Georg Queri
Die Weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter von Polykarpszell
Georg Queri

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Aus dem Leben des Egidius Pfanzelter

Was über seine Mutter Anastasia Pfanzelter zu sagen ist.

Als Anastasia Pfanzelter, Oberdirn beim Pischetsrieder zu Polykarpszell, Mutter geworden war, begab es sich, daß sie irre redete. Infolgedessen wurden die Nachforschungen nach des Egidius Vater sehr erschwert und verlangten vom Bürgermeister der Polykarpszeller Gemeinde wesentliche Schreibarbeit, die aber kein Erfolg belohnte.

Und eines Tages legte der Bürgermeister die Feder nieder und schloß seine Nachforschungen nach des Egidius Vater ab.

Egidius blieb vaterlos.

Aber die mündliche Ueberlieferung entnahm den Erzählungen der Anastasia Pfanzelter einige Aeußerungen, denen zufolge Egidius vielleicht der Sohn eines Stromers ist, vielleicht der Sohn eines Großbauern mit achtundvierzig Stück Hornvieh und fünfthalbhundert Tagwerk gerodetem Grund und einhundertzwanzig Tagwerk Wald; vielleicht der Sohn des Wirtsmetzgers Sebastian Ottl, welcher am heiligen Fronleichnamstag in Machtlfing erstochen wurde; vielleicht der Sohn eines Jägers; vielleicht der Sohn eines Prinzen.

So irre redete die Anastasia Pfanzelter, als man sie über die Vaterschaft befragte.

Da sie schwangeren Leibes gewesen, hatte sie das erzählt: wie sie auf dem Himmelreichanger in der Mintrachinger Flur Grummet gemäht habe; wie ein wandernder Uhrmachergeselle aus dem Preußischen sich ihr genähert und sie betört habe. Unter der Eiche am Widdersberger Rain und zwar zwangsweise.

Aber Religion, Name und Wohnort des preußischen Uhrmachers konnten vom Bürgermeister zu Polykarpszell nicht ergründet werden.

Gleichwohl gebar die Anastasia Pfanzelter am Sankt Annatage im Jahre 1874 einen Knaben, der in der heiligen Taufe den Namen Egidius erhielt. Egidius, das ist: – aber ich weiß nicht mehr, welche Bedeutung der Name hat.

Als aber der Taufschmaus stattfand, erinnerte sich die Pfanzelter, daß sich ihr in der fraglichen Zeit der Tiefenbacher Barthl in sündhafter Weise genähert habe, bei der Erdäpfelernte in Siebenmoos. In der Vesperzeit unter den Weiden am Würmufer. Ein Zwang war nicht ausgeübt worden.

Aber der Tiefenbacher verhielt sich ablehnend, obwohl er ein lediger Bursche war und für seine achtundvierzig Stück Hornvieh und fünfthalbhundert Tagwerk Grund eine Bäuerin hätte brauchen können.

Auch der Wirtsmetzger Sebastian Ottl, der aus dem Niederbayerischen stammte und in Machtlfing bedienstet war, konnte nicht herangezogen werden. Der Schneiderramsl Girgl hatte ihn erstochen. Die Anastasia Pfanzelter erzählte, daß sie mit dem teuern Verblichenen zu Jakobi getanzt habe. Die Zeugung geschah am Heuboden des Oberen Wirtes. Auch hier lag kein Zwang vor.

Des ferneren erzählte die Pfanzelter von einem Vorfall, der in einrechnungsfähiger Zeit im Boschet bei Garching stattfand anläßlich der Hofjagd. Er trug ein Gewehr und einen grünen Hut. An einen Zwang könne sie sich nicht erinnern.

Auch die Prinzen, die zur Hofjagd in die Garchinger Auen kommen, haben Gewehre und grüne Hüte.

Aber die Anfrage des Polykarpszeller Bürgermeisters betreffend den illeg. Egidius Pfanzelter erfuhr seitens der königlichen Hofjagdintendanz den kurzen Bescheid: Der in Betracht kommende Jagdgehilfe Balthasar Schmid von Oberwarngau kann sich einer Anastasia Pfanzelter nicht erinnern. Auch seien weitere Alimentationsabzüge vom Gehalte des oben Bezeichneten nicht mehr zulässig.

So blieb Egidius vaterlos.


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