Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Drittes Kapitel.

Ueber das Gelübd der Armuth.

Nachdem der Noviz das Probjahr glücklich überstanden, und sich zu dem wichtigen Stand eines Mönchs durch Meditiren, Holz- und Wassertragen, und Sekretputzen hinlänglich vorbereitet hat, wird er zur Ablegung der feyerlichen und ewig unauflösbaren Gelübde gelassen.

Damit man aber den lieben Mönchen nicht den Vorwurf machen könne, als überraschten sie die jungen Klosterzweige mit diesem schrecklichen Schwur, werden dem Novize vor der Einkleidung vom Prälaten oder Prior alle Beschwerlichkeiten des Klosterlebens vorgestellt, und vor der Professe vom Novizenmeister abermal wiederholt.

Man schildert ihm das ewige Joch der Gelübde, das abzehrende Chorsingen, das nächtliche Wachen bey der Kälte des Winters, das geheiligte und beschwerliche Stillschweigen u. s. w.; hingegen legt man auf die andere Wagschale: eine beständige Seelenruhe, innerliche Zufriedenheit, Sicherheit vor allen Gefahren der Welt, und zuletzt die ewige Glorie; und wer wird nicht gern auf dieser Welt etwas Kälte ausstehen, und zu gewissen Zeiten das Maul halten, wenn er sicher ist, die ewige Glorie dafür zu erhalten?

Ausser diesem dürfen ja die Novizen nur manchmal verstohlnerweise die Augen aufschlagen, um zu bemerken, daß die ehrwürdigen Patres, deren Mitbrüder sie nun werden sollen, bey allen Beschwerlichkeiten des Klosterlebens frisch und gesund aussehen, und also schon in ihrem Leben den Vorgeschmack einer ewigen Glorie zu geniessen scheinen. 46

Daher legen auch die meisten Novizen mit heiterer Stirne die ewigen Gelübde ab, ohne nur im geringsten über ihre Wichtigkeit nachzudenken; die sie dann aber gemeiniglich in der Folge eben so leichtsinnig beobachten, als sie solche leichtsinnig geschworen haben.

Das erste feyerliche Gelübd ist das Gelübd der Armuth.

Die Mönche leiten dies Gelübd von dem Rath her, den Christus einem um die Vollkommenheit besorgten Jüngling mit den Worten gegeben hat: Geh hin, verkaufe, was du hast, giebs den Armen, und du wirst dafür einen Schatz im Himmel besitzen. Aber man muß wirklich ein Mönch seyn, um aus diesen Worten den Befehl zum ewigen Gelübde der Armuth herzuleiten.

Aus diesen Worten erhellet blos, daß es zu Christus Zeiten Arme gab, und wenn er dem Jüngling befahl, sein Vermögen zum Besten dieser Armen zu verwenden, so fließt noch nicht daraus, daß er ihm befahl, ebenfalls arm zu bleiben; denn der Jüngling konnte sich ja durch Arbeit sein Brod verdienen, und wer durch Arbeit sein Brod verdient, ist nicht arm. Wer also ein ewiges Gelübd der Armuth ablegt, giebt ja klar zu verstehen, daß er ewig nichts arbeiten wolle, welches aber wider den ausdrücklichen Befehl Gottes ist; denn es steht geschrieben: Wir sollen im Schweiß unsers Angesichts unser Brod essen; und wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Wenn aber auch dies nicht geschrieben stünde, so würde schon eine gesunde Polizey wider dies dem gemeinen Wesen so schädliche Gelübd protestiren, weil in einem wohl eingerichteten Staat höchstens die Armen zu toleriren sind, die nicht arbeiten können.

Von diesem politischen Grundsatz mußten die frommen Ordensstifter selbst überzeugt gewesen seyn; denn sie befahlen ihren Mönchen ausdrücklich die Handarbeit, und das 47 nicht, um zum Zeitvertreib Kapuzinerknöpfe, Tobacksdosen in Gestalt eines Leibstuhls, und andere dergleichen witzige Dinge zu drehen und zu schnitzen, sondern um sich durch ihre Handarbeit ihr Brod zu verdienen.

Weil diese fromme Ordensstifter aber zugleich einsahen, daß sich Genügsamkeit und Ueberfluß, Enthaltsamkeit und Luxus nicht zusammen vertragen, und ihre Mönche im Besitz weltlicher Reichthümer bald ausarten würden, so verboten sie ihnen alles Eigenthum; und da würden sie nun freylich grosse Augen machen, wenn sie wieder zur Welt kommen, und die wunderbare Verwandlung ihrer lieben Söhne sehen sollten.

Die Leibwache, oder ein bärtigter Portier in reicher Livrey, statt des Frater Pförtners – der Zug von Sechsen, statt des demüthigenDer heilige Franziskus sagte zu einem Esel, der etwas ungestümm war: Bleib ruhig, lieber Bruder. Bruder Esels, dessen sie sich auf weiten Reisen bedienten – die ungeheuren Palläste, statt der niedrigen Klosterzellen, würden sie wohl eher die Residenz eines weltlichen Regenten, als das Kloster eines ihrer geliebten Söhne vermuthen lassen, der im Schweiß des Angesichts sein Brod verdienen, und kein Eigenthum besitzen soll.

Aber ihre Verwunderung würde den höchsten Grad erreichen, wenn sie nach der Zelle des Abbts fragten, und man sie nach Hof führte, wo sie endlich, nachdem sie ein paar Stunden in der Antichambre gestanden, und von den Bedienten wegen ihres simpeln Kleides und ehrwürdigen Barts beschnuffelt, und begrunzt wurden, das Glück haben, bey Sr. Hochwürden und Gnaden vorgelassen zu werden.

Wir möchten dann sehen, ob sie, ohne zu glitschen, sich auf dem gewixten Boden durch eine Reihe von 48 Zimmern, bis zum Kabinet der geschwornen Armuth, durchhelfen können, und ob sich ihr Gesicht in Falten des Lächelns oder des Unwillens legen würde, wenn sie ihren theuren Abstammling in einem prächtigen mit rothen Damast behangenen Zimmer auf seinem wollüstigen Sopha, oder im weichen Armstuhl fänden, wo er eben beschäfftiget ist, die verschiedene Kornpreise zu berechnen, oder wohl gar das Todesurtheil eines armen Delinquentens zu unterzeichnen; aber dann möchten wir auch das Gesicht so eines Prälaten sehen, wenn er wirklich so einen Besuch von seinem Ordensstifter bekäme, und dieser ihn mit strafendem Ernste an die Regeln des Ordens, und an die Pflichten einesDer heilige Benedikt verbietet den Mönchen in seinen Ordensregeln ausdrücklich ein Eigenthum zu besitzen, und verbietet es ohne Distinktion. Von einem Abbt fordert er: daß er sich mehr um das Seelenheil seiner Untergebnen, als um zeitliche Dinge bekümmere: alles, was heilig und gut ist, soll er mehr durch Werke, als durch Worte lehren: und was er seinen Untergebenen verbietet, soll er durch sein eignes Beyspiel als unerlaubt darstellen; aber wie sollten die Herren Prälaten in der gegenwärtigen Lage diese Pflichten erfüllen können? Wie können sie sich um das Seelenheil ihrer Untergebnen bekümmern, da ihnen die Sorge für die Oekonomie, die täglichen Gastereyen, Jagden und Lustreisen kaum Zeit genug übrig lassen, auf das Heil ihrer eignen armen Seele zu denken? Wie sollten sie ihre Untergebene, was heilig und gut ist, durch Werke lehren, da sie nicht unter ihnen wohnen, und sie ausser dem Kapitel fast das ganze Jahr nicht sehen? Und aus der nämlichen Ursache fällt auch die dritte Forderung weg, welches für beyde Theile gut ist; denn die Mönche würde es nur kränken, wenn sie sähen, daß ihr Vorgesetzter gerade thut, was er ihnen verbietet, und der Prälat müßte sich nur schämen, täglich im Angesicht seiner Konventualen etwas zu thun, was er ihnen verboten hat. Abbts oder Vaters erinnerte. Es gäbe immer ein herrliches Gemälde, und verdiente den Pinsel eines grossen Meisters.

Wir wissen zwar, daß diese armen Herren zur Rechtfertigung ihres Reichthums verschiedene Distinktionen der Armuth erfunden haben; aber mit diesen dürften sie 49 bey ihrem Ordensstifter nicht angestochen kommen; denn dieser hat bey Stiftung des Ordens keine Distinktionen gemacht.

Allein die Bettelmönche, wird man sagen, halten doch das Gelübd der Armuth. Nichts weniger! Sie wissen so gut zu distinquiren, als die übrigen Mönche. Oder sollte man diejenigen arm nennen, deren Tafel mit niedlichen Speisen und Weinen besetzt ist, die an allen Bedürfnissen des Lebens Ueberfluß haben, und öfters wohl gar ihre NotpfenningeEs giebt verschiedene Bettelorden, die trotz ihrem Gelübde der Armuth einige hunderttausende im Vermögen haben, und gleich den Juden Wucher damit treiben. in fremde Banken legen?

Einige Bettelmönche haben zwar die Grille, kein Geld zu berühren: allein ihr so genannter geistlicher Vater streichet das reichliche Allmosen für sie ein; und so ist es im Grunde eins, ob ich meine Bedürfnisse selbst auszahle, oder sie durch meinen Kassier auszahlen lasse. Geld ist ja ohnehin nur ein Zeichen, und solang Kapuziner mit ihrem in der halbenSogar unsere Religionsgegner lassen sich mit dem Deo gratias bezahlen, wenn Kapuziner durch ihre Länder reisen. Sie mögen wohl verschiedene Gründe dazu haben; allein die Kapuziner sehen nur auf den Effect. christlichen Welt gangbaren Deo gratias essen und trinken, fahren und reiten, und sich lustig machen können, so wären sie wohl nicht klug, eine andere Münz bey sich zu führen.

Allein eben dieses Deo gratias scheint nun endlich die Regenten aufmerksam zu machen, und man fängt an, die Bettelmönche aus zween Gesichtspunkten für schädliche Glieder anzusehen, die in keinem wohl eingerichteten Staate zu dulden sind: als Bettler: und als Leute, die eine eigene Münz führen; denn man bemerket, daß auch die übrigen Bettelmönche nur dann mit der Landmünze herausrücken, wenn sie mit der Kapuzinermünze nicht recht fortkönnen. 50

Doch unsre Sache war ja nur zu untersuchen, ob die Mönche im Durchschnitte das heilige Gelübd der ArmuthDie vollkommene Armuth, die die Mönche schwören müssen, hat drey Grade: der erste ist, und heißt die Armuth im Besitz (paupertas possessionis) kraft der jeder, der das Gelübd der Armuth ablegt, alle zeitlichen Güter von sich entfernt, auch alles Recht zu denselben nach seiner äusserlichen und innerlichen Wirksamkeit, mit dem Vorsatz und der Bedingung, aus Liebe und Eifer zur Vollkommenheit, auch alle Begierde nach solchen Gütern auszutilgen. Denn der Mönch, der blos mit der äusserlichen Armuth zufrieden ist, und nicht auch die innere sich eigen zu machen arbeitet, sündiget wider sein Gelübd, welches mehr zur innerlichen als äusserlichen Armuth verbindet; so wie auch ohne solchen Vorsatz die Armuth im Geist gar nicht existiren kann. Der zweyte Grad ist und heißt: die Armuth im Gebrauch zeitlicher Dinge (paupertas usus rerum temporalium) kraft der jeder Mönch nicht nur allen irdischen Gütern und dem Recht zu selben entsagt: sondern auch noch wirklich die Neigung zu allem, was überflüssig ist, ablegt. Der dritte Grad ist die Armuth im Affekt; kraft welcher der Mensch wirklich jeden Affekt selbst zu den nöthigsten Dingen ablegt, so daß er diese nur aus dem Beweggrund des göttlichen Willens zur Ueberwindung seines innerlichen Affektes braucht, und selbst alles Nothwendige von ganzer Seele hasset und verabscheut. Dieß ist die vollkommene Armuth im Geiste, zu der sich jeder Mönch verbindlich macht, und folglich allezeit sündiget, so oft er irgend eine Nothwendigkeit dieses Lebens mit wirklichem Affekt braucht, weil er sich durch das Gelübd der Armuth zu allem Gebrauch zeitlicher Dinge unfähig gemacht hat. – – Wer wird nicht lächeln, sagt der Verfasser der treflichen Briefe aus dem Noviziat, wenn er die schöne haarfeine Symetrie des klösterlichen Armuthgebäudes überschaut; den ganzen Plan so ausgemessen auf dem Papier findet, mit allen den subtilen Distinktionen und spekulativen Zick-Zack verkleistert; auf der wahren praktischen Seite aber sieht, daß, wie in vielen andern Fällen, auch hier eine blendende Theorie durch eine ganz entgegengesetzte Praxis hübsch prostituiert wird? halten, und da glauben wir so ziemlich bewiesen zu haben, daß sie es nicht halten.

Gefehlt! ruft man uns hier von verschiedenen Seiten zu: wir halten, was wir geschworen; wir schwören die vollkommene Armuth im Geist.

Ja, wenn es so ist, so müssen wir widerrufen, und eingestehen, daß Niemand sein Gelübd heiliger halte, als die Mönche. 51

 


 


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