Georg Queri
Die Weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter von Polykarpszell
Georg Queri

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Weitere Meditationen, welche aber jäh beschlossen werden.

Auch mußte ich meine Person in das Zukunftsbild hineinmalen. Selbstverständlich.

Was wäre Egidius Pfanzelter ohne mich?

Lediglich: der Gidi. Ein Bauernknecht, der in Diensten des Krautgartl Karpus Mist aufladen muß;

ein Zivilist, der wegen Krampfadern und Satthals militärfrei geworden;

der illigetime Sohn der Anastasia Pfanzelter zu Polykarpszell;

vielleicht noch der Erbe der Tante Ursula Schweck – sonst nichts.

Aber durch meinen Spürsinn, durch mein literarisches Ahnungsvermögen und durch meine Freundschaft: ein Dichter, den sie bestaunen.

Und wenn ein Dichter bestaunt wird – für einen solchen Dichter fällt was ab, jaja!

Und meine Verbindungen, meine Mitgliedschaft in literarischen Vereinen!

Prozente!!!

Da fällt mir das Wort ein, das ich liebe: Prozente!

Alle Theateragenten nehmen Prozente; alle Geldverleiher, die ihr von Gott gegebenes Pfund wuchern lassen. Und ist Egidius Pfanzelter nicht das Pfund, das der liebe Gott in meine Hände gab?

Darf ich mein Pfund begraben? Es wäre unvorteilhaft; auch ließe sich Egidius Pfanzelter trotz Krampfadern und Satthals kaum begraben.

Und dann eben die Prozente . . .

Man könnte fünf oder zehn nehmen. Wenn man aber bedenkt, daß Egidius ohne mich nichts ist, denn ein schwankendes Rohr im Winde: der Gidi, der unbekannte Gidi, so genügen zehn Prozente kaum.

Auch dreißig nicht; auch nicht vierzig. Man könnte die Honorare so teilen: er die Hälfte, ich die Hälfte.

Oder wenn ich sage: Gidi, dichte du bei mir zu Hause! Du wirst gut essen, gut trinken, gut rauchen und gut wohnen. Taschengeld – natürlich sollst du Taschengeld erhalten, Gidi! Und diese Bauernarbeit sollst du nicht mehr machen. Nur Verse, Gidi.

Ich sage euch: Egidius würde einen Luftsprung machen, daß die Krampfadern springen; er würde jauchzen, daß der Satthals bersten muß.

Vorsicht! Vorsicht – dem Manne muß man sein Glück schonend beibringen.

* * *

Bevor ich das Büchlein abermals aufschlug, ließ ich die Reihe der Verleger vor meinen Augen aufmarschieren. O, ich suchte nicht unkritisch unter ihnen. Ich suchte den Kapitalskräftigen, den Leibverleger der Großen, dessen neue Bücher wie warme Semmeln ausverkauft werden.

Auch dachte ich an das Copyright und besann mich auf lückenlose Verträge.

Ich wollte nicht umsonst lange um diesen Egidius Pfanzelter gebuhlt haben, bis seine Seele entdeckt war – die ich nun in meiner Hand hielt.

Dickbäuchige, schlecht gebundene Seele!

Ich schlug den Buchdeckel zurück.

Schon ein Gedicht, schon ein Gedicht! Ich las den Text von Pagina Eins des Taschenbuches – und errötete.

»Wo mir dises Bichlein stielt
Is ein Dieb
Wo mir dises Bichlein aber widerbringd
Hab ich lieb!«

Hm. War ich gebrandmarkt? Nein. Ich hatte ja wohl keinen Diebstahl im Sinn. Ich wollte das Ding jedenfalls wieder zurückgeben, gewiß. Und dann mußte eben der Passus zur Anwendung kommen:

»Wo mir dises Bichlein aber widerbringd
Hab ich lieb . . .«

Und darunter stand – ja, das mußte wohl der Name des Eigentümers sein.

Ja, des Eigentümers?

Es stand aber nicht darunter: Egidius Pfanzelter.

Herrgott, das stand nicht darunter!

Nein.

Deutlich stand es da: Ursula Schweck . . .

Also Tante Ursula; die unrechte Schwester der Anastasia Pfanzelter; die Erbtante; die Putzfrau von der Schwabinger Brauerei.

Ich hatte die Seele einer verdorrten Jungfrau gestohlen!

Dichtete diese Seele?


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