Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Neuntes Kapitel.

Ueber Klosterwahlen.

Die Mönche sind doch in allen Stücken von ihren Vorfahrern abgewichen. Man liest in den Ordensgeschichten nichts von Kabalen, durch die sich in unsern Zeiten ihre Nachfolger zu Guardianen, Prioren, und andern geistlichen Befehlshaberposten hinaufzuschwingen suchen; vielmehr steht ausdrücklich geschrieben, daß sie aus Demuth ihre Schultern dem angetragnen Amte entzogen, und immer gleichsam dazu gezwungen werden mußten.

Es machen zwar auch unsre Mönche, nachdem sie nämlich einmal erwählet sind, die Grimase, als fänden sie sich zu der hohen Würde viel zu unwürdig; die ganze Protestation ist aber nichts anders, als das ego non sum dignusDie Anekdote ist ja so ziemlich bekannt, wo der Ritter bey Empfang des Ordens sagte: ego non sum dignus, und der König ihm antwortete: Wir wissen es; allein wir geben euch den Orden in Ansehung unsrer Maitresse., das gewisse französische Ritter bey Empfang des Ordens sagen müssen, um den sie allerunterthänigst ihrer Verdienste wegen angehalten haben.

Wer die krummen Wege kennt, durch welche die Herren zum Ziel gekommen, muß bey sich über diese Prostetation lachen, sie aber zugleich durch die Wahrheit entschuldigen; daß der Mensch, er stecke in welchem Kleid er wolle, bey aller seiner angelobten Demuth, und seinem geschwornen Gehorsam ein herrschsüchtiges Thier sey.

Wir also verzeihen ihnen für unsern Theil gern alle ihre Kunstgriffe, Kabalen, krumme Gänge u. s. w. weil sie 77 Menschen sind, nur müssen sie nicht behaupten wollen, daß sie noch Mönche seyen, und daß sie der heilige Geist bey ihren Wahlen inspirire. Es ist doch höchst ärgerlich, dem heiligen Geist die ungeheure Anzahl despotischer unwissender Prälaten, blödsinniger Prioren, und ignoranten Guardianen auf seine Rechnung zu schreiben, da doch ihre Intriguen, und ihre Parteygängerey bey den Klosterwahlen sogar in der Layenwelt bekannt sind.

Freylich fallen die Schleichwege nicht immer in die Augen, und wenn in manchem Stift der Liebling des Prälaten nach dessen Tod einhellig zu seinem Nachfolger erwählet wird, so sollte mancher glauben, daß doch hier keine Kabale statt habe, und daß die Stimmen einhellig auf ihn fielen, weil er der würdigste war; indessen hat auch hier Politik und List die Karte gemischt, nur weiß man in Prälaturen, wo man feinere Tücher trägt, auch die Minen feiner anzulegen, als in Kapuzinerklöstern; aber man entdeckt sie, wenn man etwas tiefer gräbt.

Sobald sich ein Mönch zum Liebling des PrälatenDa die Wahl eines künftigen Prälaten fast immer auf einen Liebling des vorigen fällt, so ist schon dies ein Beweis, daß sie nur selten den Würdigsten treffen könne. Der würdige Mann hat nicht leicht die Anlage zu einem Liebling eines Prälaten. Zu so einem Geschöpf gehört ein geschmeidiger Karakter, der sich in alle Formen beugt, und eine förmliche Renunzirung auf edles Selbstgefühl. Das Geschäfft eines Prälatenlieblings ist: Sr. Hochwürden und Gnaden alle geistliche und weltliche Arbeiten zu machen; seine Korrespondenz zu führen; die geistlichen Anreden an seine Mönchsversammlung zu halten; die Rechnungen so zu stellen, daß er freye Hand mit Geldern habe, und die Herren Kapitularen doch nichts dagegen einwenden können: die ankommende Gäste zu unterhalten; ihre Denkungsart auszuspüren; die Tugenden seines hochwürdigen Gebieters, die er hat und nicht hat, bey jeder Gelegenheit herauszustreichen; wenn der Herr Prälat im Kapitel eine unbillige Forderung durchsetzen will, die Halbscheid der Stimmen vorläufig zu erschleichen; kurz überall den Lobredner, den Schmeichler und den Klosterspion zu machen. Wer noch mehrere Züge von dem Karakter eines Prälatenlieblings zu kennen verlangt, lese das kleine Werkchen: Der von seinem Ursprunge an bis auf diese Stunde in seiner Blösse dargestellte Mönch, oder Frage: Was sind die Prälaten? worauf die Antwort gegeben wird: Sie scheinen, was sie nicht sind, und sind, was sie nicht scheinen. hinaufgeschwungen hat, ist es ihm ein leichtes die Herzen seiner Mitbrüder zu gewinnen. Er hat hundert Gelegenheiten in Händen sich ihnen gefällig zu machen. Diesem verschafft er ein Ehrenämtchen; jenem die Exposition auf 78 eine Pfarre; derer Wollust in Essen und Trinken besteht, werden auf sein Vorwort öfters zur Prälatentafel gezogen; oder von ihm selbst bey benachbarten Edelleuten zum Schmaus geführet; oft überrascht er das ganze Konvent mit einem unvermutheten Abendtrunk oder Extrawein; sogar die wenigen Mitbrüder, die ihr Vergnügen in Wissenschaften suchen, finden ihren Gönner in ihm – obwohl diese Klasse von Mönchen immer fast gar keinen Einfluß auf die Wahl eines Prälaten hat – – um sich aber noch mehr der künftigen Wahlstimmen zu versichern, bemüht er sich, so viel es sich thun läßt, Anverwandte oder Freunde in das Kloster zu bringen. Es müßte nun nach dem Tod des regierenden Prälatens sehr wunderbar zugehen, wenn nicht die Stimmen einhellig auf ihn fielen. Wenn auch hie und da ein Konventual ist, der seine Stimme gern einem Würdigern gäbe, so zwingt ihn doch die Politik auf die grössere Partey zu treten; oder er müßte nur sich, und selbst den würdigern Mitbruder, dem er sein Votum bestimmte, der unversöhnlichsten Rache aussetzen wollen; denn in den Augen eines jeden Prälaten ist schon dieß ein unverzeihliches Verbrechen, in der Wahl mit gewesen zu seyn.

Mancher Prälat hat aber bey Lebzeiten öfters zwey und drey Lieblinge, und da geht es nun freylich nach seinem 79 Tode toller und unruhiger her, als bey einer pohlnischen Königswahl. Es ist unbeschreiblich, welcher Ränke und Schleichwege sich die Wahlkandidaten bedienen.

Dieser sucht durch vorläufige Klagen über die zu strenge Oekonomie (soll heissen schmutzige Kargheit) des verstorbenen Prälaten, und durch Verheissung besserer Täge seine Mitbrüder zu gewinnen; war aber derselbe ein Verschwender und Schuldenmacher, so werden den Kapitularen tausend schöne Aussichten vorgemahlt, wie dem Kloster, ohne dem Konvent etwas abgehen zu lassen, wieder aufzuhelfen sey.

Andere erschleichen die Stimmen durch ihre Vettern, Muhmen und Bekannte, die von Pater zu Pater laufen, und diesen durch süsse Worte, jenen durch Verheissung einer Ehrenstelle, den andern durch einen Flaschenkeller mit alten Wein, und manchen sogar mit baren Geld zu gewinnen wissen.

Freylich sitzen nun bey jeder Prälatenwahl landesfürstliche Kommissäre; aber wie sollen diese alle diese geheimen Triebfedern aufdecken können, und die Minen auffinden, die noch bey Lebzeiten des vorigen Prälaten angelegt wurden?

Wir dürfen also mit Gewißheit behaupten, daß der heilige Geist bey diesen Wahlen wenig oder nichts zu thun habe, und daß es in der That etwas Seltenes sey, wenn hie und da ein würdiger MannIn jedem Stift sind nur wenige Männer, die in öffentlicher Welt durch eigne Geschicklichkeit ihr Brod zu gewinnen im Stande wären; die aber eben deswegen in ihren Stiftern so unterdrückt werden, daß sie die allgemeine Scheibe ausmachen, worauf alle Galle und Feindseligkeiten vom Prälaten sowohl als den übrigen Dummköpfen abgeschossen werden. Von diesen ist also keine Rede, daß je einer zur Vorsteherwürde Anspruch machen könne. S. eben angeführte Broschüre: Was sind die Prälaten? zum Prälaten erwählet wird; ob sich gleich die Mönche vor der Wahl mit einem Eide verbinden müssen, den Würdigsten zu wählen. 80

Wer die Bettelmönche kennt, wird wissen, daß sie sich in Ansehung der Misbräuche den Vorrang nicht nehmen lassen; es ist also leicht zu vermuthen, daß es bey ihren Wahlen noch bunter und stürmischer hergehen müsse. Man geht hier die nämlichen Schleichwege, nur mit dem Unterschied, daß man mit den Sandalien etwas schwerer auftritt, und daß hier ein paar Schnupftücher, oder auch ein Pfund Schokolade, manchmal auch eine gute Tafel den Prior oder Guardian machen.

Daher giebt es eben sowohl viele Bettelmönchsklöster, als es Prälaturen giebt, in denen über unächte Wahl und Simonie geklagt wird. Allein eben daher kömmt es, daß sich die Gemüther der Mönche nur immer mehr gegen einander verbittern, und sie sich ihr ohnehin elendes Leben wechselweise zur Hölle machen.

Wer kann eine Obrigkeit lieben, die es wider unsern Willen geworden; und wer kann einem Untergebnen gut seyn, der uns seine Stimme versagt hat? Man sieht also in Klöstern gewöhnlicher Weise Zwietracht, Verfolgung und Rache; man sieht Partey gegen Partey entstehen, und Leute, die sich brüderliche Liebe geschworen, vor einander ausspucken.

Und da möchten wir wohl mit mehrerem Recht sagen:

Komm o heiliger Geist, und erleuchte ihre Herzen! 83

 


 


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