Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Siebenzehntes Kapitel.

Ueber die Klosterkeller.

Wenn man gleich den Geist der guten Ordnung sehr selten mehr in den Klöstern antrifft, so hat er sich doch in Ansehung der Klosterkeller in seiner ganzen Reinigkeit erhalten.

Kein Wunder ist es zwar nicht, da alle Klosterobrigkeiten mit recht väterlicher Liebe für dieses unentbehrliche Lieblingsbedürfniß sorgen, denn sie wissen, daß an dem Weinkeller das Leben ihrer Untergebnen, und wohl auch ihr eignes hänge.

Der Wein ist den Mönchen, was den Soldaten der Sold ist. Fehlt es daran, so entstehet Murren im Heer, und die Subordination hinkt.

Daher bestreben sich Prälaten und Prioren diesen Grundpfeiler der klösterlichen Ruhe immer im guten Zustand zu erhalten, und sogar die Bettelmönche legen sich für die Zukunft ganz artige Weinsammlungen an, wenn es gleich etwas auffällt, daß Bettler volle Weinkeller haben; oder wohl gar, wie es in einigen Klöstern geschieht, den Wein wieder verkaufen, den ihnen der gutherzige arme Bauer zu ihrem Gebrauch geschenkt hat.

Wer in Klöstern das Glück hatte, die Weinkeller und die Bibliotheken zu besuchen, wird freylich über den wunderlichen Kontrast grosse Augen gemacht haben, und vollends erstaunt seyn, wenn er den Prälaten oder Prior, der von der ganzen Bibliothek kaum ein paar Bücher zu nennen wußte, das Jahr und Gewächs aller der unzählichen Weinfässer wie das Vaterunser erklären hörte; allein um über so 113 etwas nicht zu erstaunen, gehört nur ein wenig Philosophie und die kleine Ueberlegung dazu: daß Mönche ohne Bücher, aber nicht ohne Wein, oder wenn ein Bierland ist, nicht ohne Bier leben können.

Ausser dem, daß die Weinkeller die Grundfesten der Klöster ausmachen, geben sie zugleich der Abtey oder auch dem Bettelkloster das Ansehen von Reichthum, oder dienen wohl gar zur Lockspeise unerfahrner Klosterrekruten; denn wenn Offenherzigkeit eine Tugend der Mönche wäre, so würden es uns wohl manche bekennen müssen, daß sie keinen andern Beruf hatten, als den Weinkeller.

Wir werden uns also wohl hüten, ihre kostbare Sammlungen von alten Grinzingern, Nußdorfern, Brunnern, Pisambergern, nebst den vollständigen Kollektionen von Tockayern, Champagnern, Burgundern, Kap- und Rheinweinen unter die klösterlichen Misbräuche zu zählen; wohl aber haben wir in Ansehung der Kellerbenennungen eine brüderliche Erinnerung zu machen.

Da nun schon einmal die Klosterkeller in verschiedene Fächer abgetheilet sind, und man es nothwendig gefunden hat, von den vorräthigen Weinfässern förmliche KathalogeMan darf wohl einen guten Theil der Klosterbibliotheken durchgehn, bis man irgend einen auch nur halbvollständigen Kathalog findet; aber es ist nicht leicht ein Kloster, das nicht ein vollständiges Verzeichniß seiner Weine hätte. zu verfertigen, so ist freylich nichts natürlicher, als daß man für diese Fächer und Abtheilungen besondere Benennungen erfunden habe. Sie mögen also ihre Fässer nach Belieben taufen, und sogar dem Prälatenfäßchen den Namen des Prälaten selbst beylegen, auch mögen sie ihre Abtheilungen: Johanneskeller, Theresiekeller, Xaverikeller und dergleichen nennen; denn im Grund sind 114 es doch nur Namen von Menschen, die heilig gesprochen wurden; nur wünschten wir die ärgerlichen Benennungen: Gottvaterkeller, Gottsohnkeller, Gottheiligergeistkeller und Muttergotteskeller aus ihren Weinlisten weg. Solche Benennungen sind ärgerlichEben so ärgerlich scheint es uns, wenn man ein Wirtshaus zur heiligen Dreyfaltigkeit, oder ein anders Haus wohl gar zum blauen Herrgott nennt. Dem Staat gilt es freylich gleich viel, ob sich der gemeine Mann, wenn er nur übrigens rechtschaffen handelt, Gott in der Person eines alten oder eines jungen Mannes denkt; nur müssen diese Begriffe in der menschlichen Natur, aus der sie abstrahirt sind, nicht unanständig seyn. So lang es also keine blaue Menschen giebt, wird die Benennung blauer Herrgott immer ärgerlich bleiben, so wie es in dem Gehirne des gemeinen Mannes und besonders der Jugend schiefe Ideen vom höchsten Wesen erzeugen muß, wenn man erzählt: man habe bey der heiligen Dreyfaltigkeit geschlafen, oder sich bey der heiligen Dreyfaltigkeit einen Rausch getrunken., und verrathen von Seiten der Benenner entweder einen hohen Grad von Unverschämtheit, oder eine gewaltige Ignoranz. Oder haben die guten Mönche diese Benennungen geflissentlich ausgedacht, um etwan die weltliche Macht dadurch zu warnen, daß sie sich ja nicht an einem Weinkeller vergreife, der Gott Vater gehört? 115

 


 


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