Richter zum Beklagten wird.

Man macht also gleich bestochenen Mauthbeschauern bey allem, was anstössig wäre, fein hübsch die Augen zu, und visitirt nur da, wo nichts zu visitiren ist.

So untersucht man z. B. ob das Wasser im Taufstein sauber filtrirt sey; ob sich am Tabernackel nicht etwan Staub angelegt; ob der heilige Opferstein nicht etwan Schaden gelitten habe u. s. w. 118

Hat das Kloster Schüler, so fragt man die Kinder, wessen Glauben sie sind? und wohin die Ketzer und Heiden nach dem Tod kommen?

Endlich läßt man die Konventualen vor sich kommen, fragt, ob sie keine Klagen wider ihren Prälaten, Prior oder Guardian vorzubringen haben, und verspricht alles ad notam zu nehmen; und man nimmt es auch ad notam, aber nicht um dem Kläger Recht zu verschaffen, sondern um seinen Namen dem verklagten Prälaten oder Prior zu hinterbringen, der dann den Unvorsichtigen seine Offenherzigkeit bereuen läßt.

Für dieses galante Betragen findt aber auch der Herr Visitator täglich die Tafel mit den ausgesuchtesten Speisen und Weinen gedeckt, und noch zum Ueberfluß seinen Reiswagen mit kostbaren Braten und Backereyen, und seinen Flaschenkeller mit köstlichen Magentropfen angefüllt.

Man sieht also, daß diese geistlichen Visitationen, wenigstens so lang sie so beschaffen sind, nichts taugen, und schon gar nicht Visitationen heissen sollen, weil doch, ausser der Speiskammer und dem Weinkeller, nichts Wesentliches dabey visitirt wird.

Bey einer menschenfreundlichen Staatsverfassung, wo jeder, er sey Laye oder Mönch, sich bey Unterdrückung und Verfolgung an den Landesfürsten wenden kann, scheinen uns überhaupt alle Arten von Visitationen überflüssig; aber wenn es doch schon einmal Klostervisitationen geben soll, so wünschten wir, daß solche von dem geistlichen Oberhirten in Begleitung eines weltlichen Kommissärs vorgenommen würden.

Von solchen Visitationen ließ sich doch ein und anderer negativer Nutzen erwarten, besonders, wenn der Oberhirt (wie es auch nicht anders zu vermuthen ist) mit den Provinzialen und Prälaten nicht auf zu vertrautem Fuße steht; mit letztern nicht zu oft auf die Jagd fährt, und ihnen ihre Dukaten nicht abgewinnt. 119

 


 


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