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Das Meer als Quelle der Völkergröße

In der Schule lehrt man uns das nahezu dreifache Übergewicht der Meeresfläche über die Landflächen als eine elementare Tatsache der Natur unseres Planeten kennen. Die Zahlen 28 für das Land und 72 für das Wasser gehören seitdem zu dem eisernen Bestand unseres Wissens. Sind es mehr als tote Größen, deren Anstaunen uns erhebt und ergötzt? Um diesen Zahlen Leben zu geben, müssen wir die Lebensfäden zwischen uns, dem Land und dem Wasser sehen.

Merkt man es aber unserer Naturanschauung, wie sie gang und gebe ist, nicht an, daß die Sprache des Meeres ihr fast gänzlich fremd geblieben? Das Zerstückte, Starre, das die wissenschaftliche Auffassung der Gesamtnatur unserer Erde zu oft verunstaltet, der Mangel an Größe, der unsere Gedanken von der Erde so selten ihr Objekt decken läßt, vor allem aber die gewohnheitsmäßige Zerreißung des natürlichen Zusammenhangs dieses planetaren Lebens und Webens bezeugen zur Genüge die Enge des Gesichtskreises, in welchem diese Fehler heimisch sind.

Nun sieh das Meer! Hier beschränkt dich nicht nur nichts, hier reißt es dich – und wenn du selbst nicht wolltest – mit Gewalt hin, groß, lebendig und zusammenfassend von der irdischen Natur zu denken.

Wer kann sagen, er habe das Meer je ruhen sehen? Selbst wenn es spiegelglatt erscheint, gehen tausenderlei Bewegungen in ihm vor; denn es liegt im Wesen des flüssigen Körpers, daß ihm auch der kleinste Anstoß sich unmittelbar in mancherlei Wirkungen umsetzt und nicht eher zur Ruhe kommt, als bis die Kraft verbraucht ist, die ihm mitgegeben war.

Das Meer ist das größte Ganze an unserer Erde, die größten Erdteile sind darin nur Inseln? unsere Wohnplätze sind von Wasser umgeben, ob sie auch tief im Lande liegen, und an jedem erweiterten Horizont leuchtet das Meer auf. Die geschichtliche Bedeutung dieses gewaltigen Überragens der Meeresfläche für die Vergangenheit und die politische Bedeutung für die Gegenwart sind nicht geringer als die physikalische, die uns längst die Handbücher lehren. Ja, das Meer steht neben dem Land an der Spitze aller politisch-geographischen Betrachtungen. Das Meer als Quelle der Feuchtigkeit in der Luft, die unsere Niederschläge liefert, als Milderer des Klimas, als Mutter unzähliger Brandungswellen, die mit Hämmern und Meißeln die Küsten zertrümmern, das Meer als Hegerin eines überreichen Lebens in allen Zonen und Tiefen: dieses Meer ist ein gewaltiges Stück Natur. Aber wenn ich sage, in einer Wasserfläche von 365,3 Mill. liegen 144,5 Mill. qkm Land in Form von Erdteilen und Inseln, so erhebt sich vor meinem geistigen Auge ein ebenso gewaltiges Stück Menschheitsgeschichte. Von diesen Zahlen gehen meine Gedanken zu dem, was sie für die Völker bedeuten. Wenn das Meer fast drei Vierteile der Erde bedeckt, dann muß, was weltweite Geltung anstrebt, sich mit dem Meere verbinden. Dann kann nur aus dem Meere der Schatz der Herrschaft über die Erde gehoben werden.

 

Alle Staatenentwicklung steht unter dem Gesetz des Fortschreitens von engen zu weiten Räumen.

 

Trennt das Meer zunächst die Länder, so ist doch weiterhin dem Verkehr auf dem Meere selbst keine dauernde Schranke zu setzen. Wenn die Grenzen des Landes Verkehr und Staatenwachstum früh abschließen, zieht das gemeinsame Verkehrsgebiet eines Meeres so weit hinaus, wie die Wasserfläche ungebrochen reicht. Dieses Gebiet ist allen Völkern offen, die es umwohnen. Wenn sie es politisch nicht zu beherrschen wissen, pflegen sie auf ihm ihren Verkehr. Unabhängig von der wechselnden Beherrschung des Meeres oder seiner Teile durch die Uferstaaten gehen in der Tiefe die Berührung der Völker und der stille mannigfaltige Austausch weiter, gerade wie in der Tiefe der Meere die großen Prozesse des Wasseraustausches zwischen Nord- und Südhalbkugel unter wechselnden Zuständen der Oberfläche ruhig fortschreiten. Während sich die Staaten um das Mittelmeer herum befehdeten, blieb das Mittelmeer als eine große, still wirkende Naturmacht vermittelnd und verbindend tätig und machte die Völker an seinen Gestaden einander immer ähnlicher, schuf mittelmeerische Völkerverwandtschaft und Kulturgemeinschaft. Das ist die Einheit der Natur, die die Zersplitterung der Menschen sachte auflöst.

In der Erziehung des Menschengeschlechtes sind kleine Meere die niederen Schulen gewesen, und in großen Meeren vollendete sich die Ausbildung echter Seevölker.

 

Die bedeutendsten, zukunftsvollsten Gebiete der Südhalbkugel vereinigen sich im Stillen Ozean , und was dereinst von einer großen, selbständigen Geschichte der Antipoden sich verwirklicht, das wird seinen Schauplatz vorzüglich im südlichen Stillen Ozean haben. Der Atlantische Ozean hat das meiste beigetragen, den Schauplatz der Geschichte über die Nordhalbkugel auszubreiten, dem Stillen Ozean fällt diese Ausgabe für die Südhalbkugel zu. Eine zweite Tatsache von Bedeutung, die uns hier entgegentritt, ist das Übergewicht Ostasiens.

 

Die erdgeschichtlich und menschheitsgeschichtlich bedeutsamste Stellung nehmen unter den Randmeeren die drei Mittelmeere ein, die zwischen Europa und Afrika, Nord- und Südamerika, Asien und Australien liegen. Ihre im Verhältnis zur Ausdehnung beträchtliche Tiefe, ihre formenreichen Gestade, die Mannigfaltigkeit ihrer Inseln und Halbinseln verleihen ihnen eine hohe natürliche Eigenartigkeit, die im Einklang steht mit der bedeutsamen interkontinentalen Lage. An diese Lage besonders knüpft ihre geschichtliche Rolle an.

Die Ostsee , sechsmal kleiner als das europäisch-afrikanische Mittelmeer, wird in höherem Maße von einzelnen Mächten beherrscht, die den größten Teil ihrer Küsten innehaben. Die Ostsee erinnert mehr an das ähnlich kleine und umschlossene Schwarze Meer mit seinen zwei großen und zwei kleinen Pontusstaaten. Dietrich Schäfer sagt von der Ostsee, sie nehme im Verkehrsleben des letzten Jahrtausends ihre Stelle neben, nicht unter dem Mittelmeere ein; im Verkehrsleben, ja. Aber zur weltgeschichtlichen Stellung fehlt die Lage zwischen den Kontinenten, die ihre Wirkungen auf und über das Meer erstrecken. Als geschlossenes Gebiet einer intensiven Entwicklung des Seeverkehrs innerhalb ihres Beckens und land- wie seewärts darüber hinaus zeigt natürlich die Ostsee nicht wenig Analogie zum Mittelmeer, selbst im Gange der neueren Geschichte. Die großen Völker- und Warenbewegungen der Kreuzzüge haben im Mittelmeer wie in der Ostsee das Städtewachstum gefördert; hier wuchs besonders Lübeck durch die Fahrten nach Livland und Preußen wie dort Venedig. Es fällt in dieselbe Zelt eine künstlerische Entwicklung, die im großen Zuge den südbaltischen Städten etwas Mediterranisches aufprägt. Aber während das Mittelmeer am Südrande Europas vom Westrand bis zum Ostende Europas und Afrikas zieht, ist die Ostsee nur der letzte, östlichste, sackartig geschlossene Ausläufer einer großen, vor dem mittleren Europa liegenden Ausbreitung des Atlantischen Ozeans. Auch in dieser beschränkten Lage ist sie eher mit dem Schwarzen Meere als dem ganzen Mittelmeere zu vergleichen. Die Ostsee liegt hinter der Nordsee wie das Schwarze Meer hinter dem Ägäischen, beide liegen an der Schwelle Osteuropas; aber allerdings öffnet sich breit nach der Nordsee der Ozean, dessen Strömungen und Verkehrsströme bis in die Ostsee hineinbringen. Die Ostsee steht deshalb trotz ihres salzarmen Wassers politisch-geographisch dem Ozean näher als das Mittelmeer.

Gerade wegen dieser Verbindung ist der Nordostseekanal , mehr noch als ein großer Verkehrsweg der Nord- und Ostseeländer, eine Lebensader des Deutschen Reiches. Haben wir ihn doch aus derselben Wurzel sich entwickeln sehen, wie Deutschlands neue Seemachtstellung und das Reich selbst. Die Zukunft wird ihn von demselben Lichte geschichtlicher Bedeutung umflossen sehen, in dem uns der Sund beim Rückblick auf die Hansa erglänzt. Selbst der Elbtravekanal, der seit 1900 Hamburg mit Lübeck verbindet, kräftigt Deutschlands atlantische Stellung in der Nordsee durch die doppelte Erschließung baltischer Machtquellen von Westen her.

Die Nordsee ist weder so engräumig noch so fest umschlossen wie die Ostsee. Sie ist weniger »inneres Meer« als vielmehr Durchgangsmeer. In der Lage der Nordseemächte kommt es daher vor allem auf die Entfernung vom Atlantischen Ozean an. Nordseemächte, die zugleich am Atlantischen Ozean liegen, wie Großbritannien und Norwegen, sind besser daran als Mächte, die nur an das Nebenmeer grenzen wie Deutschland, Dänemark, Holland und Belgien. Unter diesen sind Belgien und Holland durch die Nähe am Tor des Kanales begünstigt, der in das Atlantische Meer hinausführt. Darin, daß sie an der Nordsee und an der Ostsee liegen, ist die Verflechtung der Geschicke Dänemarks und Deutschlands begründet. Und wie die Schwierigkeiten des Verkehrs zwischen Nord- und Ostsee einst die wendischen Städte zum Kern der Hansa machten, so haben sie die Schaffung einer deutschen Seemacht an den Besitz Schleswig-Holsteins geknüpft.

Deutschlands Lage zum Meer wird immer eine zurückgeschobene Lage an einem Ausläufer des Atlantischen Ozeans sein. Seine Lage ist insofern auch eine mittelmeerische, ohne unmittelbaren Lageanteil am Atlantischen Ozean. Italien hat ein größeres Meer vor sich, mit weiteren und verschiedenartigeren Ländern von kontinentaler Größe. Aber die deutschen Meere haben bessere Ausgänge zum Ozean. Die zurückgeschobene Lage Deutschlands macht sich indessen greifbar im Verkehr geltend.

 

Es gibt kein Meer, dessen Herrschaft nicht einmal von irgendeiner Macht in Anspruch genommen worden wäre. Wenn sogar der Versuch unternommen ward, das Weltmeer zwischen den beiden Staaten der Iberischen Halbinsel zu teilen, so war es bezeichnenderweise das weltumfassende Papsttum, das unter Alexander VI., 1493, diesen großartigen Plan ersann.

Übrigens sind derartige Ansprüche immer seltener erhoben und immer entschiedener bekämpft worden. Es sind immer mehr nur Forderungen, nur Worte. Die Entwicklung wird hier nicht stehenbleiben. Das Meer an sich kann nicht erobert werden. Man wird vielmehr sagen können, daß mit jedem Schiff, das neu aufs Meer gesetzt, mit jedem Hafen, der begründet, mit jedem Seeweg der eröffnet wurde, die Aussicht auf die Umfassung irgendeines Meeresteiles durch eine einzige Macht geringer geworden ist. Mit jedem Schritt derart wuchs ein Interesse am freien Meer, das ein wahres Weltinteresse ist.

 

Der Einfluß vorspringender Küsten breitet sich über das ganze Meer aus. Ein Land, das vorspringt, engt das Meer ein und nähert sich der gegenüberliegenden Küste. Die Linien des Längsverkehrs werden zusammengedrängt, die Linien des Querverkehrs verkürzt, und beide Länder, die so einander nachbarlich gegenüberliegen, gewinnen füreinander an politischem Wert.

So groß und einfach wie das Meer selbst ist auch die Beherrschung des Meeres . Ihr Grundmotiv kann man in die Worte fassen: Das Meer ist nur der Weg. Das will besagen, daß das Meer den Verkehr erleidet, der über es hin seine Wege sucht. Es trägt ihn, aber es trägt nichts dazu bei. Das Meer ist der Weg: es ist passiv gegenüber den Ereignissen, die vom Lande her über es hinzucken. Es erleichtert den Verkehr, den Krieg, die Telegraphie, aber sie alle gehen zwischen zwei Landgebieten durch das Meer hindurch. Nur für die Fischerei und einige verhältnismäßig unbedeutende Industrien, wie Seesalzgewinnung und ähnliche, ist das Meer an sich ergiebig. Mit dieser Passivität des Meeres hängt eng das eigentliche Gesetz der Seeherrschaft zusammen, das im Seeverkehr wie im Seekrieg Geltung hat: Große Macht von kleinem Raum aus geübt mit weitreichendem, augenblicklichem Erfolg, abhängig von vereinzelten großen Entscheidungen.

Passiv gegenüber den Versuchen des Menschen, es wirtschaftlich und politisch zu beherrschen, gleichsam ein abstrakter Raum, übt das Meer höchst bedeutsame Wirkungen, wo es auf den Geist des Menschen trifft. Alle Kraft der Völker mißt sich im Ringen mit anderen Völkern und mit der Erde, das heißt: sie mißt sich am verwandten Leben oder an der fremden Natur. Darin liegt aber der große Unterschied zwischen diesen beiden Kämpfen, in denen sich die Erziehung der Völker vollendet, daß aus der Natur neue Kräfte in ein Volk übergehen, während im Ringen mit Völkern die Kraft eines Volkes in die Gegner übergeht. Das ist nun das einzige und Hervorragendste der Seevölker, daß sie immer aus der größten Natur schöpfen. Der Kampf mit der Natur ist grundverschieden und hat grundverschiedene Ergebnisse auf dem Lande und auf dem Wasser.

Das Meer wird niemals gänzlich unterworfen. Aus endlosen Horizonten wächst ein großer Zug von Kühnheit, Ausdauer und Fernblick in den Geist und Charakter der Seevölker hinein. Seevölker haben am wesentlichsten beigetragen zur Vergrößerung der politischen Maßstäbe. Die enge territoriale Politik ist in ihrem Wesen nach kurzsichtig; das weite Meer erweitert den Blick nicht bloß des Kaufmanns, sondern auch des Staatsmannes. Nur das Meer kann wahre Weltmächte erzielen.

 

So mildert ein großer Zug die Härte der kleinen Erwägungen, die vor allem von dem keiner Seemacht fehlenden Handelselement herstammt. Die beiden gehen aber nebeneinander. Und daher die schwer verständliche Doppelnatur der Seevölker , in der der höchste nationale Egoismus mit dem weitesten Kosmopolitismus, die kleinlichste Gewinnsucht mit dem weitesten Verständnis der Interessen der Allgemeinheit gepaart ist. Das Meer grenzt als ein Gebiet internationaler Politik hart an die national sich in sich abschließenden Länder. Es zieht sich zwischen sie hinein, trennt die nationalen Gebiete voneinander und trägt sogar den internationalen Charakter auf kleinere Landstrecken und Landengen über.

Das Meer ist eine Quelle politischer Kraft für jedes Volk, das sich ihm anvertraut.

 

Es ist etwas von der Natur des Meeres in der Geschichte der Völker, die kein selbständiges und bodenständiges Leben für sich haben, an dem sie ruhig fortbauen, sondern vergängliche Beherrscher und Vermittler entlegener Völker und Kulturen sind.

 

Das Meer, das trennt und verbindet, wird eben dadurch zum Träger des Fortschritts in der Geschichte. Einförmigkeit ist Stillstand, nur im Unterschied liegt Bewegung. Leben ist auf allen Stufen Auflösung von Gegensätzen. Zum Leben gehört ebenso notwendig, daß Unterschiede sich bilden, als daß Unterschiede sich ausgleichen.

Der geschichtliche Wert eines Volkes liegt daher zu einem großen Teil in dem, was es andern zu geben imstande ist.

 

Wenn die Seemacht verkennt, daß das Meer nur Weg und nicht Machtquelle ist, so gewinnt das Meer sich die Macht zu eigen, die das Meer unterwerfen wollte. Je entschiedener ein Volk das Meer beherrscht, desto fester hält das Meer dieses Volk.

Erfolge täuschen über die Unfähigkeit des Meeres, dauernd eine große Macht allein zu tragen, und führen zu der gefährlichen Verlegung des Schwerpunktes in das Meer.

Jede Seemacht verfällt dem Monopolismus.

Es liegt auf der Hand, daß die günstigsten Bedingungen für die Festhaltung einer großen Macht mit geringen Mitteln sich vor allem auf Inseln verwirklichen, daher die Seemächte in irgendeiner Weise Inselmächte sind. Festlandstreifen am Meere können bei dem allgemeinen Drängen der Staaten und des Verkehrs dem Meere zu niemals in Abgeschlossenheit verharren.

Nur als Inselland konnte sich z. B. Japan so rasch zur bedeutenden Seemacht entwickeln.

Die Vorteile ihrer Stellung suchen Inselmächte zu vervielfältigen, indem sie sich auf Inseln wiederum stützen. Da Mächte mit den Mitteln sich erhalten, durch die sie entstanden sind, ist den Inselmächten dieser Weg klar gewiesen. England hat Tausende von Inseln in seinem Besitz und beherrscht von Inseln aus weite Meere und Länder.

Der politische Wert der Inseln ist also nicht nach dem Raum zu schätzen, und ebenso ist auch wichtiger als ihr Raum die Lage der Inseln zu ihrem Lande oder zu Nachbarländern.

 

Sobald die Elemente des Seeverkehrs gegeben waren, erwiesen sich die Wege zu den Inseln leichter für alle mit Floß oder Boot, Stange oder Ruder Ausgerüsteten, als gleich lange Wege im Binnenland. Kein Gebirge, keine Wüste, kein Sumpf trennte den, der einmal den Wasserweg beschritten hatte, von seinem Ziel. So fügt sich die Aufgeschlossenheit der Inseln für alle Schiffahrtkundigen zu der Abschließung, die gegen alle anderen bestehen blieb. Die Erreichung der Inseln blieb in weite Gebiete ein Monopol der Seevölker, die daher früh eine unerhörte Verbreitung über inselbesäte Meeresräume gewinnen konnten.

 

Inseln werden durch ihre Lage zwischen größeren Verbreitungsgebieten Sammelpunkte verschiedenster Völker . Kleine Inseln verlieren darüber jeden eigenen ethnischen Charakter und damit natürlich auch die politische Selbständigkeit) große erhalten ununterbrochen Zufuhr neuer Elemente, die in dem festen Rahmen meist rasch sich dem Organismus eines größeren Inselvolkes eingliedern, zumal Massenzuwanderungen schon durch die Schwierigkeit der Seefahrt selten sind.

Wo Schiffe aller Völker fahren, da sammeln sich auf den ozeanischen Inseln auch Trümmer aller Völkerschaften, wie angeschwemmt.

 

Die unvergleichlichen Vorteile der Inseln begleitet wie ihr Schatten der von ihrem eigensten Wesen unzertrennliche Nachteil des engen Raumes . Kommende Geschlechter werden vielleicht den Traum eines Staates Amerika Wirklichkeit werden sehen, der den Erdteil und damit die zweitgrößte Weltinsel ausfüllt. Der Zusammenschluß der australischen Kolonien zu einem Bunde verbindet zum erstenmal eine wahrhaft kontinentale Weite des Raumes mit den Vorzügen der insularen Lage und Begrenzung.

Wie kein anderes Reich hat das britische die Schranken des Raumes überwunden, indem es von seinen Inseln zu Festländern fortschritt. Aber die Gefahr der Beladung mit politisch nutzlosen Gebieten liegt sehr nahe, deren Ausdehnung außer allem Verhältnis zu dem Mutterlande wächst und allzu leicht dessen Gleichgewicht ins Schwanken bringt, wenn der große Unterschied zwischen leichtem Erwerb und schwierigem Festhalten nicht früh genug erkannt wird.

 

Die Vorteile des Meeres sind ein Schatz, der an jedem Gestade liegt. Ruhte er in einem Zeitalter, so hat ihn bald ein anderes gehoben. Die Geschichte zeigt, daß die Seevölker immer zahlreicher geworden sind, und damit sind auch immer mehr Küstenstrecken in den Bereich des Verkehrs gezogen worden. Viele davon sind zur Heimat neuer Seevölker geworden, und die Ausbreitung ist so gewachsen, daß reine Landmächte, wie das Fränkische Reich und das Deutsche Reich des Mittelalters, heute ebenso undenkbar sind wie jene reinen Seemächte, die das Monopol des Seeverkehrs besaßen.

 

Der Begriff » Großmacht « hat in der Anwendung auf Mächte, die nur Landmächte sind, schon heute etwas vollkommen Veraltetes.

Die alten Gesetze des Staatenwachstums herrschen fort. Ein Staat entwickelt sich im Wettbewerb mit einem anderen oder mit mehreren, wobei die Kampfpreise in Gebietsteilen bestehen. Nachdem einmal die Bedeutung des Bodens als Machtquelle erfaßt war, wurde das Wachstum der Staaten ein Kampf um Boden. Der größere Raum eines Nachbarstaates bewegt den kleineren Staat zu dem Streben, durch eigenen Raumerwerb den Unterschied auszugleichen. Das ist der Anfang des nie zum Abschluß kommenden Größenwachstums der Staaten, das jeden Augenblick das politische Gleichgewicht anstrebt, um es jeden Augenblick zu stören. Dieses Streben wird nie ruhen, denn Machtunterschiede werden immer bestehen. Man kann es kurz bezeichnen als das Streben eines kleineren Staates, dem größeren nachzuwachsen. Dieses Gesetz des Staatenwachstums erstreckt sich auf alle zugänglichen Machtmittel. Und so wird nun eine neue Epoche durch die fast plötzlich allgemein gewordene Einsicht bezeichnet, daß das Meer eines der größten Machtmittel ist.

Das Ideal einer großen Politik, der einzigen, die die Gründung einer Weltmacht anstreben kann, liegt in der Verbindung der kontinentalen und der ozeanischen Motive. Das Weiträumige, Umfassende ist beiden gemein, und einer Seemacht, die ihre Wege lang genug standhaft verfolgte, fällt Landbesitz notwendig zu.

Die ozeanische Seite einer Landmacht mag noch so groß sein, es wechseln doch naturgemäß in ihrer Geschichte kontinentale und ozeanische Perioden ab.

In größeren Ländern ringen die Land- und Meerinteressen miteinander, bis eine sich losringt und die Vorherrschaft erwirbt.

 

Der Seekrieg verneint die auf dem Lande geltenden Machtanschläge.

Auch die Kriege haben, wie alle Tätigkeiten der Menschen, eine Entwicklung von kleinen zu großen Räumen vollzogen. Der Seekrieg bedeutet in dieser Entwicklung den Höhepunkt. Er setzt voraus und erzielt die Bewältigung und Beherrschung des größtmöglichen Raumes mit den Waffen; aber die Entscheidung über diese Bewältigung kann nur auf engem Raum fallen. Daher eine merkwürdige Verbindung von großräumigen Entwürfen und Ergebnissen mit kleinräumigen Entscheidungskämpfen. Je mehr die Kriege aufs Meer verlegt werden, um so rascher erfolgen die Entscheidungen; um so unerträglicher wird auch eine lange Dauer des Krieges durch die Unterbindung der Seeverbindungen. Die Verlegung eines Teiles der Entscheidung auf das Meer muß die Kriege verkürzen.

Der Schritt aufs Meer leitet den zweiten Abschnitt der Beziehungen des Menschen zum Meere ein. Er begann bescheiden, mochte zuerst zum Zweck des Fischfanges versucht worden sein und wurde erst kühner, als es galt, lockende Gestade zu erreichen, die in Sicht lagen. Aber von kleinen Anfängen führte er zur Verdreifachung des Bodens der Geschichte.

Aus dem uranfänglichen Schutzmotiv war das politische Verhältnis zum Meere emporgekeimt.

Jedes große Volk, jeder mächtige Staat strebt ans Meer und aufs Meer.

Diese Bewegung wird fortschreiten, vielmehr es wird der Weltverkehr diese Bewegung vorwärts treiben. Sie wird vor allem das politische Angesicht Europas umgestalten.


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