Georg Queri
Die Weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter von Polykarpszell
Georg Queri

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Auch Fräulein Schweck ist keine Dichterin.

Ich blätterte hastig – doch, da sah ich Verszeilen, Verszeilen!

Aber mein Mut war gesunken. Konnte er sich wieder beleben? Alte Jungfern dichten anders als junge Egidiusse. Vielleicht waren alle meine Träume nun umsonst geträumt.

Gedichte eines Naturburschen – – ja, die Roßäpfel von einem Altetantenpegasus hatte ich gestohlen. Nichts anderes.

Eine Röte fühlte ich in meinem Gesichte auftauchen, eine flammende Zornröte. Diese Ursula Schweck! Das Dichten soll sie fein bleiben lassen, die!

Tja – – und das sind ja nicht einmal Gedichte, diese Verszeilen!

Das sind ja Litaneien!

Litaneien hat sie abgeschrieben – –

Die Allerheiligenlitanei.

Die Lauretanische Litanei.

Die Litanei zum Herzen Jesu.

Die Litanei zum Allerheiligsten.

Und noch ein Dutzend Litaneien.

Die Putzfrau der Schwabinger Brauerei ist keine Dichterin . . .

Ich bekam einen Wutanfall.

»Gidi«! brüllte ich.

»Was willst?« hörte ich.

Wer da neben mir so schrie, das war er schon, der Gidi. So, wie er vom Düngeraufladen weggelaufen war, so stand er vor mir, hemdärmelig und schmutzig, und erfüllt von Gerüchen.

Aber: warum war er von der Arbeit weggelaufen?

»Wem dees Büachl ghört, frag ih«? schrie er drohend.

»Aber Freund Gidi!« versuchte ich zu lächeln.

»Dir gieb ih na schoh an Freund!« brüllte er. »Du verstohlner Stadtfrack, du spinneter. Gibst mei Büachl her, dees wost gstohln hast?«

Er legte die Mistgabel wie eine Lanze ein. Wie die Hulanen mit den gschpitzigen Lanzen, von denen er einmal geträumt hatte.

Ich entschloß mich sofort zur Herausgabe des Buches. Aber ich reichte es ihm so hin, daß er mühelos das Gedicht auf Pagina Eins hätte lesen können: wo mir dises Bichlein aber widerbringd.

Bei Gott, er las es nicht. Er schwang die Mistgabel wie ein Ulan, der Gidi.

Ich vergaß, daß er wegen Krampfadern und Satthals militärfrei geworden – und floh.

Unmöglich konnte er mich mit seinen schweren Stiefeln einholen. Aber die Mistgabel warf er mir nach, diese Mistgabel.

Glücklicherweise flog sie an mir vorbei. Als ich ihre spitzen Zinken so blitzen sah, da ging's hell in mir auf: was da so blitzt, das ist sie ja! Das ist ja die Seele des Egidius Pfanzelter!

* * *

Und ich erfaßte diese Seele und machte sie mir zu eigen. Ging hin auf den Jahrmarkt und kaufte mir eines der dickleibigen Notizbücher.

Und mit der Seele des Pfanzelter Gidi schrieb ich die polternden, krummen Polykarpszeller Verse hinein.

Georg Queri


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