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Kulturverhängnis der Kleinstaaterei

Es empfiehlt sich nicht, immer nur Weimar zu nennen, wenn man an die Bedeutung der kleinen Residenzstädte für die Entwicklung des deutschen Volkes erinnern will. Man hat zuviel von Weimar und seinesgleichen gesprochen und darüber die hundert andern vergessen, in denen, ungewärmt und unbeleuchtet von der Sonne des Genies, das deutsche Bürgertum verkümmert ist. Es ist wohl wahr, daß sich in den deutschen Mittel- und Kleinstädten durch alle Stürme ein gesunder Mittelstand erhalten hat, aber dieser Mittelstand mußte sich mit der harten Schale des Philistertums umgeben, gewissermaßen versteinern, um unter kümmerlichen Bedingungen fortleben zu können. Wunderbar ist, was in einigen von diesen Städten geistig geschaffen worden ist, aber für jede große Schöpfung wurde immer gleich der Rahmen zu klein. Den großen Eichen des deutschen Waldes wurde hier nicht die tiefe Erde geboten, die sie brauchten, um sich ganz tief einzuwurzeln. Herrliches ist erklungen, aber der Schallraum fehlte. Daher die merkwürdige Erscheinung, daß von manchem, was aus kleinen deutschen Städten ausgegangen ist, die Welt mehr Vorteil hatte als alle Mitbürger zusammengenommen. Sobald es den engen Raum überschritten hatte, wo es sich unter der Sonne der Fürstengunst treibhausartig entwickelt hatte, schwang es sich in Höhen, bis zu denen die Auffassung des zeitgenössischen Pfahlbürgertums nicht reichte. Darum neben dem großen Stück Weltgeschichte, die das Dasein Goethes ausfüllt, das Satyrspiel: »Goethe im Urteil seiner Stadt- und Landesgenossen.«


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