Joseph Richter
Bildergalerie klösterlicher Misbräuche
Joseph Richter

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Zweytes Kapitel.

Noviziat.

Daß die Mönche in ihrem Probjahre, oder Noviziat verschiedene Misbräuche eingeführet haben, ist ihnen kaum zu verdenken. Jedes Handwerk hat die seinigen, und man verzeiht es diesen gern, wenn nur der Schusterjunge einen Schuh, und der Schneiderjunge ein Kleid machen lernt.

Seitdem die Mönche die Seelsorge an sich gezogen haben, sollte man doch vermuthen, daß man an dem Noviziat eine Pflanzschule künftiger Beichtväter, Prediger und Seelsorger erkennen werde.

Jeder vernünftige Mann wird sich die Idee machen, daß man den jungen Novizen die Wichtigkeit ihres angetrettenen Standes in ihrem ganzen Umfange vorstelle, und sie, weil das Noviziat ein Probjahr ist, sorgfältig prüfen werde, ob sie wohl genug Menschenliebe, und genug Geduld zu diesem so mühsamen und verantwortungsvollen Amte haben.

Und so wird sich ein vernünftiger Mann in der Person des Novizenmeisters einen Priester von aufgeklärten Verstand, und dem besten Herzen vorstellen, der seine Untergebene mit Sanftmuth behandelt, die Fallenden liebreich aufrichtet, und mehr durch eigne Beyspiele als Worte den jungen Zöglingen auf ihrer unbekannten Laufbahne ein treuer Leiter wird. Von so einem Novizenmeister setzt man dann voraus, daß er die jungen geistlichen Pflanzen, die zu Lehrern des Volkes bestimmt sind, vor allem mit der reinen Lehre der Kirche, ohne anfänglich in das Studium der Kirchenväter hineinzugehen, werde bekannt gemacht haben. Seine Hauptsorge wird aber gewesen seyn, gute Menschen und 40 Bürger aus ihnen zu bilden; denn wer kein guter Mensch und Bürger ist, kann unmöglich ein guter Priester und Seelsorger seyn.

So eine Idee mag sich ein vernünftiger Mann ungefähr vom Noviziat machen; allein die vernünftigen Männer haben auf dieser Welt das Schicksal, daß sie gemeiniglich vom Ziel schiessen. Sie sehen die Dinge an, wie sie seyn sollen; aber nicht, wie sie sind.

Die ganze Vorstellung, die sich diese vernünftigen Männer vom Noviziat machen, ist falsch, und beweiset, daß sie nie ein Noviziat gesehen haben.

Die Mönche haben freylich wider die Vorschrift ihrer Stifter die Seelsorge an sich gerissen; aber die Art, wie sie für die Seelen sorgen, ist bald gelernt, und also bedürfen sie keiner Pflanzschule von Seelsorgern.

Eben so lächerlich ist es, von ihnen zu verlangen, daß der Novizenmeister aus seinen Untergebenen gute Bürger des Staats ziehe.

Niemand kann zween Herren zugleich dienen. Die Mönche haben ihre Existenz dem päbstlichen Stuhle zu danken, werden ganz vom päbstlichen Stuhle regiert, und tragen auch für Roms Interesse die wärmste Liebe; welches alles sie nicht thun könnten, wenn sie gute Bürger des Staats wären, der sie ernährt.

Damit wir aber diese vernünftige Männer recht anschauend überzeugen, wie sehr sie sich in ihrer Meynung vom Noviziat betrogen haben, wollen wir, so weit es der Raum erlaubt, blos die Handlungen anführen, die ein Novize während dem Probjahr verrichten muß. Sie werden dann gerne die Idee vom guten Seelsorger, guten Bürger, und guten Menschen fahren lassen, und einsehen lernen, daß eine Pflanzschule, in der Mönche erzielt werden sollen, gerade so seyn müsse, wie sie ist. 41

Mönch heißt nach der griechischen Herleitung ein einsamer Sonderling; ein Sonderling ist aber kein gewöhnlicher Mensch, und also kann auch seine Erziehung nicht die gewöhnliche seyn. In dem Worte selbst liegt schon die Quintessenz der klösterlichen Erziehungsmethode.

Sobald also der Kandidat in das Kloster tritt, wird er zum Sonderling gemacht. Man schneidt ihm die Haare weg, und steckt seinen Kopf in eine Kapuze.

Damit er aber auch ein einsamer Sonderling sey, wird ihm in dem entlegnesten Theile des Klostergebäudes eine einsame Zelle eingeräumt, die er nicht verlassen darf, ausser wenn er in den Chor, zur Tafel, oder in das Musäum geht, oder eine geheime Nothdurft zu verrichten hat, wozu er aber den Pater Novizenmeister um Erlaubniß bitten muß.

An der Thüre ist eine Oeffnung angebracht, die der Novize während seiner Meditation selbst aufmachet, damit der Novizenmeister sehen könne, was er meditirt.

Die Bücher, aus denen er sich zum künftigen Mönch bilden soll, sind die OrdensregelnIn der religiösen Praxis werden zu einem braven Novize drey Hauptstücke erfordert. Erstens muß ein guter Noviz seyn, wie ein Kind (und das waren sie im wörtlichen Verstand) das ist: Er muß alles recht einfältig und mit guten Herzen glauben, was man ihm immer vorsagt, und ja gar nicht darüber nachdenken, untersuchen oder zweifeln. Zweytens muß er (wie schon im ersten Kapitel gesagt worden) seyn wie ein Narr; das heißt: Er muß glauben, er habe gar keinen Verstand, er kenne nichts, und wisse nichts; er soll nur alles das für wahr oder falsch, für gut oder bös halten, was ihm sein Oberer vorpredigt. Drittens muß er seyn, wie ein Stock im Winkel. Er muß geduldig überall verbleiben, wo man ihn immer hinstellt, und nicht im mindesten dawider murren. Er soll sich auch gar nicht bewegen, ausser nach dem Willen und der Verordnung seines Obern. Aber so wären ja nach den eignen Worten der heiligen Ordenspraxis, die Hauptingredienzien zum künftigen Mönch: ein Kind: ein Narr: und ein Stock., ascetische Schriften, und 42 das Brevier, das er materialiter und also mechanisch muß bethen lernen; aber ist es wohl möglich, das Brevier, so wie es ist, anders, als mechanisch zu bethen?

Schweigen, und die Augen vorunter schlagen sind dann die Tugenden, in denen sich der Noviz immerwährend üben muß. Gott hat uns zwar die Zunge zum Reden, und das Aug zum Sehen gegeben; aber da die Mönche einmal die Unfruchtbarkeit für eine Tugend halten, so kann man es ihnen ja verzeihen, wenn sie auch stumm- und blindseyn unter die Tugenden zählen; obwohl wir Weltleute das eine für ein Zeichen der Dummheit (wenn das Schweigen nämlich übertrieben ist) und das andere (nämlich voruntergeschlagene Blicke) für Merkmale einer schlechten Erziehung, oder wohl auch eines bösen Gewissens halten.

Die übrigen Beschäfftigungen eines Novizen wollen wir kurz zusammen ziehen. Die vornehmsten sind: Meditiren; Lesung ascetischer Bücher; Bethen, und Singen; die Woche zwey- bis dreymal zur Beicht gehen; öffentlich im Kapitel seine Kulpa sagenDiese Kulpa ist eigentlich eine offene Beicht, die der Novize dem Meister in Gegenwart der übrigen Novizen ableget. Die Sünden, deren er sich anklagen muß, sind ungefähr: daß er im Chor um eine Silbe zu früh angefangen; ein Bildchen oder das Brevier auf den Boden habe fallen lassen; mit der Lichtschere von ungefähr an den Leuchter gestossen sey u. s. w. Und für dieses unschuldige Vergehen, wenn mans doch Vergehen nennen soll, muß er von seinem liebreichen Führer eine ganze Fluth von Eseln, Ochsen, und Limmeln anhören. – Man möchte sich bald über diesen Unsinn ärgern, wenn man nicht bedächte, daß die Mönche Sonderlinge sind, die uns eben durch diese Benennungen zu verstehen geben, was sie aus ihren Novizen zu ziehen gedenken.; Manifestazionen machen; ein eisernes Cilizium am blossen Leibe tragen; sich periodisch diszipliniren; bey Tisch auf dem Boden sitzen; Leuchter putzen; Holz- und Wassertragen; Feuer machen; Sekret säubern u. s. w. 43

Es giebt Klöster, wo sie wohl noch eckelhaftere Dienste verrichten müssen; denn der heilige Franziskus von Assise hat in seiner Ordensregel das niederträchtige Speichellecken seinen Brüdern unter einer Todsünde auferlegt.

Wenn man alle diese Beschäfftigungen unter einen Gesichtspunkt bringt, und sich im Novizen einen 14jährigen, unerfahrnen Knaben denkt, so werden die Forderungen von guten Menschen, guten Seelsorger, und guten Bürger wohl von selbst wegfallen, und kein vernünftiger Mann wird aus dieser Pflanzschule etwas anders erwarten, als was wirklich daraus hervorgeht.

Die Noviziate, wie sie sind, ziehen Heuchler, und Schwärmer; und wenn hie und da in Klöstern ein braver Mönch verborgen liegt, der keines von beyden ist, so verdient er gewiß mehr Bewunderung, als der Krieger, der aus der blutigen Schlacht unverstümmelt zurückkömmt; oder der Reisende, der ohne angesteckt zu werden, durch Länder gereiset ist, wo die Pest wütet. 44

 


 

Erklärung des allegorischen Kupfers.

  1. Der obere Theil des Kupfers stellt ein grosses Musäum vor. Im Hintergrund steht ein Altar mit einem Muttergottesbild; denn in Mönchklöstern sieht man selten ein Kruzifix zum Hauptbild.
  2. Ein Franziskaner-Frater schneidet einem Kandidaten, der einen Flügelmantel um hat, die Haare ab.
  3. An einem andern Kandidaten nimmt ein andrer Frater das Maß zur Kutte.
  4. Ein dritter Kandidat steht bereits mit geschornen Kopf da, und besieht sich in einem kleinen Sackspiegel. Seiner Mine nach kömmt es ihm selbst komisch vor, daß er oben einem Franziskaner, und unten einem Stutzer ähnlich sieht.
  5. Ein vierter Kandidat opfert seine abgeschnittene Haare der Muttergottes am Altar auf.

Der untere Theil des Kupfers.

  1. Ein grosses Musäum wie oben.
  2. Der Novizenmeister steht mit gerunzelter Stirne auf der Kanzel, und wirft mit Eseln, Ochsen und Limmeln um sich.
  3. Zween Novizen liegen, die Kapuze über den Kopf gezogen, der Länge lang auf der Erde.
  4. Zween andere sagen schüchtern ihre Kulpa kniend, und mit voruntergeschlagenen Augen.
  5. Die übrigen Novizen stehen mit gesenkten HäupternDie Verbeugung der Mönche ist dreyfach: die simple, wenn man nur den Kopf neigt: die mittlere, wenn man Kopf und Schultern neigt: die tiefe, wenn man sich so beugt, daß man mit den Fingern die Knie erreichen kann. Brief. a. d. Noviz., und kreuzweis über die Brust geschlagenen Händen demüthig im Kreis herum. 45

 


 


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